Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110747/2/Kl/Rd/Pe

Linz, 26.04.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des H B, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. N N, gegen das Straferkenntnis  der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 31.10.2006, VerkGe96-55-2006, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförde­rungs­gesetz   zu Recht erkannt:

 

I.          Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben      und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

           

II.         Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.         

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG.

zu II.: § 66  VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 31.10.2006, VerkGe96-55-2006, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 1.453 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs.1 Z8 und Abs.3 und 4 GütbefG sowie iVm Art.3 Abs.1 und Abs.3 und Art.6 Abs.4, 1. Satz der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 idFd Verordnung (EG) Nr. 484/2002 verhängt, weil er als Inhaber der K I T mit dem Sattelkraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen eine gewerbsmäßige Güterbeförderung (Transport von Textilien bzw Stoffen) von der Türkei durch Österreich nach Belgien mit einer ihm als Verkehrsunternehmer erteilten Gemeinschaftslizenz durchgeführt hat und für diesen Transport den türkischen Staatsangehörigen M M als Fahrer verwendet hat, ohne dafür gesorgt zu haben, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt wurde. Dies wurde bei der Kontrolle des Fahrzeuges am 22.6.2006 um 8.30 Uhr an folgendem Ort: A8 Innkreisautobahn, Fahrtrichtung Deutschland, Autobahnparkplatz Osternach, Strkm 62.000, Gemeinde Ort/Innkreis, Bezirk Ried/Innkreis festgestellt. Der grenzüberschreitende gewerbliche Güterkraftverkehr auf den im Gebiet der Gemeinschaft zurückgelegten Wegstrecken unterliegt einer Gemeinschaftslizenz in Verbindung – sofern der Fahrer Staatsangehöriger eines Drittstaat ist – mit einer Fahrerbescheinigung, die der Verkehrsunternehmer dem darin genannten Fahrer zur Verfügung stellt. Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mitgeführt werden.  

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis hat mit Bescheid vom 28.11.2006, VerkGe96-55-2006, von der Möglichkeit der Erlassung einer Berufungsvorentscheidung gemäß § 64a AVG iVm § 24 VStG Gebrauch gemacht. Gegen diesen Bescheid wurde vom Bw rechtzeitig ein Vorlageantrag gestellt. Durch Einbringung des Vorlageantrages ist die Berufungsvorentscheidung ex lege außer Kraft getreten und ist somit der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung über die aufrechte Berufung zuständig.         

 

In der rechtzeitigen Berufung gegen das Straferkenntnis vom 31.10.2006 wurde begründend ausgeführt, dass das Verfahren mangelhaft sei, da den gestellten Beweisanträgen nicht entsprochen worden sei. Der Halter des Kraftwagens habe bei den zuständigen Behörden die Erteilung der Fahrererlaubnis beantragt. Über die Frage der Erteilung der Fahrererlaubnis sei derzeit beim Verwaltungsgericht in Wiesbaden ein Rechtsstreit anhängig, welcher noch nicht abschließend entschieden sei.  Die Türkei sei nicht als Drittstaat im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 484/2002 anzusehen und bedürfe der betroffene Fahrer keiner Fahrerlizenz. Die Anwendung dieser Verordnung auf türkische Staatsangehörige stelle einen Verstoß gegen das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei mit seinen Ausführungsregelungen dar, weil die Anwendung dieser Verordnung dazu führe, dass türkische Staatsangehörige diskriminiert werden und der freie Dienstleistungsverkehr eingeschränkt werde. Weiters werde darauf verwiesen, dass für die Einweisung/Einschulung der Kraftfahrer nicht der Bw, sondern Herr S B zuständig sei. Dieser habe auch für die gesamten Papiere zu sorgen.

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Milderungsgründe sei die verhängte Geldstrafe überdies als überhöht anzusehen.

Zudem werde ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Bestimmungen des § 23 Abs.3 GütbefG idF BGBl. Nr. 23/2006, wonach auch strafbar im Sinne der dort zitierten Bestimmungen ein Unternehmer ist, wenn er die dort zitierten Verpflichtungen oder normierten Gebote und Verbote im Ausland verletzt. Diese einfachgesetzliche Bestimmung widerspreche dem Gemeinschaftsrecht und sei daher rechtswidrig. Es werde daher beantragt, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen in eventu eine Ermahnung auszusprechen in eventu die verhängte Geldstrafe im Sinne des § 20 VStG herabzusetzen. 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis als belangte Behörde hat den Vorlageantrag sowie die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte Abstand genommen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat hierüber erwogen:

 

4.1. Eingangs ist zu bemerken, dass zwar – wie bereits unter Pkt. 2. ausgeführt wurde - mit Stellung des Vorlageantrages die Berufungsvorentscheidung vom 28.11.2006 ex lege außer Kraft getreten. Da die Berufungsvorentscheidung innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährung getroffen wurde - Tattag war der 22.6.2006 - stellt sie eine taugliche fristgerechte Verfolgungshandlung dar und wäre der Oö. Verwaltungssenat in Anbetracht der dort erfolgten teilweisen Ergänzung   des ursprünglich mangelhaft gewesenen Bescheidspruches berechtigt gewesen, den Spruch des Straferkenntnisses vom 31.10.2006 dahingehend zu berichtigen.

Dem Bescheidspruch haftet allerdings immer noch ein gravierender Mangel an, in Bezug auf welchen die Frist des § 31 Abs.2 VStG zwischenzeitig abgelaufen ist.

 

Dazu ist auszuführen:

 

4.2.  Gemäß  § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass  er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1522 ff).

 

Diesen  Anforderungen  wird aus nachstehenden  Gründen  nicht entsprochen:

 

Von der belangten Behörde wurde dem Bw sowohl im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses als auch in der Berufungsvorentscheidung  zur Last gelegt, dass er als "Inhaber der Fa. K I T mit dem Sattelzugfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... ohne die gemäß §§ 7 bis 9 GütbefG erforderliche Berechtigung durchführen hat lassen". Darüber hinaus wurde der Anhalteort, nämlich die A8 Innkreisautobahn, Fahrtrichtung Deutschland, Autobahnparkplatz Osternach, Strkm 62.000, Gemeinde Ort im Innkreis, Bezirk Ried im Innkreis, angeführt. Der tatsächliche Tatort, nämlich der Sitz des Unternehmens, wurde dem Bw hingegen nicht zur Last gelegt.

 

Gemäß § 23 Abs.1 Z3 GütbefG begeht, abgesehen von gemäß dem V. Hauptstück der GewO 1994 zu ahndenden Verwaltungsübertretungen, eine Verwaltungs­übertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer Beförderungen gemäß §§ 7 bis 9 ohne die hiefür erforderliche Berechtigung durchführt oder Gebote oder Verbote von zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht einhält.

 

Strafbar ist nach Abs.1 Z3, Z6, Z8 oder Z11 ein Unternehmer auch dann, wenn er die in §§ 7 bis 9 genannten Verpflichtungen oder die in der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 normierten Gebote und Verbote im Ausland verletzt. Örtlich zuständig ist diesfalls jene Behörde, in deren Sprengel der Lenker im Zuge einer Straßenkontrolle betreten wird, sonst jene Behörde, in deren Sprengel der Grenzübertritt in das Bundesgebiet erfolgt (§ 23 Abs.3 leg.cit.).

 

Von der belangten Behörde wurde jedoch im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses, da der Unternehmer bestraft wurde, verabsäumt, den Sitz des Unternehmens, nämlich die D, zu bezeichnen. Es fehlt daher dem Spruch der konkrete Tatort, wo der Unternehmer hätte handeln müssen. Die Anführung des Anhalteortes entspricht im gegenständlichen Fall nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z1 VStG, da der Beschuldigte nicht der Lenker, sondern der Unternehmer ist und sohin der Anhalteort lediglich die örtliche Zuständigkeit der Strafbehörde begründet.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

 

Da hinsichtlich des konkreten Tatortes keine entsprechende fristgerechte Verfolgungshandlung getätigt wurde, war es dem Oö. Verwaltungssenat verwehrt, eine dahingehende Spruchberichtigung vorzunehmen.

 

Es war daher der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Auf die weiteren Berufungsausführungen war daher nicht mehr näher einzugehen.

 

5. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfällt für den Bw die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge (§ 66 VStG).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

Beschlagwortung:

Tatkonkretisierung

 

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