Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230322/12/Br

Linz, 26.07.1994

VwSen - 230322/12/Br Linz, am 26. Juli 1994 DVR.0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn Ing. L M, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr, Zl. St 4944/93, vom 9. Mai 1994, wegen Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes, nach der am 26. Juli 1994 unter Abhaltung eines Ortsaugenscheines durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird k e i n e F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993; II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten wird für das Berufungsverfahren ein Verfahrenskostenbeitrag von 300 S (20% der verhängten Strafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage: § 64 Abs.1 u. 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Steyr hat mit dem Straferkenntnis vom 9. Mai 1994 über den Berufungswerber wegen der Übertretungen nach § 81 Abs.1 eine Geldstrafe von 1.500 S und für den Nichteinbringungsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 21. August 1993 in der Zeit von 12.35 Uhr bis 12.48 Uhr in S, nächst dem Haus Nr. , durch besonders rücksichtsloses Verhalten - Verweilen in der Mitte der Fahrbahn - wodurch Fahrzeuglenker am Weiterfahren gehindert wurden, die öffentliche Ordnung gestört habe.

2. Inhaltlich führt die Erstbehörde in der Begründung aus:

"Sie wurden am 21.8.1993 von einer Privatperson zur Anzeige gebracht, weil Sie an diesem Tag in der Zeit von 12.35 bis 12.48 Uhr in S, vor dem Hause , mitten auf der Fahrbahn standen, wodurch ein Durchfahren mit dem Fahrzeug nicht möglich war.

§ 81 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz lautet: Wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 3.000,-- zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Wochen verhängt werden.

Am 16.12.1993 wurde Ihnen bei der hiesigen Behörde der Akteninhalt zur Kenntnis gebracht und Sie gaben dabei als Rechtfertigung im wesentlichen an, daß Sie nicht in der Mitte der Fahrbahn, sondern ca. 1 m von der der fahrtrichtungsseitlich linken Randlinie (bei Haus M) entfernt gestanden seien. Vorbeifahren auf der insgesamt zwischen den Randsteinkanten ca. 5 m breiten Fahrbahn wäre ohne weiteres möglich gewesen. Außerdem hatten Sie sich nicht von 12.35 Uhr bis 12.48 Uhr auf der Fahrbahn befunden, sondern nur sehr kurze Zeit, ca. 1 Minute. Sie beantragten die Einvernahme des Zeugen S W.

Dies wurde am 4.1.1994 bei der hiesigen Behörde durchgeführt. Dieser Zeuge gab auf Befragung an, daß Sie zwar nicht genau in der Fahrbahnmitte, sondern eher einen Schritt außerhalb der Fahrbahnmitte gestanden wären. Die Dauer dürfte nicht länger als zehn Minuten gewesen sein. Wenn der Fahrzeuglenker sehr vorsichtig gefahren wäre, wäre er eventuell beim Beschuldigten vorbeigekommen.

Am 16.2.1994 wurde Ihnen bei der hiesigen Behörde das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht. Dabei ersuchten Sie zwecks Einbringung einer schriftlichen Stellungnahme um eine Frist von 3 Wochen. Da bis nun bei der hiesigen Behörde keine Stellungnahme eingelangt ist, mußte das weitere Verwaltungsstrafverfahren, wie angedroht, gemäß § 41 Abs. 3 VStG ohne Ihre Anhörung durchgeführt werden.

Der im Spruch angeführte Tatbestand ist nach sorgfältiger Wertung der aufgenommenen Beweise einwandfrei erwiesen. Ihre Angaben wurden sogar von dem von Ihnen namhaft gemachten Zeugen widerlegt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden." 3. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht mit 3. Juni 1994 der Post zur Beförderung übergebenen Berufung. "Gegen das Straferkenntnis vom 9.5.94 bringe ich fristgerecht Berufung ein und stelle den Antrag, das Straferkenntnis aufzuheben.

Begründung:

Durch das Ermittlungsverfahren ist nicht erwiesen, daß ich in der "Mitte der Fahrbahn" verweilte. Der Zeuge W gibt an, daß ich mich einen Schritt davon in Richtung Haus Nr.21 (linke Straßenseite) befand.

Die Fahrbahn ist an der angegebenen Stelle 3,4 Meter breit und durch weiße Randstreifen begrenzt. Straßenbreite zwischen den Gehsteigkanten beträgt jedoch 4,8 Meter.

Von der Fahrbahnmitte zum Fahrbahnrand (weiße Linie) sind es 1,7 Meter, zur Randsteinkante sind es 2,4 Meter.

Der unbekannte Fahrzeuglenker mit PKW Toyota Corolla hatte also eine Straßenbreite von 2,4 Meter plus einen Schritt zur Verfügung und hätte ohne Behinderung unter Einhaltung der normal erforderlichen Vorsicht vorbeifahren können.

An der angegebenen Stellen besteht wegen der Wohnsituation (Häuser mit Wohnungseingängen stehen unmittelbar am Straßenrand) eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h." 3.1. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Da sich die Berufung gegen die Schuld und Strafe richtet, war eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen und unter gleichzeitiger Vornahme eines Ortsaugenscheines durchzuführen gewesen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bundespolizeidirektion Steyr, Zl. St 4944/93; in der mit einem Ortsaugenschein verbundenen öffentlichen mündlichen Verhandlung wurden die Zeugen A M und H W und der Berufungswerber als Partei einvernommen. 5. Nachfolgender Sachverhalt ist als erwiesen angenommen:

5.1. Der Berufungswerber hat zur fraglichen Zeit die Fassade seines in der M gelegenen Hauses einer visuellen Kontrolle unterzogen. Zu diesem Zweck hat er sich etwa auf der Fahrbahnmitte gestellt, sodaß in weiterer Folge ein Fahrzeuglenker eine technisch wohl mögliche Vorbeifahrt unterließ und sein Fahrzeug etwa in der Höhe der westlichen Fluchtlinie des Hauses M angehalten hat. In weiterer Folge war auch der um etwa 12.32 bis 12.35 Uhr in der M Richtung stadtauswärts fahrende Zeuge M verhalten, seinen Pkw hinter dem bereits anhaltenden Fahrzeug zum Stillstand zu bringen. Nach vorheriger Befragung des Lenkers des Vorderfahrzeuges begab sich dieser Zeuge schließlich zum Beschuldigten, um diesen zu fragen, warum er sich hier auf die Straße stelle und den Fahrzeugverkehr aufhalte. Der Berufungswerber erwiderte, daß er sich sein Haus anschaue und er dies tun könne so lange er wolle. Zur Örtlichkeit konnte festgestellt werden, daß die Fahrbahn in diesem Bereich etwa 5,6 Meter breit ist. Der Gebäudefluchtlinie ist beidseitig ein etwa 30 bis 60 cm breiter (überwiegend aber 60 cm breiter) und ca. 8 bis 10 cm hoher Gehsteig vorgelagert. Ebenfalls ist die Fahrbahn beidseitig mit einer Begrenzungslinie versehen. Wird davon ausgegangen, daß ein 1,6 Meter breites Fahrzeug unter Einhaltung eines Sicherheitsabstandes zum rechten Fahrbahnrand von mindestens 0,5 Meter an dem in der Straßenmitte stehenden Berufungswerber vorbeigefahren wäre, so hätte der verbleibende seitliche Abstand zu ihm etwa 80 cm betragen. 5.2. Dieser Sachverhalt stützt sich auf die glaubwürdigen und den Denkgesetzen entsprechenden Angaben der Zeugen M und W. Beide Zeugen vermochten glaubwürdig ihre Wahrnehmung darzulegen. Während der Zeuge M vor dem Hauseingang des Hauses Nr. den etwa 6 Meter entfernt auf der Fahrbahnmitte stehenden Berufungswerber wahrzunehmen vermochte, konnte dies auch der mit seinem Pkw als zweiter zum Anhalten veranlaßte Zeuge W beobachten. Der erstgenannte Zeuge vermochte diesbezüglich eindringlich befragt anzugeben, daß er die Fahrbahnmitte aufgrund einer dort durchgehend verlaufenden Asphaltfuge besonders deutlich erkennen habe können. Genau dort sei der Berufungswerber während der Dauer von mehreren Minuten gestanden. Erst als vom Zeugen W die Polizei verständigt und er mit einem Polizisten am Vorfallsort eingetroffen ist, hat der Berufungswerber die Fahrbahn verlassen. Es gibt keinen Grund diese übereinstimmenden zeugenschaftlichen Angaben in Zweifel zu ziehen. Selbst der Berufungswerber bestreitet das Verhalten an sich nicht, sondern vermeint lediglich, daß er näher zum Gehsteig des Hauses Nr. gestanden ist. Schließlich seien Fahrzeuglenker auch vorbeigefahren und hätte auch der zuerst anhaltende Fahrzeuglenker in einer ihm zumutbaren Weise dies tun können. Im weiteren führt der Berufungswerber noch als Rechtfertigung für sein Verhalten, die sich für ihn ergebende gesetzliche Notwendigkeit einer Fassadenkontrolle, an. Diese Verantwortung reicht jedoch, wie unten noch dargelegt wird, als Rechtfertigung eines derartigen Verhaltens (die Behinderung des Fahrzeugverkehrs) nicht. 