Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162144/9/Br/Ps

Linz, 24.04.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hermann Bleier über die Berufung des Herrn H K, geb. am, wh. B, K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 20.3.2007, Zl. VerkR96-45-2007, nach der am 24.4.2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 – AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 – VStG.

 

II.      Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Dem Berufungswerber wurde zur Last gelegt, er habe am 14.11.2006 um 14.54 Uhr in der Gemeinde Kirchberg-Thening, auf der B133 bei Str. Km 5,900 als Lenker des Personenkraftwagens mit dem amtlichen Kennzeichen einem Kind, das die Fahrbahn überqueren wollte, nicht das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn ermöglicht.

 

1.2. Begründend führte die Behörde erster Instanz Folgendes aus:

"Auf Grund der Anzeige der Polizeiinspektion Hörsching vom 16.11.2006, Al/28522/2006, erging von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land wegen der im Spruch angeführten Verwaltungsübertretung eine Strafverfügung vom 21.11.2006, VerkR96-26350-2006.

 

Sie erhoben dagegen innerhalb offener Frist Einspruch, weshalb das Strafverfahren gemäß § 29a VStG an die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach zur Durchführung des Strafverfahrens abgetreten wurde.

 

Zur Aufforderung zur Rechtfertigung der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 5.1.2007, VerkR96-45-2007 teilten Sie mit Schreiben vom 11.1.2007, bei der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach am 22.1.2007 eingelangt, mit, dass es unrichtig ist, dass sie einem ca. 12-jährigem Kind das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht haben sollen und ersuchten um Einstellung des Verfahrens.

 

In weiterer Folge wurden im Wege eines Rechtshilfeersuchens bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land die beiden Zeugen dieses Vorfalles einvernommen.

 

Diese beiden Polizeibeamten hielten die Anzeige vollinhaltlich aufrecht und ergänzten den Vorfall mit ihren Wahrnehmungen.

 

Zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme gaben Sie weder schriftlich noch mündlich eine Stellungnahme ab.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat erwogen:

 

§ 29a Abs. 1 StVO 1960 lautet: "Vermag der Lenker eines Fahrzeuges zu erkennen, daß Kinder die Fahrbahn einzeln oder in Gruppen, sei es beaufsichtigt oder unbeaufsichtigt, überqueren oder überqueren wollen, so hat er ihnen das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen und hat zu diesem Zweck, falls erforderlich, anzuhalten.

Die Bestimmungen des § 76 werden dadurch nicht berührt."

Wie bereits dargelegt wurde, liegt dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren die Anzeige eines Polizeibeamten zugrunde, diese Anzeige wurde von dem Beamten im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens zeugenschaftlich bestätigt. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vertritt die Auffassung, dass die Angaben des Meldungslegers schlüssig sind und der Wahrheit entsprechen. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Zeugen bei sonstiger strafrechtlicher und dienstrechtlicher Sanktion zur Wahrheit verpflichtet sind, es besteht auch kein Hinweis, dass die Zeugen einem Irrtum unterlegen wären, wobei darauf hinzuweisen ist, dass von einem Polizeibeamten erwartet werden kann, dass er einen Sachverhalt entsprechend feststellt. Es bestehen sohin keine Bedenken, die Anzeige bzw. die zeugenschaftlichen Aussagen der Polizeibeamten der Entscheidung zugrunde zu legen.

Zur zeugenschaftlichen Aussage des Polizeibeamten ist folgendes festzustellen: Aus den Bestimmungen des § 50 AVG im Zusammenhalt mit § 289 StGB (strafbarer Tatbestand der falschen Beweisaussage vor einer Verwaltungsbehörde) ergibt sich, dass jedermann, der Beweisaussagen vor einer Behörde, sohin auch vor der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach, tätigt, zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet ist. Die Strafdrohung des § 289 StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, ist so gravierend, dass es wohl gewichtiger Interessen an einem bestimmten Verfahrensausgang bedarf, um sich durch eine falsche Aussage der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung auszusetzen. Liegen keine Anhaltspunkte für derartige Interessen vor, so kann davon ausgegangen werden, dass die Angaben des Anzeigers und Zeugen den Tatsachen entsprechen und - in Abwägung mit dem Vorbringen des Beschuldigten sowie mit allen übrigen Beweismitteln - im Rahmen der Rechtsfindung heranzuziehen sind. Eine allenfalls - wie im gegenständlichen Verfahren - gegebene Beamtenstellung desjenigen, der die Beweisaussage tätigt, bedeutet zwar keinesfalls von vornherein eine besondere Qualifikation seiner Beweisaussage, es besteht jedoch die Möglichkeit, dass ein Beamter in bestimmter Funktion aufgrund seiner Ausbildung und Diensterfahrung Geschehnisse und Sachverhaltsabläufe genauer wiedergeben kann, als eine andere Person. Auch diese Erwägungen wurden von der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach bei ihrer Beweiswürdigung beachtet.

 

Sie konnten sich in jede Richtung verteidigen. Dieser Umstand darf zwar nicht schlechthin gegen Sie gewertet werden, im vorliegenden Falle wird jedoch Ihren Angaben kein Glauben geschenkt.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach gelangte daher zur Ansicht, dass die Ihnen vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen objektiv als erwiesen angesehen werden müssen und es sind auch keine Umstände hervorgekommen, welche Sie in subjektiver Hinsicht (§ 5 VStG) entlasten würden.

 

Sie haben daher die Ihnen vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht zu vertreten.

 

Gemäß §19 Abs. 1 VStG ist die Grundlage der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Gemäß Abs. 2 leg. cit. sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen, die Einkommens- Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Durch die angelasteten Verwaltungsübertretung wurde das durch die Strafdrohung als schutzwürdig erkannte Interesse geschädigt. Trotz des Fehlens sonstiger nachteiliger Folgen konnte daher der objektive Unrechtsgehalt nicht als unbedeutend angesehen werden. Die gegenständliche Verwaltungsübertretung wurde zumindest in der Verschuldensform der Fahrlässigkeit begangen. Das Verschulden konnte daher nicht als geringfügig angesehen werden. Es kam Ihnen der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zu gute, erschwerend war kein Umstand zu werten. Eine niedrigere Strafe kam jedoch insofern nicht in Betracht, als hierdurch der Präventionszweck verfehlt würde.

Der Ausspruch über den Kostenbeitrag ist in der angeführten Gesetzesstelle begründet."

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung mit folgenden inhaltlichen Ausführungen:

"Ich habe am 14.11.2006 um 14.54 in der Gemeinde Kirchberg -Thening auf der B 133 bei Str.KM 5,900 als Lenker des PKW mit dem amtl. KZ: kein Kind beim ungehinderten und ungefährdeten Überqueren der Fahrbahn behindert.

 

Dem Straferkenntnis der BH Rohrbach ist kein einziges schlüssiges Schuldverhalten meinerseits nachvollziehbar und widerspricht in sämtlichen Belangen der ständigen Judikatur des VwGH oder UVS, wonach ein Schuldverhalten begründet und schlüssig dargelegt werden muss.

 

Das Straferkenntnis der BH Rohrbach teilt lediglich mit, dass Beamte nicht die Unwahrheit sagen dürfen und somit ist man schuldig und man hat fahrlässig gehandelt.

 

Ich habe schon angenommen, dass auf Grund meines Einspruches gegen die Strafverfügung der BH Linz - Land von der BH Rohrbach in Folge ein entsprechendes Beweisverfahren durchgeführt wird. Dass aber lediglich 2 unisono Aussagen, die fast ident mit der Anzeige vom 14.12.2006 sind, ohne jegliche Zusatzfrage eingeholt werden, ist für ein Beweisverfahren dürftig und wie bereits erwähnt für ein ordentliches Verfahren mit Sicherheit zuwenig. Hätte die BH Rohrbach das Schuldverhalten glaubwürdig nachvollzogen, hätte man sich den Einspruch ersparen und zur Verwaltungsvereinfachung beitragen können.

