Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230433/6/Br/Bk

Linz, 04.05.1995

VwSen-230433/6/Br/Bk Linz, am 4. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn W K, T vertreten durch RA Dr. J U, B gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 20. März 1995, Sich96-167-1994, wegen der Übertretung des Versammlungsgesetzes 1953, nach der am 4. Mai 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung am 4. Mai 1995 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch in Abänderung zu lauten hat:

"Sie haben am 30. Mai 1994, nach 19.50 Uhr als Teilnehmer......(folglich wie im Straferkenntnis)" Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 - AVG, iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 u.

§ 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993 - VStG.

II. Als Kosten für das Berufungsverfahren werden zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten 300 S (20% der verhängten Strafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem Straferkenntnis vom 20. März 1995, Sich96-167-1994 über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 14 iVm § 19 Versammlungsgesetz 1953 eine Geldstrafe von 1.500 S und für den Nichteinbringungsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und in dessen Spruch ausgeführt: "Sie haben am 30. Mai 1994 als Teilnehmer der Versammlung im Bereich des eingezäunten Baustellengeländes der ÖSAG am Südportal des projektierten L, Gemeinde S, diese Versammlung nicht sogleich verlassen, obwohl diese von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems am 30.5.1994 um 19.50 Uhr behördlich untersagt und aufgelöst worden ist." Für die erlittene Haft in der Dauer von einer Stunde und 27 Minuten wurden auf die Geldstrafe S 64,40 angerechnet.

1.1. Hiezu führte die Erstbehörde in der Sache begründend aus:

"Sie haben gegen die Strafverfügung der BH. Kirchdorf v.

29.06.1994 Zahl w.o., innerhalb offener Frist Einspruch erhoben ohne diese konkret zu begründen. Am 30.01.1995 wurden Sie vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und Ihnen Gelegenheit gegeben dazu binnen 2 Wochen ab Erhalt dieser Verständigung Stellung zu nehmen. Sie haben von dieser Gelegenheit nicht Gebrauch gemacht und wird daher der Bescheid auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme erlassen.

Hiezu wird festgestellt:

§ 1 VersG.:

Die positive österreichische Rechtsordnung enthält keine nähere Definition des Begriffes "Versammlung", sondern setzt diesen voraus. Unter einer Versammlung im weiteren Sinn versteht man sprachlich eine organisierte einmalige Vereinigung einer Mehrheit von Personen zu einem gemeinsamen Zweck an einem bestimmten Ort; sie unterscheidet sich von einer eventuellen Ansammlung durch ihre Organisation.

Eine solche Versammlung im Sinne des § 1 des Versammlungsgesetzes lag am 30.5.1994 vor. Hiefür spricht das am 26.5.1994 bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf eingelangte Schreiben der ARGE "Stop Pyhrn", in welcher zu einem "Aktionscamp" in der Zeit vom 28.5. bis 5.6.1994 aufgerufen wurde.

Im gegenständlichen Fall waren alle Voraussetzungen für eine Versammlung, nämlich die Organisation einer Mehrheit v.

Personen (Demonstrationsteilnehmer) zu einem gemeinsamen Zweck (Protest gegen den Weiterbau der A9-Pyhrnautobahn) an einem bestimmten Ort (Südportal des projektierten L im Gemeindegebiet von S) erfüllt. Es kann somit keinesfalls von einer eher zufälligen "Ansammlung" oder gar einer geschlossenen Veranstaltung gesprochen werden, da hiefür typische und wesentliche Voraussetzungen (geschlossene Veranstaltung tritt nicht nach außen in Erscheinung, Zustimmung des Verfügungsberechtigten) fehlen. Der mögliche Umstand, daß einzelne Versammlungsteilnehmer ev. auch persönlich geladen wurden vermag diesen Mangel nicht zu beheben.

Der geschilderte Sachverhalt erfüllt somit die Voraussetzungen des § 1 des Versammlungsgesetzes.

§ 14 VersG.:

(1) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, sind alle Anwesenden verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen.

(2) Im Falle des Ungehorsams kann die Auflösung durch Anwendung von Zwangsmitteln in Vollzug gesetzt werden.

§ 19 VersG.:

Übertretungen dieses Gesetzes sind, insofern darauf das allgemeine Strafgesetz keine Anwendung findet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Amtsgebiet einer Bundespolizeibehörde aber von dieser Behörde, mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu S 5.000,-- zu ahnden.

Die gegenständliche Versammlung wurde am 30. Mai 1994 um 19.45 Uhr von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d.

Krems als örtlich zuständige Behörde aufgelöst und wurden sämtliche auf dem Baustellengebiet befindlichen Versammlungsteilnehmer aufgefordert, das Gelände sogleich zu verlassen.

Da Sie dieser Aufforderung keine Folge geleistet haben, wurden Sie am selben Tag um 20.20 Uhr festgenommen und wurde gegen Sie Anzeige wegen Übertretung des Versammlungsgesetzes erstattet. (Beweis: siehe Anzeige GP. Kirchdorf v.

30.5.1994, GZ P-3135-7/94).

Die Einvernahme des Gendarmeriebeamten BezInsp. M K hat ergeben, daß Sie sich zweifelsfrei nach Verkündung der behördlichen Auflösung der Versammlung weiterhin im Baustellenbereich (=Bereich der aufgelösten Versammlung) aufgehalten haben, sodaß Sie in weiterer Folge festgenommen werden mußten.

Dieser Zeugenaussage wurde im Rahmen der freien Beweiswürdigung eine maßgebliche Beweiskraft beigemessen.

Anläßlich Ihrer Beschuldigten-Ersteinvernahme bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf am 30.5.1994 haben Sie sämtliche Angaben hinsichtlich des Tatvorwurfes des Verbleibes auf der Baustelle nach behördlicher Auflösung der Versammlung verweigert. Ebenso haben Sie zu der Verständigung der Beweisaufnahme v. 30.01.1995 nicht innerhalb der gesetzten Frist Stellung genommen.

Aufgrund dieses ermittelten maßgeblichen Sachverhaltes steht fest, daß Sie gegen die Bestimmung des § 14 VersammlungsG.

verstoßen haben, indem Sie sich nach Auflösung der Versammlung durch die Behörde weiterhin auf dem durch die Auflösung betroffenen Baugelände aufgehalten haben.

Grundlage für die Bemessung der Strafe ist gemäß § 19 VStG.

1991 das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Bei der Strafbemessung wurde auf die Einkommens-, Vermögensund Familienverhältnisse des Beschuldigten Rücksicht genommen.

Als erschwerend mußte der Umstand, daß Sie sich trotz Aufforderung, das Baustellengelände zu verlassen, dort weiter vorsätzlich aufgehalten haben. Mildernde Umstände konnten keine festgestellt werden.

Im Hinblick auf diese Tatumstände, die Milderungs- u.

Erschwernisgründe sowie die festgestellten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (aufgrund der Berufsangabe und der sonstigen bekannten Verhältnisse wurde von einem mindestens monatlichen Einkommen von S 7.000,-ausgegangen) wurde die Geldstrafe reduziert und erscheint die Verhängung der nun angeführten Geldstrafe unter Hinweis auf den gesetzlichen Strafrahmen als angemessen." 2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber in der Sache aus:

"Der Einschreiter erhebt gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems vom 20.3.1995, AZ: Sich96-167-1994 innerhalb offener Frist nachstehende B E R U F U N G an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Das Straferkenntnis wird zur Gänze aufgrund Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten.

1. Mit vorliegendem Straferkenntnis wird dem Einschreiter seitens der Behörde vorgeworfen, am 30.5.1994 als Teilnehmer einer Versammlung im Bereich des eingezäunten Baustellengeländes der ÖSAG am Südportal des L teilgenommen zu haben und diese Versammlung jedoch nicht sofort verlassen zu haben, obwohl diese von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf am 30.5.1994 um 19.50 Uhr aufgelöst worden sei.

Der Einschreiter habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 14 i.V.m. § 19 VersG verletzt und deshalb wurde über den Einschreiter eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,-sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden verhängt.

Begründet wurde das Straferkenntnis von der erstinstanzlichen Behörde damit, daß es sich am 30.5.1994 um eine Versammlung im Sinne des § 1 VersG gehandelt habe und darüber hinaus der Einschreiter nach erfolgter Auflösung der Versammlung durch die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems diese nicht sogleich verlassen habe.

Die Einvernahme des Gendarmeriebeamten BezInsp. M K habe eindeutig ergeben, daß der Einschreiter sich zweifelsfrei nach Verkündung der behördlichen Auflösung weiterhin im Baustellenbereich aufgehalten habe.

2. Auch wenn, wie die erstinstanzliche Behörde ausführt, die positiv-österreichische Rechtsordnung keine nähere Definition des Begriffes "Versammlung" enthält, ist doch durch die ständige Rechtsprechung des VfGH eine Versammlung dadurch definiert, daß die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation, usw.) zu bringen sind, sodaß eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht.

Entgegen der Ansicht der erstinstanzlichen Behörde lag eine solche Versammlung im Sinne des S 1 VersG am 30.5.1994 nicht vor. Weder dem Straferkenntnis, noch der diesem zugrundeliegenden Anzeige, ist zu entnehmen, zu welchem gemeinsamen Wirken, zu welcher Debatte, Diskussion oder Manifestation diese Ansammlung von Personen gedient haben soll, weshalb sie als Versammlung im Sinne des VersG zu werten wäre. Ledigliche die Tatsache, daß bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft zu einem "Aktionscamp" aufgerufen wurde, läßt noch nicht den Schluß zu, daß es sich tatsächlich um eine Versammlung im Sinne des VersG handelt.

Dies wurde von der Behörde einfach angenommen, ohne diesbezügliche Erhebungen anzustellen.

Weiters sind Volksversammlungen im Sinne des VersG sonstige allgemeinzugängliche öffentliche Versammlungen, die anzeigepflichtig sind. Auf geladene Gäste beschränkte (geschlossene) Versammlungen hingegen sind anzeigenfrei.

