Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110731/2/Kl/Rd/Pe

Linz, 04.04.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des O K, vertreten durch Rechtsanwälte H-U S, S D, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 10.10.2006, VerkGe96-244-2006, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz zu Recht erkannt:

 

I.      Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

II.     Der Berufungswerber hat als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren den Betrag von 300 Euro, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 19 und 51 VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 10.10.2006, VerkGe96-244-2006, wurde über den Bw eine Geldstrafe von 1.500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 70 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 7 Abs.1 Z1 iVm § 23 Abs.1 Z3 GütbefG verhängt, weil er es als Inhaber des Güterbeförderungsbetriebes in H, zu verantworten hat, dass am 9.8.2006, 15.30 Uhr, durch sein Unternehmen auf der A8-Innkreisautobahn bei Straßenkilometer 24.900 im Gemeindegebiet von Kematen/Innbach, Oberösterreich, mit dem Lastkraftwagen mit dem deutschen Kennzeichen sowie dem Anhänger mit dem deutschen Kennzeichen eine gewerbsmäßige grenzüberschreitende Beförderung von Gütern (Sammelgut) von Dormagen (Deutschland) nach Halkali und Traky Serbest Bölgesi (Türkei) durch den türkischen Fahrer A E ohne Fahrerbescheinigung durchgeführt wurde, obwohl der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung unterliegt. 

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt wurde. Weiters wurde beantragt, dem Land Oberösterreich die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der anwaltlichen Vertretung aufzuerlegen.

Begründend wurde vom Bw Nachstehendes ausgeführt:

"Ausweislich einer Auskunft der Freien und Hansestadt, Behörde für Bau und Verkehr vom 9.5.2003, Ihrer Behörde bekannt, werden Fahrerbescheinigungen, wie sie die Bezirkshauptmannschaft verlangt, nicht ausgestellt. Zur Begründung verweist die Freie und Hansestadt Hamburg auf die Verordnung EG Nr. 484/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 881/92 und (EG) Nr. 3118/93 des Rates hinsichtlich der Einführung einer Fahrerbescheinigung. Die Ordnung Nr. 881/92 Artikel 3 Abs.1 enthält folgende Fassung:

Der grenzüberschreitende Verkehr unterliegt einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsbürger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung.

Gemäß der Neufassung des Artikels 6 Abs.2 der Verordnung 881/92 wird die Fahrerbescheinigung von dem Mitgliedstaat auf Antrag des Inhabers der Gemeinschaftslizenz für jeden Fahrer ausgestellt, der Staatsangehöriger eines Drittstaates ist und der rechtmäßig beschäftigt gemäß den Vorschriften und Tarifen dieses Mitgliedstaates.

Nach Artikel 6 Abs.4 der Verordnung ist die "Fahrerbescheinigung Eigentum des Verkehrsunternehmers, der sie dem darin genannten Fahrer zur Verfügung stellt, wenn dieser Fahrer ein Fahrzeug im Verkehr mit einer dem Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz führt".

Es wurde in Verbindung mit der in Europa einheitlichen EU-Lizenz eine weitere einheitliche Fahrerbescheinigung geschaffen.

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit Gemeinschaftslizenz im innereuropäischen Verkehr sollen nachprüfen können, ob die Fahrer aus Drittstaaten rechtmäßig beschäftigt sind und zwar ausschließlich nach den Vorschriften und Tarifverträgen des Staates, in dem der Unternehmer seinen Betriebssitz unterhält.

Damit fallen Firmen mit Agenturverträgen und/oder bilateralen Verkehren nicht unter den Geltungsbereich der Verordnung.

Die EU-Fahrerbescheinigung ist nicht auszustellen, wenn die grenzüberschreitenden Beförderungen unter Einsatz von CEMT- oder bilateralen Genehmigungen durchgeführt werden.

Der gewerbliche Güterkraftverkehr der Fa. K wird in Richtung Ost-/Südosteuropa bzw in die Türkei und zurück unter Verwendung der Ihnen vorgelegten Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 vorgenommen. Der gewerbliche Güterverkehr wird nicht im Bereich der europäischen Gemeinschaft abgewickelt.

Deutsche Transportunternehmer, die Binnenbeförderungen in Deutschland durchführen, dürfen wie bisher auch Kraftfahrer aus Drittstaaten nur einsetzen, wenn diese über eine gültige Arbeitsgenehmigung und einen Aufenthaltstitel verfügen.

Nach diesen Feststellungen der Behörde für Bau und Verkehr der Freien und Hansestadt Hamburg ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass eine Fahrerbescheinigung nicht auszustellen ist, da der Beschuldigte grenzüberschreitende Beförderungen unter Einsatz der Gemeinschaftslizenz durchführen lässt. Der Fahrer des og Lkw hat die EU-Lizenz vorgelegt. Es kann nicht sein, dass hier Strafen verhängt werden, für eine fehlende Fahrerbescheinigung, die von deutschen Behörden aus den og Gründen nicht ausgestellt werden.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in zwei Fällen am 15.7.2003, VwSen-110463/10/Kl/Pe und am 14.6.2004, VwSen-110523/10/Kl/Rd/Pe, den Inhaber der Fa. K, Herrn O K, aus den og Gründen von dem Vorwurf der Nichteinhaltung des GütbefG freigesprochen.

 

Der Beschuldigte O K ist Inhaber der Gemeinschaftslizenz mit der Nr.:, die ihn berechtigt entsprechende Anträge auf Erteilung einer Fahrerbescheinigung bei den zuständigen Behörden zu stellen. Die Freie und Hansestadt Hamburg als zuständige Behörde für das Ausstellen von Fahrerbescheinigungen lehnt die Ausstellung im vorstehenden Fall ab mit der Begründung, dass eine EU Fahrerbescheinigung nicht auszustellen ist, wenn die grenzüberschreitenden Beförderungen unter Einsatz von CEMT- oder bilateralen Genehmigungen ausgeführt werden.

 

Nach § 7 Abs.1 GütbefG ist die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer der folgenden Berechtigungen sind.

1. Gemeinschaftslizenz gemäß VO der EWG Nr. 881/92

2. ....

3. ....

 

Unstreitig hat der berechtigte Fahrer des og Lkw bei der Kontrolle die o. beschriebene Gemeinschaftslizenz vorgelegt.

Der Fahrer A E ist Angestellter der Fa. K, S E C M K, die mit der Fa. O K, einen Agenturvertrag unterhält.

Dieses ist Ihnen unter Vorlage der Bescheide der Freien und Hansestadt Hamburg nachgewiesen worden. Unter diesen Umständen kann dem Beschuldigten nicht der Vorwurf gemacht werden, er hätte bei gehöriger Sorgfalt erkennen müssen, dass er ohne Fahrerbescheinigung österreichische Straßen nicht befahren darf.

 

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat mit Schreiben vom 8.2.2005, Ihnen bekannt, ihre bisherige Rechtsauffassung bestätigt. Mit Schreiben vom 14.7.2005 wird diese Rechtsauffassung noch einmal detailliert unter Hinweis auf die Bestimmungen der EU bestätigt. Nach Art.1 Abs.2 der VO 881/92 der EU gilt diese VO für den grenzüberschreitenden Güterverkehr auf den im Gebiet der EU zurückgelegten Strecken, nicht aber den grenzüberschreitenden Verkehr nach und von der Türkei.

 

Nach Abs.2 dieser Bestimmung gilt die VO bei Beförderung aus einem Mitgliedstaat nach einem Drittland – wozu die Türkei derzeit noch gehört – und umgekehrt für die in dem Mitgliedstaat, in dem die Be- und Entladung stattfindet, zurückgelegte Wegstrecke, sobald das hierfür erforderliche Abkommen zwischen der Gemeinschaft und dem Drittstaat geschlossen ist.

 

Nach diesseitiger Kenntnis gibt es ein derartiges Abkommen mit der Türkei nicht. Deshalb können die Vorschriften der VO 881/92 iVm der VO 442/2002 im grenzüberschreitenden Güterverkehr zwischen Deutschland und der Türkei keine Anwendung finden. Die hier begehrte Fahrerbescheinigung kann der Beschuldigte nicht vorlegen, weil die zuständigen Behörden in Hamburg die Ausstellung einer Fahrerbescheinigung aus den og Gründen verweigern".    

