Linz, 16.03.2007
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der G A, geb., L, R, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Freistadt vom 31. Jänner 2006, Zl. Pol 96-158-2005, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Oö. Spielapparategesetz 1999 (LGBl Nr. 53/1999) zu Recht erkannt:
I. Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (Bwin) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:
"Sie haben als Verantwortliche für Spielapparate des 'W' in F, L, geduldet, dass in den öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten ein Videospielapparat (Winnerboy), welcher unter die Bestimmungen des Oö. Spielapparategesetz 1999 fällt, aufgestellt wird.
Im Zuge einer routinemäßigen Spielapparatekontrolle am 17.11.2005 von 18.00 bis 18.50 Uhr, wurde festgestellt, dass im vorher genannten Lokal ein Videospielapparat aufgestellt wurde, ohne dass Sie die dafür erforderliche Spielapparatebewilligung besitzen.
Es handelt sich dabei um eine dienstliche Wahrnehmung von Überprüfungsorganen der Bezirkshauptmannschaft Freistadt."
Dadurch erachtete die belangte Behörde den § 3 Abs 1 Z 4 iVm § 10 Abs 2 Oö. Spielapparategesetz 1999 als verletzte Rechtsvorschriften und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß § 10 Abs 2 Oö. Spielapparategesetz 1999 eine Geldstrafe von 400 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 40 Euro (10 % der Strafe) vorgeschrieben.
1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Bwin nach zwei erfolglosen Zustellversuchen am 3. Februar 2006 durch Hinterlegung beim Postamt zugestellt worden ist, richtet sich die rechtzeitig am 16. Februar 2006 zur Post gegebene Eingabe vom 15. Februar 2006, deren Inhalt wie folgt lautet:
"Betrifft: Bescheid vom 2006-01-31 Aktenz: Pol96-158-2005
Ich berufe gegen den Bescheid Nr. Pol96-158-2005 und beantrage die Einleitung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens.
Mit freundlichen Grüßen
(eh. Unterschrift)
A G"
Mit Schreiben vom 6. März 2006 erteilte der Oö. Verwaltungssenat einen (qualifizierten) Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs 3 AVG, weil die Bwin in ihrer Berufung keine Gründe angegeben hatte. Mit rechtzeitiger Eingabe vom 16. März 2006 verbesserte die Bwin wie folgt:
" ...
Ich erhebe gegen den Strafbescheid vom 31.01.2006 vollinhaltliche Berufung.
BERUFUNGSBEGRÜNDUNG:
Hiermit möchte ich gegen das Straferkenntnis der BH-Freistadt Berufung einlegen, da ich lediglich für die Spielapparate die von der BH Freistadt genehmigt wurden Nr.201072, 4211,5212 zuständig bin. Da ich selbst nicht Lokalbetreiber bin, bin ich auch nicht für die im Straferkenntnis angeführten Spielapparate verantwortlich. Zeugen: A R, Hr. G G, A T.
Ich bitte dem Berufungsbegehren folge zugeben und das Strafverfahren einzustellen.
Mit freundlichen Grüßen
(eh. Unterschrift)
A G"
2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Gang des Verfahrens:
2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis werden zum Sachverhalt und zur Schuldfrage folgende lapidaren Feststellungen getroffen:
"Es ist gemäß § 3 Abs. 1 Ziff. 4 Oö. Spielapparategesetz 1999, das Aufstellen von Spielapparaten oder die Verwendung von Spielprogrammen ohne die dafür erforderliche Spielapparatebewilligung (gemäß § 4), verboten.
Anlässlich einer Spielapparateüberprüfung durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Freistadt (FOI. R N, Ktr. P K) wurde festgestellt, dass im 'W' in den öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten ein Videospielapparat (Winnerboy, Ser.Nr. 4216, Spielprogramm – Ring of Fire) aufgestellt ist. Dieser Spielapparat ist gegen Entgelt (Münzeinwurf bzw. Papiergeldeinzug) zu betreiben.
Zum Zeitpunkt der Überprüfung wurde auf dem gegenständlichen Spielapparat gespielt.
Eine Bewilligung für die Aufstellung oder für den Betrieb des gegenständlichen Videospielapparates konnte nicht vorgewiesen werden bzw. war eine derartige Bewilligung nicht vorhanden.
Die von der Beschuldigten vorgebrachten Rechtfertigungsgründe sind nicht geeignet den strafbaren Tatbestand zu entkräften.
Seitens der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde wurde für das betreffende Gerät keine Spielapparatebewilligung erteilt.
Es steht somit einwandfrei fest, dass die Beschuldigte den in ihrem Lokal aufgestellten Videospielapparat, ohne die hierfür erforderliche Bewilligung nach dem Oö. Spielapparategesetz 1999, aufgestellt und betrieben hat."
Weitere Tatsachenfeststellungen gehen aus dem angefochtenen Straferkenntnis nicht hervor. Die weiteren Ausführungen befassen sich mit der Strafbemessung.
2.2. In dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsstrafakt befindet sich ein zur Zahl Pol 96-145-2005 verfasster Aktenvermerk vom 17. November 2005 betreffend eine Überprüfung nach dem Oö. Spielapparategesetz 1999 im Lokal "W" in F, L. Neben den im angefochtenen Strafbescheid getroffenen Feststellungen zum vorgefundenen Videospielapparat der Marke Winnerboy wird im Aktenvermerk beim Programm "Ring of Fire" und "lt. Beschriftung: Magic Fun Emproms 3.0" vermerkt. Auch finden sich weitere Angaben, die im Bescheid übergangen werden. Als "Eigentümer/Pächter" und "Verantwortlich für die Aufstellung und den Betrieb des Automaten" wird nämlich ein gewisser A K, geb., A, F, angeführt.
