Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-230476/9/Br

Linz, 05.12.1995

VwSen-230476/9/Br Linz, am 5. Dezember 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn H H, , vertreten durch Dr. H Rechtsanwalt, M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, vom 20. Oktober 1995, Zl.

Sich96-182-1995/OJ, zu Recht:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 AVG iVm § 21, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 620/1995 VStG.

II. Es entfallen daher sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit Straferkenntnis vom 20. Oktober 1995, Zl.

Sich96-182-1995/OJ, über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 82 Abs.1 Z4 Fremdengesetz eine Geldstrafe in Höhe von 1.500 S und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden verhängt, weil er sich nach Ablehnung seines Asylantrages seit 27. April 1995 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehalten habe, da er über keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 verfügt habe, wobei dieser Sachverhalt am 13. Juni 1995 festgestellt worden sei.

1.1. Begründend führte die Erstbehörde aus:

"Ihr Asylverfahren ist seit 27.4.1995 rechtskräftig abgeschlossen (Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 21.4.1995, Zahl: 4.345.410/1-III/13/94).

Sie führen aus, daß Sie beabsichtigen, gegen diese negative Entscheidung eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde einzubringen. Hier handelt es sich also um eine von Ihnen beabsichtigte Vorgangsweise. Dieser kommt aber im vorliegenden Verfahren keine Bedeutung zu.

Auch das Verfahren betreffend die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina betrifft nicht das gegenständliche Verfahren. Sie halten sich trotz dieses Antrages nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Sie beantragen einerseits die Einstellung des Verfahrens, andererseits die Anwendung des § 21 VStG. 1991.

Hiezu wird festgestellt:

Wer sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 15 begeht gemäß § 82 Abs. 1 Ziffer 4 Fremdengesetz eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 10.000,- zu bestrafen.

Gemäß § 15 Abs. 1 Fremdengesetz halten sich Fremde unter anderem rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde oder solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zukommt.

Ihr rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich endete daher mit dem rechtskräftigen Abschluß Ihres Asylverfahrens - Sie halten sich daher seit 27.4.1995 unrechtmäßig und somit strafbar im Bundesgebiet auf. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 21 VStG. 1991 liegen nicht vor. Es kann nicht gefunden werden, daß Ihr Verschulden geringfügig und die Folgen der Übertretung unbedeutend seien. Dies deshalb, da der unrechtmäßige Aufenthalt in Österreich zweifelsohne eine eklatante Verletzung der österreichischen Rechtsvorschriften darstellt. Des weiteren hielten Sie sich bewußt illegal in Österreich auf, da Sie überdies rechtsfreundlich von Herrn Rechtsanwalt Dr. H vertreten und somit wohl auch beraten sind.

Hinsichtlich Ihrer Ausführungen, daß gegen Sie ein Ausweisungsbescheid vorliegt und Sie einen Antrag gemäß § 37 und § 54 Fremdengesetz gestellt haben und somit eine Bestrafung gemäß § 82 Abs.1 Ziffer 4 Fremdengesetz ausgeschlossen sei, da Ihnen jedenfalls die Rechtswohltat des Abs.2 leg. cit. zukommen muß, wird folgendes berichtigend dargestellt:

§ 82 Abs.2 Fremdengesetz 1992 lautet:

Eine Verwaltungsübertretung gemäß Abs.1 Z. 1 liegt nicht vor, wenn die Ausreise nur in ein Land möglich wäre, in das eine Abschiebung unzulässig (§§ 37 und § 4 Abs. 4) ist, oder wenn dem Fremden ein Abschiebungsaufschub erteilt worden ist.

Es dürfte Ihnen entgangen sein, daß Ihnen eine Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs.1 Z.1 Fremdengesetz 1992 nicht angelastet wurde.

Für die Ihnen angelastete Übertretung nach § 82 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz 1992 ist aber der Abs. 2 leg.cit. nicht anwendbar.

Auf Grund der aufgezeigten Sach- und Rechtslage war bei erwiesenem Tatbestand mit Bestrafung vorzugehen.

Die Strafbemessung erfolgte entsprechend den Bestimmungen des § 19 VStG 1991 unter Berücksichtigung des Umstandes, daß Sie weder über ein Einkommen noch über ein Vermögen verfügen. Der Unrechtsgehalt der Übertretung sowie das Ausmaß Ihres Verschuldens mußten aber der Strafbemessung zu Grunde gelegt werden.

Gerade durch das vorschriftswidrige Verweilen im Bundesgebiet wird die innere Sicherheit gefährdet. Zur Hintanhaltung derartiger Übertretungen bleibt der Behörde im Interesse der Staatssicherheit gar keine andere Wahl, als Sie durch angemessene Bestrafung zu einem ordnungsgemäßen Verhalten zu bewegen. Mildernde Umstände traten im Verfahren nicht zutage. Erschwerend war eine einschlägige Strafvormerkung zu werten. Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet." 2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung. Darin führt er aus:

"In umseits bezeichneter Fremdenrechtsangelegenheit erhebe ich durch meinen bevollmächtigten Vertreter innerhalb offener Frist BERUFUNG an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich und stelle den ANTRAG, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge das hier angefochtene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, Sich96-182-1995-OJ, vom 20. Oktober 1995, zugestellt am 24. Oktober 1995, aufheben und das Strafverfahren gegen mich einstellen.

MEINE BERUFUNG BEGRÜNDE ICH WIE FOLGT:

Die belangte Behörde geht mit keinem Wort auf meine in meiner Rechtfertigung vom 16. Oktober 1995 angeführten Rechtfertigungsgründe des entschuldigenden Notstandes bzw.

Rechtsirrtums ein. Nochmals seien diese wie hier ausgeführt:

Im Hinblick auf die Bürgerkriegssituation in meinem Heimatland und die im Asylverfahren vorgebrachten Fluchtmotive ist sicherlich in meinem Fall vom Vorliegen eines entschuldigenden Notstandes auszugehen.

Im Hinblick auf die Kompliziertheit der fremdenpolizeilichen, asylrechtlichen und aufenthaltsrechtlichen Verfahren ist es mir nicht zumutbar, daß ich zu jeder Zeit ausreichend darüber informiert bin, wie mein Aufenthaltsstatus ist. Ich habe seit meiner Einreise nach Österreich einen Antrag auf Asyl gestellt. Gegen mich liegt ein Ausweisungsbescheid vor, ich habe einen Antrag gemäß § 37 und 54 FrG gestellt. Für einen Fremden, der die komplizierte fremdenrechtliche Rechtslage nicht kennt, ist es nicht zumutbar, daß er zu jedem Zeitpunkt vollständig darüber informiert ist, was zu tun wäre, um in Österreich einen rechtmäßigen Aufenthalt zu erlangen bzw. diesen zu bewahren. Diesbezüglich liegt sicherlich Rechtsirrtum meinerseits vor. Ich habe außerdem geglaubt, daß ich während des Asylverfahrens zum vorläufigen Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen bin.

Hinsichtlich des Vorliegens der Rechtswohltaten des § 82 Abs.2 geht die Behörde von einer unvollständigen Sachverhaltsfeststellung aus: Sie stellt lediglich auf den Tatbestand des § 82 Abs. 1 Z 4 ab. Sie übersieht jedoch, daß gegen mich ein Ausweisungsbescheid vorliegt und ich einen Antrag gem. § 37 und 54 FrG gestellt habe, sohin also eine Bestrafung gemäß § 82 Abs. 1 Z 4 FrG ausgeschlossen ist. Die belangte Behörde hat also den Sachverhalt nicht vollständig zugrundegelegt.

Weiteres Vorbringen behalte ich mir ausdrücklich vor.

L, am 6.11.1995 dru/ra H H" 3. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zu entscheiden. Die Berufung richtet sich im Ergebnis gegen eine unrichtige rechtliche Beurteilung des an sich unbestrittenen Sachverhaltes und zuletzt auch gegen das Ausmaß der verhängten Strafe. Zumal sich aus dem Akt sämtliche für die Entscheidung erforderlichen Beurteilungskriterien ergeben und ein diesbezüglicher gesonderter Antrag nicht vorliegt, konnte hier von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme des von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsaktes, Zl.

Sich96-182-1995/OJ/HM. Ferner wurde beigeschafft der Ausweisungsbescheid nach § 17 Abs.2 Z4 u. Z6 FrG der Bundespolizeidirektion Linz vom 24. November 1994, Zl.

