Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521527/21/Ki/Da

Linz, 15.05.2007

 

 

                                                          E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Herrn W S, L, O, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. L P, Dr. P L und Dr. A P, L, G, vom 20.1.2007 gegen den Bescheid der BPD Linz vom 18.1.2007, FE-1258/2006, wegen Entziehung der Lenkberechtigung nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 6.3.2007 zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Entziehung der Lenkberechtigung hinsichtlich der Klassen B und F behoben und anstelle dessen eine Befristung der Lenkberechtigung für die Klassen B und F mit 8.5.2008 festgelegt wird.

Darüber hinaus werden hinsichtlich der Klassen B und F zusätzlich nachstehende Auflagen erteilt:

·        05.02 – Beschränkung auf Fahrten in einem Umkreis von 120 km des Wohnsitzes des Herrn S

·        05.04 – Beschränkt auf höchstzulässige Geschwindigkeit von 100 km/h auf Autobahnen sowie von 80 km/h auf den übrigen Straßen.

 

Hinsichtlich Entziehung der Lenkberechtigung für die Klasse C1 wird der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

Hinsichtlich Entziehung der Lenkberechtigung für die Klasse A sowie Anordnung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Berufung wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und diesbezüglich der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 und § 67a AVG iVm §§ 3 Abs.1 Z3, 8 und 24 FSG; § 64 Abs.2 AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid der BPD. Linz vom 18.1.2007 wurde dem Berufungswerber gemäß § 24 Abs.1 FSG die mit Führerschein der BPD. Linz vom 14.02.2003, Zl.: F00518/2003 für die Klassen A, B, C1 und F erteilte Lenkberechtigung ab Verkündung des Bescheides mangels gesundheitlicher Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bis zur behördlichen Feststellung, dass er wieder gesundheitlich geeignet ist, entzogen. Gemäß § 64 Abs.2 AVG wurde einer Berufung die aufschiebende Wirkung versagt.

 

Die BPD. Linz stützte diese Entscheidung auf ein amtsärztliches Gutachten vom 19.12.2006 sowie auf eine Stellungnahme des Kuratoriums für Verkehrssicherheit.

 

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber mit Schreiben vom 20.1.2007 Berufung erhoben.

 

Diese Berufung wurde von der BPD. Linz dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt, der hatte durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

3. In der Begründung wird im Wesentlichen argumentiert, dass die im Bescheid angegebenen Begründungen seiner Meinung nach nicht relevant  seien und würden durch die in seinen Händen befindlichen Beweise belegt werden können.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 6.3.2007. An dieser Verhandlung nahm der Berufungswerber im Beisein eines Rechtsvertreters teil. Der Amtsarzt der BPD. Linz, Dr. F G, erörterte als amtsärztlicher Sachverständiger das von ihm erstellte amtsärztliche Gutachten vom 19.12.2006.

 

Herr S, dessen Lenkberechtigung für die Klasse C1 mit 31.3.2006 abgelaufen war, hat sich über amtsärztliche Empfehlung am 8.12.2006 beim KfV einer verkehrspsychologischen Untersuchung zur Prüfung seiner kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit unterzogen.

 

Diesbezüglich stellte der Gutacher (Verkehrspsychologe) in seinem Gutachten vom 11.12.2006 fest, dass Herr S vom Standpunkt verkehrspsychologischer Leistungsbegutachtung aus zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A, B und F nicht geeignet sei. Der Untersuchte sei in der Untersuchungssituation durch eine rasche Auffassungsgabe bei der Testdurchführung und eine selbständige Arbeitsweise im positiven Sinn aufgefallen. Dementsprechend würden sich keine Bedenken hinsichtlich einer ausreichenden kognitiven Leistungsfähigkeit ergeben. Im Übrigen zeige sich ein uneinheitliches Bild der kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen. Es zeige sich eine normale visuelle Strukturierungsfähigkeit und eine völlig unauffällige Sensomotorik. Auffällig würden jedoch die Minderungen im Bereich der verkehrsspezifischen Überblicksgewinnung und im Bereich des Reaktionsverhaltens erscheinen. Es zeige sich eine deutliche Reaktionsverlangsamung bei einer eingeschränkten Reaktionssicherheit und deutlich herabgesetzte Dauerbelastbarkeit. Angesichts der erhobenen Befunde erscheine es wahrscheinlich, dass es dem Untersuchten möglich sei, bei normalen Verkehrsbedingungen relativ unauffällig am Straßenverkehr teilzunehmen, da ihm seine hohe Fahrerfahrung kompensatorisch zugute kommen dürfte. Angesichts der deutlichen und über das alterstypische Ausmaß  hinausgehenden Einschränkungen im Bereich der verkehrsspezifischen Überblicksgewinnung und des Reaktionsvermögens sei jedoch mit Auffälligkeiten in anspruchsvolleren Fahrsituationen und insbesondere bei unvermutet und plötzlich auftretenden Gefahren aufgrund einer Überforderung des Leistungsverhaltens zu rechnen. Ein ausreichend rasches und sicheres Reagieren erscheine in solchen Situationen nicht mehr gewährleistet, weshalb die Leistungseinbußen aus verkehrspsychologischer Sicht als eignungsausschließend zu werten seien.

