Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161949/10/Bi/Se

Linz, 06.03.2007

 

 

                                              

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn F P, F, vertreten durch RA Mag. Ing. K H, L, vom 18. Jänner 2007 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 15. Jänner 2007, VerkR96-3130-2006, wegen Übertretung der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 5. März 2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung)  zu Recht erkannt:

 

     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 19 Abs.7 iVm 19 Abs.4 und 99 Abs.2c Z5 StVO 1960 eine Geldstrafe von 150 Euro (60 Stunden EFS) verhängt, weil er am 7. Juni 2006, 16.10 Uhr, in der Gemeinde Rohrbach, Strkm 153.585 der B38, als warte­pflichtiger Lenker des Pkws durch Kreuzen auf der Kreuzung, vor der sich das Vorschriftszeichen "Halt" befindet, einem im Vorrang befindlichen Fahrzeug den Vorrang nicht gegeben und dieses dadurch zu unvermitteltem Bremsen und Ablenken genötigt habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 15 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 5. März 2007 wurde bei der Kreuzung B38/Tannberg Landesstraße eine öffentliche mündliche Berufungsver­handlung in Anwesenheit des Bw, seines Rechtsvertreters RA Mag. Ing. J H , der Zeuginnen M P und R N sowie des technischen Amts­sach­verständigen Ing. R H  durchgeführt. Der Vertreter der Erstinstanz war entschuldigt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, seine Anträge auf Durchführung eines Ortsaugenscheins und Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens zum Tatvorwurf seien mit dem Hinweis auf Verfahrensverzögerung nicht beachtet worden. Die Angaben der Privatanzeigerin seien zu ungenau und widersprüchlich. Er habe die ihm vorgeworfene Übertretung nicht begangen. Beantragt wird Verfahrens­einstellung, in eventu Strafherabsetzung, jedenfalls eine mündliche Berufungsver­handlung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlug, bei der der Bw und sein Rechtsvertreter gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkennt­nisses berücksichtigt, die beiden Zeuginnen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht einvernommen, ein Ortsaugenschein durchgeführt und auf dieser Grundlage ein technisches SV-Gutachten eingeholt wurde.

 

Das Beweisverfahren hat ergeben, dass die Zeugin N als Lenkerin eines leeren Busses auf der B38 Richtung Linz unterwegs war und der Bw als Lenker seines Pkws von der Tannberg Landestraße kommend nach rechts in die B38 einbog, wobei die Zeugin P Beifahrerin war. Weder der Bw noch seine Gattin, die unter Hinweis auf ihr Entschlagungsrecht und die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen wurde, konnten sich an einen aufschließenden Autobus erinnern. Beide gaben an, sie hätten weder eine knappe Auffahrsituation noch irgendwelche Hup- oder Blinkzeichen bemerkt.

Die Zeugin N gab unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB an, sie habe bei der Annäherung an die Kreuzung bemerkt, dass zwei Pkw eingebogen seien und der dahinter ankommende Bw beim Vorschriftszeichen "Halt" nicht angehalten habe, sondern langsam nach rechts eingebogen sei und langsam beschleunigt habe. Sie habe gemäß der dortigen Geschwindigkeitsbeschränkung eine Geschwindigkeit von ca 80 km/h eingehalten, jedoch, als sie den Pkw des Bw kommen gesehen habe, leicht abgebremst, etwa auf Höhe der Bushaltestelle, die sich ca 120 m vor der Kreuzung befindet. Als sie bemerkt habe, dass er nicht stehenbleiben würde, habe sie den Bus bei einer Geschwindigkeit von schätzungsweise ca 70 km/h stärker abgebremst, konnte aber nicht mehr sagen, wo sie sich genau befunden habe, als der Bw in die Kreuzung eingefahren sei. Sie konnte sich nur noch erinnern, dass sie abgebremst habe, aber weder habe sie ein Auslösen des ABS gespürt noch konnte sie eine Ausgangsgeschwindigkeit vor dem Abbremsen angeben. Sie konnte sich nicht erinnern, ein Hup- oder Blinkzeichen abgegeben zu haben. Sie bestätigte, sie habe auf den Pkw etwa beim 2. Leitpflock nach dem Einbiegen auf schätzungsweise ca 1 bis 1,5 m aufgeschlossen, sei aber nicht zum Stillstand gekommen und sei dann hinter diesem nachgefahren. Da er bei der Stopptafel nicht stehengeblieben und trotz ihrer Annäherung weiterge­fahren sei, habe sie Anzeige erstattet. Ihre Angaben anlässlich der Anzeigeerstattung, der Bw sei in einer Entfernung von 12 bis 15 m vor ihr in die Kreuzung eingefahren, obwohl sich der für 60 Personen zugelassene, aber leere Autobus mit ca 75 bis 80 km/h genähert habe, ließen sich beim Ortsaugenschein nicht nachvollziehen, weil der Kreuzungsbereich schon aufgrund der baulichen Gestaltung mit Grüninseln zwischen den Fahrspuren länger ist. Die Zeugin hat schließlich eingeräumt, es sei möglich, dass sie schon bei der Bushaltestelle oder auch später auf Höhe des dortigen Wegweisers leicht und dann im Bereich der Einmündung in die Tannberg Landes­straße stärker gebremst habe.

 

Der Amtssachverständige hat diesbezüglich ausgeführt, dass, wenn sich der Bus mit ca 75 bis 80 km/h etwa bei der Bushaltestelle, das sind ca 120 m vor dem  vom Bw befahrenen Rechtseinbiegestreifen, befunden hat, er mit einer leichten Betriebs­bremsung, ds 3 m/sec², die Geschwindigkeit an die des soeben herausgefahrenen Pkw problemlos anpassen hätte können. Hat sich der Bus weiter in Richtung Kreuzung ca auf Höhe des dortigen Wegweisers befunden, als der Pkw des Bw herausfuhr, das sind ca 50 m, so ist die Geschwindigkeit des Busses zu hinterfragen. Hat die Zeugin zuvor leicht abgebremst, wie sie angibt, hatte der Bus noch eine Geschwindigkeit von ca 50 bis 60 km/h als Ausgangsgeschwindigkeit für das von der Zeugin geschilderte stärkere Bremsmanöver, dh eine Geschwindigkeitsanpassung an das ausfahrende Fahrzeug des Bw war in Form einer Betriebsbremsung möglich. Geht man von einer Notbremsung aus – eine solche hat die Zeugin aber dezidiert verneint – ergebe sich eine Bremsstrecke von 28 m, dh bei Hinzuzählen eines Reaktionsweges von einer Sekunde ein Gesamtanhalteweg von etwa 50 m bis zum Stillstand. Wenn man davon ausgeht, dass der Bw langsam mit 1,5 m/sec² beschleunigt hat, ist vom Ausfahrbereich noch eine Wegstrecke von 10 bis 15 m dazuzuzählen, wobei der Bw dann bereits eine Geschwindigkeit von ca 20 bis 25 km/h innehatte, was mit der Angabe der Zeugin, sie sei nicht zum Stillstand gekommen, übereinstimmen könnte. Insgesamt ging der SV von einer im Verkehrsgeschehen üblicherweise vorkommenden leichten Betriebsbremsung aus, dh nicht von einem "unvermittelten Abbremsen" im Sinne des § 19 StVO.  Dass kein Ablenken bzw Links-am-Pkw-des-Bw-vorbei-Ausweichen vorlag, hat die Zeugin schon vor der Erstinstanz bestätigt.

 

In rechtlicher Hinsicht haben sich im Beweisverfahren unter Bedachtnahme auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 51i VStG keinerlei gesicherten Hinweise darauf ergeben, dass der Bw den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt haben könnte, zumal die Zeugin N keine dezidierte Erinnerung an Einzelheiten des von ihr angezeigten Vorfalls mehr hatte, die aber unumgänglich gewesen wären, um mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit Aussagen treffen zu können. Auf dieser Grundlage war spruchgemäß zu entscheiden, wobei naturgemäß Verfahrenskosten nicht anfallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Unmittelarkeit – Zeugin zu ungenau -> Einstellung im Zweifel

 

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