Eine Versammlung ist dann auf geladene Gäste beschränkt, wenn die Teilnehmer persönlich und individuell vom Veranstalter der Versammlung zum Erscheinen geladen werden und wenn der Veranstalter Vorkehrungen trifft, durch die die Nichtzulassung Ungeladener gesichert ist (Fessler-Keller, Osterreichisches Versammlungsrecht, Seite 10).

Der Anzeigenleger selbst hat in seiner Aussage dargelegt, daß der Eingang zum Baustellengelände mit losem Baumaterial wie Paletten und Bauholz von den "Versammlungsteilnehmern" verbarrikadiert wurde. Der Veranstalter hat somit im Sinne des § 2 VersG eine Versammlung mit Beschränkung auf geladene Gäste veranstaltet und dafür Sorge getragen, daß der Zugang von ungeladenen Gästen zur Versammlung nicht möglich ist.

Dies hat der Anzeigenleger in seiner Zeugeneinvernahme auch ausdrücklich bestätigt.

Der Umstand, daß geladene Gäste während der Versammlung das Baustellengelände verlassen haben, bzw. weitere geladene Gäste hinzugekommen sind, ändert an dieser Tatsache nichts.

Da somit eine Versammlung mit Beschränkung auf geladene Gäste im gegenständlichen Fall vorliegt, kommt ein Vertsoß gegen § 14 VersG nicht in Frage und daher kann der Einschreiter auch nicht danach bestraft werden.

3. Dem Straferkenntnis ist weiter zu entnehmen, daß die gegenständliche "Versammlung" am 30.5.1994 um 19.45 Uhr von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems aufgelöst wurde.

Nach ständiger Judikatur des VfGH müssen jedoch die Umstände, die zur Verletzung der Anzeigepflicht hinzuzutreten haben, um eine Versammlungsauflösung zu rechtfertigen, so geartet sein, daß ohne die Versammlungsauflösung eine Gefährdung der in Art 11 Abs 2 MRK aufgezählten Schutzgüter entsteht (VfGH B567/84, 10.6,1985).

Es ist weder der Anzeige noch dem Straferkenntnis zu entnehmen, welche Schutzgüter im Sinn des Art 11 Abs 2 MRK durch die Versammlung gefährdet wurden, sodaß dies eine Versammlungsauflösung gerechtfertigt hätte.

Allein die Tatsache, daß die gegenständlich von der Behörde als Versammlung gewertete Zusammenkunft von Meschen nicht bei der Behörde angezeigt wurde, rechtfertigt nach gerade zitierter des VfGH allein nicht jedenfalls eine Versammlungsauflösung.

Vielmehr hätte von der Behörde eine Interessenabwägung im Sinn des Art 11 Abs 2 MRK durchgeführt werden müssen und wäre im Straferkenntnis ausführlich darzulegen gewesen, welche Schutzgüter im Sinn des Art 11 Abs 2 MKR durch gegenständliche "Versammlung" verletzt wurden, sodaß dies eine Versammlungsauflösung rechtfertigte. Dies ist jedoch von der erstinstanzliche Behörde nicht erfolgt, sodaß daß das Straferkenntnis rechtswidrig und deshalb das Verfahren gegen den Einschreiter einzustellen sein wird, da eine Bestrafung nach § 14 VersG aufgrund rechtswidriger Versammlungsauflösung nicht in Frage kommt.

Die erstinsatnzliche Behörde hat nicht einmal annähernd angeführt, welche Schutzgüter im Sinn des Art 11 Abs 2 MRK durch die gegenständliche "Versammlung" verletzt sein könnten, sodaß offensichtlich ist, daß keine der in Art 11 Abs 2 MRK aufgezählten Schutzgüter durch die gegenständliche Versammlung verletzt wurden, sodaß eine Versammlungs auflösung im Sinn des § 13 VersG im gegenständlichen Fall unzulässig war und der Einschreiter deshalb auch nicht gegen § 14 VersG verstoßen haben kann.

4. Zur Strafbemessung wird ausgeführt, daß diese in keiner Weise mit den Grundsätzen der Stafbemessung gemäß § 19 VStG vereinbar ist. Ebenso ist auch die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe völlig überhöht. Gemäß § 19 VStG sind die Einkommen-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen sowie das Ausmaß des Verschuldens zu berücksichtigen. Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, welche nachteiligen Folgen durch die Verwaltungsübertretung entstanden sind. Da wie bereits ausgeführt im gegenständlichen Fall ein Verstoß gegen allfällige in Art 11 Abs 2 MRK aufgezählten Schutzgüter nicht vorliegt und im gegenständlichen Fall keine bzw. nur geringfügige Schädigung oder Gefährdung derjenigen Intersessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, herbeigeführt wurden, erscheint die Strafe völlig überhöht.

Aus all diesen Gründen stellt der Einschreiter den ANTRAG das Strafverfahren einzustellen, in eventu neue Beweise zu erheben und dem Einschreiter eine Stellungnahme dazu zu ermöglichen, in eventu die verhängte Geldstrafe in eine Ermahnung abzuändern, in eventu die Herabsetzung der Geldstrafe auf S 50,-Der Einschreiter." 3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems, vorgelegt am 6. April 1995, Sich96-167-1994, sowie durch Vernehmung der am Einsatz beteiligten Gendarmeriebeamten RevInsp. Gerold N und GrInsp. A als Zeugen, den von der Erstbehörde vorgelegten und verlesenen Aktenvermerk des Einsatzleiters vom 31. Mai 1994 und die Sichtung der vom Landesgendarmeriekommando erstellten Videodokumentation anläßlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Die Baustelle der A9-L war bereits am Morgen des 30.

Mai 1994 von etwa 30 Demonstranten "besetzt". Den Teilnehmern dieser Veranstaltung gehörte - jedenfalls zum Zeitpunkt der Auflösung - auch der Berufungswerber an. Er kam bereits um 8.30 Uhr auf die Baustelle. Das Ziel war, ihre (seine) Ansicht nach, gegen den Weiterbau dieser Transitverbindung einzutreten und in dieser Form zu manifestieren. Die Einfahrt zur Baustelle war bereits zu diesem Zeitpunkt verbarrikadiert worden. Ebenfalls sollte im Baustellengelände eine Straße durch das Herunterrollen von großen Steinen von einem Schotterhügel unbefahrbar gemacht werden. Für die um 7.00 Uhr früh den Schichtwechsel vornehmenden Arbeiter war demzufolge ein Verlassen bzw.

Erreichen der Baustelle und somit auch ein Arbeitsbetrieb nicht mehr möglich. Der Vorarbeiter verständigte den GP Windischgarsten, wo der Zeuge GrInsp. A den Anruf entgegennahm und sich folglich gemeinsam mit dem Postenkommandanten auf die Baustelle begab. Dabei stellte sich die Situation wie eingangs angeführt dar.

Diese Veranstaltung wurde der Bezirkshauptmannschaft nicht als solche angezeigt. Zu diesem sogenannten "Actions-Camp" wurde zumindest auch durch Plakatierung aufgerufen. Im Baustellenbereich wurden von den "Actions-Camp-Teilnehmern" zahlreiche, teilweise mehrere Meter große Transparente an Baumaschinen angebracht, deren plakative Texte sich gegen den Bau der Pyhrnautobahn richtete. Die etwa 70 Veranstaltungsteilnehmer waren zu einem guten Teil mit Proviant, Gepäck und Decken ausgerüstet. Im Verlaufe des späteren Nachmittages wurde seitens der Exekutive, welche in der Stärke von zwei Zügen vor Ort beordert worden war, versucht, die Teilnehmer zu einem freiwilligen Verlassen der Baustelle zu bewegen. Dies verlief erfolglos bis schließlich um 19.50 Uhr vom Behördenvertreter vor Ort die Versammlung untersagt wurde. Der Berufungswerber und mit ihm fünfzehn weitere Teilnehmer hatten sich bereits vor der Untersagung der Veranstaltung an Baumaschinen mittels Sperrketten, der Berufungswerber war mit der rechten Hand in einem Rohr, angehängt an einem Bagger. Damit waren diese Teilnehmer (so auch der Bw) hinsichtlich seiner (ihrer) Befreiung auf fremde Hilfe angewiesen. Diese war später nur unter Einsatz von Spezialwerkzeugen und unter Aufwendung höchstem Geschick und größter Sorgfaltsübung möglich. Etwa zehn Minuten nach der mittels Megaphondurchsage kundgemachten Untersagung der Versammlung begann die Exekutive mit der zwangsweisen Räumung der Baustelle. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch etwa fünfzehn an Baumaschinen und Geräten - teilweise die versperrten Bügel oder Fahrradabsperrvorrichtungen um den Hals gelegt - fixierte Teilnehmer auf der Baustelle. Im Falle eines Aus- oder Abrutschens oder eines Schwächeanfalles hätte dies wahrscheinlich zu einer Strangulierung eines Betroffenen führen können. Der Großteil der Teilnehmer kam der Aufforderung der Behörde bzw. der Exekutive nach und verließ freiwillig die Baustelle bzw. die "Veranstaltungsstätte". Der Berufungswerber wurde schließlich um 20.19 Uhr festgenommen und nach seiner Identifizierung und Vernehmung um 21.46 Uhr wieder entlassen.

An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, daß das Einschreiten der Exekutive unter äußerster Schonung der Teilnehmer, mit großem technischen Einsatz, Geschick und in jeder Richtung hin in vorbildlicher Weise ablief. Eine Verbrennungs- bzw. Verletzungsgefahr war dabei für einen Teil der zu Befreienden (welche mittels Schneidbrenner von der Sperrvorrichtung zu trennen waren) im hohen Ausmaß gegeben.

4.2. Dieses Beweisergebnis stützt sich insbesondere auf die Aussage des Zeugen GrInsp. H, die Abspielung der vom Landesgendarmeriekommando angefertigten Videodokumentation, die Ausführungen des Behördenvertreters, welcher zur Ergänzung einen von ihm am 31. Mai 1994 angefertigten Aktenvermerk vorlegt, welcher verlesen und zum Akt genommen wurde. Der Berufungswerber war trotz eines gesonderten Hinweises in der Ladung zur Verhandlung nicht persönlich erschienen.