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Von der  Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte abgesehen werden, zumal einerseits der Sachverhalt hinreichend geklärt ist und darüber hinaus in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde (§ 51e Abs.3 Z1 VStG). Im Übrigen wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung von keiner Partei des Verfahrens beantragt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 7 Abs.1 GütbefG ist die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen von Orten, die außerhalb des Bundesgebietes liegen, in das Bundesgebiet oder durch das Bundesgebiet hindurch, oder von innerhalb des Bundesgebietes liegenden Orten in das Ausland außer Inhabern von Konzessionen nach § 2 auch Unternehmern gestattet, die nach den im Staat des Standortes ihres Unternehmens geltenden Vorschriften zur Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen befugt sind und Inhaber einer der folgenden Berechtigungen sind:

1)        Gemeinschaftslizenz gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92,

2)        Genehmigung aufgrund der Resolution des Rates der Europäischen             Konferenz der Verkehrsminister (CEMT) vom 14.6.1973,

3)        Bewilligung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie für          den Verkehr nach, durch oder aus Österreich,

4)        aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen vergebene Genehmigung des       Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie.

 

Gemäß § 25 Abs.2 GütbefG ist, soweit in diesem Bundesgesetz auf die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 verwiesen wird, die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 des Rates vom 26.3.1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten , Abl. L95 vom 9.4.1992, S.1, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 484/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 1.3.2002, Abl L76 vom 19.3.2002, S.1, ..... anzuwenden.

 

Gemäß § 23 Abs.1 Z3 GütbefG begeht, abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der GewO 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen, eine Verwaltungs­übertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hiefür erforderliche Berechtigung durchführt oder Gebote oder Verbote von zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht einhält.

 

Strafbar ist nach Abs.1 Z3, Z6, Z8 oder Z11 ein Unternehmer auch dann, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen oder die in der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 normierten Gebote und Verbote im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist diesfalls jene Behörde, in deren Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in deren Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgt ( § 23 Abs.3 leg.cit.).

 

Gemäß § 23 Abs.4 leg.cit. hat bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs.1 Z3 und Z8 bis Z11 sowie bei Verwaltungsübertretungen gemäß § 366 Abs.1 Z1 der GewO 1994 die Geldstrafe mindestens 1.453 Euro zu betragen.

 

Gemäß Art.3 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 unterliegt der grenzüberschreitende Verkehr einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaates ist – mit einer Fahrerbescheinigung.

 

Gemäß Art.3 Abs.2 der obzitierten Verordnung wird die Fahrerbescheinigung von einem Mitgliedstaat gemäß Art.6 jedem Verkehrsunternehmer ausgestellt, der Inhaber einer Gemeinschaftslizenz ist und der in diesem Mitgliedstaat Fahrer, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, rechtmäßig beschäftigt oder Fahrer rechtmäßig einsetzt, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind und ihm als Arbeitskraft gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Beschäftigung und die Berufsausbildung von Fahrern durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und gegebenenfalls Tarifverträge nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Vorschriften festgelegt wurden.

 

4.2. Als erwiesen steht fest, dass der Bw als Inhaber des Güterbeförderungsbetriebes in, am 9.8.2006 mit dem Lastkraftwagen, Kz: (D), Anhänger, Kz: (D), eine gewerbsmäßige grenzüberschreitende Güterbeförderung, und zwar von Dormagen (D) nach Halkali und Trakya Serbest Bölgesi (TR) durch seinen türkischen Fahrer A E, ohne im Besitz einer Fahrerbescheinigung zu sein, durchführen hat lassen.

Anlässlich der Amtshandlung wurde den Kontrollbeamten durch den Lenker eine beglaubigte Abschrift der Gemeinschaftslizenz mit der Nr. (gültig vom 1.12.2002 bis zum 30.11.2007), zwei Frachtbriefe, in welchem als Beladeort: Dormagen-Hackenbroich (D) und als Auslieferungsort: Trakya Serbest Bölgesi (TR) eingetragen ist, vorgewiesen.

Auch blieb vom Bw unbestritten, dass die gegenständliche Güterbeförderung mit einer Gemeinschaftslizenz durchgeführt wurde. Es hat daher der Bw den objektiven Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung begangen und zu verantworten.