5.3. Rechtlich ist daher folgendes zu erwägen: 5.3.1. Gemäß § 81 Abs. 1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, "wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört; er ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden." 5.3.2. Nach der nunmehrigen "neuen Rechtslage" wurde wohl die Strafbarkeit gegenüber der früheren Bestimmung des Art. IX Abs.1 Z1 EGVG in zwei Punkten inhaltlich zurückgenommen. Es ist nunmehr einerseits auf die Intention des Täters abzustellen, andererseits soll auch entscheidend sein, ob es eine Rechtfertigung für die Störung der Ordnung gibt (aus den Gesetzesmaterialien zum Sicherheitspolizeigesetz, Fuchs - Funk - Szymanski, Manz Taschenbuchausgabe, Seite 154 ff). Dies ist hier zu verneinen. Das Verhalten des Berufungswerbers war offenkundig das Vertreten eines Standpunktes, welchem unter Zugrundelegung herrschender Wertvorstellungen nicht näher getreten werden kann. Dies deshalb nicht, weil es sich wohl nur schwer nachvollziehen läßt, daß jemand einen Straßenbenützer aus dem Grunde der Betrachtung der Fassade seines Hauses, selbst wenn hiefür ein guter Grund bestanden haben mag, am Befahren der Straße hindern will bzw. jedenfalls nicht bereit ist, für den Zweck der Vorbeifahrt auszuweichen. Diese Betrachtung hätte wohl auch mit dem gleichen Erfolg von dem etwa 2,7 Meter dahinter liegenden Gehsteig aus erfolgen können. Der nach den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung erforderliche Abstand von mindestens einen Meter, bei der Vorbeifahrt an Personen, wäre dabei nicht mehr gewährleistet gewesen. Im Falle eines erforderlich werdenden Zurückweichens hätte dies eine Problematik im Hinblick auf eine strafrechtlich relevante Nötigung zum Inhalt haben können. Das Verweilen des Berufungswerbers auf der Fahrbahn während mehrerer Minuten - wobei es nicht darauf ankommt, ob es sich um fünf oder zwölf Minuten gehandelt hat - ist daher geradezu als der klassische Fall eines tatbestandsmäßigen Verhaltens. Die Ordnungsstörung ist ein sogenanntes Erfolgsdelikt (VwGH 25. September 1973, 1134/72); daraus folgt, daß die Beweislastumkehr des § 5 Abs. 2 VStG nicht anzuwenden ist. Der "Erfolg" besteht darin, daß der normale Ablauf an einem öffentlichen Ort beeinträchtigt wird (wurde); diese Beeinträchtigung ist nach objektiven Kriterien zu messen. "Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß unter 'Ordnung an öffentlichen Orten' nur der Zustand des gewöhnlichen Verhältnisses der Dinge der Außenwelt zueinander verstanden werden kann, eine Ordnung, die etwa durch Aufsehen oder durch einen Menschenauflauf gestört und in der Folge wiederhergestellt werden kann, somit die äußere öffentliche Ordnung. Es muß durch das fragliche Verhalten der Ablauf des äußeren Zusammenlebens von Menschen oder ein bestehender Zustand von Dingen in wahrnehmbarer Weise gestört worden sein." (VfSlg. 4813/1964). "Eine solche negative Veränderung ist schon zu bejahen, wenn eine Person dazu bewogen wird, sich anders zu verhalten, als wenn der Vorfall nicht stattgefunden hätte" (VfGH vom 25. Jänner 1991, ZfVB 1992/460). Unmutsäußerungen von Passanten als Folge eines derartigen Verhaltens läßt dessen Qualifikation als ordnungsstörend zu. Die Ordnungsstörung muß nicht zu Aufsehen, einem Zusammenlauf von Menschen und ähnlichem führen, um strafbar zu sein (VwSlg. 7527A/1969; VwGH vom 25. November 1991, ZfVB 1993/130 sowie Hauer - Kepplinger, Handbuch zum Sicherheitspolizeigesetz, Seite 388, Anm.7). Eine erzwungene Unterbindung einer Weiterfahrt auf einer öffentlichen Straße hatte daher offenkundig auch unter diesem Gesichtspunkt eine "Herbeiführung eines anderen Verhaltens" zum Gegenstand.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, daß die Mißachtung grundsätzlicher und von jedermann zu erwartender sozialadäquater Verhaltensweisen grundsätzlich strafwürdig sind. Daran vermag auch die vom Berufungswerber vertretene - aber nicht anzuerkennende - Rechtsansicht nichts ändern. Eine Bestrafung ist insbesondere aber erforderlich, um dem Berufungswerber den Unwert und die Schädlichkeit seines Verhaltens bewußt zu machen und ihn vor weiteren derartigen Verhaltensweisen gegenüber Dritten, künftighin abzuhalten. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß jeweils - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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