Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161845/15/Fra/Se

Linz, 30.04.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn H B, V, 46 A, vertreten durch seine Sachwalterin P E, diese vertreten durch RA Mag. J K, H, 43 P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 2. Oktober 2006, VerkR96-5717-2006 Be/Ba, betreffend Übertretung des § 1 Abs.3 iVm § 37 Abs.1 und 3 FSG, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben; der Berufungswerber hat keine Verfahrenskostenbeiträge zu entrichten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z2 VStG; § 66 Abs.1 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 1 Abs.3 FSG gemäß § 37 Abs.1 und 3 leg.cit. eine Geldstrafe von 363 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) weil er am 29.6.2006 um 18:55 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen GR auf dem Ortschaftsweg K im Ortsgebiet P bei Wels und somit auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt hat, obwohl er nicht im Besitz der hiefür erforderlichen Lenkberechtigung war, da ihm diese entzogen war. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von 10% der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Über die dagegen durch den ausgewiesenen Vertreter rechtszeitig eingebrachte Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 51c erster Satz VStG) erwogen:

 

Der Bw bringt in seinem Rechtsmittel vor, dass für ihn zu P des BG H am 26.3.2002 ein Sachwalter bestellt wurde, weil er seit etwa Herbst 2000 an einer paranoiden Psychose erkrankt sei. Er sei seit diesem Zeitpunkt dadurch nicht in der Lage, übliche und auch notwendige Alltagsangelegenheiten auch nur annähernd adäquat zu erledigen und würde ohne Hilfe sich selbst und seine gesamte Familie und seine Existenz gefährden und beeinträchtigen. Er lebe in der Vorstellung, von Familienmitgliedern, Freunden, Ämtern und Behörden manipuliert und beeinflusst zu werden und sei zu sinnvollen, logischen und zielorientierten Handlungen, seine Person und sein Umfeld betreffend, nicht in der Lage. Aufgrund dessen könne er nicht begreifen und erkennen, dass das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne die dazu vom Gesetz geforderte Lenkberechtigung unzulässig und strafbar ist bzw. könnte er einer derartigen Erkenntnis keine zielgerichteten adäquaten Handlungen, nämlich die Abstandnahme vom Lenken eines Kraftfahrzeuges, folgen lassen. Er sei daher hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Straftat, die er in ihrem Sachverhalt zur Gänze außer Streit stelle, unzurechnungsfähig und damit verschuldensunfähig. Der Bw übermittelte mit Schreiben vom 16. Jänner 2007 dem Oö. Verwaltungssenat eine Kopie des im Rahmen des Sachwalterschaftsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens vom 28.1.2002 und führte aus, dass ihm die Lenkberechtigung mit 19.9.2002 entzogen, ihm jedoch der Führerschein selbst nie abgenommen wurde. Es sei daher im Zusammenhang mit diesem Sachverständigengutachten davon auszugehen, dass er die Entziehung der Lenkberechtigung im Jahre 2002 nicht realisieren habe können. Dadurch sei ihm auch im Jahr 2006 – zum Tatzeitpunkt – nicht bewusst gewesen, dass er keine gültige Lenkberechtigung besitze, weil er ja den Führerschein tatsächlich in Händen hatte. Dieses Nichtwissen und die Ungültigkeit dieses Dokumentes könne ihm aber verschuldensmäßig nicht angelastet werden.

 

In der Folge ließ der Oö. Verwaltungssenat ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten darüber erstellen, ob der Bw zur Tatzeit, am 29.6.2006, unfähig war, im Hinblick auf die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung, das Unerlaubte seiner Tag einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln.

 

Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und gerichtlich beeidete Sachverständige Herr Dr. E D, I, 40 L, kommt in seinem umfangreichen Gutachten vom 20.3.2007 schlüssig zum Ergebnis, dass der Bw mit hoher Wahrscheinlichkeit am 29.6.2006 nicht in der Lage war, das Unrecht seiner Tat (Fahren ohne gültige Lenkerlaubnis) einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Der Sachverständige führt in der Zusammenfassung Folgendes aus: "Grundsätzlich kann auf die Aktenlage und die darin enthaltenen eigenen Vorgutachten P, BG H vom 24.1.2002 und 14 UB 131/05 h, BG W, vom 24.3.2005 verwiesen werden. Bei dem Betroffenen besteht seit vielen Jahrzehnten nahezu durchgehend eine schizophrene Psychose, welche bei dem letzten stationären Aufenthalt und infolge des Krankheitsverlaufes als schizoaffektive Psychose diagnostiziert wurde. Es treten dadurch wahnhafte Gedanken im Sinne eines unkorrigierbaren Wahns, Beeinflussungsideen und ein fehlender Realitätsbezug verbunden mit Affektstörungen auf. Dadurch ergeben sich erhebliche Auffälligkeiten im Alltag. Insbesondere ein sozialer Rückzug und Isolation, eine Verkennung der Realität, sowie ein wesentlich eingeschränkter Realitätsbezug und Kritikvermögen. Die Krankheit ist bisher weitgehend unbehandelt, zumindest kam es zu keiner länger dauernden Behandlung und somit zur Stabilität. Lediglich im Frühjahr 2005 kam es zu einer zwangsweisen Einweisung und Unterbringung in die Psychiatrie W und erstmals auch zu einer Behandlung, worauf sich vorübergehend eine Besserung einstellte. In der Folge wurden aber die Medikamente nicht regelmäßig eingenommen, eine länger dauernde Krankheitseinsicht konnte nicht hergestellt werden, so dass sich das Zustandsbild ab Spätherbst 2005 wieder auf das ursprüngliche Niveau verschlechterte. Dies kann aus der Aktenlage, insbesondere den glaubhaften Aussagen des Bruders (Niederschrift, PI K vom 30.6.2006, J B) geschlossen werden. Insofern ist somit nicht davon auszugehen, dass im Jahre 2006 ein ähnlicher Zustand bestand, wie bei der Einweisung in die psychiatrische Klinik W im März 2005 bzw. bei dem eigenen persönlichen Kontakt im Rahmen der Sachwalterschaft im Jänner 2002. Dies würde aber bedeuten, dass der Betroffene auch zum Tatzeitpunkt wahnhafte Gedanken und einen gestörten Realitätsbezug aufwies. Dadurch können wesentliche und notwendige Sozialnormen des Alltagslebens krankheitsbedingt nicht eingehalten werden. Auch würde er dadurch einen Führerscheinentzug nicht zur Kenntnis nehmen und realisieren."

 

Gemäß § 3 Abs.1 VStG ist nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat wegen Bewusstseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen (Fehlen der Diskretionsfähigkeit) oder diese Einsicht gemäß zur Handlung (Fehlen der Dispositionsfähigkeit).

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde unter anderem von der Fortführung des Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen. Ein Strafausschließungsgrund ist zum Beispiel das Fehlen der Zurechnungsfähigkeit.

 

Der Bw hat im Hinblick auf die Außerstreitstellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes zwar tatbildlich gehandelt, er hat jedoch die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht zu verantworten, da ihm unter Zugrundelegung des oa Gutachtens das Verschulden nicht nachgewiesen werden kann. Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

 

3. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss  - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. F r a g n e r

 

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