Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280953/21/Kl/Pe

Linz, 21.03.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des H S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. L P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 25.9.2006, Ge96-64-2006/Ew/Ep, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 7.2.2007 zu Recht erkannt:

 

 

I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 25.9.2006, Ge96-64-2006/Ew/Ep, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 300 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.1 Z16 ASchG iVm § 34 Abs.2 Z3 AM-VO verhängt, weil er als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit Verantwortlicher gemäß § 9 Abs.1 VStG der Arbeitgeberin S & P G GmbH, Geschäftsanschrift, zu vertreten hat, dass die genannte Gesellschaft, wie vom Arbeitsinspektorat Linz, anlässlich eines von der Polizei telefonisch gemeldeten Arbeitsunfalles, angezeigt wurde, die Verpflichtungen betreffend die Aufstellung und Benutzung von Arbeitsmitteln verletzt hat:

Der Arbeitnehmer T R wurde am 25.1.2006 um ca. 10.15 Uhr an der auswärtigen Arbeitsstelle bei F B GmbH in, in der Produktionshalle 2 neben dem Durchschiebegärschrank mit dem Ausbauen und Reinigen von Fliegengittern auf einer Leiter in einer Höhe von 4,5 m stehend beschäftigt. Beim Herausnehmen eines Gitters rutschte der Arbeitnehmer R von der Leiter ab und stürzte mit dieser zu Boden. Die Leiter wurde auf ca. 6,2 m Länge auseinandergeschoben in die Trapezblechdachkonstruktion (Tiefe der möglichen Auflagefläche ca. 12 cm) hineingelehnt und von einem Arbeitnehmer unten gehalten.

Entgegen § 34 Abs.2 Z3 der AM-VO wurde die Leiter nicht derart aufgestellt, dass sei gegen Wegrutschen und Umfallen gesichert ist.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und in dieser auf eine beigeschlossene Stellungnahme an die AUVA hingewiesen, wonach ein gegen den unmittelbaren Vorgesetzten, Herrn R S, eingeleitetes gerichtliches Verfahren eingestellt wurde. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass durch Schulungen der Mitarbeiter, Bereitstellung von einwandfreien Arbeitsmitteln und Anweisung sämtliche arbeitsrechtliche und innerbetriebliche Vorschriften einzuhalten, alles unternommen wurde, um derartige Unfälle zu vermeiden. Es gibt ein Kontrollsystem im Unternehmen und zwar durch den Vorarbeiter und verantwortlichen Objektleiter. Allerdings ist der Verunglückte selbst Vorarbeiter und hat er die Verwendung der Leiter als Anlegeleiter selbst entschieden. Das Verfahren gegen den direkten Vorgesetzten wurde hingegen bereits eingestellt.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Weiters wurde vom Oö. Verwaltungssenat der Strafakt des Bezirksgerichtes Linz zu 32 U 81/06 betreffend Herrn R S beigeschafft und von wesentlichen Teilen eine Kopie angefertigt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 7.2.2007, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und erschienen sind. Die Bezirkshauptmannschaft hat sich entschuldigt. Weiters wurden die Zeugen Ing. G, Arbeitsinspektorat Linz, T R und R S geladen und einvernommen.

 

4.1. Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme des Beschuldigten vor der belangten Behörde wird auf die Anzeige verwiesen, wonach der Verunfallte mit dem Fuß von der Leitersprosse abrutschte und die Leiter nur deshalb umstürzte, weil der zweite Arbeitnehmer, der die Leiter sichern sollte, diese nicht mehr halten konnte. Eine nicht ausreichende Sicherung der Leiter war nicht ursächlich für den Arbeitsunfall. Weiters wurde auf die ausreichende Unterweisung bezüglich Leitern und Aufstiegshilfen vor dem Unfall am 21.9.2005 und nach dem Unfall am 8.2.2006 hingewiesen und entsprechende Nachweise über die Unterweisung vorgelegt. Für die Sonderreinigung ist Herr R S als Objektleiter zuständig für die Überwachung der Baustellen und Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften. Dieser wird wiederum von den Geschäftsführern kontrolliert. Es sind aber Anlegeleitern bis zu einer Höhe von 8 m für geringfügige Tätigkeiten im Griffbereich zulässig. Dies war auch auf der Baustelle gegeben. Auch wurde die Leiter von einem zweiten Arbeitnehmer gesichert. Die Leiter war in einem neuen und ordnungsgemäßen Zustand.

