Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-280899/22/Wim/Pe/Be

Linz, 02.05.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn R B, vertreten durch Herrn DI G B, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 20.2.2006, Ge96-118-2004/Hw, wegen einer Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutz­gesetzes (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung und Verkündung am 23.4.2007 zu Recht erkannt:

 

I.     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.    Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG idgF iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Im angefochtenen Straferkenntnis wird der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) der Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.1 Z16 iVm § 33 Abs.2 ASchG iVm § 21 Abs.3, § 18 Abs.1 und Abs.2 Z5 der Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 1.800 Euro, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von sechs Tagen verhängt.

 

Ferner wurde der Bw gemäß § 64 VStG verpflichtet 180 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.

 

Dem Schuldspruch liegt nachstehender Tatvorwurf zu Grunde:

„Sie haben es als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit strafrechtlich Verantwortlicher gem. § 9 Abs.1 VStG der Arbeitgeberin ‚S B Gesellschaft m.b.H.’ mit Sitz in Neuhofen an der Krems, Geschäftsanschrift 4531 Kematen an der Krems, Industriestraße 10, zu vertreten, dass (wie von einem Organ des Arbeitsinspektorates Linz anlässlich einer Unfallerhebung am 12.07.2004 auf der Baustelle der Firma M in 4490 St. Florian, Bahnhofweg 6, festgestellt wurde) von der genannten Gesellschaft am 12.07.2004 bei der Beschäftigung der Arbeitnehmer M B (richtig: M D) und P M bei der o.a. Baustelle folgende Bestimmungen der Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) und des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes nicht eingehalten wurden:

Der Arbeitnehmer der Firma ‚S B Gesellschaft m.b.H.’, 4531 Kematen, Industriestraße 10, Hr. M B, geb. 11.2.1965, und der von der Firma HF Industriemontagen F H GmbH, A-B W als Überlasser an die Fa. B als Beschäftiger überlassene Arbeitnehmer P M, geb. 23.5.1984, waren am 12. Juli 2004 um ca. 16.00 Uhr auf der Baustelle der Firma M in St. F, Bweg, mit der Demontage einer an der Hallenaußenseite in ca. 5 m Höhe angebrachten Stahlkonstruktion beschäftigt. Als Aufstiegshilfe wurde eine Personenhubarbeitsbühne Marke T A Type TB 50; Traglast 250 kg oder 2 Personen; eingesetzt. Mit dieser wurden auch die demontierten Stahlträger von der Stahlkonstruktion herunter gehoben. Bei den Stahlträgern handelt es sich um I‑Träger mit parallelen Flanschflächen IPE 160; Steghöhe 160 mm, Flanschbreite 82 mm Stärke 5 bzw. 7,4 mm: Die Träger hatten eine Länge von 16 m und ein Gewicht von 252,8 kg.

Die Personenhubarbeitsbühne wurde von der Fa. B von der Fa. R, St. F angemietet. Eine andere Hebeeinrichtung zum Herunterheben der Stahlträger, wie beispielsweise ein Kran, war auf der Baustelle nicht vorhanden. Die max. zulässige Last war am Arbeitsmittel deutlich sichtbar und gut leserlich angeschlagen.

Beim Herunterheben eines Stahlträgers mit der Personenhubarbeitsbühne verrutschte bzw. pendelte der an der Geländeroberkante des Personenkorbes mit einem Gurt fixierte Stahlträger und traf den am Boden stehenden Arbeitnehmer M im Bauch und Unterschenkelbereich. Der Arbeitnehmer B befand sich zu diesem Zeitpunkt im Arbeitskorb und bediente die Personenhubarbeitsbühne.

Sie haben als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer der ‚S B Gesellschaft m.b.H.’ damit die Bestimmung des § 33 Abs.2 ASchG in Verbindung mit den § 21 Abs.3 AM-VO und § 18 Abs.1 und Abs.2 Z5 AM-VO übertreten, wonach der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen hat, dass Arbeitsmittel unter anderem entsprechend den Bestimmungen der AM-VO benutzt werden, da mit der Personenhubarbeitsbühne Lasten transportiert wurden, deren Transport gem. § 21 Abs.3 AM-VO nicht zulässig gewesen wäre und das Gewicht dieser Lasten – ohne Berücksichtigung der auf der Personenhubarbeits­bühne anwesenden Person – bereits größer war als das am Arbeitsmittel deutlich sichtbar angegebene höchst zulässige Gewicht.

Gem. § 21 Abs.3 AM-VO dürfen auf Arbeitsmittel zum Heben von Arbeitnehmern nur das für die Ausführung der Arbeiten unbedingt notwendige Werkzeug und Material mitgenommen werden.

Gem. § 18 Abs.1 AM-VO ist bei der Auswahl von Arbeitsmitteln zum Heben von Lasten sowie der Lastenaufnahmeeinrichtungen und Anschlagmittel für Lasten die zu handhabende Last, die Greif- und Anschlagpunkte sowie die Art und Weise des Aufnehmens von Lasten zu berücksichtigen.

Gem. § 18 Abs. 2 Z5 AM-VO sind Lasten so zu befördern, dass sie an Hindernissen nicht hängen bleiben und ein Herunterfallen hintangehalten wird.“

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht. Der Berufungswerber verweist auf seine schriftliche Rechtfertigung vom 28.9.2004 und führt weiters aus, dass ein geeigneter Arbeitnehmer, Herr O, bestimmt worden sei, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen achte. Der bestimmte Arbeitnehmer habe ohne Wissen des Berufungswerbers die Baustelle früher als die beiden Arbeitnehmer D und M verlassen und sei um 15.30 Uhr zum Firmenstandort gekommen. Der Sohn des Berufungswerbers sei noch im Büro der Firma gewesen und sei nach Eintreffen von Herrn O zur Baustelle in St. Florian gefahren. Der Berufungswerber sei zu diesem Zeitpunkt nicht in der Firma gewesen und der Unfall sei inzwischen passiert.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 23.4.2007, an welcher der Vertreter des Berufungswerbers und ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Linz teilgenommen haben. Die belangte Behörde hat sich entschuldigt. Weiters wurden die Zeugen Helmut O, Peter M und M D geladen, jedoch auf deren Einvernahme verzichtet.

 

Als erwiesen steht fest, dass der Arbeitsunfall nicht, wie in der Anzeige angeführt, am 12.7.2004 stattfand sondern am 9.7.2004. Dies wurde auch durch den Arbeitsinspektor nach Rücksprache mit dem Arbeitsinspektorat Linz bestätigt.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch des Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können.

Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von der Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

4.2. Diesen Anforderungen wird der gegenständliche Tatvorwurf nicht gerecht. Weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 6.9.2004 als erster und einziger Verfolgungshandlung noch im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wird dem Berufungswerber als Tatzeitpunkt der 9.7.2004 vorgeworfen.

 

Weil die gesetzliche Verfolgungsverjährungsfrist von sechs Monaten bereits abgelaufen ist, war eine Spruchberichtigung nicht mehr möglich. Es musste daher das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG eingestellt werden.

 

Zu II.:

Der Kostenausspruch ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richts­hof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr.  Wimmer

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum