Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230349/6/Br

Linz, 11.10.1994

VwSen -230349/6/Br Linz, am 11. Oktober 1994 DVR.0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn D I M, vertreten durch Dres. B, L und B alle W gegen den Punkt 5) des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Linz vom 27. Juli 1994, Zl. St.1526/94-In, wegen der Übertretung nach § 82 des Sicherheitspolizeigesetzes nach der am 11. Oktober 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine F o l g e gegeben; der Spruch hat jedoch in Abänderung zu lauten, indem diesem nach den Worten .......'Dienstraum schleuderten' die Wortfolge "und dadurch der Dienstbetrieb im Wachzimmer Funkstreife gestört und eine Amtshandlung behindert wurde" anzufügen ist. Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993; II. Für das Berufungsverfahren wird dem Berufungswerber zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten ein Verfahrenskostenbeitrag von 400 S (20% der verhängten Strafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage: § 64 Abs.1 u. 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit Punkt 5) des Straferkenntnisses vom 27. Juli 1994 über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 82 SPG eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen verhängt, weil er am 13. Jänner 1994 um 23.30 Uhr im WZ Funkstreife im Zuge der gegen ihn geführten Amtshandlung sich insofern gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht aggressiv verhalten habe, als er laut zu schreien und mit den Füßen gegen die amtshandelnden Polizeibeamten zu schlagen begangen (gemeint wohl begonnen) und außerdem mehrere Telefonbücher durch den Dienstraum geschleudert habe. 2. Begründend führt die Erstbehörde zu diesem Punkt sinngemäß aus, daß der Berufungswerber im Zuge einer Atemluftuntersuchung plötzlich aggressiv geworden sei und das ihm in diesem Punkt zur Last gelegte Verhalten gesetzt habe, wobei auch ein geordneter Dienstbetrieb unmöglich gemacht worden sei. Dieser Sachverhalt sei durch die Wahrnehmung und der diesbezüglichen Angaben von sechs unter Diensteid stehenden Sicherheitswachebeamten als erwiesen anzunehmen gewesen. 3. In seiner am 16. August 1994 innerhalb offener Frist der Post zur Beförderung übergebenen Berufung bestreitet der Berufungswerber auch diesen Punkt des Straferkenntnisses. Er rechtfertigt den Gebrauch eines Schimpfwortes, weil er über die ihm durch das Anlegen der Handfesseln verursachten Schmerzen geklagt habe. Er sei am Boden gelegen und habe geweint und habe sich keineswegs aggressiv verhalten. 3.1. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt, somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da in diesem Punkt keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Hinsichtlich der weiteren Übertretungspunkte fällt die Entscheidungspflicht einem anderen Einzelmitglied bzw. der 9. Kammer zu. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war durchzuführen, weil auch in diesem Punkt das angelastete Verhalten bestritten wurde (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafaktes der Bundespolizeidirektion Linz, Zl. St. 1.526/94-In, die Vernehmung der die Amtshandlung durchführenden und die im Wachzimmer anwesenden Sicherheitswachebeamten und durch die Vernehmung des Berufungswerbers als Beschuldigten. 5. Folgender Sachverhalt ist erwiesen:

5.1. Der Berufungswerber wurde im Rahmen einer Routinekontrolle wegen des Verdachtes des Lenkens eines Kfz in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand angehalten und in weiterer Folge zwecks Durchführung einer Untersuchung der Atemluft mittels Alkomat auf das Wachzimmer Funkstreife verbracht. Der Berufungswerber wies starke Alkoholisierungssymptome auf. Dort verweigerte er schließlich diese Untersuchung. In weiterer Folge wurde der Berufungswerber aggressiv. Er begann zu schreien und zu gestikulieren. Er wurde diesbezüglich vorerst durch den Meldungsleger als Organ der öffentlichen Aufsicht abgemahnt und ihm auch eine Anzeige angedroht. In weiterer Folge hat der Berufungswerber Telefonbücher durch das Wachzimmer geschleudert. Durch diese Verhaltensweise wurde der Dienstbetrieb und jedenfalls auch die mit dem Berufungswerber geführte Amtshandlung behindert.

Dieses Beweisergebnis stützt sich auf die übereinstimmenden und in jeder Richtung hin schlüssigen Angaben der im Wachzimmer anwesend gewesenen Polizeibeamten. Diese schilderten in lebhafter, lebensnaher und den Denkgesetzen entsprechenden Weise die vom Berufungswerber gesetzte Verhaltensweise. Diesen Angaben war klar zu entnehmen, daß der Berufungswerber in seiner schweren Alkoholisierung völlig aus der Rolle fiel und dabei ein Verhalten setzte, welches in geradezu typischer Weise geeignet war, unter den Tatbestand gemäß § 82 SPG subsumiert zu werden.

5.2. Nach § 82 Abs.1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einer Militärwache, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden. Von einem "aggressiven Verhalten" wird man daher dann sprechen können, wenn eine Handlung bei anderen die lebhafte Empfindung des Unerlaubten und Schädlichen hervorzurufen geeignet ist (vgl. VwGH 9.7.1984, 84/10/0080, 30.9.1985, 85/10/0027 ua). Dies trifft für das vom Berufungswerber gesetzte Verhalten zu.

5.3. Dem Spruch des Straferkenntnisses kommt im Hinblick auf die in § 44a Z1 bis 5 VStG festgelegten Erfordernissen besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat nach der Rechtsprechung des VwGH ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde, usw.

Die zentrale Frage, wie ein Spruch abgefaßt sein muß, um der Bestimmung des § 44a Z1 VStG zu entsprechen, ergibt sich aus der hiezu entwickelten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Ein bedeutender Schritt zur Lösung der Problematik kann in dem Erkenntnis des VwGH v. 13.6.1984 Slg. 11466 A gesehen werden, in dem dargelegt wurde, daß die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben ist, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2. die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

Ferner ist es für die Befolgung der Vorschrift des § 44a Z1 VStG erforderlich, daß im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er a) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch des Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z1 VStG genügt und die erfolgte Tatumschreibung das Straferkenntnis als rechtmäßig oder rechtswidrig erscheinen läßt (siehe obzit.Judikat). 5.4. Innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist ist wider den Berufungswerber mit dem Vorhalt des "gesamten Akteninhaltes" am 13. Juli 1994 eine den obigen Erfordernissen entsprechende, taugliche, Verfolgungshandlung gesetzt worden. Aus der Niederschrift vom 20. Mai 1994, Seite 14 oben, ergibt sich, daß durch das Verhalten des Berufungswerbers auch ein geordneter Dienstbetrieb nicht möglich gewesen ist. Der mangelhafte Spruch des Straferkenntnisses war daher im Sinne der obigen Ausführungen auf das fehlende Tatbestandselement zu ergänzen. Eine Verfolgungshandlung ist jede von der Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u. dgl), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat (§ 32 Abs.2 VStG).

Die Verfolgung einer Person ist (erst) unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2 VStG) vorgenommen wurde (§ 31 Abs.1 VStG). 6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Darüber hinaus ist zur Strafzumessung festzuhalten, daß dem Berufungswerber mildernde Umstände nicht zugute kommen können. Vielmehr bestehen zahlreiche Vormerkungen wegen kraftfahrrechtlicher und straßenpolizeilicher Übertretungen. Seine Verhaltensweise gegenüber einer Einrichtung des Staates - aggressives Verhalten und Werfen von Telefonbüchern in einem Wachzimmer - läßt den Schluß auf besondere gleichgültige bis mangelhafte Verbundenheit mit gesetzlich geschützten Werten erkennen. Es bedurfte daher insbesondere aus Gründen der Spezialprävention dieser Bestrafung, um den Berufungswerber seinen Verhaltensunwert zu verdeutlichen. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß jeweils - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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