 

Nach Würdigung der aufgenommenen Befunde bzw. der verkehrspsychologischen Stellungnahme kam der amtsärztliche Sachverständige in seinem Gutachten vom 19.12.2006 zunächst zum Ergebnis, dass Herr S zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A, B und F gesundheitlich nicht geeignet sei.

 

Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung am 6.3.2007 wurden das amtsärztliche Gutachten sowie die verkehrspsychologische Stellungnahme erörtert. Vom Berufungswerber wurde ein Arztbrief der Fachärztin für Neurologie, Dr.med. C E vom 5.2.2007 vorgelegt, wonach neurologischerseits keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorhanden sind bzw. derzeit rein neurologisch kein Einwand gegen das Lenken eines Kraftfahrzeuges besteht.

 

Der zur Berufungsverhandlung beigezogene Amtsarzt der BPD. Linz erklärte ausdrücklich, dass eignungsausschließend zum Zeitpunkt der Untersuchung das verkehrspsychologische Gutachten gewesen ist und es wurde letztlich als Ergebnis der Verhandlung zusammengefasst, dass Herr S den Nachweis seiner gesundheitlichen Eignung nur durch eine weitere verkehrspsychologische Untersuchung, eingeschränkt auf die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit, nachweisen könnte. Herr S hat sich dazu letztlich bereit erklärt und er wurde – über seinen Wunsch – seitens der Berufungsbehörde dem Institut für Nachschulung und Fahrer-Rehabilitation I zugewiesen.

 

Herr S unterzog sich am 15.3.2007 und am 16.4.2007 beim genannten Institut der verkehrspsychologischen Untersuchung, welche auch eine Fahrprobe umfasste, und es wurde in der verkehrspsychologischen Stellungnahme vom 18.4.2007 festgestellt, dass Herr S aus verkehrspsychologischer Sicht derzeit eingeschränkt/bedingt geeignet ist Kraftfahrzeuge der Klassen B und F zu lenken. Allerdings wurde eine zeitliche Befristung der Lenkberechtigung auf ein Jahr, um die Gefahr einer altersbedingten Leistungs- und Gesundheitsverschlechterung kontrollieren zu können, sowie eine Umkreisbeschränkung auf 120 km (wegen geringer reaktiver Dauerbelastbarkeit) und ein Nachtfahrverbot empfohlen.

 

Im Wesentlichen wurde festgestellt, dass in nicht antizipierbaren Gefahrensituationen, in denen die Lage schnell erfasst und richtig reagiert werden müsse, es dadurch zu einem problematischen Verkehrsverhalten kommen könne. Andererseits verfüge der Untersuchte über eine hohe Fahrpraxis. Gewisse Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit würden kompensiert werden können, wenn der Untersuchte seiner veränderten Leistungsfähigkeit Rechnung trage (z.B. angepasste Fahrgeschwindigkeit, Fahrt bei nur wenig Verkehr und guten Sichtverhältnissen).

 

Unter Berücksichtigung letzterer verkehrspsychologischer Stellungnahme hat der amtsärztliche Sachverständige in einer Stellungnahme vom 8.5.2007 sein Gutachten nunmehr derart relativiert, dass amtsärztlicherseits von einer bedingten Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen B und F für 12 Monate auszugehen sei. Im Anschluss daran sei eine neuerliche amtsärztliche Untersuchung und neuerliche Evaluierung der funktionalen Voraussetzungen erforderlich. Zu gelten habe weiters ein Geschwindigkeitslimit von 80 km/h auf Freilandstraßen sowie 100 km/h auf Autobahnen, gleichfalls eine Umkreisbeschränkung auf 120 km.