4.2.1. Der Aktenvermerk wird nachfolgend in seinem gesamten Umfang wiedergegeben:

"Am 28.05.1994 errichteten Aktionsgruppen (Arge-Bauern; Arge-Stop Transit; Netzwerk-Pyhrn; Plattform-ÖKO Region Pyhrn-Garstnertal; Global 2000; Österreichische Hochschülerschaft) auf den Gründen des Landwirtes A P, W, Gemeinde R ein Aktions-Camp mit mehreren Zelten.

In einer Aussendung haben diese Aktionsgruppen angekündigt, in der Woche von 28.05.1994 bis 05.06.1994 gegen die Transitpolitik der Regierung zu demonstrieren. Diese Aussendung wird als Versammlungsanzeige für das Aktions-Camp angesehen, soweit dieses Camp einen versammlungsrechtlichen Charakter überhaupt aufweist.

Am 30.05.1994 um 07.00 Uhr besetzten ca. 70 Männer und Frauen der genannten Aktionsgruppen überfallsartig die eingezäunte Baustelle der ÖSAG am Südportal des sogenannten L, ketteten sich an Baustellenfahrzeugen und Baugeräten an und verhinderten somit die weiteren Bauarbeiten. Sie waren über die Geleise der Pyhrnbahnstrecke in das Baustellengebiet eingedrungen.

Dieser Sachverhalt wurde um ca. 07.20 Uhr der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich berichtet und von dort aus dem Bundesministerium für Inneres gemeldet.

Dabei wurde von Bundesminister Dr. Löschnak und dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit an die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich die Weisung erteilt, die Baustelle so bald als möglich zu räumen.

Zunächst wurde mit den Teilnehmern der nicht angezeigten Versammlung Kontakt aufgenommen; es wurde versucht, sie unter Hinweis auf die nunmehr erreichte Publizität des von ihnen vertretenen Anliegens (Medienvertreter hatten bereits Berichte aufgenommen) zur freiwilligen Aufgabe der Besetzung zu bewegen.

Sie erklärten jedoch dezidiert, ihre Aktion weiterhin fortsetzen zu wollen und kündigten somit eine längerfristige Besetzung der Baustelle an.

Die genannte Aktion war jedenfalls als Versammlung im Sinn des Versammlungsgesetzes zu werten, da die Teilnehmer in gemeinsamem Wirken (sie diskutierten und präsentierten Transparente) ihrer Meinung zum Weiterbau der A9 -Pyhrnautobahn und zur Transitbelastung Ausdruck verliehen.

Erklärtes Ziel der Aktivisten war es, einen Baustopp für die gegenständliche Baustelle zu erwirken.

Da die Versammlungsteilnehmer zu einer freiwilligen Aufgabe der Besetzung der Baustelle nicht bereit waren, wurde die gegenständliche Versammlung um 19.45 Uhr gemäß § 13 des Versammlungsgesetzes untersagt und aufgelöst, wobei mittels Megaphon folgender Wortlaut an die Versammlungsteilnehmer verkündet wurde:

"Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems untersagt gemäß § 13 des Versammlungsgesetzes 1953 i.d.g.F. diese Versammlung und löst sie nach dieser Gesetzesbestimmung auf.

Alle Anwesenden sind verpflichtet, den Versammlungsort zugleich zu verlassen und auseinanderzugehen. Im Fall des Ungehorsams müssen Zwangsmittel angewendet und die Räumung des Versammlungsortes verfügt werden. Überdies stellt die Weigerung, den Versammlungsort zugleich zu verlassen und auseinanderzugehen, eine Verwaltungsübertretung dar, welche gemäß § 19 des Versammlungsgesetzes 1953 i.d.g.F. mit Arrest bis zu 6 Wochen oder mit Geldstrafe bis zu S 5.000,-bestraft werden kann." Zu begründen ist diese Versammlungsauflösung zunächst dadurch, daß die gegenständliche Versammlung nicht binnen 24 Stunden vor ihrer Abhaltung bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems angezeigt wurde und somit ein Verstoß gegen die Ordnungsvorschriften vorliegt.

Darüberhinaus ist jedoch zu berücksichtigen, daß durch die gegenständliche, nicht angezeigte Versammlung die Bauarbeiten auf der genannten Baustelle behindert werden. Da sich die Versammlungsteilnehmer im unmittelbaren Gefahrenbereich der Baustelleneinrichtungen und Baumaschinen befanden, mußte die ÖSAG eine totale Einstellung ihres Baustellenbetriebes verfügen, um ein gravierendes Verletzungsrisiko für die Versammlungsteilnehmer hintanzuhalten.

Die ÖSAG hat bereits mit Schreiben vom 14.09.1993 darauf hingewiesen, daß Baustellenbesetzungen einen schwerwiegenden Eingriff in ihre Rechte darstellen und daraus große wirtschaftliche Nachteile entstehen werden.

Aus diesem Grund hat die ÖSAG auch das gesamte Baustellengelände mit einem Zaun abgesichert, welcher die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse der Republik Österreich deutlich ersichtlich zum Ausdruck bringt. Dadurch soll verhindert werden, daß sich unbeteiligte Personen in den Gefahrenbereich der Baustelleneinrichtungen und Baumaschinen begeben können.

