Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230492/8/Br

Linz, 28.02.1996

VwSen-230492/8/Br Linz, am 28. Februar 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau D., vertreten durch die Rechtsanwälte Dres. R, beide S, , gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 9. Jänner 1996, Zl.: Sich96-4317-1995, nach der am 26. Februar 1996 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und der Verkündung am 28. Februar 1996 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 620/1995 VStG.

II. Es entfallen daher sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem im oben bezeichneten Straferkenntnis wider die Berufungswerberin wegen der Übertretung nach § 82 Abs.1 Z4 FrG iVm § 15 leg.cit. eine Geldstrafe von 3.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit 72 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil sie sich seit 1.7.1994 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalte, weil sie keine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz besitze.

1.1. Begründend führte die Erstbehörde folgendes aus:

"Sie halten sich seit 19.10.1992 im Bundesgebiet der Republik Österreich auf, wobei Sie sich in der Zeit vom 20.01.1993 bis zum 30.06.1994 in der Flüchtlingsaktion des Landes Oberösterreich und der Caritas befanden und Ihnen aufgrund völkerrechtlicher Gepflogenheiten ein Sichtvermerk und in der Folge eine Aufenthaltsbewilligung gemäß § 12 AufG, gültig bis 30.06.1994, erteilt wurden. Um eine Verlängerung dieser Aufenthaltsbewilligung nach § 12 AufG bemühten Sie sich nicht.

Sie brachten vielmehr am 30.06.1994 über das ÖGK Zürich einen "Erstantrag" nach dem AufG ein.

Dieser Antrag wurde von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mit Bescheid vom 23.11.1994, Sich 07/11196, abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung wurde vom Bundesministerium für Inneres mit Bescheid vom 05.05.1995, GZ. 111.075/2-III/11/94, abgewiesen.

Mit der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 08.11.1995, Sich96-4317-1995, wurden Sie gemäß § 82 Abs.1 Zi.4 des Fremdengesetzes wegen unrechtmäßigem Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich mit einer Geldstrafe von S 3000.-, im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit einer Ersatzarreststrafe von 72 Stunden, bestraft.

Die betreffende Strafverfügung wurde am 15.11.1995 Ihren Rechtsvertretern nachweislich zugestellt.

Ihre Rechtsvertreter, die Rechtsanwälte Dr. R und Dr. H erhoben in Ihrem Namen innerhalb offener Frist Einspruch gegen die o.a. Strafverfügung.

Da der Einspruch nicht begründet war, wurde von der hs.

Behörde gemäß § 40 VStG das ordentliche Verfahren eingeleitet und Sie wurden aufgefordert sich zu den gegen Sie erhobenen Vorwürfen bis spätestens zum 15.12.1995 zu rechtfertigen (Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27.11.1995; zugestellt am 01.12.1995).

Aufgrund eines Ersuchens der Rechtsanwaltskanzlei Dr.

R und Dr. H wurde von der hs. Behörde die Frist für die Einbringung der Rechtfertigung bis zum 15.01.1996 verlängert.

Am 04.01.1996 traf Ihre Rechtfertigung bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck ein.

Die Rechtfertigung beginnt mit dem Hinweis darauf, daß ein unberechtigter Aufenthalt im Bundesgebiet nicht vorläge.

Weiters wird Ihre Einreise in das Bundesgebiet, Ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet und Ihre persönliche und familiäre Situation beschrieben.

Es sei auch Ihr Unterhalt gesichert und sie seien ausreichend versichert.

Durch Ihren Aufenthalt in Österreich seien auch weder die öffentliche Sicherheit noch die Ruhe und Ordnung gefährdet.

Sie hätten außerdem gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Inneres (Abweisung Ihres Antrages auf Aufenthaltsbewilligung) eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht.

Die Behörde hat hierzu erwogen:

Sie besaßen ein Aufenthaltsrecht gemäß §12 AufG als bosnischer Kriegsflüchtling für die Zeit vom 20.01.1993 bis zum 30.06.1994. Dies war eine vorübergehende Aufenthaltsbewilligung, die Kriegsflüchtlingen aufgrund völkerrechtlicher Gepflogenheiten gewährt wird.

Am 30.06.1995 (richtig wohl 1994) stellten Sie beim ÖGK Zürich einen, auf dem Postweg eingebrachten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.

Dieser Antrag wurde, wie oben bereits beschrieben, abgelehnt.

