Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521491/11/Bi/Se

Linz, 21.03.2007

 

 

                                              

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn A R, L, vom 4. Dezember 2006 gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 27. November 2006, FE-1380/2006, wegen Entziehung der Lenkberechtigung mangels gesund­heit­licher Eignung für den Zeitraum bis zur behördlich festgestellten Wiedereignung und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung, zu Recht erkannt:

 

      Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid behoben und festgestellt wird, dass der Berufungswerber zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B unter der Auflage gesundheitlich geeignet ist, dass er sich für die Dauer eines Jahres im Abstand von drei Monaten einer ärztlichen Kontroll­unter­suchung zu unterziehen und zu diesem Zweck der Bundespolizeidirektion Linz unaufgefordert und auf seine Kosten seine aktuellen Leberwerte (MCV, Gamma-GT, CD-Tect) vorzulegen hat.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) die von der BH Urfahr-Umgebung am 23. Dezember 1977, VerkR0301/1369/1977, für die Klassen A und B erteilte Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs.1 FSG mangels gesund­heitlicher Eignung ab Verkündung des Bescheides bis zur behördlichen Feststellung der Wiedereignung entzogen. Weiters wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG einer Berufung dagegen die aufschiebende Wirkung versagt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte durch mündliche Verkündung am 27. November 2006.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw begründet sein Rechtsmittel damit, er benötige den Führerschein aus persönlichen und aus beruflichen Gründen – er habe zwei minderjährige Kinder. Er verwies außerdem auf das positive Gutachten Dris. M und die ebenfalls positiven Laboruntersuchungen Dris. R.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Einholung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme des Institutes Gute Fahrt, Linz, Mag. W O, vom 6. Februar 2007, sowie des amtsärztlichen Gutachtens gemäß § 8 FSG der Amtsärztin Dr. E W vom 13. März 2007, San-235142/1-2007-Wim/Br, wonach der Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B befristet und unter Auflagen geeignet ist.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 3 Abs.1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken.

Gemäß § 5 Abs.5 FSG ist die Lenkberechtigung, so weit dies aufgrund des ärztlichen Gutachtens oder wegen der Art der Lenkberechtigung nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter den entsprechenden Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen.

Gemäß § 14 Abs.5 FSG-GV ist Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arznei­mittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontroll­untersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wieder­zuerteilen.

 

Auf der Grundlage der verkehrspsychologischen Stellungnahme des Instituts Gute Fahrt, Linz, vom 6. Februar 2007 ist der Bw zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B bedingt geeignet, wobei es aufgrund der testmäßig ausgewiesenen, starken funktionalen Bedeutung des Alkoholkonsums für fraglich erachtet wurde, ob die angestrebte Reduktion längerfristig beibehalten werde oder es zu einem Rückfall in das frühere Konsumverhalten des Bw kommen könne. Es werde daher empfohlen, die Lenkberechtigung vorerst zeitlich auf ein Jahr zu befristen, um mittels regelmäßiger Vorlage der alkoholsensitiven Leberfunktionsparameter eine Verlaufs­kontrolle zu schaffen. Dabei wurden die kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen durchwegs als durchschnittlich bis überdurchschnittlich ausgeprägt und der Frage­stellung entsprechend bezeichnet und die intellektuellen Voraussetzungen als ausreichend gegeben angesehen. Eignungseinschränkenden Charakter habe die Befundlage zur Persönlichkeit. Dem Bw sei bereits zum zweiten Mal aufgrund von Alkoholdelikten die Lenkberechtigung entzogen worden, wobei das Erstdelikt über 10 Jahre zurückliege. Beim Letztdelikt habe er trotz starker Alkoholbeeinträchtigung sein Kraftfahrzeug in Betrieb genommen. Der dabei festgestellte Alkoholisierungsgrad von 1,62 %o BAK weise auf erhebliche Alkoholgewöhnung hin. Dadurch erscheinen die für die Vergangenheit angegebenen unauffälligen Alkoholkonsumgewohnheiten äußerst fraglich, da sie für eine derartige Gewöhnung nicht ausreichten. Seit Entzug der Lenkberechtigung gebe der Bw aber eine Reduktion der Konsumgewohnheiten an und äußerte glaubhaft die Absicht, Autofahren und Alkoholkonsum zukünftig strikt zu trennen. Er zeigte sich im Gespräch durchaus reflektiert und problembewusst. Auch wenn der übermäßige Alkholkonsum in der Arbeitsstätte aus fachlicher Sicht äußerst bedenklich erscheine, seien die Angaben des Untersuchten, dies sei eine Ausnahme gewesen, im Rahmen der Exploration nicht mit der nötigen Sicherheit zu widerlegen.