Wie sich aus dem Akt weiter ergibt, hat die belangte Behörde zunächst zur Zahl Pol 96-145-2005 Herrn K A die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 24. November 2005 geschickt, in der sie ihm die Duldung der Aufstellung von einem Spielapparat (Standgerät Winnerboy, Ser.Nr. 4216) ohne die dafür erforderliche Bewilligung in F, L, W, vorwirft und die Wahrnehmung der Übertretung mit 17. November 2005 angibt.
2.3. Zum behördlich festgelegten Einvernahmetermin am 19. Dezember 2005 erschien Herr A offenbar in Begleitung der Bwin. In der aktenkundigen Niederschrift wurde dann nur der folgende Satz der Bwin, ohne klarzustellen in welcher Eigenschaft sie überhaupt befragt wurde, protokolliert:
"Ich bin für die alle Spielautomaten im W, an der obigen Adresse verantwortlich. Herr A ist lediglich der Betreiber vom W, aber in keiner Weise für die Automaten zuständig."
In einer weiteren Niederschrift vom 31. Jänner 2006 mit der Bwin werden dann noch Angaben zu deren Einkommens-, Vermögens und Familienverhältnissen festgehalten. Eine nähere Einvernahme zur Sache hat nicht stattgefunden. Ebenso wenig hat die belangte Behörde weitere Ermittlungen durchgeführt. Sie erließ das angefochtene Straferkenntnis, ohne den Sachverhalt weiter aufzuklären.
3. Der erkennende Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon auf Grund der Aktenlage aufzuheben ist.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:
4.1. Gemäß § 3 Abs 1 Oö. Spielapparategesetz 1999 ist verboten
1. das Aufstellen von Geldspielapparaten;
2. die Durchführung von Geld- oder Warenausspielungen mit Spielapparaten;
3. das Aufstellen von Spielapparaten im unmittelbaren Wartebereich von Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel, Schulbushaltestellen sowie in Kindergärten und Schulen;
4. das Aufstellen von Spielapparaten oder die Verwendung von Spielprogrammen ohne die dafür erforderliche Spielapparatebewilligung (§ 4)
Nach den Strafbestimmungen des § 10 Abs 1 Oö. Spielapparategesetz 1999 begeht eine Verwaltungsübertretung,
1. wer gegen ein Verbot gemäß § 3 Abs 1 Z 1 und Z 2 verstößt;
2. wer gegen ein Verbot gemäß § 3 Abs 1 Z 3 und Z 4 verstößt;
3. wer als Verfügungsberechtigter über den Aufstellort einen Verstoß gegen ein Verbot gemäß § 3 duldet;
4. ...
Nach § 10 Abs 2 Oö. Spielapparategesetz 1999 ist eine Verwaltungsübertretung gemäß § 10 Abs 1 Z 1, 3, 4, 5 oder 8 leg. cit. mit einer Geldstrafe von 2000 bis zu 20.000,-- Euro, eine Verwaltungsübertretung nach Abs 1 Z 2 oder Z 7 mit einer Geldstrafe von 400 bis zu 4.000 Euro zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Dabei sind die Anforderungen an Tatort- und Tatzeitumschreibung von Delikt zu Delikt und je nach den Begleitumständen verschieden und an Rechtsschutzüberlegungen zu messen (vgl u.a. im Anschluss an verst. Senat VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 29.9.1993, 93/02/0046; VwGH 31.1.1995, 95/05/0008; VwGH 9.9.1998, 97/04/0031). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003] Anm 2 zu § 44a VStG).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).
Beim Oö. Verwaltungssenat ist aus zahlreichen Verfahren amtsbekannt, dass Spielapparate mit fast beliebiger Bezeichnung immer wieder mit Spielprogrammen wie "Magic Card", "Magic Card Quiz" oder "Magic Fun" in verschiedenen Programmversionen ausgestattet werden, bei denen es sich auch um Geldspielprogramme (Pokerspiele) oder Apparate im Sinne des Glücksspielgesetzes handeln könnte. Dabei käme entweder eine Übertretung nach § 52 Abs 1 Z 5 Glücksspielgesetz des Bundes oder die Übertretung nach § 3 Abs 1 Z 1 und Z 2 iVm § 10 Abs 2 Z 1 Oö. Spielapparategesetz 1999 in Betracht. Jedenfalls muss auch das Verbot des Aufstellens von Geldspielapparaten nach § 3 Abs 1 Z 1 Oö. Spielapparategesetz in Betracht gezogen werden. Ein Geldspielapparat iSd § 2 Abs 2 Oö. Spielapparategesetz 1999 wäre von vornherein nicht bewilligungsfähig. Diese Vorfragen hätte die belangte Behörde daher zwingend aufklären müssen, bevor sie einen Tatvorwurf nach § 3 Abs 1 Z 4 Oö. Spielapparategesetz 1999 erhebt.
Auf Grund der wesentlichen Erhebungs- und Feststellungsmängel des erstbehördlichen Verfahrens ist es dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht einmal möglich zu beurteilen, ob ein nach § 4 Oö. Spielapparategesetz 1999 bewilligungspflichtiger Spielapparat oder unter Umständen ein verbotener Geldspielapparat vorliegen könnte. Auch die Abgrenzung zwischen dem Oö. Spielapparategesetz 1999 und dem Glücksspielgesetz des Bundes setzt ausreichende Tatsachenfeststellungen zur Funktionsweise des Spielapparates, die mitunter nur mit Hilfe von geeigneten Sachverständigen möglich sind, voraus.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
Dr. W e i ß