Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150446/10/Lg/Hue

Linz, 12.04.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 9. März 2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des H P E, D A, B, vertreten durch Rechtsanwälte B, H, P & P, D A, K, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 6. April 2006, Zl. BauR96-125-2005, wegen einer Übertretung des Bundes­straßen-Mautgesetzes 2002 (BStMG) zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Die Berufung wird dem Grunde nach abgewiesen. Die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf 34 Stunden herabgesetzt.

 

II.                  Ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist nicht zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlage:

Zu  I.:  § 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 24, 16 Abs. 2, 19 VStG.

Zu II.:  §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 400 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen verhängt, weil er als Lenker des Pkw mit dem behördlichen Kennzeichen AB zu vertreten habe, dass er am 13. November 2005, 15.00 Uhr, die A bei km 75, Grenze S, Fahrtrichtung D, benützt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut unterliegen, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten sei. Am Kfz sei eine Mautvignette nicht mit dem Originalkleber angebracht gewesen, wodurch der Selbstzerstörungseffekt bei Ablösen der Vignette verhindert werde.

 

2. In der Berufung wird vorgebracht, dass unrichtig sei, dass die Vignette vollkommen rückstandslos von der Windschutzscheibe abgelöst worden sei. Aus der vom Meldungsleger angefertigten Fotografie sei ersichtlich, dass Teile des großen Buchstabens "B", Teile der Ziffer "5" als auch Teile der grünen Streifen am Rand der Vignette beschädigt worden seien. Dem Bw sei die Vignette beim Anbringen auf die Windschutzscheibe auf den feuchten Boden gefallen, so dass die Vignette zunächst vollflächig abgewischt hätte werden müssen. Es wird beantragt, die noch vorhandene Vignette chemisch analysieren zu lassen um nachzuweisen, dass sie keinesfalls mit irgendwelchen Fremdstoffen manipuliert worden sei.

 

Beantragt wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der A vom 13. November 2005 zugrunde. Die Lenkeranzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf und die Lenkerdaten. Als Ergänzung zur Anzeige wurde ausgeführt: "Jahresvignette 05 Nr. 28115902 wurde vermutlich mit fetthaltigen Mittel angebracht".

 

Nach Strafverfügung vom 5. Dezember 2005 rechtfertigte sich der Bw im Wesentlichen wie in der später eingebrachten Berufung und bot an, das Kfz, welches sich nicht mehr im Eigentum des Bw befinde, für eine chemische Analyse der Vignette zur Verfügung stellen zu können.

 

Der zeugenschaftlich einvernommene Meldungsleger sagte am 9. März 2006 Folgendes aus: "Am 13.11.2005 führte ich mit meinen Kollegen am Grenzübergang S, Richtung D, eine Vignettenkontrolle durch. Bei der Grenzkontrolle wurde durch einen Kollegen bei der Durchfahrt der Fahrzeuge bei dem angeführten Fahrzeug festgestellt, dass die Vignette vermutlich nicht ordnungsgemäß angebracht war. Nach Ausleitung aus dem fließenden Verkehr und Anhaltung des Fahrzeuges wurde von mir die Anbringung der Vignette genau überprüft.

Da mir die Anbringungsart dieser Vignette nicht ordnungsgemäß erschien, habe ich mit Erlaubnis des Lenkers überprüft, ob die Vignette ordnungsgemäß angebracht ist.

Der Versuch mit meinem Fingernagel die Vignette auf ihre Klebefestigkeit zu prüfen reichte schon und die Vignette löste sich von selbst von der Windschutzscheibe. Die Vignette wurde von mir nicht abgezogen. Dabei stellte ich fest, dass diese Vignette nicht mit dem Originalkleber angebracht war, wodurch der Selbstzerstörungseffekt bei Ablösen der Vignette verhindert wurde (siehe beiliegende Fotos). Die Vignette wurde von mir nicht mehr angebracht. Ich wies den Lenker darauf hin, dass er diese Vignette nicht mehr verwenden darf und bot ihm eine Ersatzmaut an. Der Lenker lehnte die Ersatzmaut ab. Ich teilte ihm dann mit, dass es zu einer Anzeige kommen wird. Nach Kopie der Fahrzeugpapiere gab ich ihm diese wieder zurück. Der Lenker setzte danach seine Reise fort. An die genauen Worte des Lenkers kann ich mich nicht mehr erinnern."