Die objektiven Persönlichkeitsverfahren weisen eine sehr gute psychische Stabilität und eine weit überdurchschnittliche Selbstkontrolle auf. Die übrigen verfahrensrele­vanten Persönlichkeitsmerkmale liegen im Normbereich, ebenso die verkehrs­spezifische Risikobereitschaft. Testmäßig komme dem Alkoholkonsum immer noch eine starke funktionale Bedeutung zu – die exzitative und die psychopharmakolo­gische Alkoholwirkung, die soziodynamische Funktion des Trinkens und das norm­aus­nutzende Hintergrundtrinken seien signifikant erhöht. Der Bw sei ein eignungs­mäßiger Grenzfall, wobei aber konsequenter Weise unter Würdigung der geäußerten Änderungsbemühungen die nötige Bereitschaft zur Verkehrsanpassung noch in knapp ausreichendem Maß angenommen werden könne.

 

Bereits bei der Erstinstanz hat der Bw die FA-Stellungnahme Dris. A M, FA für Psychiatrie und Neurologie in Linz, vorgelegt, der nach Untersuchung des Bw sowie Einholung der Leberfunktionsparameter MCV, Gamma-GT und CD-Tect vom 7.9.2006 und 17.10.2006 ausgeführt hat, der Bw gebe an, zweimalig, nämlich 1996 und 2006, Alkoholverkehrsdelikte begangen zu haben. In der Anamnese gebe er einen Alkoholkonsum an durchschnittlich 2 Tagen/Woche an, wobei seine Angaben bezüglich Trinkmenge widersprüchlich seien. Das Nachkorrigieren der Anamnese bleibe die einzige, wenngleich gravierende Auffälligkeit bei der Untersuchung. Ansonsten sei die Befundlage regelrecht. Sowohl der psychische Status als auch der somatische Befund seien unauffällig, die Leberwertkontrollen seien völlig regelrecht.

Aus medizinischer Sicht ergäben sich gegenwärtig keine Hinweise auf einen schädlichen Gebrauch von Alkohol, dh Alkoholmissbrauch. Diese Diagnose würde eine psychische und/oder körperliche Schädigung durch Alkohol voraussetzen, wobei die Befundlage derzeit keinen Anhaltspunkt gebe. Die Kriterien zur Diagnose einer Alkoholabhängigkeitserkrankung seien nicht gegeben. Aus psychischer Sicht könne bei der vorliegenden Befundlage die Lenkberechtigung für die Klassen A und B erteilt werden. Aufgrund des Persönlichkeitsbefundes in der psychologischen Untersuchung sollte allerdings stringent vorgegangen werden. Empfohlen werde eine Befristung zunächst für die Dauer eines halben Jahres; um eventuelle - gegenwärtig nicht nachweisbare - Missbrauchsmuster weitestgehend auszuschlie­ßen, sollten der Behörde in vierteljährlichen Abständen einschlägige Laborbefunde vorgelegt werden.

 

Aus dem Verfahrensakt lässt sich ersehen, dass die verkehrspsychologische Stellung­nahme des Instituts fair-care, Linz, Dr. B K, vom 2. September 2006 auf zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B derzeit nicht geeignet lautete, wobei allerdings der Bw bei seinem alkoholisierten Erscheinen zum ersten vereinbar­ten Termin angab, am Vorabend bei einer privaten Feier eine nicht erinner­bare Menge Sekt, Wein und Schnaps getrunken zu haben, obwohl ihm der Termin zur VPU bewusst gewesen sei. Zum zweiten Termin erschien der Bw dann ohne Alkoho­lisierung (der Alkotest ergab 0,0 %o BAK), allerdings wurde die Nichteignung aus verkehr­spsychologischer Sicht durch die Forderung  nach Durchbrechung seiner auffälligen Trinkgewohnheiten (er bestätigte den Konsum von Alkohol, ua Schnaps ca 2-3 mal pro Woche), Senkung der deutlich erhöhten Alkoholtoleranz, strikter ärztlich kontrollierter Alkoholabstinenz sowie regelmäßigem Besuch einer alkohol­­spezifischen Beratungsstelle untermauert und eine neuerliche VPU in frühestens sechs Monaten für sinnvoll erachtet.

Zwischen den beiden verkehrspsychologischen Stellungnahmen liegen vier Monate.

 

Die Amtsärztin Dr. W gelangt auf dieser Grundlage in ihrem abschließenden Gutachten gemäß § 8 FSG zum Ergebnis, dass der Bw zum Lenken von Kraftfahr­zeugen der Klassen A und B befristet geeignet ist unter der Auflage einer Nachunter­suchung in einem Jahr sowie Kontrolluntersuchungen der Leberwerte CDT, MCV, Gamma-GT vierteljährlich. Begründet wurde dies mit den obigen Ausführungen in den vorliegenden verkehrspsychologischen Stellungnahmen und in der FA-Stellung­nahme Dris. M. 

 

Die Empfehlung einer zeitlichen Befristung der Lenkberechtigung stammt vom Verkehrspsychologen und vom Facharzt und ist auch in diesem Licht, nämlich gesundheitsbezogen im Hinblick auf die Beobachtung des Trinkverhaltens, zu sehen; mit einer zeitlichen Befristung im rechtlichen Sinn hat diese Empfehlung nichts zu tun. Die kritiklose Übernahme des Begriffes "Befristung" samt den damit verbun­denen Folgen durch die Erstinstanz würde der ständigen Recht­sprechung des Verwaltungs­ge­richts­­hofes eklatant widersprechen.  

 

Gemäß § 3 Abs.5 FSG-GV kann Personen mit einer fortschreitenden Erkrankung eine Lenkbe­rech­tigung befristet erteilt oder belassen werden unter der Auflage ärzt­licher Kontroll­unter­suchungen und amtsärztlicher Nachuntersuchungen. Die Auflage kann aufge­hoben werden, sobald sich die Erkrankung oder Behinderung stabilisiert hat.

Beim Bw ist keinerlei fortschreitende Erkrankung festgestellt worden, die eine Befristung, dh eine Versagung einer Lenkberechtigung für die Zeit nach dem angenommenen Fristende, erforderlich machen würde (vgl VwGH 20.4.2004, 2003/11/0315).

Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinn des § 8 Abs.3 Z2 FSG ist nur dann gegeben, wenn eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Es bedarf daher konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesund­heitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für bestimmte Zeit vorhanden ist, aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl VwGH 18.1.2000, 99/11/0266; 24.4.2001, 2000/11/0337; 24.11.2005, 2004/11/0121).

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates war die Befristung der Lenkberechtigung aus all diesen Überlegungen entbehrlich. Beim Bw besteht nach den Ausführungen Dris. M die Diagnose "zweimalige Alkoholverkehrsdelikte - Ausschluss eines Alkoholmissbrauchs und Ausschluss einer Abhängigkeits­erkrankung". Dabei handelt es sich nicht um eine Krankheit im Sinne der zitierten Judikatur, weshalb die Voraussetzungen für die im amts­ärztlichen Gutachten – an sich wohlüberlegt – vorge­schlagene Befristung rechtlich nicht gegeben sind. Der Bw sollte sich aber dringend vor Augen führen, dass, sollte er erneut im Hinblick auf Alkohol auffällig werden, ein neues Entziehungsverfahren jederzeit einzuleiten ist.

Die Auflage, alle drei Monate die angeführten alkoholrelevanten Leberlaborwerte vorzulegen, lässt das einigermaßen zeitgerechte Erkennen eines allfälligen Auffällig­werdens des Bw im Hinblick auf erhöhten Alkoholkonsum erwarten, weshalb nach Wahrung des Parteiengehörs spruchgemäß zu entscheiden war. Im gegenständ­lichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

2 Alkoholdelikte innerhalb von 10 Jahren, kein Alkoholmissbrauch und keine Alkoholkrankheit laut FA –> Befristung ausgeschlossen trotz Empfehlung im amtsärztlichen Gutachten -> alle 3 Monate Leberwerte für 1 Jahr

 

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