Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150486/15/Lg/Gru

Linz, 17.04.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach der am  9. Februar 2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder über die Berufung des S T, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. K F und Dr. C A, F, 40 L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 29. August 2006, Zl. BZ-BauR-7080-2006c, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Maut­ge­setzes 2002 (BStMG) zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. 

 

II.                  Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in der Höhe von 40 Euro zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlage:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 16 Abs. 2 VStG.

Zu II.:  §§ 64 ff VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 200 Euro bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von 17 Stunden verhängt, weil er am 1.5.2006 gegen 22.15 Uhr das Kfz über 3,5 t mit dem behördlichen Kennzeichen LL im Gemeindegebiet W, Bezirk W auf der A, Mautabschnitt Ö, bis zu km 14, gelenkt habe, ohne dass die für die Benützung von Autobahnen vorgeschriebene fahrleistungs­abhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet worden sei. Dies wurde von den automatischen Kontrolleinrichtungen des Mautsystems Österreich unter der Deliktsnummer 935484 festgestellt (eingestellte Achsenzahl 2/tatsächliche Achsen­zahl 4).

 

2. In der Berufung wird vom Bw die Aufhebung und Verfahrenseinstellung beantragt. Der Beschuldigte begründet dies damit, dass ihm kein Verschulden angelastet werden könne und er sich mit Recht auf die Richtigkeit der vom Chef selbst vorgenommenen Einstellungen verlassen habe dürfen. Die Behörde habe offensichtlich die beantragten Beweisaufnahmen nicht durchgeführt, obwohl konkrete Beweisanbote vorgelegen seien. Das Verfahren sei insofern zu ergänzen, dass das Funktionieren der Box bzw. der gesamten Technik geprüft werde. Momentan sei der Bw überzeugt, dass dies nicht der Fall gewesen sei, weil die Dispositionen des Chefs richtig gewesen seien und dies ein technischer Gutachter in der Berufungs­verhandlung bestätigen werde.

 

3. Aus dem Akt ist ersichtlich:

 

Dem Akt liegt eine Anzeige der A vom 14.6.2006 zugrunde. Die Lenker­anzeige enthält den gegenständlichen Tatvorwurf. Als Beanstandungsgrund ist angegeben, dass die Achsenzahl des Kraftfahrzeuges mit 4 höher gewesen sei, als die mit 2 eingestellte Kategorie/Achsenzahl am Fahrzeuggerät und dadurch die fahrleistungsabhängige Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet worden sei. Gemäß § 19 Abs. 4 BStMG sei der Zulassungsbesitzer am 6.5.2006 schriftlich zur Zahlung der Ersatzmaut aufgefordert worden, dieser Aufforderung sei jedoch nicht entsprochen worden. 

 

Gegen die Strafverfügung vom 17.7.2006 äußerte sich der Bw dahingehend, dass sein Chef am Anfang im Fahrzeug mitgefahren und auch die Einstellung der GO-Box vorgenommen habe. Er selber habe nichts verändert. Wenn die Mautentrichtung nicht gestimmt habe, dann könne dies nur daran gelegen sein, dass die GO-Box nicht ordnungsgemäß funktioniert habe oder dem Chef ein Fehler unterlaufen sei bzw. sonstige Umstände im Bereich der Firma vorgelegen seien oder vorliegen, wegen denen angeblich die Maut nicht korrekt bezahlt worden sei. Die Firma, für die er gefahren sei, heiße R GmbH in P, diese könne nähere Auskünfte erteilen und auch dort informierte Personen – auch der Chef – gefragt werden. Den Bw treffe jedenfalls kein Verschulden und die Strafe sei auch viel zu hoch, da er derzeit arbeitslos sei, nur 700 Euro pro Monat verdiene und für seine Frau sorgen müsse.

 

Der Akt schließt mit dem angefochtenen Straferkenntnis und der daraufhin eingebrachten Berufung.

 

4. Seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates wurde von der A eine Einzelleistungsinformation für den Zeitraum vom 21.4.2006 bis 8.5.2006 eingeholt, woraus ersichtlich ist, dass es in diesem Zeitabschnitt zu mehreren Kontrollfällen gekommen ist.

 

5. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 9. Februar 2007 brachte der Bw vor, es sei ihm aus einem zivilgerichtlichen Verfahren bekannt, dass einmal das gesamte Mautsystem in einem  bestimmten Fall nicht funktioniert habe. Wenn dies möglich sei, dann wäre es naheliegend, dass das System insgesamt nicht funktionstauglich gewesen sei. Der Bw nahm Einschau in die Akten, insbesondere hinsichtlich der Fotografien und der Einzelleistungsnachweise.

 

Auf die Frage, ob es möglich sei, dass die GO-Box oder der Mautbalken im gegenständlichen Fall nicht funktioniert habe, da der Bw behauptet, die GO-Box sei richtig eingestellt gewesen, erklärte der Sachverständige:

"Aus technischer Sicht ist festzustellen, dass für die gegenständliche GO-Box die vom Mautbetreiber ausgegeben wird, eine Konformitätserklärung vorliegt. Diese Konformitätserklärung umfasst alle Prüfungen die dem Stand der Technik entsprechen, die für ein Nahfeldkommunikationssystem (österreichisches Mautsystem) erforderlich sind. Darin gibt es eigene Prüfungen für die GO-Box und eigene Prüfungen für das Mautbalkensystem sowie eigene Prüfungen für die Kommunikation zwischen GO-Box und Mautbalken. Es kann also als erwiesen angesehen werden, dass entsprechend der Konformitätserklärung alle dem Stand der Technik erforderlichen Prüfungen nachgewiesen und erfüllt wurden.

 