Wie im Straferkenntnis richtig angeführt bin ich verwaltungsstrafrechtlich unbescholten und ich kann mir Sicherheit angeben, dass ich, falls für mich irgendwie ersichtlich, ein Kind oder sonst eine andere Person die Straße überqueren hätte wollen, mit Sicherheit stehen geblieben wäre. Dies ist ein oberstes Prinzip von mir ist, und ich bleibe immer beim geringsten Versuch bzw. Anschein, ob Zebrastreifen oder wie hier keiner, wenn eine Person die Straße wechseln will, stehen.

 

Es ist mir unverständlich, dass seitens der ermittelten Behörde bis dato keine Skizze und eine Begründung eingeholt wurde, woraus für mich ersichtlich gewesen sein soll, dass ein Kind die Straße überqueren hätte wollen, Es wurden keine Ermittlungen angestellt, warum der Lenker des PKW mit dem amtl. Kz: überhaupt stehen geblieben ist. Es kann sein, dass der Lenker wegen des Gegenverkehres und weil die Person sich zu weit vom Fahrbahnrand entfernt auf der Fahrbahn bewegte, sicherheitshalber stehen geblieben ist und die Person dann urplötzlich den Entschluss fasste, die Fahrbahn zu wechseln.

Es wurde nicht ermittelt, wie viele Personen sich mit ggstl. PKW befunden haben, ich habe festgestellt, dass es unmöglich ist, durch eine Windschutzscheibe, eine Heckscheibe und nochmals eine Windschutzscheibe, dazu getönt, bei entsprechenden Lichteinfall, etwas zu sehen bzw. das Verhalten einer Person festzustellen. Bis dato ist ungeklärt, wo der PKW gehalten hat, vor der Person, auf Höhe der Person, in Höhe der Seitentüre usw. Es kann sein, dass der PKW knapp hinter der Person gehalten hat, diese spontan den Entschluss fasste, die Straße zu wechseln, dann einen Schritt nach vorne machen musste und dies erst unmittelbar beim Passieren meinerseits vollzog. Somit war für mich nicht ersichtlich, dass eine Person die Straße überqueren wollte.

 

Bis dato geht nirgends hervor, warum die betreffende Person ein Kind mit ca. 12 Jahren gewesen sein soll. Genauso gut kann die Person 14 ½  Jahre alt gewesen sein und wäre somit ein Jugendlicher und kein Kind mehr, womit die Verwaltungsübertretung nach § 29a Abs.1 obsolet wäre.

 

Ich ersuche nochmals ggstl. Strafverfahren mangels Schuldverhaltens einzustellen, im Fall der Fortführung des Verfahrens ersuche ich:

   Durchführung eines Lokalaugenscheines unter Beiziehung eines KFZ           Sachverständigen;

  Ausforschung des Lenkers des PKW amtl. Kz: und Vorladung samt ggstl. PKW, bei Nichtbesitz gleiches Modell,

  Einholung eines Wetterzustandberichtes von der Wetterwarte Hörsching wegen allfälliger Sonneneinstrahlung,

  Vorladung der 2 amtshandelnden Polizisten zwecks neuerlicher Einvernahme, wobei ich von meinem Recht, da ich mich selbst in meinen Rechten vertrete, Gebrauch machen möchte, Fragen an die Zeugen zu richten;

  Ausforschung jener Person, welche die Straße überqueren wollte zur Feststellung des tatsächlichen Alters und Befragung, wann sie den Entschluss zum Überqueren der Straße fasste.

Sollten seitens der Berufungsbehörde vor Anberaumung der mündlichen Verhandlung bzw. des Lokalaugenscheines Beweismittel erhoben werden ersuche ich mir diese zur Kenntnis zu bringen, damit ich sie mit meiner Vertrauensperson zuvor besprechen bzw. mir Gegenbeweise verschaffen kann."

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt und dessen Verlesung anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Als Zeuge einvernommen wurde der Meldungsleger GI S sowie der Berufungswerber als Beschuldigter. Vom verfahrensrelevanten Bereich der B133 wurden maßstabsgetreue Übersichtsaufnahmen aus dem System Doris beigeschafft. Die im Rahmen eines abgesondert durchgeführten Ortsaugenscheins aufgenommenen Fotos wurden anlässlich der Berufungsverhandlung einer entsprechenden Erörterung unterzogen.

Die Behörde erster Instanz nahm entschuldigt an der Berufungsverhandlung nicht teil.

 

4. Da hier ferner keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen.

 

5. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Der Berufungswerber lenkte seinen Pkw am 14.11.2006 um 14.54 Uhr im Ortsgebiet von Thening auf der B133 in Richtung Eferding. Es herrschten bedeckte aber niederschlagsfreie Witterungsbedingungen. Eine Überquerungsabsicht eines (12-jährigen) Kindes auf Höhe des Strkm 5,900 ist dem Berufungswerber nicht bewusst geworden. Er konnte sich auch anlässlich der Berufungsverhandlung an eine angebliche Behinderung eines Kindes, in dessen Absicht die Straße zu überqueren, jedenfalls nicht erinnern.

Der Meldungsleger, welcher als Beifahrer des von GI S in Richtung Hörsching gelenkten Dienstkraftwagens unterwegs war, erklärte dazu im Ergebnis, das am rechten Fahrbahnrand stehende Kind vorerst selbst nicht wahrgenommen zu haben. Er habe sich gewundert, warum das Vorderfahrzeug, ein M der, plötzlich anhielt. Unmittelbar danach, zum Zeitpunkt als vor dem Berufungswerber noch ein anderes Fahrzeug im Gegenverkehr diese Straßenstelle passierte, bemerkte er jedoch das Kind, welches offenkundig im Bereich des Strkm 5,900 die B133 in nördlicher Richtung überqueren wollte. Die exakte Position konnte der Zeuge ebenfalls nicht mehr benennen. Die bezeichnete Position befindet sich ca. 15 m westlich der Bushaltestelle.

Der Meldungsleger schätzte die Zeitspanne vom Anhalten des Vorderfahrzeuges bis zum Passieren des entgegenkommenden Berufungswerbers auf einige Sekunden ein. Genau konnte er aber weder den zeitlichen Ablauf noch den exakten Standort des Kindes darlegen. Im Ergebnis vermeinte der Zeuge, dass der Berufungswerber im Gegenverkehr die Überquerungsabsicht des Kindes eben erkennen und demnach ebenfalls anhalten hätte müssen. Umstände, die den Berufungswerber an der Wahrnehmung des Kindes objektiv gehindert oder abgelenkt haben könnten, konnte der Zeuge nicht erkennen. Aus diesem Grunde gelangte er zur Ansicht, dass ein Anhalten des Berufungswerbers, um das Kind noch vor ihm die B133 überqueren zu lassen, geboten gewesen wäre.

Daher habe er sich im Fahrzeug umgedreht und das Kennzeichen des Angezeigtenfahrzeuges notiert und folglich die Anzeige erstattet. Eine Anhaltung war laut Zeugen nicht möglich bzw. hätte es hierfür einer nicht zweckmäßig erscheinenden  Nachfahrt bedurft. Der Zeuge konnte demnach vom Beifahrersitz des Dienstfahrzeuges aus die Verkehrssituation nur wenige Sekunden und ebenfalls nur aus einem sehr eingeschränkten Blickwinkel beurteilen.

Der Berufungswerber erlangte vom Tatvorwurf erst im Wege der Zustellung der Strafverfügung Kenntnis.

Aus seiner Beurteilungsebene lässt sich, wie nachfolgend auf Grund objektiver Kriterien auszuführen ist, ein strafbares bzw. tatbestandsmäßiges Verhalten des Berufungswerbers jedenfalls nicht nachweisen.

 

5.1. Anlässlich des am 18.4.2007 abgesondert durchgeführte Ortsaugenscheins konnte festgestellt werden, dass in Fahrtrichtung des Berufungswerbers die B133 etwa ab dem Strkm 5,800 aus einer Linkskurve heraus und noch im Ortsgebiet von Thening auf ca. 300 m annähernd geradlinig in einer leichten Steigung verläuft. Das Ortsende befindet sich laut der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 21.3.2006, VerkR10-10-21-1995/2006, bei Straßenkilometrierung 6,170, d.h. 270 m von der angeblichen Vorfallsörtlichkeit entfernt. Die durch eine Leitlinie getrennten Fahrstreifen sind im Bereich des Strkm 5,9 ca. 3,5 m breit. Auf der südlichen Seite findet sich am linksseitigen Fahrstreifen eine Randlinie und auf der rechten Seite ein von der Fahrbahn baulich getrennter Gehsteig. Insgesamt kann die Straßenbreite (Bankett bis zum nördlich verlaufenden rechten Gehsteigrand) mit knapp 10 m angenommen werden. Während in Fahrtrichtung des Berufungswerbers sich rechtsseitig zwischen Strkm 5,800 bis 6,000 fünf zum Teil kaum einsehbare Hauszufahrten befinden, findet sich linksseitig der B133 ab der Bushaltestelle ein freies Feld. Alleine dies lässt den Schluss zu, dass die selektive Aufmerksamkeit eines Fahrzeuglenkers auf die rechte Seite gelenkt wird und alleine dadurch der "gefahrenfreiere" linke Straßenrand entsprechend weniger beobachtet bleibt.

Wie die Behörde erster Instanz an sich zutreffend ausführte, besteht für einen Fahrzeuglenker eine Anhaltepflicht, wenn dies für das ungehinderte – vorher jedoch erkennbare – Überqueren einer Straße durch ein Kind  erforderlich ist.

Geht man davon aus, dass der Berufungswerber sich mit 50 km/h dem linksseitig gelegenen Standort des vom Meldungsleger auf 12 Jahre alt eingeschätzten Kindes näherte, müsste er dessen Überquerungsabsicht zumindest knappe 46 m vorher wahrgenommen haben, um sein Fahrzeug mit einer Betriebsbremsung (3,5 m/sek2 und einer zu Gunsten des Berufungswerbers zu Grunde zu legenden Reaktionszeit von 1,2 Sekunden) vor der Querungslinie noch sicher zum Stillstand zu bringen. Nach 5,27 Sekunden wäre sein Fahrzeug unter dieser Annahme zum Stillstand gelangt (Berechnung mit Analyzer Pro 4,5).

Geht man davon aus, dass dem Berufungswerber unmittelbar nach seiner Ausfahrt aus der bei Strkm 5,8 liegenden Kurve vorerst die ihm mit Abblendlicht entgegenkommenden (und wegen des ihrer Fahrlinie näher stehenden Kindes anhaltenden) Fahrzeuge augenfällig wurden, ist es durchaus realistisch, dass die sich vor dem ansteigenden Terrain und der allenfalls in seiner Blickrichtung am 14. November um 15.00 Uhr wegen der tief am Horizont stehenden Sonne relativ hell erscheinenden Horizontlinie in Verbindung mit der erhöhten Aufmerksamkeit zu den rechtsliegenden Siedlungszufahrten visuell offenkundig nicht wahrgenommen hat. Der Berufungswerber erklärte dies etwa mit der Blickführung in Richtung des bei Strkm 5,800 liegenden Lebensmittelmarktes "N" bzw. des dortigen Verkehrsgeschehens.

Schlussfolgert man nun weiter den Standort des Kindes im Bereich des Fahrbahnrandes, hätte es unter der Annahme einer Gehgeschwindigkeit von 4 km/h (= ca. 1,1 m/sek) bis zum Erreichen der vom Berufungswerber befahrenen Fahrbahnhälfte (in Richtung Westen) etwa 5,5 Sekunden gebraucht. Daraus folgt jedenfalls, dass von einer Behinderung am Überqueren zumindest innerhalb des Anhalteweges des Berufungswerbers auch faktisch nicht wirklich eine Rede sein kann.

Demnach bedürfte es – um überhaupt den Tatvorwurf in gerechtfertigter Weise aufrecht erhalten zu können – des Beweises, dass der Berufungswerber bereits vor Erreichen der 45 m von dem Standort der überquerenden Person, diese sowohl als Kind als auch dessen faktische Überquerensabsicht hätte erkennen können und müssen. Nicht auszuschließen ist, dass allenfalls das Kind bis unmittelbar vor Erreichen des Überquerungspunktes in westliche Richtung gegangen ist und unmittelbar nach Erreichen des Überquerungspunktes der in östliche Richtung fahrende Pkw eben anhielt, er war ja dem Kind wesentlich näher. Dem Berufungswerber war diese Wahrnehmung ob seiner größeren Entfernung nicht möglich.

Für die Annahme der Anhaltepflicht auch für den in Gegenrichtung fahrenden Berufungswerber kann aber weder der Inhalt der Meldung noch die zeugenschaftliche Darstellung des Meldungslegers anlässlich der Berufungsverhandlung herhalten. Für die Berufungsbehörde ergaben sich auch sonst keine objektivierbaren Anhaltspunkte dafür, dass sich hier der Berufungswerber einer Behinderung im Zuge einer erkennbaren Überquerungsabsicht schuldig gemacht hätte.

Da in der Meldung lediglich von einem Nichtanhalten vor einem die Überquerung der Fahrbahn beabsichtigenden Kindes die Rede ist, vermag auf einer solch lapidaren Feststellung der hier zur Last gelegte Tatvorwurf nicht gestützt werden. Wenn das Kind in Fahrtrichtung der/des Anzeiger(s) bzw. dessen Vorderfahrzeuges wesentlich näher an dessen Fahrlinie stand, konnte und musste es von diesem Fahrzeuglenker wohl viel früher wahrgenommen werden. Allenfalls begab sich das Kind von der links gelegenen Haltestelle weg und demnach vom Berufungswerber abgewandt bis zur Höhe des beabsichtigten Überquerungspunktes. Mit Blick darauf könnte es möglicherweise durch weitere dem Berufungswerber entgegenkommende Fahrzeuge verdeckt gewesen und schon dadurch einer fahrverhaltensspezifischen Disposition visuell entzogen gewesen sein. Wenn demnach der Berufungswerber trotz des anhaltenden Gegenverkehrs sein Fahrzeug nicht anhielt, vermag darin eine Schutznormverletzung im Sinne des § 29a StVO jedenfalls (noch) nicht als erwiesen gelten.

Wie aus den obigen Darstellungen zum Weg-Zeitablauf abzuleiten, gilt es nicht nur den Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Überquerungsabsicht zu objektivieren. Einem Fahrzeuglenker muss auch eine Dispositionsphase eingeräumt bleiben, ob er allenfalls noch vor dem Überquerenden gefahrlos dessen Bewegungslinie durchfährt oder ob – um eine Behinderung und Gefährdung des Fußgängers zu vermeiden – noch vor diesem anzuhalten ist. Eine unvermittelt eingeleitete Notbremsung könnte für einen allfälligen Nachfolgeverkehr auch zu einem Auffahren führen.

In diesem zur Disposition stehenden Entscheidungsfeld scheint hier der Tatvorwurf begründet, wobei dem Berufungswerber gefolgt wird, dass ihm eine aus der Überquerungsabsicht des Kindes resultierende Verpflichtung zum Anhalten nicht evident wurde.

Die Einleitung des Überquerungsvorganges eines Kindes – etwa durch eine allfällige Vollbremsung – forcieren zu müssen, lässt sich weder der Intention des Gesetzes ableiten noch wäre dies im Sinne der Verkehrssicherheit indiziert.

Wenn hier der Berufungswerber die angeblich etwa 12-jährige Fußgängerin auch theoretisch frühestens 82 m vor Erreichen des Strkm 5,900 und bei einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h bis zu einem zumutbaren und erfolgreichen Anhaltemanöver weniger als 2,75 Sekunden Zeit hatte, müsste nachgewiesen sein, dass er die Zeit (weniger als 3 Sekunden) für die Disposition des Fußgängers – etwa durch Reduzieren der Fahrgeschwindigkeit – ungenutzt ließ. Ein solcher Beweis liegt hier nicht vor. Vielmehr wurde hier glaubhaft gemacht und es entspricht aus den Denkgesetzen (heller Horizont, Blickbindung in die Leuchten des Gegenverkehrs), dass der Berufungswerber die Überquerungsabsicht erst zu einem Zeitpunkt erkennen konnte, als mit seinem Durchfahren der Querungslinie die Fußgängerin den Querungspunkt – selbst bei einem sofortigen Losgehen – wohl erst nach dem Durchfahren des Berufungswerbers erreicht hätte.

Demnach kann von einem erforderlichen Anhalten für ein ungehindertes Überqueren wohl nicht ausgegangen werden.

 

6. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

Der § 29a StVO 1960 lautet:

"Vermag der Lenker eines Fahrzeuges zu erkennen, dass Kinder die Fahrbahn einzeln oder in Gruppen, sei es beaufsichtigt oder unbeaufsichtigt, überqueren oder überqueren wollen, so hat er ihnen das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen und hat zu diesem Zweck, falls erforderlich, anzuhalten."

Von einem Verstoß gegen diese Vorschrift kann demnach nur dann die Rede sein, wenn der Lenker eines Fahrzeuges die Überquerungsabsicht zu erkennen vermag. Aber selbst dann bedingt dies noch nicht zwingend ein Anhalten. Vielmehr muss (nur) das ungehinderte Überqueren ermöglicht werden. Ein Anhalten bedingt dies nur dann, wenn dies eben für ein "ungehindertes Überqueren" erforderlich ist.

Hier kann weder das Tatbestandselement der "Erkennbarkeit der Überquerungsabsicht" noch von einer in der Durchfahrt bedingten "Behinderung" bei dieser Überquerungsabsicht des Kindes ausgegangen werden.

Die Anwendung einer Gesetzesvorschrift darf nicht zum Ergebnis einer Erfolgshaftung führen, vielmehr gilt es hier die Weg-Zeitabläufe in eine lebensreale Beziehung zu setzen und nur daran hat das Verhalten eines Verkehrsteilnehmers sachgerecht und objektiv beurteilt zu werden. Mit dem bloßen Hinweis auf die "dienstliche Einschätzung" eines Polizeibeamten vermochte dieser in der Verkehrspraxis sehr komplex gestaltende Tatbestand jedenfalls nicht schlüssig dargetan werden.

Rechtlich folgt demnach iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG, dass hier mangels Verschulden der Erkennbarkeit einer Verletzung und mangels Tatbegehung von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen ist (vgl. VwGH 12.3.1986, 84/03/0251; ZfVB 1991/3/1122).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen  diesen  Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen  ab der  Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof  erhoben werden; diese  muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro  zu entrichten.

 

 

Dr.  B l e i e r

 

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