 

4.3. Wie die belangte Behörde bereits in ihrer Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses dargelegt hat, ist das Güterbeförderungsgesetz 1995 idF BGBl. I Nr. 23/2006 am 16.2.2006 in Kraft getreten und wird in § 25 Abs.2 leg.cit. ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idF der Verordnung (EG) Nr. 484/2002, anzuwenden ist. Es ist daher bei Verwendung eines türkischen Lenkers die Gemeinschaftslizenz in Verbindung mit einer Fahrerbescheinigung erforderlich. Durch die in Kraft getretene Novelle zum GütbefG 1995, insbesondere § 23 Abs.3 GütbefG, ist im Unterschied zur alten Rechtslage nunmehr nicht nur der Güterbeförderungsunternehmer mit Sitz im österreichischen Inland, sondern auch jener außerhalb Österreichs verwaltungsstrafrechtlich für die fehlende Fahrerbescheinigung belangbar.

Angesichts dieser Rechtsänderung kann die bisherige Judikatur des Oö. Verwaltungssenates in Bezug auf die Straffreiheit ausländischer Güterbeförderungs­unternehmer nicht mehr aufrecht erhalten werden (vgl. VwSen-110523/10/Kl/Rd/Pe).

 

Die vom Bw in seiner Berufung zitierte Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates vom 15.7.2003, VwSen-110463/10/Kl/Pe, der Berufung wurde damals Folge gegeben, weil der Sachverhalt nicht mehr dahingehend geklärt werden konnte, ob die do grenzüberschreitende Güterbeförderung mittels Gemeinschaftslizenz oder CEMT-Genehmigung erfolgte, ist nicht auf den gegenständlichen Vorfall anwendbar, da dieses Sachverhaltselement im gegenständlichen Fall nicht strittig ist.

 

4.3.1. Dem Bw wurde weiters bereits mehrfach in anhängig gewesenen Berufungsverfahren darzulegen versucht, dass grenzüberschreitende Güterbeförderungen nur dann fahrerbescheinigungsfrei durchgeführt werden können, wenn diese mittels CEMT- oder bilateralen Genehmigungen erfolgen. Diesbezüglich schließt sich der Oö. Verwaltungssenat der Ansicht der hiezu zuständigen Behörde Freie und Hansestadt Hamburg voll und ganz an. Der Bw verkennt hier aber völlig, dass die grenzüberschreitende Güterbeförderung auch tatsächlich mit einer CEMT- oder bilateralen Genehmigung durchzuführen ist. Dass der Bw im Besitz einer bilateralen Genehmigung sei bzw dass der beanstandete Transport mittels einer solchen bzw mit einer in Österreich gültigen CEMT-Genehmigung durchgeführt wurde, wurde von ihm weder behauptet noch geht dies aus dem vorgelegten Akt hervor.

 

4.3.2. Wenn der Bw auch vermeint, dass er der Verpflichtung der Zurverfügungstellung von Fahrerbescheinigungen entbunden wird, wenn er Lenker eines türkischen Unternehmens (Fa. S E C M K) aufgrund eines  Agenturvertrages für sein Unternehmen in Deutschland tätig sein lässt, erscheint dem Oö. Verwaltungssenat unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, wie nachstehend noch auszuführen sein wird, denkmöglich.

 

Vorweg ist zu bemerken, Sinn und Zweck der Fahrerbescheinigung ist, dass nachgeprüft werden kann, ob die Fahrer aus Drittstaaten rechtmäßig beschäftigt sind bzw rechtmäßig dem für die Beförderung verantwortlichen Verkehrsunternehmer zur Verfügung gestellt werden (Erwägung 2 der Verordnung [EG] Nr. 484/2002). Dem Erwägungsgrund 4 der zitierten Verordnung ist aber auch eindeutig zu entnehmen, dass die Verordnung nicht die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft über die Freizügigkeit, den Wohnsitz und den Zugang einer Tätigkeit als Beschäftigter berührt.