Weiters gab es vor Inbetriebnahme des österreichischen Mautsystems eine sechsmonatige Probephase. In dieser Probephase sind Fehler aufgetreten, die nach einer Analyse auf Bedienungsfehler bzw. auf eine falsche Anbringung der GO-Box zurückzuführen waren. Vom Amt der Oö. Landesregierung – die ebenfalls LKWs betreibt – wurden Eigenversuche durchgeführt und es wurden "Worst-Case-Fälle" simuliert, rasches Beschleunigen, rasches Verzögern, hohe Querbeschleunigung, Überfahren von Eisenbahnschienen und Schlaglöchern, um eine mögliche Verstellung der eingestellten Achsenanzahl zu provozieren. Dabei konnte keine Verstellung oder Einschränkung der Funktion der GO-Box beobachtet werden. Wie weiters klar ist, kann durch an Bord befindliche übliche Geräte (Kaffeemaschine, CD-Player, GPS, etc.) keine Einschränkung oder Beeinflussung der Kommunikation zwischen GO-Box und Mautbalken entstehen, da diese in einem anderen Frequenzbereich arbeiten. Was nicht ausgeschlossen werden kann, ist, dass es durch ein nicht zugelassenes Gerät zu einer Störung der Kommunikation zwischen GO-Box und Mautbalken kommt. In diesem Fall kommt es aber zu einer Nichtabbuchung und nicht zu einer Fehlabbuchung. Das System ist so konstruiert, dass, wenn kein vollständiger Datensatz, der mit einem 16Bit-Code verschlüsselt ist, an das Mautbalkensystem übermittelt wird, die Kommunikation noch einmal aufgebaut wird, solange sich das Fahrzeug im Empfangsbereich des Balkens befindet. Wenn es innerhalb dieser Zeit (da spricht man von einer Zeit von ca. 0,3 Sekunden) zu keinem weiteren Aufbau kommt, dann wird die Kommunikation abgebrochen und es wird de facto keine Abbuchung durchgeführt. Diese Möglichkeit besteht, dass durch nicht zugelassene Geräte, die im Mikrowellenbereich arbeiten oder nicht zugelassene Funkgeräte, die in einem nicht definierten oder nicht bekannten Frequenzbereich arbeiten (die zum Beispiel aus Taiwan oder aus dem Fernen Osten importiert werden) und an sich keine Zulassung haben, die können unter Umständen das Mautsystem beeinflussen. Aber nur in der Weise, dass es zu keiner Abbuchung kommt. Eine Fehlabbuchung z.B. einer eingestellten Achsen­anzahl von vier, dass nur beispielsweise die Achsenanzahl zwei oder drei abgebucht wird, kann aufgrund der Verschlüsselung der Kommunikation zwischen GO-Box und Mautbalken mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. In Bezug auf die gestellte Frage der Rechtsvertretung, wie die GO-Box aufgebaut wird bzw. welche theoretischen Störfälle es gibt, ist aus technischer Sicht festzustellen, dass die GO-Box aus einer Platine besteht und zwischen den elektronischen Schaltelementen keine Drahtleitungen vorhanden sind, sondern die Leitungen sind in die Platine eingeritzt. Wenn man davon ausgeht, dass durch eine fehlerhafte Platine Kriechströme entstehen, die zu einer Fehlfunktion der GO-Box führen, so wäre das grundsätzlich nicht auszuschließen, das ist aber sozusagen auf einen Fertigungsmangel zurückzuführen und dieser Mangel würde permanent (zeitlich unabhängig) bestehen und würde sich auf keinen Fall selber reparieren. Wenn also eine GO-Box eine derartige Fehlfunktion hat, dann würde sie permanent falsche Abbuchungen und nicht zwischendurch korrekte Abbuchungen liefern. Aufgrund der konstruktiven Ausführung der GO-Box, in der die Achsenverstellung mit einem massebehafteten Schalter mit kleiner Masse passiert, ist auch dezidiert auszuschließen, dass aufgrund von Massenträgheitsmomenten, die im Zuge eines Ausweichmanövers, Beschleunigungsmanövers, Überfahren eines Schlagloches etc. entstehen, es zu einem unbeabsichtigten Drücken dieses Schalters kommt, welches aufgrund der Massenkräfte, die dann – wenn diese Kraft länger als zwei Sekunden anhalten würde – zu einer Achsenverstellung führen würde. In Versuchen konnte das nachgewiesen werden, dass diese Gefahr nicht besteht und aufgrund dieser geringen Massenbeaufschlagung des Schalters sind die wirkenden Massenkräfte minimal. Außerdem ist nicht eine kurzfristige Einwirkung der Kraft notwendig, sondern zumindest eine Einwirkung über länger als zwei Sekunden. Es konnte in der Praxis bei zwei Versuchen, die dieses Verhalten provozierten, nicht beobachtet werden."

 

Auf Befragen teilte der Bw mit, dass er für die gegenständliche Firma zweieinhalb Monate gearbeitet und mehrere Lkws benutzt habe. Zuerst sei er den gegenständlichen DAF gefahren. Bei der ersten Fahrt – nach Suben – habe ihn sein Chef begleitet. Diese Fahrt sei solo gewesen, ohne Aufleger. In Suben habe er einen Aufleger aufgenommen. Von einer früheren Firma habe er gewusst, dass das System so funktioniert, dass im Vorhinein zu bezahlen sei. Er habe geglaubt, dass dies bei der gegenständlichen GO-Box auch so sei. Er habe auf jeden Fall gewusst, dass die GO-Box zweimal piepse, wenn das Guthaben dem Ende zugehe und viermal piepse, wenn das Guthaben erschöpft sei.

Der Bw habe seinen Chef auf der Fahrt nach Suben gefragt, ob er nicht zahlen bzw. die GO-Box in der Vertriebsstelle aufladen müsse nach dem sogenannten Pre-Pay-System. Sein Chef habe gesagt, er brauche sich um nichts zu kümmern, weil er alles machen würde.

Der Bw erläuterte, dass er mit der Schilderung der gegenständlichen Fahrt mit seinem Chef gemeint habe, dass er sich Suben von Deutschland her genähert habe. Als er die Grenze überschritten habe, habe die österreichische GO-Box ganz normal gepiepst. Der Chef sei an der Grenze ausgestiegen und nach Hause zurückgefahren. Er sei in Österreich weitergefahren und habe sich keine Gedanken gemacht, da die GO-Box normal gepiepst habe.

