Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-130530/3/Ste

Linz, 22.05.2007

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung der S P, 40 T, G, gegen den Bescheid (die Vollstreckungsverfügung) des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 27. März 2006, Zl. 933/10-317863, zu Recht erkannt:

 

 

       Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 10 Abs. 1 und Abs. 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 – VVG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Strafverfügung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 22. Feb­ruar 2006 wurde über die nunmehrige Berufungswerberin (in der Folge: Bwin) wegen einer Übertretung des Oö. Parkgebührengesetzes eine Geldstrafe in Höhe von 43 Euro verhängt. Diese Strafverfügung wurde der Bwin am 24. Februar 2006 zuge­stellt.

 

1.2. Mit E-Mail vom 27. Februar 2006 hat die Bwin auf diese Strafverfügung reagiert. Sie führte darin aus, dass sie vor der Strafverfügung „keine Anonymverfügung“ er­halten habe und auch „kein Strafzettel“ am PKW angebracht gewesen wäre. Sie hätte sich in diesem Fall schon früher mit der Behörde in Verbindung gesetzt. Aus diesem Grund sei sie auch nur bereit einen Betrag „in Höhe der Anonymverfügung zu begleichen“.

 

1.3. Am 9. März 2006 bezahlt die nunmehrige Bwin tatsächlich einen Betrag von 29 Euro.

 

1.4. Auf Grund der genannten Strafverfügung erließ der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz am 27. März 2006 gegen die Bwin eine Vollstreckungs­verfügung über einen Betrag von 14 Euro gemäß den §§ 3 und 10 des Verwaltungs­vollstreckungsgesetzes 1991. Diese Vollstreckungsverfügung wurde der Bwin am 31. März 2006 zugestellt.

 

1.5. Gegen diese Vollstreckungsverfügung erhob die Bwin mit Schreiben vom 5. April 2006 (Datum des Einlangens: 5. April 2006) rechtzeitig Berufung, in der sie zur Begründung auf ihre Stellungnahme vom 27. Februar 2007, wiedergegeben unter Pkt. 1.2., verwies. Hinsichtlich deren Inhalts wird hier daher auf die Ausführungen unter Pkt. 1.2. verwiesen.

 

2.  Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz hat die Berufung samt dem bezug­habenden Verwaltungsakt dem Amt der Oö. Landesregierung (Abteilung Verkehr) zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Das Amt der Oö. Landesregierung hat die Berufung zusammen mit dem bezughabenden Akt unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 2007, 2005/17/0273 und 0274, dem im vorliegenden Fall zuständigen Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 8. Mai 2007 (einlangend am 9. Mai 2007) zur Entscheidung übermittelt. Der Oö. Verwal­tungs­senat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 67a Abs. 1 AVG).

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde.

 

Da sich bereits aus den Akten in Verbindung mit dem Parteienvorbringen der ent­scheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und daraus erkennbar war, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte im Übrigen von der Durch­führung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem ent­scheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Der Bwin wurde die Strafverfügung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 20. Februar 2006, Zl. 933/10-317863, am 24. Februar 2006 zugestellt.

 

Auf diese Strafverfügung hat die Bwin mit einer „Stellungnahme“ mittels E-Mail am 27. Februar 2006, 16.30 Uhr reagiert. Darin erklärte sie, am 24. Februar 2006 die Strafverfügung erhalten zu haben und gab gleichzeitig an, zu dem in der Straf­verfügung genannten Datum keinen Strafzettel erhalten zu haben.

 

Nach einer Erklärung der Sach- und Rechtslage durch die belangte Behörde am 27. Februar 2006, 18.23 Uhr, an die Bwin, die mittels E-Mail erfolgte, sendete die Bwin am 27. Februar 2006, 19.18 Uhr ein Antwortschreiben in dem sie Folgendes ausführte: „... Eine Anonymverfügung über € 29,00 habe ich auch nie erhalten, sonst hätte ich mich aufgrund des fehlenden Strafzettels bereits vorher bei Ihnen gemeldet. Da ich in dieser Zeitspanne nichts davon gewusst habe, bin ich auch nicht bereit € 43,00 zu begleichen, sondern lediglich die Höhe der Anonymverfügung...“.

 

Die Bwin bezahlte schließlich am 9. März 2006 einen Betrag in der Höhe von 29 Euro. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz erließ in der Folge am 27. März 2006 eine Vollstreckungsverfügung, Zl. 933/10-317863, über den noch offenen Betrag von 14 Euro (mit einer Zahlungsfrist bis 18. April 2006). Gegen diese Vollstreckungsverfügung erhob die Bwin mit Schreiben vom 5. April 2006 Berufung. Hinsichtlich der Begründung verwies sie auf die Stellungnahme die sie am 27. Februar abgegeben hatte.

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 10 Abs. 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 - VVG, BGBl Nr. 53/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 137/2001, – kann die Berufung gegen eine nach diesem Bundesgesetz erlassene Vollstreckungsverfügung nur ergriffen werden, wenn

1.    die Vollstreckung unzulässig ist oder

2.    die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht über­einstimmt oder

3.    die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen sind oder mit § 2 im Widerspruch stehen.

 

Die Bwin macht mit ihrer Berufung die Unzulässigkeit der Vollstreckung geltend, wobei sie sich begründend auf ihr Schreiben vom 27. Februar 2006 stützt. Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens kann ein rechtskräftiger Titelbescheid nicht bekämpft werden (Verwaltungsgerichtshof 24. April 1990, 90/05/0050; 22. Juni 1995, 95/06/0106; 28. Oktober 1999, 99/06/0106). Es bleibt daher zu klären, ob der Voll­streckungsverfügung ein rechtskräftiger Titelbescheid zugrunde liegt.

 

Das Schreiben der Bwin vom 27. Februar 2006, gesendet um 19.18 Uhr, richtet sich gegen die Strafverfügung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 20. Februar 2006, Zl. 933/10-317863. Es wird darin einerseits vorgebracht, dass die Anonymverfügung nicht zugestellt worden sei und zum angegebenen Zeitpunkt auch kein Strafzettel an ihrem Fahrzeug angebracht gewesen sei. In zweiter Linie wendete sie sich gegen die Höhe der Strafe, die mit der Strafverfügung verhängt wurde.

 

Der § 49 Abs. 1 VStG stellt für den Einspruch gegen eine Strafverfügung keine be­sonderen Formerfordernisse auf. Eine (fristgerechte) Eingabe ist folglich als Ein­spruch zu beurteilen, wenn der Beschuldigte darin seine Bestrafung im Mandats­verfahren, sei es mit, sei es ohne Nennung von Gründen, hinlänglich erkennbar ablehnt (VfSlg. 9732/1983).

 

In die gleiche Richtung geht die Meinung des Verwaltungsgerichtshofes: In einem Einspruch bedarf es überhaupt keines Antrags und der Einschreiter ist daher, auch wenn er Schuld und Strafe bekämpft, nicht verpflichtet, auch die Einstellung des Verfahrens ausdrücklich zu beantragen. Maßgebend ist lediglich der Umstand, ob er ausdrücklich nur die Straffrage bzw. nur die Kostenentscheidung bekämpft (Verwal­tungsgerichtshof 22. April 1981, 3347/80).

 

Sieht man das bzw. beide Anbringen der Bwin vom 27. Februar 2006 unter diesen Gesichtspunkten, ergibt sich, dass diese aufgrund ihres Inhalts als Einspruch zu werten gewesen wären. Sie wendete sich dabei einerseits gegen den Schuldspruch, da sie vorbringt zur angegebenen Zeit keinen Strafzettel erhalten zu haben und in weiterer Folge auch „keine Anonymverfügung“, andererseits bekämpft sie eindeutig erkennbar die Höhe des Strafausmaßes. Im Lichte der oben zitierten Recht­sprechung ist daher davon auszugehen, dass die „Stellungnahme“ der Bwin vom 27. Februar 2006 einen Einspruch darstellt.

 

Zum gleichen Ergebnis kam der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. November 1991. Dort qualifizierte der Verwaltungsgerichtshof die hand­schrift­liche Anmerkung auf einer Strafverfügung, die innerhalb der Einspruchsfrist an die Erstbehörde zurückgeschickt worden war und folgenden Inhalt hatte: „Da mir das Strafausmaß zu hoch erscheint, ferner ich keinen Strafzettel gefunden habe, erlaube ich mir gegen dieses Verfahren Einspruch zu erheben.“, als Einspruch iSd § 49 Abs. 3 VStG aF (jetzt: § 49 Abs. 2 vorletzter Satz VStG BGBl Nr. 52/1991 idF BGBl I Nr. 117/2002) (vgl. Verwaltungsgerichtshof 20. November 1991, 91/02/0086).

 

Nach § 49 Abs. 2 ist das ordentliche Verfahren dann einzuleiten, wenn rechtzeitig ein Einspruch erhoben wird. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch die gesamte Strafverfügung außer Kraft.

 

Weil die Eingabe der Bwin vom 27. Februar als Einspruch zu werten war und diese innerhalb der zweiwöchigen Einspruchsfrist (§ 49 Abs. 1 VStG) – die Strafverfügung vom 20. Februar 2006 wurde der Bwin am 24. Februar 2006 zugestellt – und somit fristgerecht erfolgte, trat mit dessen Einlangen bei der Erstbehörde die Strafver­fügung ex lege außer Kraft. Es ist zweifellos davon auszugehen, dass das E-Mail der Bwin spätestens am 28. Februar 2006 bei der Erstbehörde einlangte. Zwar ist auf diesem Anbringen das Datum des Einlangens nicht festgehalten, da es aber bereits am 27. Februar 2006 abgesendet worden ist und der belangten Behörde unstrittig zur Kenntnis gelangt ist, kann von der fristgerechten Erhebung des Einspruchs ausgegangen werden. Damit liegt der Vollstreckungsverfügung aber kein Titel­bescheid zugrunde, weshalb eine Vollstreckung iSd § 10 Abs. 2 Z. 1 VStG unzulässig ist.

 

Der Berufung war daher Folge zu geben. Der Bescheid der Behörde erster Instanz war aufzuheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

                                                            Wolfgang Steiner

 

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