Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-230438/2/Br/Bk

Linz, 08.05.1995

VwSen-230438/2/Br/Bk Linz, am 8. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr.Bleier über die gegen das Strafausmaß gerichtete Berufung der Frau A K, S, L und L, betreffend das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 20. März 1995, AZ. Sich96-166-1994, wegen der Übertretung des Versammlungsgesetzes 1953, zu Recht:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe F o l g e gegeben, daß die Geldstrafe auf 800 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 18 Stunden ermäßigt wird.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 - AVG, iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993 - VStG; II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 80 S. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem Straferkenntnis vom 20. März 1995, AZ. Sich96-166-1994, über die Berufungswerberin wegen der Übertretung nach § 14 iVm § 19 Versammlungsgesetz 1953 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und in dessen Spruch ausgeführt:

"Sie haben am 30. Mai 1994 als Teilnehmer der Versammlung im Bereich des eingezäunten Baustellengeländes der ÖSAG am Südportal des projektierten L, Gemeinde S, diese Versammlung nicht sogleich verlassen, obwohl diese von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d. Krems am 30.5.1994 um 19.50 Uhr behördlich untersagt und aufgelöst worden ist." 1.1. Hiezu führte die Erstbehörde zur Sache begründend aus:

"Sie haben gegen die Strafverfügung der BH. Kirchdorf v.

29.06.1994 Zahl w.o., innerhalb offener Frist Einspruch erhoben und diese wie folgt begründet:

Sie hätten sich zwar, wie in der Strafverfügung angegeben, am 30. Mai 1994 in dem Baustellengelände aufgehalten, nahmen damit aber nicht an einer Versammlung teil, zumindest sei es Ihnen nicht bewußt gewesen, daß Sie sich damit an einer Versammlung beteiligen würden. Ihr Verschulden wäre als sehr gering einzustufen. Im Hinblick darauf, daß Sie als Studentin über kein Einkommen verfügen, treffe Sie eine Strafe in der Höhe von S 2.000,- besonders hart und beantragen Sie im Falle, daß das Verfahren nicht eingestellt wird, eine Herabsetzung der Strafe. Am 30.01.1995 wurden Sie vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und Ihnen Gelegenheit gegeben dazu binnen 2 Wochen ab Erhalt dieser Verständigung Stellung zu nehmen. Sie haben von dieser Gelegenheit nicht Gebrauch gemacht und wird daher der Bescheid auf der Grundlage dieses Ergebnisses der Beweisaufnahme erlassen.

Hiezu wird festgestellt:

§ 1 VersG.:

Die positive österreichische Rechtsordnung enthält keine nähere Definition des Begriffes "Versammlung", sondern setzt diesen voraus. Unter einer Versammlung im weiteren Sinn versteht man sprachlich eine organisierte einmalige Vereinigung einer Mehrheit von Personen zu einem gemeinsamen Zweck an einem bestimmten Ort; sie unterscheidet sich von einer eventuellen Ansammlung durch ihre Organisation. Eine solche Versammlung im Sinne des § 1 des Versammlungsgesetzes lag am 30.5.1994 vor. Hiefür spricht das am 26.5.1994 bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf eingelangte Schreiben der ARGE "Stop Pyhrn", in welcher zu einem "Aktionscamp" in der Zeit vom 28.5. bis 5.6.1994 aufgerufen wurde.

Im gegenständlichen Fall waren alle Voraussetzungen für eine Versammlung, nämlich die Organisation einer Mehrheit v.

Personen (Demonstrationsteilnehmer) zu einem gemeinsamen Zweck (Protest gegen den Weiterbau der A9-Pyhrnautobahn) an einem bestimmten Ort (Südportal des projektierten L im Gemeindegebiet von S) erfüllt. Es kann somit keinesfalls von einer eher zufälligen "Ansammlung" oder gar einer geschlossenen Veranstaltung gesprochen werden, da hiefür typische und wesentliche Voraussetzungen (geschlossene Veranstaltung tritt nicht nach außen in Erscheinung, Zustimmung des Verfügungsberechtigten) fehlen. Der mögliche Umstand, daß einzelne Versammlungsteilnehmer ev. auch persönlich geladen wurden, vermag diesen Mangel nicht zu beheben.

Der geschilderte Sachverhalt erfüllt somit die Voraussetzungen des § 1 des Versammlungsgesetzes.

§ 14 VersG.:

(1) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, sind alle Anwesenden verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen.

(2) Im Falle des Ungehorsams kann die Auflösung durch Anwendung von Zwangsmitteln in Vollzug gesetzt werden.

§ 19 VersG.:

Übertretungen dieses Gesetzes sind, insofern darauf das allgemeine Strafgesetz keine Anwendung findet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Amtsgebiet einer Bundespolizeibehörde aber von dieser Behörde, mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu S 5.000,-- zu ahnden.

Die gegenständliche Versammlung wurde am 30. Mai 1994 um 19.45 Uhr von der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf a.d.

Krems als örtlich zuständige Behörde aufgelöst und wurden sämtliche auf dem Baustellengebiet befindlichen Versammlungsteilnehmer aufgefordert, das Gelände sogleich zu verlassen.

Da Sie dieser Aufforderung keine Folge geleistet haben, wurden Sie am selben Tag um 20.20 Uhr festgenommen und wurde gegen Sie Anzeige wegen Übertretung des Versammlungsgesetzes erstattet. (Beweis: siehe Anzeige GP. K v. 30.5.1994, GZ P-3135-6/94).

Die Einvernahme des Gendarmeriebeamten BezInsp. M K hat ergeben, daß Sie sich zweifelsfrei nach Verkündung der behördlichen Auflösung der Versammlung weiterhin im Baustellenbereich (=Bereich der aufgelösten Versammlung) aufgehalten haben, sodaß Sie in weiterer Folge festgenommen werden mußten. Dieser Zeugenaussage wurde im Rahmen der freien Beweiswürdigung eine maßgebliche Beweiskraft beigemessen.

Anläßlich Ihrer Beschuldigten-Ersteinvernahme bei der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf am 30.5.1994 haben Sie sämtliche Angaben hinsichtlich des Tatvorwurfes des Verbleibes auf der Baustelle nach behördlicher Auflösung der Versammlung verweigert. Ebenso haben Sie zu der Verständigung der Beweisaufnahme v. 30.01.1995 innerhalb der gesetzten Frist nicht Stellung genommen.

Aufgrund dieses ermittelten maßgeblichen Sachverhaltes steht fest, daß Sie gegen die Bestimmung des § 14 VersammlungsG.

verstoßen haben, indem Sie sich nach Auflösung der Versammlung durch die Behörde weiterhin auf dem durch die Auflösung betroffenen Baugelände aufgehalten haben.

Grundlage für die Bemessung der Strafe ist gemäß § 19 VStG.

1991 das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Bei der Strafbemessung wurde auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten Rücksicht genommen.

Als erschwerend mußte der Umstand, daß Sie sich trotz Aufforderung, das Baustellengelände zu verlassen, dort weiter vorsätzlich aufgehalten haben, gewertet werden.

Mildernde Umstände konnten keine festgestellt werden.

Im Hinblick auf diese Tatumstände, die Milderungs- und Erschwernisgründe, sowie festgestellten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (da die Angaben hiezu verweigert wurden, mußten die Einkommensverhältnisse geschätzt werden, aufgrund der Berufsangabe und der sonstigen bekannten Verhältnisse wurde von einem mindestens monatlichen Einkommen von S 5.000,-- ausgegangen) erscheint die Verhängung der angeführten Geldstrafe unter Hinweis auf den gesetzlichen Strafrahmen als angemessen.

Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens stützt sich auf die im Spruch zitierten Gesetzesstellen." 2. In der dagegen fristgerecht gegen das Strafausmaß gerichteten Berufung führt die Berufungswerberin in der Sache sinngemäß aus, daß sie derzeit noch studiere. Sie legt diesbezüglich eine Inskriptionsbestätigung vor. Ferner führt sie aus, daß die Strafe angesichts ihres Eintrittes für den Umweltschutz und daher des Fehlens einer bösen Absicht zu hoch sei.

Ihre Berufung richtet sich offenkundig nur gegen das Strafausmaß.

2.1. Der Zustellversuch p.A. S verlief negativ, sodaß das Straferkenntnis erst mit der Zustellung an die Adresse der Berufungswerberin in Wien als rechtswirksam anzusehen ist.

3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte angesichts des Umstandes, daß sich die Berufung lediglich gegen das Ausmaß der verhängten Strafe richtet unterbleiben (§ 51e Abs.2 VStG).

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems eingelangt am 8. Mai 1995, AZ. Sich96-166-1994, sowie durch Berücksichtigung der vorgelegten Inskriptionsbestätigung.

4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Die Teilnahme an der im Spruch genannten Versammlung ist unbestritten. Gemäß der Anzeige vom 30. Mai 1994 ergibt sich, daß die Berufungswerberin um 20.00 Uhr dieses Tages gemäß § 35 VStG festgenommen wurde. Die Berufungswerberin wurde folglich bis 21.25 Uhr durch ein Organ der Behörde niederschriftlich einvernommen und mit diesem Zeitpunkt aus der Haft entlassen.

Die Erstbehörde hat auf die verhängte Geldstrafe die erlittene Vorhaft in der Dauer von einer Stunde und 25 Minuten im Ausmaß von 59 S in Anrechnung gebracht.

4.2. Die Berufungswerberin ist als ordentliche Hörerin an der U Studienrichtung d. Philosophie/Naturwissenschaften, inskribiert. Sie belegt dies durch Übermittlung einer Inskriptionsbestätigung im Beihang zur Berufung. Die Annahme eines Monatseinkommens in der Höhe von 5.000 S ist gemäß dem Ergebnis des h. Akteninhaltes demnach nicht (mehr) haltbar.

Hier wird den Angaben der Berufungswerberin in ihrer Berufung gefolgt. Wie sich aus dem Verwaltungsakt ergibt, ist die Berufungswerberin bislang noch nie nachteilig in Erscheinung getreten. Sie ist sohin verwaltungsstrafrechtlich völlig unbescholten.

5. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

5.1. Unter Bedachtnahme auf den zusätzlichen Milderungsgrund der gänzlichen Unbescholtenheit - welchen die Erstbehörde in unzutreffender Weise nicht zuerkannt hat - konnte daher mit einer Geldstrafe von bloß 800 S das Auslangen gefunden werden. Diese Bestrafung scheint geeignet, die Berufungswerberin auf die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens aufmerksam zu machen und sie dadurch von weiteren derartigen Übertretungen abzuhalten. Grundsätzlich ist jedoch festzustellen, daß in der Nichtbefolgung behördlicher Anordnungen, insbesondere - wie hier - einer Aufforderung eine bereits untersagte Veranstaltung, in deren Verlauf es zu einer empfindlichen Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen Dritter gekommen ist, zu verlassen, eine erhebliche Beeinträchtigung gesetzlich geschützter Interessen zu erblicken ist. Es ist für das Funktionieren jedes Gemeinwesens ein unabdingbares Erfordernis, daß den Anordnungen staatlicher Organe Folge geleistet wird.

Insbesondere im Zusammenhang mit Menschenansammlungen ist dies im Interesse der Sicherheit von Menschen besonders indiziert.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum