Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240599/2/BP/Wb

Linz, 27.03.2007

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des S E als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H C GmbH vertreten durch Dr. M M, Rechtsanwalt, L, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 12. Februar 2007, AZ. 0058945/2007, wegen einer Übertretung des LMSVG zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren wird eingestellt

 

II.                  Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24, 45 Abs. 1 Z 2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Ver­waltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

Zu II.: § 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 12. Februar 2007, AZ. 0058945/2007, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 350,- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Stunden) verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der Firma H C GmbH mit dem Sitz in L, zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft als Lebensmittelunternehmerin am 14. Juli 2006 um 9.05 Uhr in ihrem Handelsgewerbebetrieb in der Betriebsstätte am Standort W, in der mit Lebensmitteln umgegangen wird, insofern die Maßnahmen und Vorkehrungen die gewährleisten, dass ein Lebensmittel unter Berücksichtigung seines Verwendungszweckes für den menschlichen Verzehr tauglich ist (Lebensmittelhygiene) nicht eingehalten habe, als im Verkaufsraum in einem sogenannten Schokokarussell eine Vielzahl von Konfekt in Form von Selbstbedienung offen und auf kleinen Tassen nach Sorten sortiert angeboten worden sei, wobei die Vitrine mittels eines Spuckschutzes abgedeckt gewesen sei, der durch zu großen Abstand zum Vitrinenboden bzw. zur Plexiglaswand und auch durch die Form selbst (oberer Teil eckig, Vitrine rund) nicht ausreichend gewesen sei, um einen geeigneten Schutz vor Kontamination zu gewährleisten, sodass die Gefahr bestanden habe, dass die gegenständlichen Schokoladewaren durch Angreifen, Anhusten, Anniesen und dergleichen kontaminiert werden.

 

Als verletzte Verwaltungsvorschriften werden § 90 Abs. 3 Z. 1 iVm § 21 LMSVG im Zusammenhalt mit Art. 4 Abs. 2 iVm Anhang II, Kap. IX Z. 3 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene genannt.

 

Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die dem Bw zur Last gelegte und im Spruch näher dargelegte Verwaltungsübertretung der belangten Behörde durch eine Abtretung nach § 27 VStG durch den Magistrat Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 9. Bezirk zur Kenntnis gelangt sei. Dem Magistrat Wien, MBA 9, welche die gegenständliche Verwaltungsübertretung durch die Magistratsabteilung 59, Marktamtsabteilung für den 13./14. Bezirk, angezeigt worden. In der Folge sei eine Strafverfügung erlassen worden, gegen die der Bw fristgerecht Einspruch erhoben habe. In weiterer Folge sei vom Magistrat Wien, MBA 9, ein Straferkenntnis erlassen worden, gegen das der Bw fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung eingebracht habe. Mit Entscheidung des UVS Wien sei der Berufung stattgegeben worden und das Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit aufgehoben worden, da sich der Sitz des Unternehmens in Linz befinde. Auf das Berufungsbegehren sei inhaltlich nicht eingegangen worden. In dem gegen die Strafverfügung des MBA 9 rechtzeitig eingebrachten Einspruch, der als Rechtfertigung im Sinne des § 40 VStG zu werten gewesen sei, habe der Bw die Begehung der angelasteten Übertretung bestritten und im Wesentlichen vorgebracht, dass er nicht haftbar sei, da er nicht zum gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellt worden sei. Weiters habe er eingewendet, dass die vorgeworfenen Rechtsverletzungen zu unbestimmt seien, um daraus einen verwaltungsstrafrechtlichen Vorwurf zu erheben und die Abdeckungen des beanstandeten Schokokarussells nach dem allgemeinen Verbraucherverhalten geeignet gewesen seien, Kontaminationen zur vermeiden. Ferner habe der Bw vorgebracht, dass der Durchmesser der Plexiglasabdeckhauben zwischenzeitlich um 10 cm erweitert worden sei.

 

Aufgrund es durchgeführten Ermittlungsverfahrens sei nach Ansicht der belangten Behörde – die Verwaltungsübertretung jedoch als erwiesen anzusehen. Der Stellungnahme des Bw bzw. der Rechtfertigung zu den Ausführungen des Anzeigelegers könne keine entlastende Wirkung beigemessen werden, insbesondere zumal der Bw gemäß § 9 VStG als zur Vertretung nach außen Berufener, strafrechtlich verantwortlich sei, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und den Bestimmungen LMSVG keine andere Verantwortlichkeit zu entnehmen sei. Dem Einwand der Unbestimmtheit der vorgeworfenen Rechtsverletzungen sowie der ausreichenden Abdeckungen des Schokokarussells könne insofern von der belangten Behörde nicht gefolgt werden, als die zitierte Bestimmung der EG-Verordnung über Lebensmittelhygiene eindeutig den Schutz vor Kontamination umfasse und durch die im Spruch angeführten Umstände detailliert die Kontaminationsgefahr beschrieben worden sei. Letztlich sei es für das durchzuführende Verwaltungsstrafverfahren nicht maßgeblich, ob zwischenzeitlich eine Vergrößerung der Abdeckhauben erfolgt sei, als diese zum verfahrensgegenständlichen Tatzeitpunkt noch nicht bestanden habe.