Zu berücksichtigen ist weiters der Zweck, den die Versammlungsteilnehmer mit ihrer Baustellenbesetzung verfolgen:

offensichtlich soll auf das österreichweite Problem der Transitbelastung und das Problem der Belastung der PyhrnPriel-Region durch den Weiterbau der A 9-Pyhrnautobahn hingewiesen werden. Dabei soll von den Versammlungsteilnehmern im gemeinsamen Wirken eine gemeinsame Meinung zur Transitbelastung und zur Frage der Notwendigkeit des Weiterbaus der A 9-Pyhrnautobahn zum Ausdruck gebracht werden, wobei der Öffentlichkeit mit drastischen Mitteln die Beeinträchtigung des Einzelnen durch das Transitverkehrsgeschehen vor Augen gehalten werden soll, indem der Grundeigentümer in seinem Verfügungsrecht beeinträchtigt werden soll.

Diese Interessen der Versammlungsteilnehmer sind den Interessen der Republik Österreich gegenüberzustellen, wobei zu berücksichtigen ist, daß durch die Einstellung der Bauarbeiten der Republik Österreich ein beträchtlicher finanzieller Schaden entsteht.

Weiters darf nicht vergessen werden, daß sich die Versammlungsteilnehmer im unmittelbaren Gefahrenbereich der Baustelleneinrichtungen und Baumaschinen befinden und daher durch die von den Baumaschinen ausgehenden Gefahren in ihrer Sicherheit beeinträchtigt werden können.

Aus diesem Grunde mußte der Standpunkt vertreten werden, daß die von den Versammlungsteilnehmern beabsichtigte Meinungskundgabe ebenso zielführend auch durch andere Maßnahmen bzw.

Demonstrationen erreicht werden kann, durch welche die Republik Österreich in ihrem Eigentums- und Verfügungsrecht nicht beeinträchtigt wird und die Versammlungsteilnehmer keinen Gefahren ausgesetzt werden. Somit muß davon ausgegangen werden, daß die Interessen an der Aufrechterhaltung der Sicherheit und die Interessen des Schutzes der Rechte des Grundeigentümers Republik Österreich die Interessen an der Durchführung der von den Versammlungsteilnehmern abgehaltenen Versammlung bei weitem überwiegen, weshalb die Versammlung untersagt und aufgelöst werden mußte.

Um ca. 19.50 Uhr wurden die Versammlungsteilnehmer nochmals auf ihre Verpflichtung gemäß § 14 Versammlungsgesetz hingewiesen; da jedoch nicht alle Versammlungsteilnehmer dieser Verpflichtung nachkamen, wurde anschließend das Versammlungsgelände durch die Einsatzeinheit und die Sondereinsatzgruppe des LGK geräumt.

Dabei mußten angekettete Versammlungsteilnehmer zunächst von den Baugeräten geschnitten werden. Von den zunächst noch vorhandene ca. 30 Besetzern wurden 14 Personen nach § 35 VStG festgenommen, nach dem Versammlungsgesetz angezeigt und der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems vorgeführt.

Die Auflösung der Besetzung war um 21.15 Uhr beendet. Die der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vorgeführten Personen wurden wegen Übertretung des Versammlungsgesetzes (bzw.

zusätzlich zum Teil wegen Übertretung des Eisenbahngesetzes) als Beschuldigte einvernommen und anschließend auf freien Fuß gesetzt.

K, am 31.5.1994 (e.h. gezeichnet vom Behördenvertreter)" 4.2.2. An der Richtigkeit der zuletzt wiedergegebenen Darstellung des Verlaufes der Versammlung bestehen keine wie immer gearteten Zweifel. Betreffend das Verhalten des Berufungswerbers steht laut dem h. durchgeführten Ermittlungsverfahrens wohl fest, daß ihm ein Verlassen der Veranstaltungsstätte nach Auflösung dieser an sich objektiv nicht mehr möglich gewesen ist. Es wird davon ausgegangen, daß der Berufungswerber sich seines Schlüssels für die Sperrvorrichtung entweder entledigte oder gegenüber den Exekutivbeamten verborgen hielt, um dadurch den unvermeidbaren Verbleib dem Manifestationsziel noch weiteren Nachdruck zu verleihen. Die Teilnehmer waren, was aus der Mitnahme von Liegematten, Rucksäcken und Proviant zu schließen ist, auf einen längeren Aufenthalt auf der Baustelle offenkundig auch eingerichtet. Die in der Berufung vertretene Ansicht, daß diese Veranstaltung objektiv nicht den Charakter einer Versammlung gehabt und nur "individuell geladene Gäste" Zutritt gehabt hätten, erweist sich demnach als haltlos. Wie aus anderen in dieser Sache bereits abgeführten Berufungsverfahren hervorkam und was hier auch vom Zeugen GrInsp. A bestätigt wurde, konnte man auch vom Gleiskörper der Pyhrnbahn auf die Baustelle gelangen. Es kann somit auch dahingestellt bleiben, ob ein Verbarrikadieren einer vorher besetzten Baustelle, wobei diese Barrikade auch problemlos überwindbar war, als Schutz nach § 2 VersammlungsG zu beurteilen ist. Dies würde wohl zu verneinen sein.

