Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230301/2/Br

Linz, 31.05.1994

VwSen - 230301/2/Br Linz, am 31. Mai 1994 DVR.0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn S. K. D., vertreten durch Dr. B., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion L., vom 25. April 1994, Zl. St.-2.424/94-B, zu Recht:

I. Der Berufung wird insofern F o l g e gegeben als unter Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird. Der Spruch hat zu lauten: "ab 2. Dezember 1993 (der Zustellung des Bescheides vom 9. November 1993) bis zum 21. Jänner 1994 (der Zustellung des Beschlusses über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung) als Fremder illegal im Bundesgebiet der Republik Ísterreich aufgehalten, weil Sie nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung gewesen sind." Rechtsgrundlage:

§. 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 - AVG iVm §. 21, §. 24, §. 51 Abs.1 und §. 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 666/1993 VStG.

II. Es entfallen daher sämtliche Verfahrenskostenbei- träge.

Rechtsgrundlage: §. 64 Abs.1 und 2, §. 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion L. hat mit dem Straferkenntnis vom 25. April 1994, Zl.: St.-2.424/94-B, wider den Berufungswerber wegen der Übertretung nach §. 82 Abs. 1 Z4 iVm §. 15 Abs.1 Z2 FrG eine Geldstrafe von 3.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit fünf Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er sich als Fremder im Sinne des §. 1 Ziffer 1 des Fremdengesetzes seit 17. 10.1991 unrechtmäßig im Bundesgebiet Österreich aufhalte, da in seinem Reisedokument kein Sichtvermerk eingetragen gewesen sei.

1.1. Begründend führt die Erstbehörde im wesentlichen aus, daß die zur Last gelegte Übertretung durch die Anzeige der fremdenpolizeilichen Abteilung der Erstbehörde vom 3.2.1994 erwiesen sei. Er sei deshalb mittels Strafverfügung vom 17.2.1994 bestraft worden. Auch habe er in seinem durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter eingebrachten Einspruch diese Übertretung keineswegs bestritten. Weder eine Notstandssituation noch die aushilfsweise herangezogene Bestimmung des §. 21 VStG könne zur Anwendung gelangen, zumal die Voraussetzungen hiefür nicht vorlägen bzw. nicht in Betracht kämen. Die behauptete Verfolgung in Ghana sei als Schutzbehauptung zu qualifizieren, zumal bereits in Ungarn Schutz vor Verfolgung erlangt worden sei. Es könne auch nicht die Rede von einem geringfügigen Verschulden sein, wenn sich der Berufungswerber nach Monaten seines Aufenthaltes in Österreich noch immer nicht darum gekümmert habe, daß ihm ein Sichtvermerk erteilt werden hätte können. Zumal der VwGH u.a. in seiner Entscheidung vom 29.4.1985, Zl. 84/01/0381 ausgesprochen hat, daß ein länger dauernder Aufenthalt als nicht unbedeutende Übertretung zu qualifizieren sei, sei eben die Anwendung des §. 21 VStG ausgeschlossen.

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht am 10. Mai 1994 der Post zur Beförderung und am 11. Mai 1994 bei der Erstbehörde eingelangten Berufung.

2.1. Inhaltlich führt er aus, daß er erstens Verfolgungsverjährung hinsichtlich jenes Tatzeitraumes einwende, welcher länger als sechs Monate vor Setzung der ersten Verfolgungshandlung liege. Insoweit dürfe kein Schuldspruch erfolgen; Zweitens sei es unrichtig, daß er sich seit 17. Oktober 1991 unrechtmäßig in Österreich aufhalte. Er habe nach seiner Flucht fristgerecht um Asyl angesucht und sei ihm daher vorläufige Aufenthaltsberechtigung bis zum Abschluß des Asylverfahrens zugekommen. Nach Zustellung des zweitinstanzlichen negativen Asylbescheides habe er fristgerecht Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, welcher mittlerweile die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei. Er halte sich daher rechtmäßig in Österreich auf; Drittens und viertens berufe er sich hilfsweise auf die Anwendung des §. 21 VStG, dessen Voraussetzungen erfüllt seien und darauf, daß angesichts seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse aber auch seiner familiären Verhältnisse und Sorgeflichten die verhängte Strafe von 3.000 S jedenfalls überhöht sei, sodaß jedenfalls die Herabsetzung der Strafe geboten sei. 3. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zu entscheiden. Die Berufung richtet sich überwiegend gegen eine unrichtige rechtliche Beurteilung des an sich unbestrittenen Sachverhaltes und zuletzt auch gegen das Ausmaß der verhängten Strafe. Zumal sich aus dem Akt sämtliche für die Entscheidung erforderlichen Beurteilungskriterien ergeben und ein diesbezüglicher gesonderter Antrag nicht vorliegt, konnte hier von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme des von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsaktes, Zl. St.-2.424/94-B. Ferner durch Einholung des Beschlusses des VwGH, womit der (abweisenden) letztinstanzlichen Entscheidung über den Asylantrag aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde und durch die Beischaffung und Einsichtnahme in den Fremdenakt, Zl. Fr - 85.215.

5. Folgender Sachverhalt ist erwiesen:

5.1. Der Berufungswerber hat im Oktober 1990 Ghana verlassen und ist am 17. Oktober 1991 über Lybien, Türkei, Rumänien und Ungarn illegal in Österreich eingereist. Am 18. Oktober 1991 hat er einen Asylantrag gestellt, welcher nach Ausschöpfung des Instanzenzuges am 9. November 1993 negativ beschieden worden ist. Die vorläufige Aufenhaltsberechtigung ist jedenfalls mit dem Datum der Zustellung dieses Bescheides abgelaufen, sodaß der Aufenhalt im Bundesgebiet ab diesem Datum als illegal anzusehen ist. Durch die zuerkennende aufschiebende Wirkung durch den VwGH ist dem Berufungswerber im Hinblick auf den Status seines Aufenthaltes jene Rechtsstellung zuerkannt worden, welchen er vor der Ablehnung seines Asylantrages innegehabt hat, nämlich "im Umfange der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers (hier Berufungswerbers) nach dem Asylgesetz 1991" (VwGH 22. Dezember 1993, Zl AW 93/01/1039). 5.1.1. Dieses Beweisergebnis stützt sich auf die diesbezügliche unbestrittene Aktenlage. Dem Berufungswerber ist jedenfalls darin Glaube zu schenken, daß er - was in diesem Verfahren jedoch nur im Rahmen der Schuldfrage Bedeutung hat - aus seiner Sicht durchaus achtenswerte Motive für sein Asylbegehren gehabt hat. Es konnte in diesem Zusammenhang auch als durchaus glaubwürdig erachtet werden, daß der Berufungswerber aus Angst vor einer Abschiebung, in Ungarn keinen Asylantrag gestellt hat.

5.2. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

5.2.1. Der rechtmäßige Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet ist entweder im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Fremden(polizei)gesetzes zu beurteilen, oder er erfährt seine (vorläufige) Legalität nach dem Asylgesetz. Davon ist hier auszugehen, wenngleich jedenfalls mit dem rechtskräftigen - abweisenden - Abspruch des Bundesministeriums für Inneres, die vorläufige Aufenthaltsberechtigung erloschen war und von diesem Zeitpunkt an der Aufenthalt des Berufungswerbers bis zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (Zustellung des Beschlusses am 21.1.1994) im Bundesgebiet rechtswidrig wurde. Der Rechtsansicht der Erstbehörde vermag jedoch nicht gefolgt werden, wenn sie im Straferkenntnis ausführt, daß der Aufenthalt des Berufungswerbers seit seiner Einreise nach Österreich (über Ungarn) illegal gewesen sei. Dies ist in diesem Verfahren wohl nur im Hinblick auf die Frage der Beurteilung der Tatzeit und Schuld von Bedeutung. In diesem Zusammenhang muß aber bemerkt werden, daß die wichtigste Wirkung des Asylantrages in der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß §. 5 Abs.1 AsylG, (BGBl.Nr.126/1968) liegt. Damit diese Wirkung entsteht, bedurfte es einer Antragstellung innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Fremde in das Bundesgebiet eingereist ist oder zu dem ein schon im Inland befindlicher Fremder von der Gefahr einer Verfolgung, aus einem der in der Konvention genannten Gründe, Kenntnis erlangt hatte. Die rechtzeitige und wirksame Antragstellung wirkt hinsichtlich der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung konstitutiv (Steiner, Österreichisches Asylrecht, Wien 1990, Seite 14, samt der dort zitierten Judikatur). Ein rechtzeitig gestellter Asylantrag liegt dem gegenständlichen Verfahren zugrunde.