Fr-87-419 und der diesbezügliche Berufungsbescheid der SID f. Oö. vom 12. Jänner 1995, Zl. St 364/94. Ebenfalls beigeschafft wurde der bezughabende Berufungsbescheid des BMfI vom 21.4.1995, Zahl: 4.345.410/1-III/13/94, die Bescheide wonach durch den Berufungsbescheid der SID f. Oö.

vom 12. Juli 1995, Zl. St 115/95 rechtskräftig festgestellt wurde, daß für den Berufungswerber in Bosnien-Herzegowina die Voraussetzungen im Sinne des § 37 Abs.1 od. 2 FrG nicht vorliegen, sowie den im Hinblick auf die gegen diesen Bescheid beim VwGH erhobene Beschwerde gestellten Antrag von diesem mit 18. September 1995, Zl. AW 95/21/0314, gefaßten Beschluß, wonach dem Berufungswerber diesbezüglich eine aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist.

5. Folgender Sachverhalt steht fest:

5.1. Wie der Aktenlage unbestritten zu entnehmen ist, reiste der Berufungswerber am 7. November 1994 illegal nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag. Am 23. November 1994 stellte er auch einen Antrag gemäß § 54 Abs.1 FrG, welcher letztlich negativ entschieden wurde. Bereits mit Bescheid der Bundespolizeidiretkion Linz vom 24. November 1994, Zl. Fr-87.419, wurde der Berufungswerber auf § 17 Abs.2 Z6 ausgewiesen und wurde in diesem Bescheid auch festgestellt, daß ihm eine vorläufige Aufenthaltsbewilligung nach dem Asylgesetz nicht zukomme. Ebenso wurde darin die Durchsetzbarkeit der Ausweisung festgestellt. Warum letztlich eine Ausweisung nicht erfolgte, ist nicht aktenkundig und kann letztlich im Rahmen dieses Verfahrens dahingestellt bleiben.

Für den in diesem Verfahren für die rechtliche Beurteilung verbleibenden Tatzeitraum, nämlich vom Zeitpunkt der Zustellung der rechtskräftigen Entscheidung im Hinblick auf § 54 Abs.1 betreffend das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 37 Abs.1 u.2 FrG, den 21. Juli 1995, bis zum Zeitpunkt der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verwaltungsgerichtshof mit 18. September 1995, läßt dieser Zeitraum sich dem Akt bzw den darin erliegenden Schriftsätzen entnehmen und wird nicht bestritten. Die Frage der Illegalität des Aufenthaltes des Berufungswerbers ist somit in der Figur eines Dauerdeliktes wohl nur bis zum zuletzt genannten Datum, nicht jedoch - mangels konkreter Präzisierung - bis zur Datierung des angefochtenen Straferkenntnisses bezogenen Zeitpunktes anzunehmen.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

6.1. Nach § 54 Abs.4 FrG darf bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag der Fremde in diesen Staat nicht abgeschoben werden. Dieser rechtskräftige Abspruch erging mit dem Bescheid der SID f. Oö. am 12. Juli 1995, Zl.

St 115/95, welcher dem Rechtsvertreter des Berufungswerbers am 21. Juli und dieser seinerseits diese Entscheidung am 26. Juli 1995 an den Berufungswerber weiterleitete.

6.2. Wie die Erstbehörde unter Hinweis auf § 82 Abs.1 Z4 wohl zutreffend ausführt, hält sich ein Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn er 1. unter der Umgehung der Grenzkontrolle eingereist ist, oder 2. wenn ihm nicht eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes zukommt oder ihm von einer Sicherheitsbehörde kein Sichtvermerk erteilt wurde oder 3. ihm keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991, BGBl.Nr.8/1992, zukommt (§ 15 Abs.1 FrG).

6.2.1. Dem ist insofern zu folgen, als der Aufenthalt des Berufungswerbers nach negativ rechtskräftiger Erledigung seines Asylantrages nicht mehr rechtmäßig wäre.

Bei sinnrichtiger Anwendung des Fremdengesetzes ist hier der Aufenthalt jedoch primär, nämlich bis zur rechtskräftigen Entscheidung nach § 54 Abs.4 FrG, auf § 82 Abs.1 Z1 abzustellen. Während dieses Zeitraumes kommt somit der Rechtfertigungstatbestand des § 82 Abs.2 FrG zum Tragen.