 

4.2. Aus dem anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung erörterten Akt des Bezirksgerichtes Linz ist ersichtlich, dass der Strafantrag gegen den unmittelbaren Vorgesetzten R S zurückgezogen wurde und die Einstellung des Strafverfahrens mit 17.7.2006 verfügt wurde. Die Entscheidung gründet auf einem eingeholten Gutachten eines Sachverständigen für technischen Unfallschutz, DI H L, vom 14.6.2006, welcher ausführt, dass Arbeiten, die einfachen Montagearbeiten entsprechen, von Leitern aus durchgeführt werden dürfen, wenn diese im Greifraum durchgeführt werden können und keine Werkzeuge oder Materialen mit beiden Händen die Leiter hinauf oder hinunter transportiert werden müssen. „Nach Ansicht des Gutachters besteht daher kein Verstoß gegen den vom Arbeitsinspektorat zitierten § 36 Abs.6 AM-VO, wenn die Arbeiten vom unterwiesenen und erfahrenen Arbeitnehmer durchgeführt werden und die Leiter gegebenenfalls tatsächlich gegen Wegrutschen gesichert wird. Zum zitierten § 34 Abs.2 Z1 und 3 AM-VO wird angeführt, dass für die Reinigungsarbeiten ausschließlich jeweils ein Gitter vom 1 x 1 m und ca. einem Kilo Gewicht auszuhängen und herunterzureichen war. Hinsichtlich der Sicherung gegen Wegrutschen wurde S ausdrücklich angewiesen, dies durchzuführen und hat er die Leiter trotz glattem Boden bereits bei mehreren Arbeitsstellen offensichtlich ordnungsgemäß gegen Wegrutschen gesichert gehabt und wurden er und R auch im Hinblick auf den Umgang mit Leitern nachweislich unterwiesen. Womit ebenfalls gutachterlicherseits kein ausdrücklicher Verstoß gegen § 34 AM-VO erkannt werden kann.“ Weiters wird ausgeführt, dass die Verwendung eines Fahrgerüstes oder Hubsteigers nicht zwingend vorgeschrieben ist und im Ermessen des Arbeitgebers gelegen ist. „Wenn Herr S und R davon ausgehen konnten, dass S in der Lage ist, die Leiter wirklich gegen Wegrutschen zu sichern, war die Verwendung der Leiter nicht gesetzwidrig. Diese Einschätzung bestand zunächst zurecht, da S in der gleichen Produktionshalle bereits offensichtlich mehrmals vor dem Unfall die Leiter ordnungsgemäß gesichert hat. Der tragische Unfall passierte erst als ein Insektenschutzgitter von R ausgelassen wurde und auf S hinunterfiel und dieser in einer Art Reflexbewegung die Hände von der Leiter nahm und seinen Kopf schützte.“

 

4.3. Weiters liegen im Gerichtsakt eine Einvernahme des verunfallten Arbeitnehmers vom 13.2.2006 vor, worin dieser angab, bereits fünf Insektenschutzgitter mit der Aluschubleiter abmontiert und gereinigt zu haben. Die Leiter wurde ordnungsgemäß angelehnt in 75° zum Boden und weist am Bodenende Gummiplatten gegen Ausrutschen auf. Zum Zeitpunkt des Unfalles wollte er die gereinigten Insektenschutzgitter montieren, der erste Teil war bereits montiert und wollte er den zweiten Teil einschieben als die Leiter nachgab und nach hinten wegrutschte und der Arbeitnehmer samt Gitter zu Boden stürzte. Als Aufstiegshilfe wäre auch ein Hubgerüst möglich gewesen, allerdings nicht bei allen Lichtkuppeln. Der Arbeitnehmer war schon mehrmals bei der Baustelle zur Reinigung und tat dies ebenfalls mit Leitern.