 

Auch die Verschuldensfrage sei gemäß § 5 VStG zu bejahen.

 

Auf die Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse habe bei der Strafbemessung nicht Bedacht genommen werden können, da diese trotz Aufforderung nicht bekannt gegeben worden seien. Strafmildernd sei die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit zu werten gewesen.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 15. Februar 2007 zu Handen seines rechtsfreundlichen Vertreters zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende – rechtzeitige mit 1. März 2007 datierte (Datum des Poststempels: unleserlich) – Berufung. Darin werden die Berufungsanträge gestellt

 

1)     auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat; dieser möge

2)     der Berufung Folge geben und das Straferkenntnis des Magistrates (gemeint   wohl des Bürgermeisters) der Landeshauptstadt Linz vom 12. Februar 2007, 0058945/2007, dahingehend abändern, dass das Verwaltungsstrafverfahren zur Gänze eingestellt werde; oder, falls diesem Antrag nicht stattgegeben werden sollte

3)     der Berufung Folge geben und gemäß § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe absehen.

 

Der Bw führt aus, dass das Straferkenntnis zur Gänze angefochten werde. Die Behörde befasse sich mit den Ausführungen in den schriftlichen Rechtfertigungen des Bw nicht schlüssig. Die Ausführungen im angefochtenen Straferkenntnis würden sich als Scheinbegründung darstellen.

Das Straferkenntnis enthalte auch keine Sachverhaltsdarstellungen. Es enthalte auch keine Darlegung, aufgrund welcher Beweisaufnahmen Sachverhalts­darstellungen getroffen worden seien. Es sei daher keine schlüssige Rechtsanwendung (Subsumtion) erfolgt.

 

Der Bw führt weiters aus, dass das Straferkenntnis auch im Spruch nicht schlüssig sei, weil weder die als erwiesen angenommene Tat, noch die vermeintlich verletzte Verwaltungsvorschrift konkret bezeichnet sei. Die Ausführungen "durch zu großen Abstand zum Vitrinenboden bzw. zur Plexiglaswand und auch durch die Form selbst (oberer Teil eckig, Vitrine rund) nicht ausreichend war, um einen geeigneten Schutz" zu gewährleisten, würde keine verwaltungsstrafrechtlich zulässige konkrete Tatbeschreibung darstellen.

 

Die Rechtsausführungen in der Stellungnahme der MA 59 vom 13. November 2006 würden die Argumente des Bw nicht zu entkräften vermögen; im Gegenteile ergebe sich aus dieser Stellungnahme, dass es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe handle, zu denen eine Judikatur fehle und die daher auch nicht für eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung herangezogen werden könnten.

 

Verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung setze eine eindeutig determinierte Tatbestandsbeschreibung voraus, damit der Rechtsunterworfene definitiv wisse, welches Verhalten verwaltungsstrafrechtliche verboten wäre.

 

Es sei für die Erfüllung lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht von einem "unvernünftigen" Konsumentenverhalten auszugehen, also einem Verhalten, mit dem normalerweise nicht gerechnet werden könne. Dazu würde zählen, wenn eine Kundin sich mit komplette Oberkörper in das Karussell hinlehnen würde.

 

Warum die Kontaminierung von Schokoladewaren leichter möglich wäre, als Obst und Gemüse, sei nicht nachvollziehbar. Eine Haftung des Beschuldigten scheide schon deswegen aus, weil zum gewerberechtlichen Geschäftsführer Wolfgang Heger bestellt worden sei. Mit dieser Bestellung beschäftige sich die Behörde nicht. Gegen den Bw scheide die verwaltungsstrafrechtliche Haftung ohnedies von Vornherein aus. Als Beweis wird ein Gewerberegisterauszug vom 31. Oktober 2005, GZ. 100-1-0047235/2005, angeboten.

 

Der Ordnung halber würden in eventu auch inhaltlich Einwendungen erhoben.

 

Voraus­zuschicken sei, dass die vorgeworfene Rechtsverletzung nach dem Maßstab der österreichischen Rechtsordnung zu unbestimmt sei um daraus einen verwaltungs­strafrechtlichen Vorwurf zu erheben.

 

Weder § 21 LMSVG noch Anhang II Kapitel IX Z 3 der Verordnung (EG) 852/2004 über Lebensmittelhygiene noch § 90 LMSVG seien ausreichend formulierte Verwaltungsstraftatbestände. Die Vorschriften würden unbestimmte Gesetzesbegriffe enthalten, die verwaltungsstrafrechtlich nicht zulässig seien.

 

§ 21 LMSVG schreibe die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften, deren Einhaltung durch Eigenkontrolle und gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen zur Mängelbehebung oder Risikominimierung vor. § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG spreche von „unmittelbar anwendbaren Rechtsakten“ der Europäischen Gemeinschaft ohne diese explizit darzustellen. Anhang II Kapitel IX Z 3 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene enthalte unbestimmte Begriffe des „Schutzes vor Kontaminationen“. Es würden auch keine anwendbaren Normen, wie bei derartigen Verkaufseinrichtungen vorzugehen ist, bestehen.

 

Nach Auffassung des Bw würden auch die Abdeckungen in der vorgeworfenen Form den einschlägigen Rechtsvorschriften entsprechen, seien sie doch nach dem allgemeinen Verbraucherverhalten geeignet Kontaminationen zu vermeiden.

 

Die belangte Behörde beziehe sich auch nicht auf eine bestimmte Vorschrift oder Norm sondern auf eine „Ansicht“ der Behörde. Dies sei aber keine Grundlage für eine Verwaltungsstrafe, da eine solche nur aufgrund der Verletzung einer ein­deutigen Norm, die für den Rechtsunterworfenen auch als eindeutige Norm erkennbar sein müsse, zulässig wäre.

 

Die Konstruktion des „Schokokarussells“ mit der rundumführenden Plexiglasab­deckung und deren Abstand von der Unterkante sei europaweiter Standard. Die belangte Behörde könne nicht darlegen, warum ausgerechnet im vorliegenden Fall andere Maßstäbe gesetzt werden sollten. Dies sei ein ausreichender Schutz der Lebensmittel gegen Kontamination. Würde man den Maßstab der belangten Behörde anlegen, würden überhaupt keine Lebensmittel zB in Obst- und Gemüseabteilungen von Verbrauchermärkten verkauft werden dürfen, die völlig frei zugänglich sind.

 

Der Abstand der Plexiglasabdeckung (Unterkante) zum Vitrinenboden sei auch im Übrigen gar nicht von der belangten Behörde beanstandet worden. Unbeschadet der im Punkt 1. angeführten Rechtslage hätte sich der Bw bereit erklärt und mit der Behörde (gemeint ist wohl die zuständige Abteilung des Magistrats Wien und nicht die belangte Behörde) geeinigt, dass der Durchmesser der Plexiglasabdeckhauben um 10 cm erweitert werden solle. Diese Erweiterung habe stattgefunden und sei auch überprüft worden. Insofern entspreche die Stellungnahme der Marktamtsleitung vom 02.10.2006 nicht mehr dem aktuellen Stand, weil diese Erweiterung des Durchmessers darin noch nicht angeführt gewesen sei. Eine rechtsverbindliche Fristsetzung mit der Konsequenz verwaltungsstrafrechtlicher Konsequenzen sei nicht gesetzt worden.

 

Es liege daher jedenfalls auch kein Verschulden des Bw vor.

 

Da darüber hinaus ein allfälliges Verschulden geringfügig sei und keine Folgen einer Übertretung eingetreten seien, lägen auch die Voraussetzungen des § 21 VStG vor.

 

Im Übrigen verweise der Bw auf das Erkenntnis vom UVS des Landes Oberösterreich vom 26.01.2007, VwSen240595/9/Ste/Cr, in dem in einem gleichartigen Fall das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt worden sei. In jenem Bescheid des UVS sei allerdings das Vorliegen der subjektiven Tatseite verneint worden. Insofern in jener Entscheidung betreffend des Schokokarussells die Tatbestandsmäßigkeit bejaht worden sei, sei das Erkenntnis des UVS aber rechtlich unzutreffend, wobei in jenem Fall eine Anrufung eines Gerichtshofes des öffentlichen Rechtes nicht möglich gewesen wäre, weil das Verwaltungsverfahren (aus einem anderen Grund) eingestellt worden sei und dem Bw daher die Beschwer für eine derartige Beschwerde gefehlt habe.