Die Gründe für die Abweisung Ihres Antrages sind aber jedenfalls nicht Gegenstand des Strafverfahrens und somit an dieser Stelle auch nicht zu diskutieren.

Für die Behörde steht fest, daß Sie sich seit dem Ablauf Ihrer Bewilligung gemäß § 12 AufG nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich befinden.

Sie sind kroatische Staatsbürgerin und somit Fremde im Sinne des § 1 des Fremdengesetzes. Gemäß § 15 FrG befinden sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet, 1. wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Teiles (Anm.: des Fremdengesetzes) und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder 2. wenn ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde oder 3. solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zukommt.

Gemäß § 82 Abs.1 Zi.4 des FrG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 10.000.- Schilling zu bestrafen, wer sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

Richtig ist, daß von den Rechtsanwälten Dr. R und Dr. H in Ihrem Namen eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen die Abweisung Ihres Antrages auf Aufenthaltbewilligung eingebracht wurde. Der hs. Behörde ist jedoch nicht bekannt, daß Ihrer Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof entsprochen wurde oder, daß Ihr die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden wäre.

Strafmildernd wurde von der Behörde gewertet, daß Sie seit kurzem (seit 19.04.1995) verheiratet sind, Ihr Mann in Österreich über eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung verfügt, Sie ein Kind im Säuglingsalter haben, und somit enge familiäre Bindungen in Österreich bestehen. Diese Tatsachen ändern grundsätzlich nichts am strafbaren Tatbestand Ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich, wurden aber aus menschlichen Gründen berücksichtigt.

Straferschwerend wurde von der Behörde bewertet, daß Sie bereits zweimal einschlägig rechtskräftig bestraft wurden (Sich96-4326/1994 vom 08.09.1994, Geldstrafe: S 1.000.-; Sich96-4175-1995 vom 28.06.1995, Geldstrafe: S 2.000.-).

Bezüglich Ihrer Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurde berücksichtigt, daß Sie verheiratet sind, für ein Kind sorgepflichtig sind und derzeit Karenzgeld beziehen. Nähere Angaben über Ihr Einkommen werden in Ihrer Rechtfertigung vom 04.01.1995 nicht gemacht, obwohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung ausdrücklich auf die Bestimmungen des § 19 Abs.2 VStG hingewiesen wurde, und Sie ersucht wurden, Ihre Einkommens-, Vermögens und Familienverhältnisse ausführlich darzulegen." 2. In der fristgerecht erhobenen Berufung führt die Berufungswerberin folgendes aus:

"In außen bezeichneter Rechtssache erstattet die Einschreiterin durch ihren ausgewiesenen Vertreter gegen das Straferkenntnis vom 9.1.1996, dem Vertreter der Einschreiterin am 12.1.1996 zugestellt, binnen offener Frist folgende B E R U F U N G und führt diese aus wie folgt:

I.

Die Einschreiterin stammt aus Bosnien/Herzegowina und hält sich seit 1993 im Gebiet der Republik Österreich auf. Am 20.1.1993 wurde ihr von der BH Vöcklabruck ein Wiedereinreisesichtvermerk bis 20.7.1993 ausgestellt.

Infolge wurde am 22.7.1993 mit Sichtvermerk das Aufenthaltsrechts bis 30.6.1994 gem. § 12 AufenthaltsG zugestanden. Am 14.7.1994 hat die Einschreiterin im Wege des ÖGK Zürich bei der BH Vöcklabruck einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt.

II.

Nachdem die Einschreiterin in das Gebiet der Republik Österreich eingereist ist, hat sie bei Verwandten bei Herrn D und Frau Charlotte P gewohnt. Seit Sommer 1993 ist die Einschreiterin im Gasthaus F beschäftigt.

Sie hat eine Arbeitsbewilligung erhalten, welche vom 27.4.1995 bis 26.4.1997 für den örtlichen Geltungsbereich Oberösterreich ausgestellt ist. Seit 19.4.1995 ist die Einschreiterin mit Herrn Josef P verheiratet. Die Ehe wurde vor dem Standesamt S geschlossen. Im Herbst 1995 wurde eine gemeinsame Tochter geboren.

Der Ehegatte der Einschreiterin hat derzeit eine Aufenthaltsbewilligung auf unbestimmte Zeit beantragt. Eine Entscheidung hierüber liegt noch nicht vor. Er besitzt jedoch eine Arbeitsbewilligung bis ins Jahr 2000. Er ist derzeit ebenfalls im Gasthaus F berufstätig. Für die Einschreiterin bestehen die erforderlichen Sozialversicherungen.

III.

Zum Antrag über das ÖGK Zürich ist auszuführen, daß nachdem das Visum abgelaufen war, die Einschreiterin bereits im Juli 1994 nochmals die Ausstellung eines Arbeitsvisums beantragt hatte. Von der erkennenden Behörde wurde ihr mitgeteilt, daß dies nur über eine Ausreise gehen könne. Sie hat daher ihren Antrag zur ÖGK Zürich gesandt. Eine Ausreise bzw. Einreise der Einschreiterin ist jedoch nicht erfolgt. Der Antrag wurde lediglich auf dem Postweg übermittelt. Ein Einreisen in die Schweiz wäre auch für die Einschreiterin nicht möglich gewesen.

Gegen den bisherigen Ausführungen ist daher eine Ausreise und anschließende Einreise in das Bundesgebiet der Republik Österreich nicht erfolgt.

Beweis: Josef P, S, Angestellter IV.

Gem. § 10 Abs. 1 FremdG. ist der Lebensunterhalt der Einschreiterin gesichert und liegt auch eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich vor. Die Einschreiterin befindet sich zwar derzeit in Karenz. Für sie besteht jedoch immer die Möglichkeit nach Ablauf der Karenzzeit als Stubenmädchen im Gasthaus F zu arbeiten. Ihr Gatte hat ebenfalls eine entsprechende Anstellung und wurde vom Arbeitgeber auch eine große Dienstwohnung zur Verfügung gestellt.

Soweit sich die erkennende Behörde darauf beruft, daß durch den Antrag beim ÖGK Zürich ein Erstantrag und somit eine sichtsvermerksfreie Einreise erfolgt ist, so ist diese Feststellung nicht richtig. Wie bereits oben ausgeführt, wurde der Einschreiterin im Jahr 1993 ein Wiedereinreisesichtvermerk ausgestellt und infolge das Aufenthaltsrecht zugestanden. Eine Ausreise nach Zürich ist nicht erfolgt, sondern ist vielmehr der Antrag über den Postweg nach Zürich übermittelt worden. Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, daß die erstmalige Einreise der Einschreiterin nicht sichtvermerksfrei erfolgt ist und der Einschreiterin nachwievor das Aufenthaltsrecht in Österreich zusteht.

Durch den Aufenthalt der Einschreiterin im Bundesgebiet der Republik Österreich ist weder die öffentliche Ruhe, Ordnung noch Sicherheit gefährdet. Die von der erkennenden Behörde betriebene Ausweisung steht in einem grassen Wertungswiderspruch zu den Bestimmungen des Aufenthalts- und Fremdengesetzes. Bei einer so schwerwiegenden Maßnahme wie der Erteilung eines Aufenthaltsverbotes ist auf das Privatoder Familienleben eines Fremden Rücksicht zu nehmen. Die Durchführung einer Ausweisung würde massiv in das Privatleben der Einschreiterin eingreifen, insbesondere würde sie von ihrem Ehemann und ihrem Kind getrennt werden.

Dies stellt einen unerträglichen humanitären Nachteil für die Einschreiterin und ihre Familie dar, zumal für den Unterhalt die soziale Sicherheit der Einschreiterin ausreichend gesorgt ist.

Festzuhalten ist, daß die Einschreiterin gegen den Bescheid der Republik Österreich, BM. f. Inneres, wonach der Berufung gegen den Bescheid der erkennenden Behörde vom 23.11.1994 nicht stattgegeben wurde und der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung zur Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes in S abgewiesen wurde, die Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht hat. Eine Entscheidung hierüber ist noch nicht erfolgt.

Aus den oben genannten Gründen liegt daher keine Übertretung gem. § 82 Abs. 1 Zi.4 Fremdengesetz vor, sodaß der A N T R A G gestellt wird:

1. Das Straferkenntnis aufzuheben und der Berufung vollinhaltlich stattzugeben, sodaß das eingeleitete Strafverfahren eingestellt wird.

2. In eventu das Straferkenntnis anzuheben und das Verfahren zur Ergänzung bzw. zur Wiederholung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

Vöcklabruck, am 22.1.1996 D" 3. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Zumal mit der Berufung letztlich nicht nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung des im wesentlichen unbestritten gebliebenen Sachverhaltes behauptet wurde, die bisherigen Aktivitäten zur Erlangung der Aufenthaltsbewilligung, insbesondere jedoch der Weg der Antragstellung nicht hinreichend nachvollziehbar gewesen ist, wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsakt, Zl.

Sich96-4317-1995. Beigeschafft wurden die Strafbescheide, Sich96-4326-1994 und Sich96-4175-1995 der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, sowie der den Antrag auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung abweisende Berufungsbescheid des BMfI, GZ.: 111.075/2-III/11/94 vom 5. Mai 1995. Ferner wurde Beweis erhoben durch ergänzende Vorbringen in der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 26. Februar 1996.

5. Folgender Sachverhalt ist erwiesen:

5.1. Die Berufungswerberin ist Angehörige der bosnischen Volksgruppe. Sie hält sich seit 19.10.1992 im Bundesgebiet der Republik Österreich, nämlich in in S, S Nr. 13 - Gasthof F - gemeinsam mit ihrem Gatten Josef P, auf. Sie ist Mutter einer vier Monate alten Tochter. Ihr Ehemann hält sich derzeit offenbar legal im Bundesgebiet der Republik Österreich auf und ist ebenso wie die Berufungswerberin im Gasthof F beschäftigt.

Der Berufungswerberin und ihrem Ehegatten steht in diesem Gasthof eine Unterkunft zur Verfügung.

Die Berufungswerberin hat am 30. Juni 1994 ihren 'Erstantrag' nach dem Aufenthaltsgesetz im Wege des ÖGK Zürich gestellt. Entgegen der Annahme im Bescheid des BMfI hat sie im Zusammenhang mit dieser Antragstellung das Bundesgebiet glaubhaft nicht verlassen. Sie übermittelte diesen Antrag im Postweg.

Obwohl die Berufungswerberin wegen dieses Verhaltens bereits mit den Strafverfügungen, Sich96-4326-1994 und Sich96-4175-1995, vom 8.9.1994 und 28.6.1995, jeweils beginnend mit dem Tatzeitraum "1. Juli 1994" bestraft wurde, wurde der Zeitraum nach dem 1. Juli 1994 mit dem hier angefochtenen Straferkenntnis - welchem ebenfalls eine Strafverfügung in zeitlicher Überlagerung vorangegangen war - bereits dreimal zum Gegenstand eines inhaltsgleichen Tatvorwurfes gemacht.

5.3.1. Dieser Beweis ergibt sich aus der schlüssigen Aktenlage und dem Vorbringen der Berufungswerberin in ihren Eingaben und den Ausführungen ihres Rechtsvertreters anläßlich der Berufungsverhandlung.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

6.1. Fremde (§ 1 Abs.1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl.

Nr.838/1992) brauchen zur Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes (§ 5 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl.

Nr.311) in Österreich eine besondere Bewilligung. Die auf Grund anderer Rechtsvorschriften für Fremde vorgesehenen besonderen Regelungen bleiben unberührt (§ 1 Aufenthaltsgesetz).

6.2. Gemäß den von der Berufungswerberin anläßlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung angeführten Verordnungen der Bundesregierung, BGBl. Nr. 402/93, 368/94, 1038/94 und zuletzt, BGBl.Nr. 389/1995 - hinsichtlich des Aufenthaltsrechtes von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina - wird vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet dann eingeräumt, wenn sie anderweitig keinen Schutz gefunden haben (§ 1 Abs.1 der VO, BGBl.Nr. 389/1995).

Dieses besteht auch für solche Personen, die nach dem 1. Juli 1993 einreisten, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrollstelle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde. Für eine Einreise entgegen § 10 Abs.1 Z6 FrG hat dieses Beweisergebnis keine Anhaltspunkte erbracht, sodaß schließlich nicht davon ausgegangen werden könnte, daß ein Bemühen um eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung im Sinne des § 12 AufG zu erhalten, nicht zwingend zu verneinen wäre.

Daher bestünde vom Ergebnis der in diesem Verfahren ermittelten Beweislage für die Berufungswerberin allenfalls noch ein vorläufiges Aufenthaltsrecht bis jedenfalls zum 30. Juni 1996.

6.2.1. In Folge der Bindungswirkung der h. Berufungsbehörde an den rechtskräftigen Administrativbescheid, GZ.:

111.075/2-III/11/94, ist jedoch von keinem vorübergehenden Aufenthaltsrecht im oben genannten Sinne auszugehen.

6.3. Der hier wider die Berufungswerberin erhobene Tatvorwurf ist aber aus mehreren Gründen mit Rechtswidrigkeit behaftet. Einerseits erfolgte hier ein mehrmaliger sich zeitlich überschneidender (nämlich vor diesem Straferkenntnis bereits zweimal "ab dem 1. Juli 1994") Tatvorwurf und somit eine mehrfache Bestrafung für ein und desselben Zeitraumes. Darüber hinaus blieb der Tatvorwurf im Sinne des § 44a Z1 VStG auch hinsichtlich des Tatortes unvollständig.

Dem Spruch des Straferkenntnisses kommt nämlich im Hinblick auf die in § 44a Z1 VStG festgelegten Erfordernissen besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat nach der Rechtsprechung des VwGH ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde, usw.

Die zentrale Frage, wie ein Spruch abgefaßt sein muß, um der Bestimmung des § 44a Z1 VStG zu entsprechen, ergibt sich aus der hierzu entwickelten Judikatur des VwGH. Ein bedeutender Schritt zur Lösung der Problematik kann in dem Erkenntnis des VwGH v. 13.6.1984 Slg. 11466 A gesehen werden, in dem dargelegt wurde, daß die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben ist, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2. die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

Ferner ist es für die Befolgung der Vorschrift des § 44a Z1 leg.cit. erforderlich, daß im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er a) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

6.4.1. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten, ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch des Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z1 VStG genügt oder nicht genügt, mithin, ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder rechtswidrig erscheinen läßt (siehe obzit. Judikat). Der bloße Hinweis hier "des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet" wird diesem Präzisierungserfordernis nicht gerecht. Demnach hätte der Spruch auch zu enthalten an welchem Ort sich die Berufungswerberin konkret aufgehalten hat. Gemäß § 44a Z1 VStG ist im Spruch eines Straferkenntnisses aber auch die datumsmäßige Erfassung des Endzeitpunktes der Tatbegehung erforderlich. Es genügt demnach der bloße Vorwurf der Tatbegehung seit........ "......." nicht (VwGH 26.11.1995, Zl. 95/04/0122, sowie den Hinweis darin auf VwGH 30.10.1990, Zl. 90/04/0029).

6.5. Es kann hier letztlich dahingestellt bleiben, ob diesbezüglich aus der Aktenlage eine taugliche Verfolgungshandlung innerhalb der Frist nach § 32 Abs.2 VStG vorliegt.

Der Tatvorwurf wäre hier daher auf den Zeitraum vom "5. Juli 1995 bis 9. Jänner 1996" [Zustellung der Strafverfügung Sich96-4175-1995 bis Erlassung des hier angefochtenen Straferkenntnisses] jedenfalls einzuschränken gewesen.

6.3.1. Nach § 6 VStG ist jedoch eine Tat dann nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist. Auch im Verwaltungsstrafrecht ist nur ein schuldhaftes Verhalten strafbar (VwGH 13.5.1987, 85/18/0067 - SCHULDAUSSCHLIESZUNGSGRÜNDE, vgl. auch Leukauf - Steininger 4 StGB RN 6). Die auf der subjektiven Tatebene gründenden Umstände bewirken, daß von der hier auszugehenden tatbestandsmäßigen (rechtswidrigen) Verhaltensweise der Berufungswerberin im konkreten Fall im Rahmen eines Strafverfahrens nicht vorwerfbar ist; es ermangelt hier der (strafbegründenden) Schuld. Aus h. Sicht begründet die Nichtausreise der Berufungswerberin (Rückkehr in das Kriegsgebiet bzw.

Nachkriegsgebiet) in ihre auch jetzt noch von den Kriegswirren gezeichneten Heimat keine im Rahmen eines Strafverfahrens vorwerfbare Schuld. Es würde aus h. Sicht jedes Ausmaß an realistischer Zumutbarkeit überschreiten, wollte man von der am 5. Juli 1995 bereits hochschwangeren Berufungswerberin verlangen ihren Ehegatten und Kindesvater in Österreich zu verlassen und alleine in ihre Heimat zurückzukehren um dort - wo, wie schon gesagt, damals noch Krieg herrschte - ihr Kind zur Welt zu bringen (vgl. auch h.

Erkenntnis, VwSen-230474/Br, v. 27. Okt. 1995 u.a.).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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