Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161718/15/Bi/Se

Linz, 21.05.2007

 

 

                                              

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau H P, O, vom 10. Oktober 2006 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 18. September 2006, VerkR96-1084-2006, wegen Übertretungen der StVO 1960 und des KFG 1967, aufgrund des Ergebnisses der am 12. April 2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straf­erkenntnis in den Punkten 1) und 3) behoben und das Verwaltungs­strafverfahren diesbezüglich gemäß 1) § 45 Abs.1 Z3 VStG und 3) § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt wird.

     In den Punkten 2) und 4) wird die Berufung abgewiesen und das Straferkenntnis hinsichtlich Schuld- und Strafausspruch bestätigt.

 

II.   In den Punkten 1) und 3) entfällt jeglicher Verfahrenskostenersatz.

      In den Punkten 2) und 4) hat die Rechtsmittelwerberin zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz 2) 11,60 Euro und 4) 10 Euro, das sind 21,60 Euro (20 % der verhängten Strafe) als Kostenbeitrag zum Rechts­mittel­verfahren zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 und 19 VStG

zu II.: §§ 64 ff VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 16 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, 2) §§16 Abs.1 lit.c iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, 3) §§ 16 Abs.2 lit.b iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 und 4) §§ 102 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 Geldstrafen von 1) und 2) je 58 Euro (je 36 Stunden EFS), 3) 80 Euro (36 Stunden EFS) und 4) 50 Euro (36 Stunden EFS) verhängt, weil sie mit dem Pkw .... am 27. Jänner 2006, 15.40 Uhr, in der Gemeinde Zwettl/Rodl, B126 in Fahrtrichtung Zwettl/Rodl bei Strkm 17.000,

1) ein Fahrzeug überholt habe, wodurch andere Straßenbenützer behindert und gefährdet worden seien,

2) ein Fahrzeug überholt habe, obwohl nicht einwandfrei erkennbar gewesen sei, ob das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr eingeordnet werden könne, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern,

3) bei ungenügender Sicht ein mehrspuriges Fahrzeug überholt habe, da sie trotz winterlichen Bedingungen in einer unübersichtlichen Kurve überholt habe und

4) als Lenker die Alarmblinkanlage (§ 19 Abs.1a KFG) eingeschaltet gehabt habe, obwohl keine im Gesetz genannten Gründe dafür vorgelegen seien.

Gleichzeitig wurden ihr Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 24,60 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 12. April 2007 wurde im Bereich bei km 17 der B126 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Beschuldigtenvertreters Mag. J R, der Zeugen Univ.Prof. Dr. H K und M K (K) sowie des technischen Amts­sachver­ständigen Ing R H (SV) durchgeführt. Die Bw und der Vertreter der Erstinstanz Josef Ortner waren entschuldigt. Auf die mündliche Verkündung der Berufungsentscheidung wurde ausdrücklich verzichtet.  

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, die Tatvorwürfe seien innerhalb der sechsmonatigen Frist nicht ausreichend konkretisiert worden. Insbesondere gehe zum Vorwurf gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO nicht hervor, dass sie entgegenkommende Lenker gefährdet oder behindert hätte. Sie sei damals als 2. Fahrzeug in der Kolonne hinter dem Anzeiger mit 40 bis 45 km/h nachgefahren. Nach dem Waldstück und der langgezogenen Linkskurve in Richtung Zwettl beginne ein längeres, gerades, gut ausgebautes Straßenstück bei km 17.000 mit einer Fahrstreifenbreite von 4 m. Dort sei ein gefahrloses Überholen möglich. Sie habe mit ca 65 km/h überholt und es sei niemand entgegengekommen. Nach dem Einordnen habe sie festgestellt, dass der zuvor unmittelbar hinter ihr fahrende Lenker ebenfalls überholt und sich hinter ihr eingeordnet hatte. Beim Einordnen habe der Abstand zum überholten Fahrzeug mehr als 20 m betragen. Weder sei der überholte Lenker behindert oder gefährdet worden noch hätte ein eventuell entgegenkommender Lenker behindert werden können, weil sie aufgrund der breiten Fahrbahn die Mitte beim Überholen höchstens um 1m überfahren habe. Die Formulierung "trotz winterlicher Bedingungen" sei keine Begründung für das Vorliegen des Tatbestandes "ungenügende Sicht". Die Erstinstanz habe die Tatbestände des § 16 Abs.2 lit.b StVO unzulässiger Weise vermengt, diesbezüglich sei Verjährung eingetreten. Sie habe aber weder bei ungenügender Sicht noch in einer unübersichtlichen Kurve überholt, auch nicht "mitten" in einer langgezogenen Rechtskurve. Die Erstinstanz sei aus den Angaben des Anzeigers, der von einer "langgezogenen Rechtskurve" gesprochen habe, plötzlich von einer "unübersichtlichen Rechtskurve" ausgegangen, "vor" der sie überholt habe. Im Punkt 4) hätte ausgeführt werden müssen, welche im Gesetz genannten Gründe nicht vorgelegen hätten, der Tatvorwurf sei verfehlt. Sie habe die Warnblinkanlage überdies gar nicht eingeschaltet, möglicherweise aber der hinter ihr Fahrende.

Bekämpft wird die Beweiswürdigung der Erstinstanz, die Widersprüchlichkeit der Angaben des Anzeigers und dessen Glaubwürdigkeit und die Einstellung des Verfahrens wird beantragt.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der die Ausführungen beider Parteien berücksichtigt, die beiden Zeugen im Rahmen eines Ortsaugenscheins unter Hinweis auf § 289 StGB einvernommen wurden und auf dieser Grundlage ein verkehrstechnisches Sachver­stän­digen­gut­achten erstellt wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Die Zeugen K waren am 27. Jänner 2006 gegen 15.40 Uhr als Insassen eines Pkw, eines Volvo mit ABS, auf der B126 aus Richtung Linz in Richtung Zwettl/Rodl unterwegs, wobei dort keine Geschwindigkeitsbeschränkung besteht. Beim Orts­augen­schein im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde festgestellt, dass die B126 nach einer Links­kurve etwa ab km 16.8 bis ca km 17.2 gerade verläuft und daran anschließend in eine langgezogene, rechts durch eine die Sicht bis kurz nach km 17.3 einschränkende Böschung begrenzte Rechtskurve übergeht.   

Nach den Aussagen der Zeugen waren sie im Rahmen einer etwa mit 60 km/h fahrenden Kolonne unterwegs, wobei sie weder den Beginn noch das Ende der Kolonne einsehen konnten. Die Straße war zum Vorfallszeitpunkt salznass und am rechten Fahrbahnrand war Eis und Schnee aufgehäuft, weshalb die Zeugin K als Lenkerin des Pkw in der Mitte des ca 4 m breiten Fahrstreifens, ca 1 bis 1,5 m vom Fahrbahn­rand entfernt, fuhr. Zum Vorderfahrzeug hielt sie nach den Aussagen beider Zeugen einen "angemessenen Abstand" ein, den beide nicht genau nach Sekunden oder Metern zu konkretisieren vermochten, der aber vom SV etwa mit 20 m, dh etwa dem Sekundenabstand, eingegrenzt wurde. Im Bereich des geraden Straßenstückes fielen der Zeugin K im Rück­spiegel Scheinwerfer eines auf der linken Fahrspur von weiter hinten die Kolonne über­holenden Pkw auf, worauf sie ihren Gatten auf den Pkw aufmerksam machte. Wo der Pkw zu überholen begonnen hatte und wie viele Fahrzeuge er bereits überholt hatte, konnte sie in der Verhandlung nicht sagen. Als im Gegenverkehr noch vor dem Passieren des Böschungsendes durch die Zeugin K ein Fahrzeug sichtbar wurde, war der Überholer – die Zeugen achteten nicht darauf, ob der Pkw von einem Mann oder einer Frau gelenkt wurde – gezwungen, sich bremsend in die Kolonne "hineinzudrängen", wobei "er" zuvor auch noch den Pkw K überholte und beim Hineinzwängen die Zeugin nach ihren Aussagen zu einer Notbremsung gezwungen war, weil es sich sonst nicht ausgegangen wäre – der Einschervorgang wurde in der Verhandlung etwa bei km 16.260 lokalisiert. Ob das ABS ansprach, konnte die Zeugin K nicht mehr sagen; sie habe allerdings fast ganz bis zum Stillstand bremsen müssen, um ein Auffahren zu vermeiden. Sie habe auch noch versucht, so weit wie möglich nach rechts auszuweichen, was aber wegen des rechts ca einen halben Meter hoch aufgehäuften Schnees schwierig gewesen sei und sie gefürchtet habe, sie werde ins Schleudern kommen. Das Hineindrängen des Überholers vor dem Gegenverkehr noch im Böschungsbereich sei vor dem Gegenverkehr noch möglich gewesen, allerdings bestätigten die Zeugen, sie hätten sich durch das Verhalten dieses Lenkers "kriminell gefährdet" gefühlt, zumal auch der in der Kolonne nachfolgende Pkw dann ganz knapp hinter ihrem Pkw gewesen sei. Die Zeugin K wollte den Überholer auf seine gefährdende Fahrweise aufmerksam machen und betätigte die Lichthupe, worauf dessen Lenker die Warnblinkanlage einschaltete und vier bis fünf Zeichen abgab. Die Zeugin K bemerkte in der Verhandlung, sie habe das in der Form auch noch nie gesehen und diese Geste so ähnlich wie den gestreckten Mittelfinger aufgefasst. Der Pkw sei dann bis Zwettl vor ihnen gefahren und der Zeuge K habe ausreichend Gelegenheit gehabt, sich das Kennzeichen zu notieren. Der Pkw habe als einziges Fahrzeug überholt und eine Verwechslungs­möglichkeit beim Kennzeichen nie bestanden. Beide Zeugen bekräftigten, sie hätten in der geschilderten Verkehrssituation nicht einmal ein einziges Fahrzeug überholt. Die Kolonne sei lückenlos gewesen, dh es sei kein zum Wiedereinordnen geeigneter größerer Abstand erkennbar gewesen. Der Anzeiger führte aus, er habe das Verhalten des Lenkers so gefährdend empfunden, dass er sich zur Anzeige entschlossen habe; er sei aus beruflichen Gründen aber erst später zum Ausformulieren gekommen.    

 

Da die Bw zur Verhandlung, aus welchen Gründen immer, nicht erschienen ist und der Beschuldigtenvertreter nach eigenen Angaben zum Ablauf aus der Sicht der Bw nichts sagen konnte, wurden die Ausführungen in deren bisherigen schriftlichen Stellung­nahmen, insbesondere der Rechtfertigung vom 8.5.2006, dem Schriftsatz vom 6.9.2006 und der Berufung, berücksichtigt.

 

Die Zeugen K haben den Vorfall schlüssig, anschaulich und glaubhaft dargelegt, wobei der Umstand, dass die Anzeige erst am 16.2.2006, also drei Wochen nach dem Vorfall, bei der Behörde einlangte, die Glaubwürdigkeit der darin enthaltenen Aussagen keineswegs zu schmälern vermag. Die Zeugen haben den Vorfall im Rahmen der Berufungsverhandlung so anschaulich geschildert, dass ihr Unmut über das Verhalten der Bw angesichts der damaligen Verkehrs- und Straßensituation nachvollziehbar ist und auch der Umstand, dass überhaupt schriftlich ausformuliert Anzeige erhoben wurde, spricht für sich. Insbesondere auch bei der Zeugin K, die im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens wegen Krankheit verhindert war und in der Berufungsverhandlung erstmals mit eigenen Worten als damalige Lenkerin den Vorfall schilderte, bestehen keinerlei Zweifel an ihrer Glaub­würdig­keit, wie die Bw im Rechtsmittel zu argumentieren versucht hat. Dass beide Zeugen, die wie die Bw seit vielen Jahren Inhaber von Lenkberechtigungen sind, als "Laien" nicht die bei Polizeibeamten vorauszusetzende Ausbildung haben, bedeutet nicht, dass sie nicht in der Lage wären, Verkehrssituationen in für sie bedeut­­samen Einzelheiten wahrzunehmen und richtig wiederzugeben. Es besteht auch keinerlei Verbindung zwischen der Bw und den Zeugen, sodass auch diesbe­züglich keine Voreinge­nommenheit anzunehmen ist.

Die "Version" der Bw, sie habe den von der Zeugin K gelenkten Pkw deshalb überholt, weil dieser mit 40 km/h die Kolonnenbildung überhaupt erst ausgelöst hätte, wurde in der Verhandlung als gänzlich aus der Luft gegriffen widerlegt. Die Zeugen K haben ausdrücklich erklärt, es habe der Pkw .... überholt, hinter ihnen hätten sich jedenfalls fünf bis sieben und vor ihnen mehrere Pkw befunden und der Pkw habe sie noch überholt, als der Gegenverkehr schon zu sehen gewesen sei. Die Schilderung der Bw mutet geradezu als Darstellung eines völlig anderen Ereignisses an, sodass nicht denkunmöglich erscheint, dass die Bw für jemand anderen (eventuelle Folgen fürchtenden) eintritt und deshalb gar nicht erst zur Verhandlung erschienen ist, weil sie zu den Tatvorwürfen nichts sagen könnte, da sie tatsächlich gar nicht dabei war. Die Frage danach hat der Beschuldigtenvertreter allerdings vehement verneint und auf der Richtigkeit der Lenkerauskunft der Bw vom 31. März 2006 bestanden. Im Übrigen hat sich die Bw in ihren schriftlichen Ausführungen darauf beschränkt, die Schilderungen der Zeugen einfach pauschal abzustreiten, obwohl für die Wahrnehmung, dass beim vorderen Fahrzeug die Warnblinkanlage eingeschaltet wurde, eine Qualifikation als Straßenaufsichtsorgan wohl unerheblich ist.

Der Sachverständige hat den Ort des Einschermanövers nach den Aussagen beider Zeugen K beim Ortsaugenschein etwa bei km 17.260 lokalisiert. Er hat dazu ausgeführt, dass unter Zugrundelegung einer Kolonnen­geschwindigkeit von ca 60 km/h und innerhalb der aus Pkw bestehenden Kolonne Abständen von ca 1-2 Sekunden von einem Nachfahrabstand in einer Größen­ordnung von ca 20 m, der etwa dem Sekundenabstand entspricht, auszugehen ist. Hat das überholende Fahrzeug ca 80 bis 90 km/h eingehalten und bei Ansichtigwerden eines Gegen­verkehrs in eine Lücke vor dem Pkw der Bw mit ca 20 m umgespurt, ergibt sich aus dem Geschwindigkeitsunterschied und der Aussage der Zeugin K, dass das überholende Fahrzeug während des Einscherens abgebremst wurde, für die Lenkerin des überholten Fahrzeuges die Gefahr eines Auffahrunfalles, wenn sie die Verkürzung des vorher bestanden habenden Sicher­heits­abstandes von 20 m nicht durch eine – zumindest starke – Bremsung ausgleicht, da sie die Intensität des Bremsvorganges des einscherenden Fahrzeuges nicht voraussehen kann.

Wenn sich die Bw mit ca 90 km/h auf Höhe des hinter der Bw mit 60 km/h im Abstand von 20 m fahrenden Pkw befunden hat, ergibt sich bis zum Einscheren vor dem Pkw der Zeugin K ein erforderlicher Weg von 75 m bis 80 m in einer benötigten Fahrzeug incl. Einschervorgang von 3 Sekunden. Bei anzunehmenden 100 km/h des Gegenverkehrs liegt dieser in 3 Sekunden ca 70 m bis 75 m zurück, sodass sich eine erforderliche Gesamtsichtweite von 150 m bis 160 m errechnen lässt. Nach den Ausführungen der Zeugen K an Ort und Stelle hat sich diese Situation etwa bei km 17.260, dh etwa am Ende der Böschung, ergeben, wobei die Sichtweite aus der Position der Bw auf dem linken Fahrstreifen naturgemäß größer als der der Zeugin K war und auch größer als 150 m bis 160 m, nämlich etwa 200 m bis 250 m. In Bezug auf den Gegenverkehr war daher nach den Ausführungen des SV ein Spurwechsel damit noch "problemlos" möglich – allerdings unter der Voraussetzung eines ausreichenden "Einscherabstandes" der Kolonne.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Zu Punkt 1) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht über­holen, wenn andere Straßenbenützer, insbesondere entgegenkommende, gefährdet oder behindert werden könnten oder wenn nicht genügend Platz für ein gefahrloses Überholen vorhanden ist.

Der nach lit.a strafbare Tatbestand besteht darin, dass der Lenker eines Fahrzeuges einen Überholvorgang ungeachtet dessen, dass andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden könnten, durchführt, dh mit dem Überholen beginnt und das Überholmanöver nicht abbricht, solange dies noch möglich ist (vgl VwGH 30.5.2001, 99/02/021).

Zur Umschreibung der Tat iSd § 44 lit.a Z1 VStG bedarf es der Anführung, ob der Gegenverkehr durch das Überholen gefährdet oder behindert wurde oder es hätte werden können (vgl VwGH 20.11.1985, 84/03/0274).

 

Der Tatvorwurf laut Straferkenntnis, die Bw habe ein Fahrzeug überholt, wodurch andere Straßenbenützer behindert und gefährdet wurden, entspricht nicht der oben genannten Bestimmung, weil daraus nicht hervorgeht, wer damit gemeint ist, nämlich der Gegenverkehr oder das Ehepaar K. § 16 Abs.1 lit.a StVO zielt primär auf den Gegen­verkehr ab, der aber weder in der Anzeige explizit angeführt ist noch innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist zur Last gelegt wurde. Daher ist im Hinblick auf § 16 Abs.1 lit.a StVO Verjährung eingetreten.

 

Zu Punkt 2) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht über­holen, wenn er nicht einwandfrei erkennen kann, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern.

Nur wenn der Überholende beachtet, dass der nach dem Einordnen dem Hintermann verbleibende Abstand der Bestimmung des § 18 Abs.1 ("Der Lenker ... hat stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird") entspricht, kann gesagt werden, er habe im Sinne des lit.c erkennen können, dass er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen kann, ohne andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern (vgl VwGH 4.7.1963, 1372/61).

 

Auf der Grundlage der schlüssigen Aussagen der Zeugen K ist davon auszu­gehen, dass die Bw bei Beginn des Überholmanövers des Pkw K aufgrund des für ein Einordnen danach mit etwa 20 m zu geringen Fahrzeugabstandes nicht erkennen konnte, dass sie sich rechtzeitig vor dem offensichtlich nach den Ausführungen des SV für sie bereits sichtbaren und mit den erlaubten 100 km/h zu erwartenden Gegenverkehr ohne Gefährdung oder Behinderung der Zeugen K einordnen würde können, zumal ihr bewusst sein musste, dass zur Angleichung an die Kolonnen­geschwindigkeit von 60 km/h ein Bremsmanöver erforderlich sein würde, dh sich für die Zeugin K der Nachfahrabstand wesentlich verkleinern würde und sie daher zu einem starken Abbremsen gezwungen sein würde. Damit war eine Behinderung und aufgrund der genannten Umstände eine Gefährdung der Insassen des überholten Pkw K für die Bw von vornherein zu erwarten und ist eine solche Behinderung und Gefährdung – ein  Abbremsen bei einem derart verkürzten Nachfahrabstand bis fast zum Stillstand bei 60 km/h bedeutet zweifellos eine Gefährdung – auch tatsächlich anzunehmen.

    

Die Bw hat daher den ihr im Punkt 2) zur Last gelegten Tatbestand insofern erfüllt, als zum einen der Tatvorwurf des "Überholens" logischerweise nur für den im Spruch explizit im Punkt 4) angeführten Lenker des angeführten Pkw zutrifft – die Bw hat sich auch selbst als Lenkerin bezeichnet, sodass diesbezüglich nie Zweifel bestanden haben – und der im Spruch angeführte Übertretungsort im Hinblick auf die erfahrungsgemäß für ein Überholmanöver benötigte nicht punktgenau bestimmbare Straßenstrecke unmittelbar im Anschluss an km 17.0 gemäß den Bestimmungen des § 44a Z1 VStG einwandfrei zuzuordnen und auch eine Doppelbestrafung dies­bezüglich auszuschließen ist und zum anderen von einer tatsächlichen Behinderung und Gefährdung der Zeugen K durch das knappe Wiedereinordnen der Bw auszugehen ist.   

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis zu 726 Euro Geldstrafe, im Fall der Uneinbringlichkeit bis zu zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Bw ist bislang verwaltungsstrafrechtlich unbescholten, was die Erstinstanz zutreffend als strafmildernd berücksichtigt hat. Erschwerend war aber die tatsäch­liche Behinderung und Gefährdung der Zeugen K beim knappen Wieder­einordnen. Auch wenn die Bw nach Aussagen ihres Vertreters im Rahmen der mündlichen Verhandlung kein Einkommen hat, bezieht sie Unterhalt aus der Pension ihres Ehegatten. Sie selbst hat keine Sorgepflichten.

Der UVS kann angesichts der Ergebnisse der Berufungsverhandlung nicht finden, dass die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zustehenden Ermessens­spielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die verhängte Strafe entspricht den Kriterien des § 19 VStG, liegt im untersten Bereich des gesetzlichen Straf­rahmens und hält general- sowie vor allem spezialpräventiven Überlegungen stand.

Anhaltspunkte für eine Strafherabsetzung finden sich nicht; die Ersatzfreiheitsstrafe ist im Verhältnis zur Geldstrafe angemessen. 

 

Zu Punkt 3) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges außer den im Abs.1 angeführten Fällen nicht überholen bei ungenügender Sicht und auf unüber­sicht­lichen Straßenstellen, zB vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen....

 

Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens hatte die Bw vom linken Fahrstreifen der B126 aus bei Beginn des Überholmanövers des Pkw K eine Sichtweite von fast 250 m, zumal von dort aus die Böschung die Sicht nicht in dem Ausmaß einschränkte wie für die Zeugen K am rechten Fahrstreifen. Nach den Ausführungen des SV kann daher nicht von einer unübersichtlichen Straßenstelle ausgegangen werden, weshalb gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG spruchgemäß zu entscheiden war.

 

Zu Punkt 4) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 102 Abs.2 KFG 1967 darf der Lenker Alarmblinkanlagen (§ 19 Abs. 1a) nur einschalten 1. bei stillstehenden Fahrzeugen zur Warnung bei Pannen, zum Schutz ein- oder aussteigender Schüler bei Schülertransporten oder zum Schutz auf- und absitzender Mannschaften bei Mannschaftstransporten, 2. zum Abgeben von optischen Notsignalen zum Schutz der persönlichen Sicherheit des Lenkers eines Platzkraftwagens (Taxi-Fahrzeuges), 3. ansonsten, wenn der Lenker andere durch sein Fahrzeug gefährdet oder andere vor Gefahren warnen will.

 

Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens hat die Bw nach Abschluss des Wiedereinordnens in die Kolonne unmittelbar vor dem Pkw K, nachdem sie von der Zeugin K auf die Gefährlichkeit ihres Fahrverhaltens durch Zeichen mit der Lichthupe aufmerksam gemacht worden war, durch Einschalten der Warnblinkanlage und mehrmaligem Abgeben von Blinkzeichen "geantwortet". Solche Fälle sind im § 102 Abs.2 KFG nicht angeführt, wobei ohnehin nur Z3 in Frage käme und eine Warnung vor einer Gefahr ohnehin zu spät gekommen wäre. Die Zeugen K haben die Abgabe von Blinkzeichen mittels Warnblinkanlage, die für die Insassen eines nach­kommenden Fahrzeuges auch von hinten als gleichzeitiges Aufleuchten der Blinkleuchten auf beiden Seiten zu sehen und zuzuordnen sind, übereinstimmend und glaubhaft bestätigt; die pauschale Bestreitung dieses Umstandes durch die Bw in der Berufung geht daher ins Leere. Der von ihr geltend gemachte hinter ihr überholender Pkw-Lenker hat nicht existiert.

Die Bw hat auch diesen Tatbestand zweifelsfrei erfüllt, zumal für das Einschalten der Warnblinkanlage in dieser Verkehrssituation tatsächlich keine im Gesetz genannten Gründe vorlagen, dh die Bw dies verbotenerweise getan hat. Sie hat somit Ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten, wobei hier von Vorsatz auszu­gehen ist.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der UVS auch im Punkt 4) keine Überschreitung des Ermessens der Erstinstanz zu finden vermag, zumal  der Straf­rahmen des § 134 Abs.1 KFG 1967 seit der 26. KFG-Novelle bis zu 5.000 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zu sechs Wochen Ersatzfreiheits­strafe, reicht.

Mildernd war die Unbescholten­heit, erschwerend nichts zu werten. Zu den finanziellen Verhältnissen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Anhalts­punkte für eine Strafherabsetzung finden sich nicht; die Ersatzfreiheitsstrafe ist im Verhältnis zur Geldstrafe angemessen. 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

P1) Tatvorwurf mangelhaft, P3) Kurve ist übersichtlich lt. SV – Einstellung

P 2) + P4) Zeugen glaubhaft und nur pauschal bestritten, nicht bei Verhandlung anwesend + Vertreter kann dazu nichts sagen -> Bestätigung

 

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