5.1. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1.1. Als Vorfrage war zunächst zu klären, ob einerseits eine Versammlung nach dem Versammlungsgesetz vorlag und ob diese zu untersagen war und nach den gegebenen Umständen aufgelöst werden durfte bzw. mußte (VfGH 23.9.1983, Zl.

23/09/1983).

5.1.2. Eine Versammlung ist unter anderem dann den Vorschriften des VersG 1953 zuwider veranstaltet, wenn sie nicht ordnungsgemäß angezeigt wurde, obgleich hiezu die Verpflichtung bestand. Wie der VfGH schon wiederholt ausgesprochen hat, ist die Zusammenkunft mehrerer Personen dann als Versammlung iS des VersG 1953 zu werten, wenn sie in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw.) zu bringen (VfGH Slg.Nr. 9783/1983). Durch das Anbringen zahlreicher Transparente deren eindeutiger Inhalt sich gegen den Bau eines Teilstückes der Pyhrnautobahn richtete und der von den Teilnehmern geflogene Aktionismus (Anketten an Baufahrzeugen, Erklettern von Betonsilos udgl.) läßt an einer Assoziation der Zusammengekommenen keinen Zweifel aufkommen (VfGH 23.9.1983, B 671/80).

Die Versammlung war demnach nicht bloß auf geladene Gäste beschränkt und damit nicht von der Anzeigepflicht nach § 2 Versammlungsgesetz ausgenommen. Dies ist nämlich nur dann der Fall, wenn die Teilnehmer persönlich und individuell vom Veranstalter der Versammlung zum Erscheinen geladen werden und wenn der Veranstalter Vorkehrungen trifft, durch die die Nichtzulassung Ungeladener gesichert ist (vgl. VfSlg.

7762/1976; VfGH 23.9.1983 B 671/80). Der Aufruf (auch) per Plakat zum "Actions-Camp" läßt keinen Anhaltspunkt dafür zu, daß es sich hier um eine individuelle Einladung jedes einzelnen Teilnehmers und um eine geschlossene Veranstaltung gehandelt hätte. Geschlossene Veranstaltungen können wohl auch nur auf hiefür geeigneten Veranstaltungsstätten abgeführt werden und nicht auf Baustellen, wobei die Frage der Inanspruchnahme dieser Baustelle für diesen Zweck ein hier nicht zu erörterndes Rechtsproblem darstellt. Ebenfalls kann die auf einen anderen Zweck gerichtete Verbarrikadierung der Baustelleneinfahrt nicht als Besorgung der Vermeidung des Zutrittes Ungeladener erachtet werden.

Außerdem war die Baustelle auch über die Eisenbahnanlage zugänglich. Auf diesem Wege gelangte etwa der Teilnehmer Hildebrandt - welcher über die Medien von der Veranstaltung erfahren hatte - nach seinen eigenen Angaben auf die Baustelle. Diese Veranstaltung wäre daher der Behörde anzuzeigen gewesen.

Die Behörde darf - wie schon aus dem Wortlaut des § 13 Abs.

1 VersG hervorgeht - eine gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltete Versammlung nur "nach Umständen" auflösen (mit Hinweis auf VfSlg. 7762/1976 und VfGH 23.9.1983, B 671/80). Für eine behördliche Versammlungsauflösung muß also ein zureichender Grund vorliegen. Das im jeweiligen Fall - hier als Vorfrage vom unabhängigen Verwaltungssenat selbständig zu beurteilen - rechtmäßige Verhalten der Behörde ist wohl vor dem Hintergrund der Versammlungsfreiheit zu beurteilen.

Der staatsvertragliche (materielle) Gesetzesvorbehalt, wie er im Art. 11 Abs. 2 MRK umschrieben wird, gilt auch im innerstaatlichen Bereich und leitet die Vollzugsorgane an, wenn sie einen zureichenden Grund für eine Versammlungsauflösung annehmen dürfen (vgl. hiezu das die Ermächtigung der Behörde, einen Verein aufzulösen, betreffende Erk. VfSlg.

8090/1977).

Die Umstände, die zur Verletzung der Anzeigepflicht hinzuzutreten haben, um eine Versammlungsauflösung zu rechtfertigen, müssen also so geartet sein, daß ohne diese Maßnahme eines der in der zitierten Konventionsnorm aufgezählten Schutzgüter gefährdet wäre. Nach der sich aus Art. 11 Abs.2 MRK ergebenden Richtlinie ist dies u.a. die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung, des Schutzes der Gesundheit sowie der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (VfGH Slg.

6883/1972, sowie VfGH 23. 6. 1977, B 209/76). Im gegenständlichen Fall war der Eingriff der Behörde zwecks Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, ferner zum Schutz des Eigentums der Baustellenbetreiber, insbesondere aber zum gesundheitlichen Schutz der sich an Baumaschinen festgeketteten Teilnehmer selbst, berechtigt, ja gefordert.

Wie oben bereits dargelegt galt es, durch die von mehreren Demonstrationsteilnehmern mittels einer ihren Hals eng umschließende Bügel, vorgenommenen Fixierung, eine nicht unerhebliche Gefahr von diesen Personen selbst abzuwenden.

Ob solche Umstände vorlagen, hatte das Behördenorgan nach dem Bild zu beurteilen, das sich ihm an Ort und Stelle bot.

Dies mußte der Veranstalter, der hier auch seiner Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist, gegen sich gelten lassen; er hatte demnach auch in Kauf zu nehmen, daß kein eigentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt werden konnte und daß es der Behörde in der Regel auch nicht mehr möglich gewesen sein wird, allenfalls erforderliche, den ungehinderten Ablauf der Versammlung sichernde Vorkehrungen zu treffen. Hier wurde obendrein ohnedies erst eingegriffen als der Zweck der Demonstration/Manifestation weitestgehend erreicht gewesen schien.

Zum Zeitpunkt der Auflösung konnte das einschreitende Organ des Bezirkshauptmannes nach dem sich ihm bietenden Gesamtbild mit gutem Grund den Eindruck gewinnen, daß sich bei dem genommenen Verlauf der Versammlung strafgesetzwidrige Vorgänge, Beschädigungen von Baumaschinen ereignen würden, insbesondere aber die akute Selbstgefährdung von Teilnehmern gegeben war (VfGH 10.6.1985, B 567/84). Die Beurteilung des Handelns der Behörde hatte hier aus einer ex-ante Sicht zu erfolgen.

5.2. Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit schon fahrlässiges Verhalten (§ 5 Abs.1 VStG erster Satz). Das VStG gibt bezüglich der Schuldform Vorsatz und Fahrlässigkeit keine Definition. Wenngleich das VStG (abgesehen vom § 19) nicht auf das StGB verweist, wird dennoch den Begriffsbestimmungen dieses Gesetzes Bedeutung zukommen.

Hinsichtlich der Fahrlässigkeit definiert § 6 StGB, wobei zwischen bewußter und unbewußter Fahrlässigkeit unterschieden wird, daß bewußt fahrlässig derjenige handelt, der zwar daran denkt, daß sein Verhalten ein tatbildmäßiges Unrecht verwirklichen könne, dieses jedoch nicht herbeiführen will, wenngleich er es für möglich hält. Im Falle der unbewußten Fahrlässigkeit verkennt der Täter zufolge Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt, daß er einen tatbildmäßigen Erfolg verwirklichen könnte.

Hier ist jedoch von der Schuldform des Vorsatzes auszugehen.

Vorsätzlich handelt, wer zumindest in Kauf nimmt (Eventualvorsatz), daß er mit seinem Handeln ein gesetzliches Tatbild (hier Verweilen auf dem Versammlungsort nach deren Auflösung) verwirklicht.

Wenn sich nun der Berufungswerber noch vor dem ausgesproche nen Verbot der Veranstaltung sich des Schlüssels für die an seinem Körper selbst angebrachten Sperrvorrichtung begeben gehabt haben sollte (was wohl nicht konkret behauptet wurde) oder er diesen nicht freiwillig aushändigte und er aus diesem Grunde der Aufforderung der Behörde nicht mehr Folge leisten konnte, ist ihm trotzdem vorsätzliche Begehungsweise vorzuwerfen. Er hatte sich selbst in eine Lage gebracht, aus welcher er sich nach Auflösung der Veranstaltung nicht mehr sein rechtmäßiges Verhalten disponieren konnte. Eine selbstverschuldete Zwangslage ist kein Schuldausschließungsgrund (VwGH 8.9.1969, 1708/68, 22.4.1976.

1705/75, 15.4.1983, 82/04/0169 u. v. 25.11.1986, 86/04/0116, Hauer-Leukauf, Handbuch des öst. Verwaltungsverfahrens, S.

737, RZ 5). Als Teilnehmer an einer Demonstration an deren Zuspitzung er durch sein Anketten selbst beteiligt war, mußte er auch mit einer Auflösung derselben rechnen. Durch die Begebung des Schlüssels hat er zumindest in Kauf genommen, daß er einer zu erwartenden Aufforderung die Baustelle zu verlassen nicht mehr befolgen werde könne.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Mit der vom Berufungswerber geübten Verhaltensweise wurde gesetzlich geschützten Interessen in massiver Weise zuwidergehandelt. Es wurden durch die Unterbrechung der Bauarbeiten und Blockierung der Baumaschinen, neben dem Anspruch des Gemeinwesens auf Ruhe und Ordnung auch private und wirtschaftliche Interessen empfindlich beeinträchtigt.

Diese Interessensschädigung mußte mit einem großen Einsatz der Exekutive entgegengetreten werden, welcher letztlich wiederum vom Steuerzahler finanziert werden mußte. Es ist somit auch unter Berücksichtigung der anzunehmenden bisherigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Berufungswerbers, selbst wenn dieser noch über kein eigenes Einkommen verfügen sollte, die hier verhängte Strafe durchaus angemessen zu erachten. Sie scheint insbesondere auch aus Gründen der General- und Spezialprävention indiziert. Die Ausschöpfung des Strafrahmens im Bereich von unter 30 % ist durchaus im Rahmen des gesetzlichen Ermessensspielraumes zu erblicken.

Hier wurde das Recht der Versammlungsfreiheit in exzessiver Weise strapaziert und der gesetzlich geschütze Boden deutlich überschritten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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