Als Beilage zur Niederschrift sind 3 Farbfotoaufnahmen der Vignette, des Zulassungsscheins und des Kfz angeschlossen.

 

Daraufhin brachte der Bw vor, dass die Zeugenanhörung die Beweisfrage nicht hinreichend beantworten hätte können. Das Kfz stünde nach wie vor zur Überprüfung und Untersuchung zur Verfügung.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung stellte der Verhandlungsleiter zunächst fest, dass der (Vertreter des) Bw trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zur Verhandlung erschienen ist.

 

Der zeugenschaftlich einvernommene Meldungsleger sagte aus, dass er sich an den gegenständlichen Vorfall erinnern könne. Es habe sich um ein r B C gehandelt. Die Vignette habe Ungültigkeitsmerkmale in der Form aufgewiesen, dass bei den Buchstaben bzw. Ziffern "B05" Teile der schwarzen Fläche nicht mehr vorhanden gewesen seien, weshalb das Kfz ausgeleitet und genau überprüft worden sei. Der Lenker habe einer Überprüfung der Vignette durch den Zeugen eingewilligt. Als der Meldungsleger die Vignette berührt habe, sei sie gleichsam von selbst heruntergefallen. Mittels Finger sei festgestellt worden, dass die Vignette überhaupt keinen Klebeeffekt mehr aufgewiesen habe. Sie habe z.B. nicht mehr am Daumen gehaftet, wenn man die Klebefläche angegriffen habe. Der Zeuge vermutete, dass die Vignette mit einem fetthaltigen Mittel befestigt gewesen sei. Die Trägerfolie sei nicht mehr vorhanden gewesen. Der Lenker habe damals bereits mitgeteilt, dass ihm die Vignette hinunter gefallen sei und deshalb nicht mehr ordentlich halte. Die im Akt befindlichen Fotos zeigten die Vignette nach Ablösung von der Windschutzscheibe.

 

Der zeugenschaftlich einvernommene Amtssachverständige legte auf die Frage, ob es möglich sei, dass – wie der Bw es darstellt – eine Vignette beim Versuch sie zu befestigen auf den Boden falle, mit dem Finger gereinigt werde und dann praktisch nur mehr einen sehr geringen Hafteffekt habe, dar, dass zur Aufklärung dieser Frage ein Versuch durchgeführt worden sei. Eine Originalvignette sei von der Trägerfolie abgelöst und ca. eine Minute in ein mit Wasser vollgelaufenes Becken gelegt und anschließend – ohne sie abzutrocknen – an einer Windschutzscheibe fixiert worden. Dabei sei festgestellt worden, dass die Vignette, obwohl die Oberfläche mit Wasser benetzt gewesen sei, an der Windschutzscheibe befestigt habe werden können. Die Haftung sei so ausreichend gewesen, dass sie durch die "Nagelprobe" wieder ohne Beschädigungen von der Windschutzscheibe heruntergelöst werden habe können.

Nachdem das Wasser durch eine Reinigung mit einem Stofftaschentuch entfernt worden sei, sei die Haftung der Vignette an der Windschutzscheibe noch besser gewesen, wobei ein Ablösen beschädigungsfrei nicht mehr möglich gewesen sei. In beiden Fällen sei festgestellt worden, dass die Haftung ausreichend gewesen sei, um die Vignette augenscheinlich ordnungsgemäß zu befestigen. Erst durch die "Nagelprobe" habe festgestellt werden können, dass die Adhäsionskräfte nicht ausreichend gewesen seien. Diese seien durch die Wassertröpfchen oder auch durch das entfernte Wasser und die Restwasserbestände, die nicht vollständig entfernt haben werden können, reduziert worden.

 

Der Vertreter der belangten Behörde beantragte die Bestätigung des angefochtenen Straferkenntnisses.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

5.1. Gemäß § 10 Abs. 1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß § 11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

 

Gemäß Punkt 7.1 der Mautordnung ist an jedem mautpflichtigen Kraftfahrzeug vor Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes eine gültige Vignette ordnungsgemäß (unter Verwendung des originären Vignettenklebers) anzubringen. Die Vignette ist – nach Ablösen von der Trägerfolie – unbeschädigt und direkt so auf die Innenseite der Windschutzscheibe anzukleben, dass sie von außen gut sicht- und kontrollierbar ist. Das Ablösen und Umkleben einer bereits geklebten gültigen Vignette, jede andere als in dieser Mautordnung zugelassene Mehrfachverwendung der Vignette oder eine chemische oder auch technische Manipulation des originären Vignettenklebers derart, dass bei Ablösen der Vignette deren Selbstzerstörungseffekt verhindert wird, ist unzulässig und verwirkt den Nachweis der ordnungsgemäßen Mautentrichtung.

 

Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 400 Euro bis 4.000 Euro zu bestrafen.

 

5.2. Unstrittig ist im gegenständlichen Fall die Lenkereigenschaft des Bw. Strittig ist, ob die Vignette ordnungsgemäß an der Windschutzscheibe befestigt war.

 

Im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, dass bereits vor der Kontrolle Ungültigkeitsmerkmale der Vignette (teilweises Fehlen der schwarzen Buchstaben und Ziffern des Aufdruckes "B05", was auch auf den Beweisfotos ersichtlich ist) sichtbar waren und daher der Bw als Lenker eine mautpflichtige Strecke ohne gültige Vignette benutzt und sohin aus diesem Grund den vorgeworfenen Tatbestand in objektiver Hinsicht verwirklicht hat. Der Bw hat durch diese Ungültigkeitsmerkmale von der Ungültigkeit der gegenständlichen Vignette Kenntnis erlangt bzw. musste bei gehöriger Aufmerksamkeit davon Kenntnis erlangen. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass sich sowohl aus der zeugenschaftlichen Einvernahme des Meldungslegers in der öffentlichen mündlichen Verhandlung als auch aus den Angaben des Bw ergibt und feststeht, dass der originäre Vignettenkleber derart "chemisch oder technisch manipuliert" i.S.d. zitierten Punktes 7.1 der Mautordnung gewesen ist, dass bei Ablösen der Vignette deren Selbstzerstörungseffekt verhindert wird. Dieser Sachverhalt ist unstrittig, weshalb eine beantragte chemische Analyse der Vignette entbehrlich war. Es spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, ob diese "chemische oder technische Manipulation" des originären Vignettenklebers unabsichtlich durch eine auf den Boden gefallene bzw. feucht (nass) gewordene Vignette, wie vom Bw dargestellt worden ist, oder durch gezieltes Auftragen einer Fettschicht o.ä. zur Mehrfachverwendung einer Jahresvignette, wie vom Meldungsleger vermutet wurde, erfolgt ist. Sobald beim Ablösen der Vignette der Selbstzerstörungseffekt verhindert wird, wird – wie im gegenständlichen Fall – der Nachweis der ordnungsgemäßen Mautenrichtung verwirkt und der Tatbestand der "Mautprellerei" erfüllt.

 

 

Die Tat ist daher dem Bw in objektiver und – da keine Entschuldigungsgründe ersichtlich sind – auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Im Zweifel sei zugunsten des Bw von Fahrlässigkeit ausgegangen, und zwar in dem Sinne, dass ihm die Ungültigkeitsmerkmale der Vignette nicht zu Bewusstsein gekommen sind bzw. er sich über die gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere über Punkt 7.1 der Mautordnung, nicht ausreichend informiert hat.

 

Zur Bemessung der Strafhöhe ist zu bemerken, dass im angefochtenen Straferkenntnis ohnehin die gesetzlich vorgesehene Mindestgeldstrafe verhängt wurde. Nicht entschuldigend würde eine allenfalls geltend gemachte Unkenntnis der österreichischen Rechtslage wirken, da nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch für ausländische Kraftfahrer die Verpflichtung besteht, sich über die Rechtsvorschriften, die er bei der Teilnahme am Straßenverkehr in Österreich zu befolgen hat, ausreichend zu unterrichten (vgl. u.a. VwGH 97/06/0224 v. 18.12.1997). Mildernd wirkt lediglich die Unbescholtenheit. Überwiegende Milderungsgründe im Sinne des § 20 VStG sind nicht ersichtlich. Die Tat bleibt auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG gerechtfertigt sein könnte. Vor allem aber ist der Unrechtsgehalt als nicht geringfügig einzuschätzen. Bei Anwendung derselben Strafbemessungsgründe war die Ersatzfreiheitsstrafe auf 34 Stunden herabzusetzen; dadurch entfällt die Vorschreibung der Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Langeder

 

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