 

2. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsakt zur Be­rufungsentscheidung vorgelegt. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Hinsichtlich der Beschaffenheit des sogenannten Schokokarussells kann auf die Feststellungen, die in der mündlichen Verhandlung vom 16. Jänner 2007 zum – schon vom Bw angesprochenen – diesbezüglich absolut gleichgelagerten Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat VwSen-240 595/9/Ste/CR gewonnenen Erkenntnissen, zurückgegriffen werden. Im Übrigen konnte auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 2 Zif. 1 VStG verzichtet werden.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem ent­scheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Der Bw war zum möglichen Tatzeitpunkt handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma H C GmbH mit dem Sitz in L. Die genannte Firma betreibt am Standort W, eine Filiale.

 

Unter anderem wurden in dieser Filiale am 14. Juli 2006 Pralinen auf einem sogenannten Schokokarussell angeboten. Dabei handelt es sich um eine achteckige Konstruktion, wobei der Tisch dieser Konstruktion etwa 70 cm hoch ist; rund um den Tisch befindet sich eine Plexi­glasumzäunung, die etwa 10 cm hoch ist. In der Mitte des Tisches befindet sich eine Säule (rund 40 cm hoch), an deren Spitze eine Plexiglashaube angebracht ist, die rund 10 cm über den Tisch hinausragt. Dieses Schokokarussell ist eher dem Bedienungsbereich zuzuordnen, allerdings ist dort auch Selbstbedienung möglich und zulässig; dazu befinden sich auf der Tischplatte kleine Zangen.

 

2.3. Der oben dargestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Akteninhalt. Zusätzlich wurde vom Oö. Verwaltungssenat eine Erkundigung eingeholt, ob es sich beim dem Schokokarussell um die gleiche Einrichtung wie die – schon im Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat, VwSen-240595 - erörterte handelt. Dies wurde vom Rechtsvertreter des Bw bestätigt. Hinsichtlich der grundsätzlichen Beschaffenheit kann somit auf die Maßangaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 16. Jänner 2007 zurückgegriffen werden.

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anders bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtliche verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Der Bw war zum möglichen Tatzeitpunkt, wie im Sachverhalt angeführt, handelsrechtlicher Geschäftsführer der gegenständlichen GmbH und somit nach außen vertretungsbefugt. Allerdings wendet er ein, dass zum fraglichen Zeitpunkt Herr Wolfgang Heger zum gewerberechtlichen Geschäftsführer der gegenständlichen GmbH bestellt war, weshalb ihn die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit nicht treffen würde. Der handelsrechtliche Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH ist dann für ein Verhalten der Gesellschaft zu bestrafen, wenn im Tatzeitraum kein gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt war. Im gegenständlichen Fall wird jedoch nicht eine gewerberechtliche Frage zur problematisieren sein; die Einhaltung von lebensmittelrechtlichen Vorschriften unterliegt auch der Verantwortlichkeit eines handelsrechtlichen Geschäftsführers. Die Regelungen über die strafrechtliche Verantwortlichkeit als gewerberechtlicher Geschäftsführer (§§ 39, 370 GewO) beziehen sich die Einhaltung von Verpflichtungen, die sich aus gewerberechtlichen Vorschriften für die Gewerbeausübung ergeben. Regelungen, die nicht dem Kompetenztatbestand "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" (Art. 10 Abs. 1. Zif. 8 B-VG) zugehören, fallen selbst dann, wenn sie in Beziehung zur Gewerbeausübung stehen, nicht in den Bereich der Verantwortlichkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers (vgl. VwGH vom 18. Oktober 1999, 98/10/0004). Die Berufung geht diesbezüglich ins Leere. Überdies wurde kein verwaltungsstrafrechtlich Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG namhaft gemacht.

 

3.2. Gemäß § 4 Abs. 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG), BGBl. I Nr. 13/2006, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 136/2006, sind die in der Anlage genannten unmittelbar an­wendbaren Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft samt Änderungs­ver­ord­nungen und Durchführungs­vorschriften im Rahmen dieses Bundesgesetzes zu voll­ziehen.

 

Punkt 1 des Teils 2 der Anlage (Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft gemäß § 4 Abs. 1) lautet: „Verordnung (EG) Nr. 852/2004 vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. Nr. L 139 vom 30. April 2004, berichtigt durch ABl. Nr. L 226 vom 25. Juni 2004)“.

 

Gemäß § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatz­freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer den in der Anlage genannten unmittelbar anwendbaren Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder den näheren Vorschriften zur Durchführung dieser Rechtsakte gemäß § 4 Abs. 3 oder § 15 zuwiderhandelt.

 

Anhang II Kapitel IX Z 3 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004, ABl. Nr. L 139 vom 30. April 2004, berichtigt durch ABl. Nr. L 226 vom 25. Juni 2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene lautet: „Lebensmittel sind auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontaminationen zu schützen, die sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen bzw. derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten wäre.“

 

3.3. Wie aus der oben zitierten Verordnung ersichtlich, sind Lebensmittel auf allen Stufen des Vertriebs vor Kontaminationen zu schützen, die sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen bzw. derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten wäre. Die Kontamination im Sinne dieser Bestimmung ist als Beeinträchtigung anzusehen, die zwar nicht in allen ihren möglichen Formen umschrieben wird; klar ist jedoch der Schutzzweck und die Anforderung die solche Beeinträchtigungen verunmöglichen sollen. Es kann aus dieser Bestimmung daher entgegen der Ansicht des Bw wohl doch die Vorgabe eines rechtskonformen Verhaltens abgeleitet werden. Allerdings muss eingeräumt werden, dass ein Schutz vor Kontamination im handelsüblichen Verkehr bei nicht vakuumverpackten Produkten wohl nie absolut erreicht werden kann, insofern müsste das offene in Verkehr bringen grundsätzlich untersagt sein, um diesen Schutz zu erreichen. Nachdem diese Konsequenz wohl nicht vom Legislator als ultima ratio beabsichtigt worden war, ist diese Norm dahingehend zu interpretieren, dass ein allfälliges Verletzen des Schutzzweckes eine gewisse Qualität aufweisen muss, die eine Kontamination bei einem einigermaßen ordnungsgemäßem Verhalten (auch von Kunden) als durchaus wahrscheinlich erwarten lässt.

 

Es stellt sich daher im vorliegenden Fall die Frage, ob die Lebensmittel, die am Schokokarussell angeboten wurden, so vertrieben wurden, dass sie diesen Anforderungen entsprechen.

 

3.4. Beim Schokokarussell handelt es sich um einen offenen Tisch, auf dem die Ware angeboten wird. Die angebrachten Plexiglasbarrieren weisen eine Höhe von 10 cm auf. In der Mitte des Tisches befindet sich eine Säule (rund 40 cm hoch), an deren Spitze eine Plexiglashaube angebracht ist, die rund 10 cm über den Tisch hinausragt. Zur Entnahme von Pralinen liegen Zangen bereit. Auch wenn bei einer derartigen Konstruktion ein absoluter Schutz vor Kontamination nicht gewährleistet werden kann (bei entsprechender Körpergröße, einer entsprechenden Nähe zu den Produkten und vor allem bei einer – zwar nicht vorgesehenen Entnahme ohne Zuhilfenahme der Zangen - ist Kontamination denkbar), so weist sie nicht dieses Maß an Qualifiziertheit auf, die ein Zuwiderhandeln im oa. Sinn mit sich bringen muss. Durch das Überragen der Plexiglashaube sind die am Tisch befindlichen Produkte – sofern man sich nicht unter die Abdeckung beugt - grundsätzlich geschützt. Nach jeder Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass Kunden sich der bereitliegenden Zangen bedienen. Im Sinne der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs kann hier in Anlehnung wohl auch von einem mündigen Konsumentenbegriff ausgegangen werden. Auf einen ordnungsgemäßen Gebrauch ist vom Verkaufspersonal – alleine schon im Sinne des Unternehmensinteresse – zu achten.

 

Auf den konkreten Einzelfall abstellend ist nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats nach den oben dargestellten Überlegungen nicht von einem derart qualifizierten Verstoß iSd Anhangs II Kapitel IX Z 3 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004, ABl. Nr. L 139 vom 30. April 2004, berichtigt durch ABl. Nr. L 226 vom 25. Juni 2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene auszugehen. Auch in der mündlichen Verhandlung zu VwSen-240595 wurde vom Sachverständigen eingeräumt, dass die Frage der Kontamination bei einem Schokokarussell dieser Art wohl in Fachkreisen nicht einhellig beurteilt werde.

 

Nachdem somit schon die objektive Tatseite nicht erfüllt ist, war auf die weiteren Einwendungen seitens des Bw nicht näher einzugehen, der bekämpfte Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat sieht sich allerdings noch zu dem Hinweis veranlasst, dass dieses Erkenntnis keinesfalls dazu geeignet sein kann, weitere Bemühungen um laufende Verbesserungen und einen damit verbundenen erhöhten Schutz vor Kontamination der angebotenen Waren außer Acht zu lassen.

 

 

5. Bei diesem Ergebnis war dem Bw nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Bernhard Pree

 

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