Sohin bleibt für eine Beurteilung nach § 82 Abs.1 Z4 lediglich der Zeitraum von der Zustellung des letztinstanzlichen Bescheides über die Feststellung nach § 54 leg.cit. (dies war der 21. Juli 1995) bis zu der im Zusammenhang dagegen erhobenen VwGH-Beschwerde zuerkannten aufschiebenden Wirkung (18. September 1995) zum Tragen.

6.2.2. Die Zeit von der Zustellung des negativen letztinstanzlichen Asylbescheides am 27. April 1995 bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Feststellung im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 37 Abs.1 und 2 FrG ist vom § 82 Abs.1 Z1 als lex spezialis zu § 82 Abs.1 Z4 leg.cit. überlagert und somit vom Entschuldigungstatbestand erfaßt.

6.2.3. Hier hatte der Berufungswerber einen Tag nach seinem Asylantrag auch einen Antrag nach § 54 Abs.1 auf Feststellung der Voraussetzung gemäß § 37 Abs.1 u.2 FrG gestellt. Gemäß § 54 Abs.4 FrG durfte der Berufungswerber daher bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag nicht in seine Heimat abgeschoben werden. Erst, wie oben schon dargelegt, nach einer allfälligen Abschiebung des Fremden in einen anderen Staat - was hier jedoch nicht geschah - wäre das Feststellungsverfahren als gegenstandslos einzustellen gewesen.

6.3. Der verbleibende geringe Zeitraum bleibt somit rechtlich wohl als im Sinne des erstbehördlichen Tatverhaltens zu beurteilen.

6.3.1. Ein schuldausschließender Umstand, welcher in einer den Berufungswerber in seiner Heimat tatsächlich bedrohenden Situation zu erblicken wäre (deren Beurteilung im entsprechenden Administrativverfahren vorerst negativ gesehen wurde), ist im Rahmen dieses Verfahrens auf der subjektiven Tatebene anzunehmen.

6.3.2. Der Berufungswerber hat hier wohl vertrauend auf ein ihm zukommendes Recht, welches er durch Einbringen einer Beschwerde beim VwGH durchzusetzen können glaubt, einen vorübergehend illegalen Aufenthalt offenkundig wohl in Kauf genommen. Diesem objektiv rechtswidrigen Verhalten kommt jedoch angesichts der Umstände kein Verschulden zu, weil eine Ausreise ihm bei realistischer Beurteilung nicht zuzumuten gewesen wäre. Eine nachdrückliche Rechtsdurchsetzung darf wohl nicht auf die Ebene der bloßen Fiktion entrückt sein (vgl. etwa VfGH 23.6.1992, G330 bis G333/91, Slg.Nr. 13.120 sinngem.). Vom Berufungswerber zu erwartenden Ausgang seines Verfahrens im Ausland abzuwarten und seine vormeintlich gefundene Sicherheit aufzugeben eine nicht vorhersehbare Zukunft läge wohl bereits in jeder bloßen Ausreise - würde die Erwartungen an Zumutbarem in der Situation des Berufungswerbers objektiv besehen wohl überspannen. Damit würde letztlich auch der Bestimmung des § 82 Abs.2 FrG der praktische Sinn entzogen. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang noch, daß die Materialien zur letztgenannten Bestimmung (vgl. hiezu die Materialen, 692 BlgStenProtNR, 60. GP, Seite 60) den Rechtfertigungstatbestand auch auf den Aufenthalt nach § 82 Abs.1 Z4 ausgedehnt vorsieht, das Gesetz jedoch für das Verhalten nach Z4 leg.cit. den Rechtfertigungstatbestand aber nicht normiert. Somit ist der Berufungswerber jedoch mit seinem Vorbringen nicht auf den gesamten zum Vorwurf gemachten Zeitraum im Recht.

6.3.3. Der durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gleichsam neuerlich auflebende Rechtfertigungstatbestand nach § 82 Abs.2 FrG vermag gemäß dem Legalitätsgrundsatz den durch den nicht - gleichsam rückwirkend - den zwischenzeitig, im Sinne des § 82 Abs.1 Z4 FrG zu beurteilenden Aufenthalt, wohl nicht(ex tunc) zu sanieren und daher den mit Straferkenntnis vorgeworfenen (zeitlich einzuschränkenden) illegalen Aufenthaltszeitraum nicht der Rechtswidrigkeit zu entledigen. Aus dieser Sicht würde der Aufenthalt selbst dann nicht legal sein, wenn die Feststellung nach § 54 FrG - was hier wohl nicht der Fall ist - auf die Stufe der Gesetzeslosigkeit stehend zu qualifizieren wäre. Umgekehrt entfaltet, im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, etwa auch ein im nachhinein von Amts wegen aufzuhebender Bescheid [strenge Akzessorietät] Bindungswirkungen (E.Steininger in Triffterer - StGB-Kommentar, Wien 1993, § 1 RZ 136, sowie Zehetner/Weiss, Seite 45 ff, in der jur. Schriftenreihe "Verwaltungsakzessorietät der Neutralitätsgefährdung, Band 45"). Dies gilt analog zum gerichtlichen Strafverfahren auch für das Verwaltungsstrafverfahren. Umso mehr muß dies zutreffen, wenn, so wie hier, der Ausnahmetatbestand vorübergehend nicht zum Tragen kam.

6.3.3.1. In rechts- und vor allem verfassungskonformer Auslegung der hier widersprüchlich scheinenden Rechtslage (der Aufenthalt läßt hier zwei zu verschiedenen Ergebnissen führende rechtliche Beurteilungen zu) wird hier unter Hinweis auf die ständige Spruchpraxis des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oö. auf der Schuldebene einer tragbaren Lösung zugeführt. Demnach folgt, daß in Fällen von wohl rechtswidrigen Aufenthalten von Fremden vielfach bloß ein geringfügiges Verschulden indiziert oder überhaupt nicht als Verschulden angelastet werden kann. Die aufschiebende Wirkung bezieht sich hier - wie oben bereits dargelegt wohl bloß auf die vorläufig als zulässig erkannte Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina. Ein rechtmäßiges Verhalten ist auch für den Fall unzumutbar, wenn der Ausgang eines Beschwerdeverfahrens durch Ergreifung eines außerordentlichen Rechtsmittels und somit die Klärung eines für den Berufungswerber wohl existentiell bedeutenden Rechtsstandpunktes im Inland abgewartet wird, weil die bewilligungslose Anwesenheit im Bundesgebiet infolge von Kriegsereignissen in der Heimat, worauf sich auch hier der Berufungswerber auf den Tatzeitraum noch unwiderlegbar beruft, sehr wohl einen Schuldausschließungsgrund bildet.

6.3.3.2. Administrativrechtliche Maßnahmen gegen den Berufungswerber wären jedoch, von den hier auf die subjektive Tatebene gestellten rechtlichen Überlegungen, nicht berührt (gewesen).

6.4. Eine Spruchpräzisierung im Hinblick auf den als objektiv rechtswidrig verbleibenden Zeitraum und des genauen Aufenthaltsortes des Berufungswerbers, nämlich in "Reichenaus Nr.80", im Sinne des § 44a Z1 VStG, konnte angesichts der Verfahrenseinstellung daher unterbleiben.

Infolge der im Hinblick auf § 32 Abs.2 VStG noch offenen Frist wäre dies vom Verwaltungssenat vorzunehmen gewesen.

6.5. Das ursprüngliche Vorbringen des Berufungswerbers im Hinblick auf § 5 Abs.2 VStG kann ebenso dahingestellt bleiben.

Bemerkt sei jedoch abschließend, daß Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann entschuldigt, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Der zum Zeitpunkt des hier fraglichen Tatzeitraumes bereits rechtsfreundlich vertretene Berufungswerber könnte sich somit nicht mit Erfolg auf die Kompliziertheit der Rechtslage und folglich auf einen entschuldigenden Rechtsirrtum berufen (vgl. etwa VwGH 19.1.1995, Zl. 93/18/0478).

6.5.1. Im Ergebnis kommt somit der Rechtsrüge des Berufungswerbers jedoch Recht zu, sodaß mit der Aufhebung und Verfahrenseinstellung vorzugehen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum