Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230510/2/Br

Linz, 14.05.1996

VwSen-230510/2/Br Linz, am 14. Mai 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn H Y, whg. H, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J R, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 11. April 1996, Zl.: Sich96-258-1995, zu Recht:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr.

471/1995 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 620/1995 VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit dem im oben bezeichneten Straferkenntnis wider den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 82 Abs. 1 Z4 iVm § 15 Abs.1 Z2 FrG eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, und im Spruch folgende Tatanlastung erhoben:

"Sie halten sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf, da Sie trotz eines zu Erwerbszwecken dienenden Aufenthaltes weder eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz noch einen gültigen Sichtvermerk besitzen.

Tatort: P, H Tatzeit: 28.8.1995 = Feststellungsdatum." 1.1. Begründend führt die Erstbehörde im wesentlichen aus, daß der Berufungswerber am 28.8.1995 zur Erstbehörde gekommen sei und einen Antrag auf Verlängerung der Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz stellen habe wollen.

In den von ihm vorgelegten Unterlagen sei ihm bescheinigt gewesen, daß er seit 21.7.1995 bei der Fa. R als Raumpfleger beschäftigt gewesen sei. Er sei im Besitz eines Befreiungsscheines des Arbeitsamtes P, gültig von 2.12.1992 bis 1.12.1997. Als Nachweis seines rechtmäßigen Aufenthaltes hätte ihm damals ein Touristensichtvermerk, ausgestellt vom Generalkonsulat in I, am 14.6.1995 mit einer Gültigkeit bis zum 18.9.1995, dienen sollen.

Die Erstbehörde führte ferner aus, daß klar festgestellt werden müsse, daß ein Touristensichtvermerk lediglich zum Zweck von Besichtigungen, den Besuch oder der Durchreise dienen könne. Er berechtige nicht zur Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit. Hiefür sei eine Bewilligung gemäß § 1 Abs.1 des Aufenthaltsgesetzes erforderlich. Für den rechtmäßigen Aufenthalt hätte daher zum Zeitpunkt der Aufnahme der Beschäftigung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz bedurft.

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter mit seiner fristgerecht erhobenen Berufung.

2.1. Inhaltlich teilte der Berufungswerber darin die Rechtsansicht der Erstbehörde hinsichtlich der Illegalität seines Aufenthaltes im Zusammenhang mit seiner ausgeübten Tätigkeit nicht.

Er rügt u.a. auch fehlende Feststellungen hinsichtlich der Tatzeit. Abschließend rügt er mit Nachdruck die bislang unterbliebene Rückzahlung seines irrtümlich eingezahlten Strafbetrages und beantragt die ersatzlose Aufhebung des Straferkenntnisses.

3. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte angesichts der Entscheidungsgrundlage aus dem Akt unterbleiben (§ 51e Abs.1 VStG erster Fall).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme und Erörterung des Inhaltes des von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsaktes, Zl. Sich96-258-1995.

5. Folgender Sachverhalt ist erwiesen:

5.1. Der Berufungswerber war zum Zeitpunkt seiner aus eigenem Antrieb getätigten Vorsprache bei der Erstbehörde Inhaber eines sogenannten Befreiungsscheines mit einer Gültigkeit bis zum 1.12.1997 und eines sogenannten Touristensichtvermerks mit einer Gültigkeit bis zum 18.9.1995. Am 21.7.1995 nahm er die oben erwähnte Beschäftigung auf. Dieses Beschäftigungsverhältnis endete am 16.9.1995.

Der Berufungswerber war zu diesem Zeitpunkt offenkundig noch mit der österreichischen Staatsbürgerin, P W, verheiratet.

5.1.1. Der Befreiungsschein, Nr. wurde dem Berufungswerber am 1.12.1992 vom Arbeitsamt P mit einer Gültigkeit bis zum 1.12.1997 ausgestellt. Aus dem Text dieses Dokumentes (Seite 1) ergibt sich "die Berechtigung des Inhabers dieses Scheines zur Arbeitsaufnahme im gesamten Bundesgebiet im Rahmen des Gültigkeitszeitraumes unter den angegebenen Bedingungen, ohne daß für ihn eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder er im Besitz einer Arbeitserlaubnis ist.

Weiter ergibt sich aus dem Text dieses Dokumentes, daß der Inhaber zur Einsichtnahme in Verbindung mit einem amtlichen Lichtbildausweis an der jeweiligen Arbeitsstelle zur Einsichtnahme bereitzuhalten ist. Diese Erlaubnis ist u.a.

gemäß § 15 Abs.1 Z2 zu widerrufen, wenn die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger nicht mehr aufrecht ist, sofern diese nicht bereits fünf Jahre gedauert hat.

Schließlich finden sich auf einer weiteren Seite dieses Dokumentes noch Hinweise für dessen Verlängerung." 5.2.1. Dieses Beweisergebnis ergibt sich aus der Aktenlage und dem Vorbringen des Berufungswerbers in seiner Berufung bzw. seinen Angaben vor der Erstbehörde vom 28. August 1995.

Die Erstbehörde setzt sich mit der Existenz und dem Inhalt dieses Befreiungsscheines nicht auseinander. Dieser bleibt völlig unerwähnt. Auch mit der subjektiven Tatkomponente und der diesbezüglichen Verantwortung des Berufungswerbers setzt sich die Erstbehörde nicht auseinander.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

6.1. Beim gegenständlichen Deliktstypus handelt es sich um ein sogenanntes Dauerdelikt bei dem nicht nur die Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustandes, sondern auch dessen Aufrechterhaltung pönalisiert ist (vgl. VwGH 8.4.1987, 87/01/0007, sowie VwSlg 3156/A/1953). Es steht daher nicht mit § 44a Z1 VStG in Einklang dieses Delikt bloß auf einen Zeitpunkt anzulasten. Die Erstbehörde hat es hier unterlassen, den Tatzeitraum genau zu umschreiben, jedenfalls reicht es nicht hin die Tatzeit nur mit "einem bestimmten Feststellungsdatum" zu begrenzen, um damit im Sinne eines Dauerdeliktes den von der Bestrafung umfaßten Zeitraum klarzulegen (VwGH v. 6. November 1995, Zl.

95/04/0005). Im angefochtenen Straferkenntnis gelangt einerseits nicht die Dauer des aufrechterhaltenen strafbaren Zustandes und der damit verbundene Tatunwert zum Ausdruck, andererseits könnte dadurch - gleichsam durch mehrmalige Tatanlastungen - dem Grundsatz des Verbotes einer Doppelbestrafung (ne bis in idem) zuwidergehandelt werden (vgl. z.B. auch VwGH v. 8. September 1981, Zl. 81/05/0052; v. 10. Juni 1983, Zl. 82/04/0192; v. 20. Juni 1983, Zl.

82/10/0047; v. 18. November 1983, Z1. 82/04/0156; v. 2l.

November 1983, Zl. 82/10/0129; v. 27. Juni 1989, Zl.

89/04/0002; v. 10. September 1991, Zl. 91/04/0104; v. 19.

Mai 1992, Z1. 92/04/0035; v. 22. September 1992, Zl.

92/06/0087; v. 21. Oktober 1992, Zl. 92/02/0165).

Da zwischenzeitig Verfolgungsverjährung eingetreten ist, wäre eine Heilung dieses Mangels durch Präzisierung des Tatvorwurfes im Hinblick auf sämtliche für eine Bestrafung erforderlichen Tatbestandselemente auch dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht mehr möglich gewesen.

6.2. Es könnte letztlich dahingestellt bleiben, es scheint aber angesichts dieser Aktenlage indiziert auch auszuführen, daß hier die Erstbehörde keine Feststellungen und Aussagen zum Besitz des gültigen Befreiungsscheines getroffen hat.

Wenn sich aus diesem Dokument der Hinweis auf eine Berechtigung nach § 15 Abs.1 Z2 FrG ergab, so könnte demnach bereits auf der objektiven Tatebene nicht ohne weitere Feststellungen in zulässiger Weise ein Verstoß gegen diese Bestimmung als erwiesen angenommen werden. Ein Vorgehen mit einer Bestrafung würde danach nicht zulässig sein.

Keinesfalls könnte bei dieser Aktenlage dem Berufungswerber aber ohne weiteres das Verschulden an seinem (trotzdem) allfällig illegalen Aufenthalt angelastet werden. Es ist nicht nachvollziehbar, daß angesichts des klaren Wortlautes seines Befreiungsscheines der Berufungswerber erkennen hätte können oder müssen, daß für ihn allenfalls die Grundlage für die Ausstellung dieser Berechtigung weggefallen sein sollte.

Immerhin ist der Berufungswerber aus eigenem Antrieb bei der Behörde erschienen, wodurch zumindest äußerst wahrscheinlich ist, daß er im Hinblick auf die Legalität seines Aufenthaltes gutgläubig gewesen sein dürfte.

Der allenfalls bestehende Rechtsirrtum wäre als entschuldbar zu qualifizieren und hätte eine Bestrafung daher unter Anwendung des § 5 Abs.1 VStG nicht zugelassen. Die Behörde hat dem Täter grundsätzlich nicht nur den objektiven Tatbestand, sondern auch das Verschulden nachzuweisen. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG nicht etwa bewirkt, daß ein Verdächtiger seine Unschuld nachzuweisen hat (VfSlg. 11195/1986). Vielmehr hat die Behörde die Verwirklichung des (objektiven) Tatbestandes durch den Beschuldigten nachzuweisen und bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die an seinem Verschulden zweifeln lassen, auch die Verschuldensfrage von Amts wegen zu klären. Das Gesetz befreit die Behörde in Anbetracht der regelmäßigen Sachlage nur insoweit von weiteren Nachforschungen über die subjektive Tatseite (insbesondere einen Irrtum über den Sachverhalt oder die allfällige Unmöglichkeit, das Verbot zu beachten - [oder auch zu erkennen] -), als das entgegen dem Anschein behauptete Fehlen des Verschuldens nicht glaubhaft ist. Eine solche, der Lebenserfahrung Rechnung tragende Regelung, ist nicht von vornherein durch Art 6 Abs.2 EMRK ausgeschlossen.

Auch wenn der Rechtsvertreter des Berufungswerbers aus schwer begreiflichen Gründen diesen Aspekt nicht aufgreift, was immerhin der Berufungswerber selbst anläßlich seiner Vernehmung bei der Erstbehörde am 28. August 1995 tat und schließlich auch sein Berufungsvorbringen, daß ihn ein Touristensichtvermerk bis zu einer Aberkennung seiner Gültigkeit zu einer Arbeitsaufnahme berechtigen würde in diesem Punkt nicht stichhältig ist, so wäre auch die Schuldfrage im Verwaltungsstrafverfahren von Amts wegen aufzugreifen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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