Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230323/6/Br

Linz, 29.06.1994

VwSen - 230323/6/Br Linz, am 29. Juni 1994 DVR. 0690329

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn H M, vertreten durch Dr. E W, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 31. Dezember 1993, St. 11.993/93-In, nach der am 29. Juni 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird hinsichtlich des Punktes 2) vollinhaltlich bestätigt.

Rechtsgrundlage: § 81 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl.Nr.566/1991 idF. BGBl.Nr. 662/1992 - SGP; § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 - AVG iVm § 19, § 24, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr.52/1991, zuletzt geändert BGBl. Nr. 666/1993 - VStG.

II. Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten wird für das Berufungsverfahren ein Kostenbeitrag von 160 S (20 % der verhängten Strafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage: § 64 Abs.1 u. 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Straferkenntnis vom 31. Dezember 1993 in dessen Punkt 2) über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 81 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz eine Geldstrafe von 800 S und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 verhängt, weil er am 10. September 1993 um 23.05 Uhr im Zuge einer in L, an der Kreuzung A - K (nächst dem Haus K) gegen ihn geführten Amtshandlung durch lautes Schreien und Treten mit den Füßen gegen die einschreitenden Polizeibeamten ein besonders rücksichtsloses Verhalten gesetzt und dadurch die Ordnung ungerechtfertigt gestört habe.

1.1. Begründend führt die Erstbehörde zum Punkt 2) des Straferkenntnisses im wesentlichen aus, daß der Berufungswerber, nachdem er in der Altstadt mit einem Fahrrad zu Sturz gekommen sei und folglich einer Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt unterzogen worden war, plötzlich zu schreien und mit den Füßen gegen die Amtshandlung führenden Beamten zu treten begonnen habe. Hiedurch habe er ein besonders rücksichtsloses Verhalten gesetzt und die Ordnung an einem öffentlichen Ort ungerechtfertigt gestört.

2. In der dagegen fristgerecht durch den ausgewiesenen Rechtsvertreter eingebrachten Berufung bringt der Berufungswerber zu diesem Übertretungspunkt im wesentlichen vor, daß ihm der Vorwurf der Ordnungsstörung durch besonders rücksichtslosen Verhaltens zu Unrecht treffe. Sein Verhalten sei die Folge seiner Alkoholisierung gewesen, welches jedoch nicht geeignet gewesen ist, als besonders rücksichtslos qualifiziert zu werden. Unbeteiligte Personen seien weniger über sein Verhalten, sondern über den Umstand, daß drei Sicherheitswachebeamte einige Zeit mit der Beamtshandlung eines alkoholisierten Radfahrers zugebracht hätten.

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Entscheidung vorgelegt. Somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, in den jeweiligen Punkten durch das in den betroffenen Materien jeweils nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. In Punkt 1) ergeht daher eine gesonderte Berufungsentscheidung. Gemäß § 51e Abs.1 VStG war die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erforderlich.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis geführt durch die Vernehmung der Zeugen BezInsp. K und RevInsp. P (Meldungsleger) anläßlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 29. Juni 1994 und Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verwaltungsakt und dessen Erörterung im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung. 5. Aufgrund des Ergebnisses dieses Beweisverfahrens steht fest, daß der Berufungswerber am 10. September 1993 in der Linzer Altstadt von Beamten der Sicherheitswache der Bundespolizeidirektion Linz als Radfahrer angetroffen worden ist, wobei der Verdacht entstanden ist, daß der Berufungswerber sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hatte. Nach der Durchführung des sich als positiv erweisenden Atemlufttests mittels Alkomat wurde der Berufungswerber zwecks Abklärung über die Herkunft des von ihm benützten Fahrrades aufgefordert, sich mit den Beamten in das nahegelegene Lokal "A" in der A zu begeben. Auf dem Weg dorthin hat der Berufungswerber plötzlich lautstark zu schreien und mit den Füßen gegen die ihn begleitenden Sicherheitswachebeamten, BezInsp. K und RevInsp. P, zu treten begonnen. Dabei hat er sich auf die Fahrbahn gesetzt. Von den einschreitenden Beamten mußte zurückgewichen werden, um nicht von den Tritten getroffen zu werden. Zu diesem Zeitpunkt herrschte in der Altstadt reger Fußgängerverkehr, wobei ein Personenkreis von mindestens zehn Personen von diesem Vorfall aktiv Kenntnis erlangt hat, wobei diese sich um den Vorfallsbereich angesammelt hatten. Seitens der von diesem Geschehen Kenntnis erlangenden Passanten wurde auch Unmut über das Verhalten des Berufungswerbers laut. Der Berufungswerber war zu diesem Zeitpunkt wohl sichtlich alkoholisiert. Das Ergebnis der Atemluftuntersuchung belegt dies. Von einem Zustand, welcher die Zurechnungsfähigkeit ausgeschlossen haben könnte, kann jedoch mangels entsprechender Anhaltspunkte und einem entsprechenden Vorbringen nicht ausgegangen werden.