Die Einvernahme des Arbeitnehmers S am 15.2.2006 ergab, dass Gummiteile an der Unterseite der Leiter das Wegrutschen erschweren sollten. Auch stand er unten bei der Leiter und hielt diese fest. R konnte das Gitter nicht mehr halten und musste es fallen lassen, worauf er die Leiter losgelassen hat, um die Hände schützend über den Kopf zu halten. Dabei rutschte die Leiter weg. Die Leiter wurde erst losgelassen, als das Gitter herunterfiel und der Arbeitnehmer eine Warnung zurief. Auch gab er an, schon mehrmals mit Schubleitern gearbeitet zu haben, wobei er meist unten gewesen ist und die Leiter festgehalten hat.

 

4.4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung legt der Berufungswerber dar, dass Herr R S Disponent für die Sonderreinigung ist und zuständig ist für die Einteilung der Mitarbeiter, Kündigung des Personals, Stundenabrechnung und Baustellenkontrolle sowie Einteilung der Partien und Arbeitsmittel. Er ist seit 1998 bei der Firma beschäftigt. Die Firma F B ist Dauerkunde und wurden schon oft Reinigungen durchgeführt, auch Sonderreinigungen wie insbesondere die Reinigung der Fliegengitter an den Lichtkuppeln. Werden diese für das ganze Werk gereinigt, steht eine Scherenbühne zur Verfügung, allerdings gibt es auch Bereiche, wo die Bühne nicht hinkommt. Dort muss auf Leitern zurückgegriffen werden. Leitern stehen in der Firma zur Verfügung, andere Aufstiegshilfen werden angemietet. Auch finden Mitarbeiterschulungen statt und wird auf die Nachweise hinsichtlich der Unterweisungen verwiesen.

Der die Unfallserhebung durchführende Arbeitsinspektor sagte zeugenschaftlich aus, dass die Reinigung nur in kleinem Umfang erfolgte, nämlich fünf bis sechs Fliegengitter. Es wurde eine Leiter als Anlegeleiter als Aufstiegshilfe verwendet. Diese wurde leicht schräg und ca. 12 cm hoch in das Trapezblech eingelegt. Der Fußboden war relativ glatt. Die Leiter wurde von einem zweiten Arbeitnehmer gehalten. Es wurde bestätigt, dass die Verwendung einer Anlegeleiter für kurzfristige Montagearbeiten erlaubt ist, wenn sie sicher angelegt werden kann. Auch ist die Verwendung von Leitern bei glatten Böden nicht verboten und auch die Verwendung von Gerüsten nicht zwingend angeordnet und auch das Sichern der Leiter gegen Wegrutschen durch Halten der Leiter grundsätzlich nicht verboten. Die Leiter war dreiteilig und ausziehbar und hätte aber auch als Stehleiter verwendet werden können.

Der verunfallte Arbeitnehmer T R gab zeugenschaftlich einvernommen an, dass er ca. 5 m hoch auf der Leiter gestanden ist und das Gitter wieder montieren wollte, wobei es sich um ein zweiteiliges Gitter gehandelt hat. Dazu musste er die Leiter loslassen. Diese Arbeiten hat er schon öfters gemacht. Weil der Boden rutschig ist, war der weitere Arbeitnehmer anwesend, um die Leiter zu halten. Zum Aushängen der Gitter musste er sich aber bewegen und verdrehen und ist wahrscheinlich die Leiter weggerutscht, sodass er dann hinunterfiel. Die Leiter war an die Öffnung angelegt. Als Stehleiter wäre sie zu kurz gewesen. Vom Objektleiter wurde ihm gesagt die Leiter zu verwenden.

Der als Zeuge einvernommene Objektleiter R S ist als Disponent für die Sonderreinigung zuständig und sagte aus, dass er relativ selbständig tätig ist und die Einstellung und Entlassung der Arbeitnehmer durchführe, die Stundenabrechnung, teilweise die Angebotserstellung, die Kontrollen der Baustellen und die Bestimmung der Arbeitsmittel, Aufstiegshilfen und Reinigungsmittel. Bei der Firma F wurde schon öfter eine Sonderreinigung vorgenommen und zwar durch die genannten Arbeitnehmer, sodass diese die Situation dort kennen. Herr R war auch als Vorarbeiter dort tätig. Die Arbeitsmittel wurden für diesen Fall nicht von ihm bestimmt sondern weil die Situation bekannt war und eine Arbeitsbühne für diese geringen Arbeiten nicht zur Verfügung stand, verwendete dieser die Schiebeleiter, die sich immer am Firmenbus befindet. Es handelt sich um eine ausziehbare dreiteilige Schiebeleiter, die auch als Stehleiter verwendet werden kann. Der Boden war trocken und hatte eine glatte Oberfläche. Die verwendete Leiter hatte Plastikfüße, dh es waren an den Füßen Plastikteile montiert und neben den Füßen links und rechts rutschsichere durchgehende Querstangen montiert. Auch war zusätzlich ein Mann dabei, um die Leiter zu sichern. Dies wurde ihm auch gesagt.

 

4.5. Aufgrund des Akteninhaltes und der Aussagen bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung steht daher als erwiesen fest, dass der vorhandene Industrieboden glatt war und zur Arbeit, nämlich Reinigung von vier bis fünf Fliegengittern an den Lichtkuppeln, eine dreiteilige Schiebeleiter, die als Anlegeleiter verwendet wurde, an die Kuppelöffnung angelegt wurde. Dies wurde schon öfters so gemacht. Es handelte sich dabei um kurze geringfügige Arbeiten. Die Leiter wurde lediglich als Aufstiegshilfe zum Abmontieren der Gitter und nach der Reinigung zum Montieren der Gitter verwendet. Der Vorarbeiter bestieg zum Demontieren und Montieren diese Leiter und sollte der weitere Arbeitnehmer unten die Leiter sichern. Die Leiter hatte unten Plastikaufstandsflächen und rutschsichere durchgehende Querstangen. Die Leiter wurde auf ca. 6 m ausgezogen und befand sich der Arbeitnehmer in ca. 4,5 m Höhe, um das Gitter auszuhängen bzw. wieder einzuhängen. Die Arbeitnehmer sind nachweislich hinsichtlich der Verwendung der Leitern und Sicherung der Leitern unterwiesen. Sie kennen die Baustelle und sind auch mit der Verwendung der Leitern an der Baustelle vertraut. Zur Sicherung der Leiter wurde ein Arbeitnehmer beigestellt. Die sonstigen Arbeiten hätten durch einen Arbeitnehmer durchgeführt werden können.

 

Aufgrund der unterschiedlichen Aussagen im Akt des Bezirksgerichtes Linz sowie des Berufungswerber sowie der Aussagen anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte aber nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob der verunfallte Arbeitnehmer durch Verdrehen beim Ein- oder Aushängen des Gitters instabil wurde, das Gitter loslassen musste und dem untenstehenden Arbeitnehmer zurief sich zu schützen, wobei dieser die Leiter losließ um seinen Kopf zu schützen, oder ob aufgrund der Arbeiten auf der Leiter durch ein Verdrehen oder Abrutschen des Arbeitnehmers die Leiter instabil wurde, wegrutschte und der untenstehende Arbeitnehmer diese nicht mehr sichern konnte. Es ist daher nicht mit Sicherheit festzustellen, ob trotz der Sicherung durch den untenstehenden Arbeitnehmer die Leiter wegrutschte, oder ob aufgrund des Zurufens des auf der Leiter befindlichen Arbeitnehmers der untenstehende Arbeitnehmer die Leiter losließ und deshalb die Leiter wegrutschte und umfiel.

Weiters ist zwar erwiesen, dass zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalles der Vorgesetzte und Objektleiter R S auf der Baustelle nicht anwesend war, die Arbeiten konkret nicht kontrollierte. Allerdings kannte er die Baustelle, weil schon öfters diese Arbeiten durchgeführt wurden und gab er bei langen Arbeiten die Anweisung eine Hebebühne zu verwenden, bei kürzeren – wie den gegenständlichen – Arbeiten die Anweisung zur Verwendung einer Leiter. Eine Anweisung hinsichtlich der zu verwendenden Arbeitsmittel für den konkreten Unfallstag ist nicht nachweisbar.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.1 Z16 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.

 

Gemäß § 34 Abs.2 Z1 und 3 AM-VO gilt für die Verwendung von Leitern: Leitern dürfen als Standplatz für die Durchführung von Arbeiten nur verwendet werden, wenn nur so wenig Werkzeug und Material mitgeführt wird, dass beim Auf- und Abstieg von der Leiter gewährleistet ist, dass sich ArbeitnehmerInnen sicher an der Leiter anhalten können. Leitern sind derart aufzustellen, dass sie gegen Wegrutschen und Umfallen gesichert sind.

 

Gemäß § 36 Abs.1 AM-VO gilt ergänzend, für Anlegeleitern, dass die Schrägstellung von Anlegeleitern nicht flacher als 3 : 1 und nicht steiler als 4 : 1 sein darf und einteilige Sprossenanlegeleitern nur bis zu einer Länge von 8 m verwendet werden dürfen.

 

Gemäß § 36 Abs.2 AM-VO dürfen Leitern nicht an Stützpunkte angelehnt werden, die keine ausreichende Standsicherheit der Leitern gewährleisten.

 

Gemäß § 36 Abs.6 AM-VO dürfen von Anlegeleitern aus nur kurzfristige Arbeiten im Greifraum durchgeführt werden, wie das Beheben von Putzschäden, einfache Montage- und Installationsarbeiten oder das Ausbessern von Anstrichen. Für diese Arbeiten dürfen nur unterwiesene, erfahrene und körperlich geeignete ArbeitnehmerInnen herangezogen werden.

 

5.2. Als erwiesen steht fest, dass eine dreiteilige ausziehbare Leiter als Anlegeleiter verwendet wurde, die Arbeiten in ca. 4,5 m Höhe durchgeführt wurden und die Leiter in 75° angelegt wurde. Gegen Wegrutschen und Umfallen wurde sie durch einen weiteren Arbeitnehmer durch festhalten gesichert. Die Arbeiten waren kurzfristige Arbeiten, nämlich das einfache Montieren und Demontieren der Fliegengitter zum Zweck der Reinigung, wobei die Reinigung selbst auf dem Boden durchgeführt wurde. Sowohl der verunfallte Arbeitnehmer wie auch der die Leiter sichernde Arbeitnehmer waren hinsichtlich der Verwendung der Leitern unterwiesen, langjährig erfahren, auch auf der konkreten Baustelle erfahren und körperlich geeignet. Es wurde daher gemäß der Bestimmung des § 36 Abs.1 und Abs.6 AM-VO ordnungsgemäß bzw. vorschriftsgemäß eine Anlegeleiter verwendet. Ein Verstoß gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen kann nicht festgestellt werden. Jedenfalls ist die Einhaltung des § 34 Abs.2 Z1 AM-VO erwiesen, zumal das Fliegengitter nur 1 x 1 m groß war und höchstens 1 kg wog, sodass nur wenig Material zum Auf- und Abstieg mitgeführt werden musste und der Arbeitnehmer sich sicher an der Leiter anhalten konnte.

 

Was hingegen den Vorwurf anlangt, dass die Leiter nicht so aufgestellt war, dass sie gegen Wegrutschen und Umfallen gesichert ist und sohin die Bestimmung des § 34 Abs.2 Z3 AM-VO verletzt wurde, hat das Verfahren erster Instanz, das Verfahren vor dem Bezirksgericht Linz und vor dem Oö. Verwaltungssenat in der öffentlichen mündlichen Verhandlung kein Ergebnis beigebracht, welches mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine mangelhafte Sicherung ergeben hat. Feststeht jedenfalls, dass ein weiterer Arbeitnehmer, welcher für die Durchführung der Arbeiten nicht erforderlich gewesen wäre, ausschließlich zur Sicherung der Leiter gegen Umfallen und Wegrutschen zur Verfügung stand und auch Anweisung hatte, die Leiter zu halten. Wie die Sicherung der Leiter gegen Wegrutschen und Umfallen auszusehen hat, ist hingegen in § 34 AM-VO nicht ausdrücklich geregelt. Es ist daher in der Vorgehensweise der Arbeitnehmer grundsätzlich kein Verstoß gegen § 34 Abs.2 Z3 AM-VO zu erblicken. Allerdings ist nicht mit Sicherheit festzustellen, ob zum Unfallszeitpunkt der Arbeitnehmer die Leiter tatsächlich gehalten hat und die Leiter trotzdem weggerutscht ist oder ob der verunfallte Arbeitnehmer zunächst dem anderen Arbeitnehmer zugerufen hat, dieser dann losgelassen hat und daher im Unfallszeitpunkt die Leiter nicht gesichert war. Im Sinne des Sachverständigengutachtens des bezirksgerichtlichen Verfahrens konnte daher der objektive Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung nicht nachgewiesen werden.

 

Dass hingegen die Leiter nicht an Stützpunkten angelegen war, die eine ausreichende Standsicherheit der Leiter gewährleisten (§ 36 Abs.2 AM-VO), wurde dem Berufungswerber nie vorgeworfen und kann ihm daher auch im Berufungsverfahren nicht außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist angelastet werden.

 

5.3. Darüber hinaus ist aber auch in subjektiver Hinsicht ein Organisationsverschulden des Berufungswerbers nicht nachweisbar. Die Arbeitnehmer sind erwiesenermaßen unterwiesen, erfahren und auch auf der Baustelle selbst kundig. Es ist auch erwiesen, dass bei umfangreichen Arbeiten eine Hebebühne verwendet wird. Bei geringfügigen Arbeiten stets Anlegeleitern verwendet werden, insbesondere bei jenen Lichtkuppeln, bei denen Arbeitsbühnen nicht möglich sind. Sollte auch für die Durchführung der konkreten Arbeiten am Unfallstag eine konkrete Anweisung zur Verwendung der Anlegeleiter nicht erfolgt sein, so war aufgrund vorausgegangener gleichartiger Arbeiten auf der Baustelle die Auswahl des Arbeitsmittels schon vorherbestimmt. So wurde schon bei vorausgehenden Reinigungsarbeiten auch eine Anlegeleiter verwendet und diese durch einen Arbeitnehmer gesichert. Es hätte daher auch durch eine konkrete Kontrolle am Unfallstag durch den unmittelbaren Vorgesetzten sowie letztlich auch durch den Beschuldigten die Wahl des Arbeitsmittels nicht anders ausgesehen bzw. ist nicht nachweisbar, dass aufgrund einer Kontrolle und Überwachung ein Wegrutschen und Umfallen der Leiter hätte verhindert werden können. Da aber in der konkreten Situation das Verwenden einer Anlegeleiter grundsätzlich nicht vorschriftswidrig war und auch das Sichern dieser Leiter durch einen anderen Arbeitnehmer nicht der AM-VO widerspricht, wäre daher auch bei tatsächlichem Vorliegen einer Kontrolle durch den unmittelbaren Vorgesetzten und durch den Beschuldigten die Gefährdung des Arbeitnehmers und der Arbeitsunfall nicht zu verhindern gewesen (vgl. VwGH vom 23.4.1996, Zl. 95/11/0411).

 

5.4. Im Grunde des im Akt befindlichen Gutachtens des Gerichtssachverständigen und unter Zugrundelegung des Ergebnisses der öffentlichen mündlichen Verhandlung ist daher für den erkennenden Verwaltungssenat ein Verstoß gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht erwiesen und daher nicht gegeben. Allein aus der Tatsache, dass sich ein Arbeitsunfall ereignet hat, kann aber noch nicht auf eine Gesetzwidrigkeit des Arbeitgebers geschlossen werden. Gleiches gilt auch für den nachträglichen Schluss, dass die Verwendung als Stehleiter oder die Verwendung anderer Arbeitsmittel sicherer gewesen wäre. Aus einer solchen Erkenntnis nach dem Unfall lässt sich aber kein strafbares Verhalten zum Zeitpunkt des Unfalles konstruieren.

 

Aus den angeführten Gründen war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren bezüglich einer Übertretung nach § 34 Abs.2 Z3 AM-VO gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte und das Strafverfahren eingestellt wurde, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Klempt

 

Beschlagwortung:

Unfall, keine Verletzung der Bestimmungen, Kontrollsystem, keine Verhinderung des Arbeitsunfalles

 

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