Der Bw habe die Achseneinstellung auf der GO-Box nicht kontrolliert, weil er seinen Chef so verstanden habe, dass alles in Ordnung sei. Der Chef habe zum Bw gesagt, dass alles in Ordnung sei, er nichts kontrollieren und nichts manipulieren müsse; er könne ruhig so weiterfahren. Hätte die GO-Box nicht gepiepst, das heißt nicht funktioniert, dann hätte er den Chef sofort angerufen. Es sei ihm aber nichts aufgefallen. Der Bw sei mit dem gegenständlichen DAF bis 8. Mai immer die Route England-Österreich gefahren. Am 8. Mai habe der Chef den DAF verkauft und er habe einen MAN bekommen, mit dem es keine Probleme gegeben habe.

Mit 28. Juli sei die Firma in Konkurs gegangen und das Dienstverhältnis mit dieser Firma beendet worden.

Der Bw sagte aus, er glaube, dass er im Mai von der A angehalten worden sei und diese seinen Wagen kontrolliert habe. Für diese Kontrolle habe er von der Autobahn herunterfahren müssen.

 

Dazu vermeinte der Sachverständige, dass es sich hier um eine technische Kontrolle gehandelt habe, welche aber nicht von der A gemacht worden sei.

 

Der Bw ergänzte, dass die Polizei auch anwesend gewesen sei.

 

Dazu erklärte der Sachverständige, dass es natürlich vorkommen könne, dass sich bei einer Polizeikontrolle auch andere Kontrollinstitutionen "anhängen". Das könnte in diesem Fall die A gewesen sein.

 

Der Bw sagte weiters, dass die A seine Tachoscheibe kontrolliert habe und nachdem diese in Ordnung gewesen sei, habe er weiterfahren dürfen. Nach der Tachoscheibenkontrolle habe der Bw ein A-Auto gesehen, er habe aber nicht mit den A-Leuten gesprochen. Die A-Leute hätten sich seine GO-Box auch nicht angesehen.

 

Auf die nochmalige Frage an den Bw, ob er außer dieser einen erwähnten Belehrung durch seinen Chef eine weitere Aufklärung bekommen habe, sagte der Bw, dass es so gewesen sei – wie vorhin beschrieben – dass der Chef bis zur österreichischen Grenze mitgefahren sei und ihm erklärt habe, dass er bei der GO-Box nichts verändern müsse. Daraufhin sei der Bw die ganze Zeit mit diesem Auto gefahren, bis es ihm weggenommen worden sei.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen sagte der Bw aus, dass er verheiratet sei, 513 Euro Notstandshilfe beziehe und seine Frau halbtags arbeiten und 600 Euro verdienen würde. Er habe keine Sorgepflichten und kein Vermögen.

 

Es wird beantragt, die gegenständliche GO-Box bei der A zu beschaffen und deren technische Prüfung zu veranlassen zum Beweis für die Fehlerhaftigkeit. Dies insbesondere auch deswegen, da der verfahrensgegenständliche Fehler laut den vorliegenden Einzelleistungsnachweisen permanent aufgetreten sei.

 

6. Seitens des verkehrstechnischen Amtssachverständigen wurde von der A die Auskunft eingeholt, dass die gegenständliche GO-Box am 22.5.2006 bei der E in W zurückgegeben worden sei. Diese GO-Box sei nach ihrer Rückgabe, bei der keine Fehlfunktion behauptet worden sei, von der Rück­nahme­stelle überprüft und eine einwandfreie Funktion festgestellt worden. Mittlerweile würden alle zurückgegebenen GO-Boxen auf ihre Fehlerhaftigkeit hin geprüft. Die gegenständliche GO-Box seit lt. A an die Fa. K zurückgegeben und vernichtet worden. Nach dem 9. Mai 2006 bis zum Tag der Rückgabe sei die GO-Box offenbar nicht mehr verwendet worden, da in dieser Zeit weder Abbuchungen noch Kontrollfälle vorgelegen seien.

 

Der zur öffentlichen mündlichen Verhandlung geladene und nicht erschienene Zeuge W R (damaliger Chef des Bw) äußerte sich in einem E-Mail vom 7.3.2007 dahingehend, dass er als Geschäftsführer der R keinesfalls GO-Boxen ein- bzw. umgestellt habe, sondern seine Aufgabe sei es gewesen, dass in jedem Fahrzeug eine GO-Box und ein gültiges Zahlungsmittel vorhanden sei.

Der jeweilige Fahrer habe vor Fahrtantritt die GO-Box auf ihre Funktionstüchtigkeit und deren richtige Achsenzahleinstellung überprüfen und notwendigenfalls um- bzw. richtig einstellen müssen. Zum damaligen Zeitpunkt habe das Unternehmen ca. 45 Lkw's gehabt.

 

7. Dazu gab der Bw in einem E-Mail vom 19.3.2007 bekannt, dass die Funktion der GO-Box nicht einwandfrei erwiesen sei. Tatsache sei, dass ein entscheidendes Beweismittel ohne sein Verschulden vernichtet worden sei. Eine dokumentierte Ordnungsgemäßheit sei nicht aktenkundig und ein Beweismittel, das Gerät an sich, nicht mehr greifbar. Im Sinne der Verfahrensfairness müsse dies zur Verfahrenseinstellung führen, da dem Bw durch die Vernichtung des Beweismittels die Möglichkeit genommen worden sei, aktiv von seiner Seite her die Fehlfunktion nachzuweisen.

Weiters sei die Aussage des W R in Form einer E-Mail nicht verwertbar und würden die dortigen Ausführungen reine Schutzbehauptungen darstellen.

Es bleibe sohin bei der beantragten Verfahrenseinstellung.

 

8. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

8.1. Gemäß § 6 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstzulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 t beträgt, der fahrleistungsabhängigen Maut.

 

Gemäß § 7 Abs. 1 BStMG ist die Maut durch Einsatz zugelassener Geräte zur elektronischen Entrichtung der Maut im Wege der Abbuchung von Mautguthaben oder der zugelassenen Verrechnung im Nachhinein zu entrichten.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 BStMG haben Lenker, soweit sie nicht von anderen in der Mautordnung vorgesehenen Formen der Mautentrichtung Gebrauch machen, vor der Benützung von Mautstrecken ihr Fahrzeug mit Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut auszustatten.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 BStMG haben sich Lenker bei Verwendung von Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut vor, während und nach jeder Fahrt auf Mautstrecken der Funktionsfähigkeit dieser Geräte zu vergewissern und Funktionsstörungen unverzüglich zu melden.

 

Punkt 8.2.2. der Mautordnung besagt, dass bei Ausgabe der GO-Box eine Basiskategorie entsprechend der vorhandenen Achsenanzahl des mautpflichtigen Kraftfahrzeuges eingestellt wird (die Basiskategorie stellt die Untergrenze für eine manuelle Umstellung durch den Nutzer dar). Der Kraftzeuglenker hat vor jedem Fahrtantritt die Kategorie entsprechend Punkt 8.2.4.2. zu überprüfen.

 

Nach Punkt 8.2.4.2. der Mautordnung hat sich der Nutzer vor dem Befahren des mautpflichtigen Straßennetzes über die Funktionstüchtigkeit der GO-Box durch einmaliges Drücken (kürzer als zwei Sekunden) der Bedientaste zu vergewissern (Statusabfrage). Diese Überprüfungspflicht umfasst jedenfalls auch die korrekte Deklarierung und Einstellung der Kategorie gemäß Punkt 8.2.2.

 

Gemäß § 20 Abs. 2 BStMG ("Mautprellerei") begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 6 geschuldete fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß zu entrichten, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 400 Euro bis 4.000 Euro zu bestrafen.

 

Gemäß § 20 Abs. 3 BStMG wird eine Übertretung gemäß § 20 Abs. 2 BStMG straflos, wenn der Mautschuldner fristgerecht die in der Mautordnung festgesetzte Ersatzmaut bezahlt.

 

§ 19 BStMG ("Ersatzmaut") bestimmt, dass in der Mautordnung für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut eine Ersatzmaut festzusetzen ist, die den Betrag von 300 Euro einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf (Abs. 1).

Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 zu keiner Betretung, so hat die A den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung oder auf dienstlicher Wahrnehmung eines Organes der öffentlichen Aufsicht beruht und die Geltendmachung der Haftung gemäß § 23 weder offenbar unmöglich noch wesentlich erschwert sein wird. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen drei Wochen ab Ausfertigung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält (Abs. 4).

 

8.2. Der Bw hat am 1.5.2006 gegen 22.15 Uhr die mautpflichtige Bundesstraße A25, beim Mautabschnitt Ö benützt, ohne dass die für die Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes vorgeschriebene fahrleistungs­abhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet wurde. Dies ist unbestritten. Unstrittig ist ferner, dass gem. § 19 Abs. 4 BStMG zur Zahlung der Ersatzmaut aufgefordert wurde.

 

Mit Schreiben vom 7.3.2007 teilte W R (der damalige Chef des Bw) dem Unabhängigen Verwaltungssenat mit, dass im gegenständlichen Betrieb die GO-Box-Einstellungen nicht durch den Chef, sondern durch den jeweiligen Lenker vorgenommen würden, was bei einem Betrieb mit 45 Lkws auch überaus plausibel erscheint. Geht man dennoch von den – im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht durch Zeugenaussagen widerlegten – Behauptungen des Bw aus, wonach der Firmeninhaber persönlich die GO-Box-Einstellungen vorgenommen hat, so bleibt auf die Lenkerpflichten hinzuweisen, wonach sich gemäß § 8 Abs. 2 BStMG Lenker bei Verwendung von Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut vor, während und nach jeder Fahrt auf Mautstrecken der Funktionsfähigkeit dieser Geräte zu vergewissern und Funktionsstörungen unverzüglich zu melden haben und die Überprüfung gem. Pkt. 8.2.4.2. der Mautordnung auch die korrekte Einstellung der Achsenzahl umfasst.

 

Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass wenn der Bw angibt, er habe sich mit seinem Chef von Deutschland kommend S genähert, er damit nicht die gegenständliche Fahrt gemeint haben kann, da es sich, wie aus dem Einzelleistungs­nachweis ersichtlich, gegenständlich um eine Fahrt von W nach S (also in die Gegenrichtung) gehandelt hat und er dabei sehr wohl mit einem vierachsigen Kfz unterwegs gewesen ist, wie das vorliegende Beweisfoto zeigt. Aus dieser Ungereimtheit ergibt sich, dass das in Rede stehende Vorbringen sehr zweifelhaft ist. Dazu kommt, dass dieses gleichlautende Vorbringen für zwei verschiedene Fahrten an unterschiedlichen Tagen vorgebracht wurde.

 

Aus den Aussagen des verkehrstechnischen Amtssachverständigen, an dessen Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der Unabhängige Verwaltungssenat keinen Zweifel hat und dem der Bw nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist, ergibt sich, dass bei Einhaltung der Mautordnung, mit der darin vorgesehenen Mitwirkung des Lenkers, mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit ein selbständiges Verstellen der Achsenzahl bei der GO-Box ausgeschlossen werden kann und die gegenständliche GO-Box technisch einwandfrei funktioniert hat. Damit wurde die Behauptung des Bw einer korrekt eingestellten GO-Box widerlegt.

 

Die Richtigkeit des Gutachtens des Sachverständigen kann auch nicht dadurch in Zweifel gezogen werden, dass die GO-Box mittlerweile nicht mehr "greifbar" ist. Diesbezüglich liegt die Auskunft der A vor, dass vor Austausch der GO-Box die hier gegenständliche GO-Box technisch einwandfrei war. Der Unabhängige Verwaltungssenat sieht keinen Anlass, der Richtigkeit dieser Auskunft zu misstrauen. Der Umstand, dass die GO-Box – so wie dies bei allen "retournierten" GO-Boxen der Fall ist – entsorgt wurde, begründet für den Unabhängigen Verwaltungssenat keinen Anlass, aus dem Verlust des Beweismittels auf die Unrichtigkeit des Gutachtens des Sachverständigen und die Unrichtigkeit der Auskunft der A zu schließen. Im Übrigen ist nochmals darauf hinzuweisen, dass eine "kaputte" GO-Box nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht zu einer Fehlabbuchung der Achsenzahl, sondern zu einer Störung der Kommunikation zwischen GO-Box und Mautbalken im Sinne von Nichtabbuchungen geführt hätte, was konkret nicht der Fall ist. Demnach ist davon auszugehen, dass die GO-Box gegenständlich nicht auf die korrekte Achsenzahl eingestellt war.

 

Ein Systemfehler ist daher nicht nur notorisch äußerst unwahrscheinlich, sondern wird zusätzlich widerlegt durch die Darlegungen des Amtssachverständigen, wonach es in Bezug auf das Mautsystem, für dass die einschlägigen Prüfungen (Konformitätserklärung) vorliegen und das zusätzlich in einer mehrmonatigen Probe­phase ausführlich getestet wurde, keinen plausiblen oder technisch nach­vollziehbaren Hinweis gibt, der die Möglichkeit einer Fehlabbuchung bei korrekter GO-Box-Einstellung sowie korrekter Montage und Verwendung unterstützt. Auch selbst durchgeführte Versuche haben keinen Hinweis auf fehlerhafte Abbuchungen ergeben.

 

Die Behauptung, dass die Achsenzahl richtig eingestellt war, kann der Bw nicht durch eigene Wahrnehmungen untermauern, da er – wie er selbst einräumt – sich auf die Auskunft seines Chefs verlassen hat, dass die Achsenzahl richtig eingestellt ist und die korrekte Einstellung nicht überprüft hat.

 

Die Tat ist daher dem Bw in objektiver und – da keine Entschuldigungsgründe ersichtlich sind – auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Nicht entschuldigend würde eine eventuelle Rechtsunkenntnis bzw. eine möglicherweise vorliegende Unkenntnis der Gebrauchsvorschriften für die GO-Box wirken. Der Lenker ist verpflichtet, sich mit den rechtlichen und faktischen Voraussetzungen der legalen Benützung mautpflichtiger Strecken auf geeignete Weise vertraut zu machen. Wie bereits dargelegt, wäre der Bw selbst dann nicht entschuldigt, wenn die Fahrt im Beisein seines Chefs erfolgt wäre und dieser ihm zusätzlich die Richtigkeit der Einstellung der Achsenzahl zugesichert hätte, weil es zu den Pflichten des Lenkers gehört, sich persönlich von der Richtigkeit der Einstellung der Achsenzahl (durch die sog. "Statusabfrage") zu überzeugen. Es ist daher von Fahrlässigkeit auszugehen.

 

8.3. Zur Bemessung der Strafhöhe ist zu bemerken, dass im angefochtenen Straferkenntnis, obwohl überwiegende Milderungsgründe nicht ersichtlich (und im bekämpften Straferkenntnis auch nicht genannt) sind, die gesetzlich vorgesehene Mindestgeldstrafe um die Hälfte unterschritten und § 20 VStG (außerordentliches Milderungsrecht) angewendet wurde. Eine weitere Herabsetzung der Geldstrafe kommt mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht. Die Tat bleibt auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG gerechtfertigt sein könnte. Insbesondere ist das Verschulden des Bw in Form der oben angesprochenen Fahrlässigkeit nicht als geringfügig einzustufen, da die Überprüfung der eingestellten Achsenzahl durch den Bw gegenständlich die zentrale Lenkerpflicht darstellt.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichts­hof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Langeder

 

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