Der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung steht demnach sogar ein nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes erlassenes Aufenthaltsverbot oder eine vom Gericht ausgesprochene Landesverweisung oder Abschaffung nicht entgegen (§. 5 Abs.2 AsylG). Sie ersetzt auch eine Bewilligung gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes. Sie stellt sohin für den Asylwerber einen besseren Schutz dar, als §. 13a FrPolG für einen anerkannten Flüchtling (Steiner, Österr. Asylrecht, Seite 14 u. 15 ff, samt dortigen Verweisungen auf die Gesetzesmaterialien). Zumal innerhalb des in diesem Verfahren zur Last gelegten Übertretungszeitraumes das Verfahren hinsichtlich des Asylantrages noch anhängig war, ist nach dem vorhin Gesagten der Aufenthalt nicht nach dem Fremden(polizei)gesetz sondern nach dem Asylgesetz zu beurteilen gewesen. Gemäß §. 9 Abs.1 AsylG 1991 ist u.a. auch §. 82 FrG, auf Fremde die eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung haben, nicht anwendbar. In zutreffender Weise wurde daher offenkundig auch von der Erstbehörde erst nach Abschluß des Feststellungsverfahrens dieses Strafverfahren eingeleitet. Dem Berufungswerber als Asylwerber wäre über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung von der zuständigen Behörde (Bezirksverwaltungsbehörde bzw. Bundespolizeibehörde) eine Bescheinigung auszustellen gewesen, welche deklarativen Charakter hat (VwGH 13.3.1985, 84/01/0011 ua.).

Von einer Zuwiderhandlung gegen das Fremdenpolizeigesetz - nämlich die den Aufenthalt eines Fremden regelnde Bestimmung - schon ab dem Zeitpunkt der Einreise konnte hier daher nicht ausgegangen werden (siehe auch U. Davy, Asylverfahren u. Schubhaft, Journal für Rechtspolitik 1993, Heft 1, Seite 41 ff). Aus dem Asylgesetz 1991 ist nicht ableitbar, daß dessen (restriktiveren) Regelungsinhalte für Fremde Bedeutung erlangten, die bereits vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes einen Asylantrag gestellt hatten.

Es konnte nicht von der Annahme ausgegangen werden, daß dem Berufungswerber anläßlich seiner Einreise 1991 in Ungarn Schutz im Sinne des §. 7 Abs.2 AsylG zugekommen wäre. Es ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, daß die ungarischen Behörden von ihrer Existenz in einer für die Asylfrage relevanten Art und Weise Kenntnis erlangt haben. Gemäß §. 7 Abs.2 AsylG kommt einem Flüchtling die Aufenthaltsberechtigung nach §. 7 Abs.1 AsylG unter anderem etwa dann nicht zu, wenn er anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Nach ständiger Judikatur des VwGH (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 16. März 1988, 86/01/0249; vom 7. Mai 1986, Z1. 84/01/0094, Slg. N.F. 12.131/A und vom 22. Mai 1985, Z1. 84/01/0255, Slg. N.F. 11.773/A) setzt der Begriff des "Findens anderweitigen Schutzes" zumindest voraus, daß der Aufenthalt des Asylwerbers den Behörden des betreffenden Staates bekannt war und von diesen geduldet wurde. Nach den EB zum AsylG (vgl. 544 der Beilagen zu den sten. Prot. des NR XI. GP §. 7), auf die sich das VwGH-Erkenntis Slg. N.F. 11.773/A ausdrücklich stützt, hat ein Asylwerber dann in einem anderen Staat Schutz vor Verfolgung gefunden, wenn er bei seiner Rückkehr in diesen Staat nicht Gefahr läuft, in seinen Heimatstaat abgeschoben zu werden (vgl. in diesem Sinn auch die Materialien zum AsylG 1991, 220 der Beilagen zu den sten. Prot. des NR XVIII. GP 13. vgl. VwGH 16.9.1992, Zl. 92/01/0522). Im Rahmen dieses Verfahrens kann nicht davon ausgegangen werden, daß ein solcher Schutz für den Berufungsweber in Ungarn bestanden hat.

Die Bestimmung des §. 5 Abs.1 AsylG steht zur Bestimmung des §. 2 des Fremdenpolizeigesetzes im Verhältnis der lex spezialis zur lex generalis. Ein Fremder, der innerhalb der vorgesehenen Frist einen Antrag auf Asylgewährung einbringt, konnte gemäß der Rechtslage laut Asylgesetz "1968" bis zum Abschluß (hier bis zur Zustellung des letztinstanzlichen Abspruches durch das BMfI am 24. Juli 1993) des Feststellungsverfahrens nicht wegen unerlaubten Aufenthaltes bestraft werden. Die Verfolgung des allenfalls vor dem Eintritt der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß §. 14b Abs.1 Z4 des Fremdenpolizeigesetzes gesetzten Tatbestandes des unerlaubten Aufenthaltes wird während der Geltungsdauer der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gehemmt (ebenfalls Steiner, Österreichisches Asylrecht, Seite 15 und 16 unter Hinweis auf die dort zit. Gesetzesmaterialien).

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß §. 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §. 32 bis §. 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Zur Frage, ob eine Fehleinschätzung eines Asylwerbers darüber, ob ihm ein Drittland (hier Ungarn) Schutz vor Verfolgung bieten würde (geboten hat), müßte wohl in einem derartigen Zusammenhang letztlich als ein zu entschuldigender Rechtsirrtum gewertet werden. Von einem Asylwerber kann keine derart fundamentale Kenntnis einer sich überaus komplex und vielschichtig und letztlich auch unter Experten häufig divergent beurteilte, Rechtsmaterie erwartet werden.

Auch im Verwaltungsstrafrecht ist nur ein schuldhaftes Verhalten strafbar (VwGH 13.5.1987, 85/18/0067). Es ist demnach für die Beurteilung der Zumutbarkeit, sich Kenntnis von einer bestimmten Rechtslage zu verschaffen, von einem objektivierten Sorgfaltsmaßstab auszugehen. Nach §. 5 Abs.2 VStG entschuldigt die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Das "Unerlaubte" wäre hier in der Weiterreise aus dem Drittland (Ungarn) nach Österreich zu erblicken, wobei für die Strafbarkeit dieses Tuns die Kenntnis über eine Sicherheit bereits hier Schutz vor einer Zurückschiebung in das Herkunfts-(Verfolgerland) unterstellt werden müßte. So steht es auch im Einklang mit der Judikatur des VwGH, wonach ein "anderweitiger Schutz vor Verfolgung" erst dann anzunehmen ist, wenn auch die Behörden vom Aufenthalt des Asylwerbers Kenntnis haben und seinen Aufenthalt wenigstens geduldet haben. Umso mehr muß daher für den Asylwerber gelten, daß er, solange er von seinem Schutz im Drittland noch keine Kenntnis hat, ihm eine in diesem Sinn "illegale" Einreise nach Österreich nicht als Verschulden angelastet werden kann.

Zur Frage der Sorgfaltsübung ist eben auf die Situation des Flüchtlings generell einzugehen. Es wird gegen einen Flüchtling kein antizipierter Schuldvorwurf dahingehend gemacht werden können, daß er sich hier auf eine Sache (seine Flucht, welche dem Wesen nach als subjektive Entscheidung einmal grundsätzlich zu respektieren ist) schuldhaft eingelassen hat, deren gesamte Dynamik und Dimension er letztlich nicht zu überblicken in der Lage gewesen ist und dies folglich zu einem rechtswidrigen Verhalten geführt hat. (Befähigung des Täters zur Sorgfaltsübung). Betreffend des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht ist es gesicherte Rechtsansicht (s E Slg 9710 A und 28.10.1980, 2244/80), daß der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte (VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Die Maßfigur muß angesichts dieser rechtsdogmatischen Prinzipien nur in die Lage des Flüchtlings (hier aus der dritten Welt) gedacht werden. Jedes andere Verhalten, als eines welches aus seiner Sicht maximalen Schutz erwarten läßt, ist daher nicht zu erwarten. Man würde daher jedes Ausmaß an die objektive Sorgfaltspflicht überspannen, würde man schon die Versäumung bloßer - ohnedies nur theoretisch bestehende - Informationsmöglichkeiten über die Asyl- u. Einreisebestimmungen als Verletzung solcher Sorgfaltspflichten erachten. Nur ein solches Verhalten, welches die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, machen das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit aus (vgl. abermals VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Das Vorgehen mit einer Bestrafung für den Zeitraum eines anhängigen Feststellungsverfahrens erweist sich aus diesen Gründen jedenfalls problematisch. 6.2. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, daß nicht bloß der objektive Tatbestand, sondern auch das Verschulden nachzuweisen ist. Wenngleich ab letztinstanzlicher Ablehnung des Asylantrages der Aufenthalt des Berufungswerbers rechtswidrig gewesen ist, so muß hier doch bei lebensnaher und sinnrichtiger Gesetzesanwendung gesagt werden, daß in der Situation des Berufungswerbers ein rechtmäßiges Verhalten, welches wohl nur in einer Ausreise gelegen wäre, nur schwer zuzumuten gewesen wäre. Der Berufungswerber hat offenbar unverzüglich eine Beschwerde beim VwGH erhoben und einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend den rechtskräftig ablehnenden Bescheid gestellt und mit letzterem auch Erfolg gehabt. Aufgrund der nur geringen Zeitdauer des Wegfallens der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung waren mit dieser Verwaltungsübertretung auch keine nachteiligen Folgen verbunden, sodaß hier §. 21 VStG zur Anwendung zu bringen und von der Verhängung einer Strafe abzusehen gewesen ist. Die von der Erstbehörde zitierte Entscheidung des VwGH vom 29.4.1985, Zl. 84/01/0381 ist für diesen Sachverhalt nicht anwendbar, zumal dieses sich auf eine Bestrafung wegen eines abgelaufenen Sichtvermerkes bezieht. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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