Im Sinne des letztgenannten Erwägungsgrundes ist daher die Bestimmung des Art.3 Abs.3 der EU-Verordnung weder in dem Sinne zu lesen, dass Staatsangehörige eines Drittlandes nur rechtmäßig beschäftigt in Deutschland sein müssen, noch dass überhaupt eine Beschäftigungsbewilligung bzw Arbeitserlaubnis oder dgl. Voraussetzung für eine Fahrerbescheinigung ist. Es ist nämlich der zitierten Bestimmung einerseits auch eine zweite Alternative zu entnehmen, nämlich dass Fahrer, die Staatsangehörige eines Drittlandes sind, rechtmäßig "gemäß den Bestimmungen zur Verfügung gestellt werden, die in diesem Mitgliedstaat für die Beschäftigung ... festgelegt wurden". Diesfalls werden die ausländischen Fahrer nicht "rechtmäßig beschäftigt" sondern "rechtmäßig eingesetzt", nämlich unter dem Aspekt, dass alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften für das "Zurverfügungstellen" erfüllt sind. Wird demnach von einem Güterbeförderungsunternehmen mit dem Sitz in Deutschland ein Vertrag mit einem türkischen Unternehmen geschlossen, wonach dieses türkische Unternehmen – gegenständlich Firma S E C M K, (TR) - die Leistung der Fahrer anbietet und das deutsche Unternehmen (Firma des Bw) diese Leistung in Anspruch nimmt, so ist die zweite Alternative von Art.3 Abs.3 der EU-Verordnung heranzuziehen, nämlich dass "Fahrer rechtmäßig eingesetzt werden, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind". Diese dürfen aber nur dann eingesetzt werden, wenn sie den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Mitgliedstaates, also konkret Deutschlands genügen. Dies bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass jedenfalls eine Beschäftigungsbewilligung, Arbeitserlaubnis und dgl. vorliegen muss, vielmehr ist ein Entsprechen nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Mitgliedstaates auch darin zu erblicken, dass zB andere Vorschriften erfüllt sind, die den geordneten Arbeitsmarkt regeln, wie zB auch das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Türkei samt Zusatzprotokoll.

 

Nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates wäre es daher im Sinne der bereits ergangenen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes (vgl. C-317/01 und C-369/01) durchaus möglich, dass ein türkischer Lenker, der bei einem türkischen Unternehmen beschäftigt ist, die Leistung aber für ein deutsches Güterbeförderungsunternehmen für in Deutschland zugelassene Lkw erbringt, und unter den gegebenen Voraussetzungen keine Arbeitserlaubnis braucht, dann ebenfalls eine Bescheinigung nach den deutschen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erhalten muss, dass er "rechtmäßig eingesetzt wird". Die entsprechende Bestimmung des Art.3 Abs.3 EU-Verordnung lässt eine gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation zu, dass auch neben den Vorschriften über die Arbeitserlaubnis sowie über die Arbeitnehmerüberlassung auch weitere Vorschriften darunter zu subsumieren sind. Neben einer rechtmäßigen Beschäftigung durch einen deutschen Arbeitgeber und einer rechtmäßigen Arbeitnehmerüberlassung nach deutschem Recht, wäre daher jede weitere dem Gesetz entsprechende Erwerbstätigkeit eines Fahrers, der Staatsangehöriger eines Drittlandes ist, mit Fahrerbescheinigung zu bescheinigen. Die Fahrerbescheinigung ersetzt aber keine Arbeitsbewilligung und ist auch mit einer solchen nicht gleichzuhalten.

Es stellt die Fahrerbescheinigung sohin einen Nachweis dar, dass die die Fahrerbescheinigung ausstellenden Behörden das Vorhandensein eines ordnungsgemäßen Arbeitsverhältnisses oder aber auch das Vorhandensein der Voraussetzungen nach dem Assoziationsabkommen (und damit Bewilligungsfreiheit), sohin die Erfüllung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Mitgliedstaates über Beschäftigung und Berufsausbildung überprüft und festgestellt haben, wobei diese nur eine deklarative Wirkung, niemals eine konstitutive Wirkung hat. Dies bedeutet aber auch, dass über das Recht zur Erwerbstätigkeit nicht abgesprochen wird, dh eine ausgestellte Fahrerbescheinigung nicht eine Arbeitserlaubnis ersetzt und umgekehrt auch die Nichtausstellung einer Fahrerbescheinigung nicht eine bestehende Arbeitserlaubnis entzieht.