 

5. In freier Beweiswürdigung erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö., dass die vorliegenden Unterlagen (relativiertes amtsärztliches Gutachten und verkehrspsychologische Stellungnahme der I) schlüssig und nicht im Widerspruch zu den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen sind. Es bestehen daher keine Bedenken, diese der Berufungsentscheidung zugrunde zu legen. Die vorgelegte Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie erfasst letztlich nur ein Teilgebiet, nämlich die Eignung des Berufungswerbers aus neurologischer Sicht, hinsichtlich der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit werden in dieser Stellungnahme keine Aussagen getroffen und es wird überdies darauf hingewiesen, dass ex lege die verkehrspsychologische Beurteilung einer anerkannten verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle obliegt.

 

6. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oö. hat wie folgt erwogen:

Gemäß § 3 Abs.1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9).

 

Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis Z4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

  1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
  2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken.

 

Gemäß § 3 Abs.1 Z4 FSG-GV gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt.

 

Grundsätzlich hat sich, wie aus ärztlicher Sicht festgestellt wurde, auch im Rahmen der weiteren verkehrspsychologischen Untersuchung herausgestellt, dass in Bezug auf die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit gewisse Defizite bestehen bzw. dass konkret erwartet werden muss, dass im Laufe der Zeit sich diese Defizite noch verstärken werden. In Anbetracht der langjährigen Fahrpraxis kann jedoch hinsichtlich der Klassen B und F davon ausgegangen werden, dass diese Defizite bei Einhaltung der festgelegten Auflagen zumindest noch für die Dauer eines Jahres kompensiert werden können (§ 3 Abs.4 FSG-GV). Um den veränderten Leistungsgegebenheiten Rechnung zu tragen, war jedoch die Vorschreibung der vom Amtsarzt vorgeschlagenen Auflagen unabdingbar.

 

Die Vorschreibung einer neuerlichen amtsärztlichen Untersuchung (nach Ablauf der Befristung) war rechtlich nicht geboten, zumal die Lenkberechtigung mit Fristablauf ex lege erlischt. Es obliegt natürlich dem Berufungswerber, sich rechtzeitig um eine allfällige Wiedererteilung der Lenkberechtigung (Verlängerung) zu kümmern und sich den erforderlichen Untersuchungen zu unterziehen. Herrn S wird daher nahe gelegt, sich gegebenenfalls rechtzeitig vor Ablauf der Befristung mit der zuständigen Führerscheinbehörde (dzt. BPD. Linz) in Verbindung zu setzen bzw. einen entsprechenden Antrag zu stellen.

 

Bezüglich Lenkberechtigung für die Klasse A ist einen Kompensation iSd § 3 Abs.4 FSG-GV nicht gegeben, weshalb diesbezüglich die Entziehung der Lenkberechtigung in Anbetracht des festgestellten Defizits zu Recht erfolgte und daher die Berufung abzuweisen war.

 

Bezüglich Lenkberechtigung für die Klasse C1 wird festgestellt, dass diese lt. vorliegendem Verfahrensakt (Kopie des Führerscheines) nur bis 31.3.2006 befristet war und daher bereits erloschen ist. Die Entziehung diesbezüglich war daher gegenstandslos und es war in diesem Punkt der angefochtene Bescheid zu beheben.

 

Gemäß § 64 Abs.2 AVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung (einer Berufung) ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

 

Die Entziehung der Lenkberechtigung wegen gesundheitlicher Nichteignung erfolgt im Interesse der allgemeinen Verkehrssicherheit. Nach dem ursprünglich der erstbehördlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt musste die BPD. Linz davon ausgehen, dass die weitere Teilnahme des Herrn S am Straßenverkehr als Lenker eines Kraftfahrzeuges eine Beeinträchtigung der allgemeinen Verkehrssicherheit zur Folge haben könnte. Im Interesse des öffentlichen Wohles war wegen Gefahr im Verzug die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht unrechtmäßig.

 

7. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Es wird noch darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen sind.

 

 

                                                     Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

                                                                    Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180  Euro zu entrichten.

 

 

                                                          Mag.  Alfred K i s c h

 

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