5.1. Dieses Beweisergebnis stützt sich auf die schlüssigen und den Denkgesetzen entsprechenden, inhaltlich zur Gänze übereinstimmenden Angaben der Zeugen BezInsp. K und RevInsp. P. So ist lebhaft nachvollziehbar, daß durch das vom Berufungswerber geübte Verhalten zahlreiche Passanten aufmerksam wurden und dabei die Neigung entstanden ist, sich dieses Geschehen näher anzuschauen. Es ist dabei auch nicht verwunderlich, daß es bei so manchem Passanten dadurch zu einer Unmutsäußerung gekommen ist. Der Berufungswerber war zur Verhandlung nicht persönlich erschienen und er brachte auch sonst inhaltlich nichts vor, was geeignet gewesen wäre, die ihm in diesem Punkt zur Last gelegte Verhaltensweise zu erschüttern.

6. Rechtlich ist wie folgt zu erwägen :

6.1. Gemäß § 81 Abs. 1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, "wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört; er ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden." 6.1.1. Nach der nunmehrigen "neuen Rechtslage" wurde wohl die Strafbarkeit gegenüber der früheren Bestimmung des Art. IX Abs.1 Z1 EGVG in zwei Punkten inhaltlich zurückgenommen. Es ist nunmehr einerseits mehr auf die Intention des Täters abzustellen, andererseits soll auch entscheidend sein, ob es eine Rechtfertigung für die Störung der Ordnung gibt (aus den Gesetzesmaterialien zum Sicherheitspolizeigesetz, Fuchs - Funk - Szymanski, Manz Taschenbuchausgabe, Seite 154 ff). Dies ist hier zu verneinen. Das Verhalten des Berufungswerbers war offenkundig eine Unmutshandlung im Hinblick auf die Beamtshandlung wegen des Verdachtes des Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Atemluftuntersuchung. Das Verhalten des Berufungswerbers (Treten mit Füßen gegen die Beamten und lautes Schreien) ist daher geradezu der klassische Fall der Schutzzweckverletzung bzw. des tatbestandsmäßigen Verhaltens. Die Durchführung einer rechtmäßigen Amtshandlung kann nicht als Rechtfertigung oder Entschuldigung - auch nicht einer erheblich alkoholisierten, jedoch nicht volltrunkenen Person - eines rücksichtslosen (Treten mit den Füßen gegen die Beamten) und ordnungsstörenden (Schreien) Verhaltens, anerkannt werden (vgl. VwSlg. 11502A/1984). Die Ordnungsstörung ist ein sogenanntes Erfolgsdelikt (VwGH 25. September 1973, 1134/72); daraus folgt, daß die Beweislastumkehr des § 5 Abs. 2 VStG nicht anzuwenden ist. Der "Erfolg" besteht darin, daß der normale Ablauf an einem öffentlichen Ort beeinträchtigt wird (wurde); diese Beeinträchtigung ist nach objektiven Kriterien zu messen. "Der Verfassungsgerichtshof ist der Auffassung, daß unter 'Ordnung an öffentlichen Orten' nur der Zustand des gewöhnlichen Verhältnisses der Dinge der Außenwelt zueinander verstanden werden kann, eine Ordnung, die etwa durch Aufsehen oder durch einen Menschenauflauf gestört und in der Folge wiederhergestellt werden kann, somit die äußere öffentliche Ordnung. Es muß durch das fragliche Verhalten der Ablauf des äußeren Zusammenlebens von Menschen oder ein bestehender Zustand von Dingen in wahrnehmbarer Weise gestört worden sein." (VfSlg. 4813/1964). "Eine solche negative Veränderung ist schon zu bejahen, wenn eine Person dazu bewogen wird, sich anders zu verhalten, als wenn der Vorfall nicht stattgefunden hätte" (VfGH vom 25. Jänner 1991, ZfVB 1992/460). Unmutsäußerungen von Passanten als Folge eines derartigen Verhaltens läßt dessen Qualifikation als ordnungsstörend zu. Die Ordnungsstörung muß nicht zu Aufsehen, einem Zusammenlauf von Menschen und ähnlichem führen, um strafbar zu sein (VwSlg. 7527A/1969; VwGH vom 25. November 1991, ZfVB 1993/130 sowie Hauer - Kepplinger, Handbuch zum Sicherheitspolizeigesetz, Seite 388, Anm.7).

Der Berufungswerber räumt schließlich selbst ein, daß "sein Verhalten" auf seine Alkoholisierung zurückzuführen gewesen sei. Seiner hier zum Ausdruck gebrachten Rechtfertigung vermag daher nicht gefolgt werden.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, daß sich der Berufungswerber, wie oben bereits dargelegt, in Ansehung der nachhaltigen Weigerung sich der rechtmäßigen Amtshandlung zu unterziehen, sein rücksichtsloses und ordnungsstörendes Verhalten ganz bewußt begangen hat. Die von der Erstbehörde verhängten Strafe in Höhe von nur 800 S kann daher trotz ungünstiger wirtschaftlicher Verhältnisse, sowie weder strafmildernden noch straferschwerenden Umständen nicht entgegengetreten werden. Eine Bestrafung ist insbesondere aber erforderlich, um dem Berufungswerber den Unwert und die Schädlichkeit seines Verhaltens bewußt zu machen und ihn vor weiteren derartigen Respektlosigkeiten gegenüber Organen des Sicherheitswesens abzuhalten. Die mangelnde Wertverbundenheit kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck, wenn der Berufungswerber noch in der Berufung dargelegten Verantwortung, die offenbar erkannte Sozialschädlichkeit des von ihm herbeigeführten Verhaltens in der Folge rechtmäßig gegen ihn eingeleitete Amtshandlung zu erblicken sucht. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist ein weiteres ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat: Dr. B l e i e r

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