Jedenfalls dürfen aber Lenker, die Drittstaatsangehörige sind, solange nicht vom Unternehmen eines Mitgliedstaates eingesetzt werden, solange eine Fahrerbescheinigung nicht von der Behörde ausgestellt wurde. 

 

Darüber hinaus wird der Bw aber ausdrücklich auf die Bestimmung des Art.9 Abs.2 der Verordnung (EWG) Nr. 484/2002 hingewiesen, wonach Mitgliedstaaten garantieren, dass jeder Inhaber einer Gemeinschaftslizenz gegen Entscheidungen der zuständigen Behörde, durch die ihm eine Fahrerbescheinigung verweigert wird, Rechtsmittel einlegen kann. Es ist daher zumutbar, dass der Bw einen Rechtszug in Anspruch nimmt und ausschöpft.

 

4.3.3. Der weitere Einwand des Bw, wonach der gewerbliche Güterverkehr nicht im Bereich der Europäischen Gemeinschaft abgewickelt werde, ist schon insofern verfehlt, als doch die Durchfahrt durch Österreich als Mitgliedstaat der EU eine Abwicklung einer Güterbeförderung darstellt (vgl. Art. 2, 2. Gedankenstrich, 2. Unter-Gedankenstrich der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idFd Verordnung (EG) Nr. 484/2002) und in Österreich weder die Be- noch die Entladung erfolgt.

 

5. Gemäß  § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß  der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berück­sichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß  anzuwenden.

Die  Einkommens-,  Vermögens-  und  Familienverhältnisse  des Beschuldigten  sind  bei  der Bemessung  von  Geldstrafen  zu berücksichtigen.

 

Die von der belangten Behörde verhängte Geldstrafe in der Höhe von 1.500 Euro liegt geringfügig über jener der Mindeststrafe von 1.453 Euro, sodass de facto von der Verhängung der Mindeststrafe auszugehen war. Darüber hinaus ist sie von einem monatlichen Nettoeinkommen von 3.000 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten ausgegangen. Zudem hat sie auf den Unrechtsgehalt der Tat Bedacht genommen. Auch wurden weder Straferschwerungs- noch Strafmilderungsgründe der Strafbemessung zugrunde gelegt.

 

Im Grunde der Strafbemessungsgründe gemäß § 19 Abs.1 und 2 VStG kann in der Vorgehensweise der belangten Behörde keine gesetzwidrige Gebrauchnahme von dem ihr zustehenden Ermessen bei der Strafbemessung erblickt werden. Der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Schätzung der persönlichen Verhältnisse des Bw wurde in der Berufung nicht entgegengetreten, sodass der Oö. Verwaltungssenat von deren Richtigkeit auszugehen hat.

 

Eine außerordentliche Strafmilderung iSd § 20 VStG war nicht in Betracht zu ziehen, weil von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen – wie dies gesetzlich gefordert ist – nicht gesprochen werden kann. Ebenso wenig war ein Absehen von der Strafe gemäß § 21 VStG möglich, weil die hiefür erforderlichen kumulativen Voraussetzungen der Geringfügigkeit des Verschuldens und unbedeutenden Folgen der Übertretung nicht als gegeben erachtet werden können. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Bw hinter dem in der Strafdrohung typisierten Schuld- und Unrechtsgehalt erheblich zurückgeblieben wäre.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt wurde, hat der Bw einen Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, ds 300 Euro, zu leisten (§ 64 VStG).

 

7. Unbeschadet dessen wird zur Erläuterung des Bw bezüglich des Antrages hinsichtlich der Auferlegung der Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der anwaltlichen Vertretung ausgeführt, dass das Allgemeine Verwaltungsverfahrens­gesetz (AVG) den Grundsatz vorsieht, dass jeder Verfahrensbeteiligte, also auch der Beschuldigte in einem Verwaltungsstrafverfahren, die ihm erwachsenen Kosten selbst zu tragen hat, und zwar auch dann, wenn er mit seiner Eingabe erfolgreich war (vgl. § 74 Abs.1 AVG iVm § 24 VStG). Mangels einer gesetzlichen Grundlage kann daher dem Anspruch auf Kostenersatz nicht entsprochen werden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

Beschlagwortung:

Fahrerbescheinigung, Agenturverträge, Einsetzen von Lenkern

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 15.11.2007, Zl.: 2007/03/0093-4

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