Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230524/2/Br

Linz, 23.07.1996

VwSen-230524/2/Br Linz, am 23. Juli 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn A, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt, M, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz, vom 24.

Juni 1996, Zl. III/S - 6433/96-2, zu Recht:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z2, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 620/1995 VStG.

II. Es entfallen daher sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem Straferkenntnis vom 24. Juni 19956 Zl.: III/S - 6433/96-2, wider den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 15 Abs. 1 Z2 iVm § 82 Abs.1 Z4 FrG eine Geldstrafe von 3.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit fünf Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lautet wie folgt: "Sie sind Fremder im Sinne des § 1 Abs.1 des Fremdengesetzes und hielten sich seit 18. Oktober 1993 unrechtmäßig im Bundesgebiet Österreich auf, da Ihnen weder eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes noch von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde noch eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zukommt." 1.1. Begründend führte die Erstbehörde aus:

"Der Tatbestand der Ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ist durch dienstliche Feststellung des fremdenpolizeilichen Referates der B sowie die hierüber vorgelegte Anzeige vom 27.2.1996 und das behördlich durchgeführte Ermittlungsverfahren einwandfrei erwiesen.

Demnach steht fest, daß Sie die im umseitigen Spruch detailliert angeführte Verwaltungsübertretung begangen haben.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurden Sie mit Strafverfügung vom 20.3.1996 bestraft, wogegen Sie rechtsfreundlich vertreten Einspruch eingebracht und die Einleitung des ordentlichen Verfahrens beantragt haben.

Die von der Behörde festgestellte Tatsache des unrechtmäßigen Aufenthaltes seit 18.10.1993 wird in keiner Weise bestritten, weshalb in diesen Punkt ein weiteres Beweisverfahren nicht geboten schien.

In eventu wird im Einspruch die Anwendung des § 21 VStG beantragt.

Die entscheidende Behörde stellt jedoch fest, daß die Vorraussetzung zur Anwendbarkeit des § 21 VStG nicht vorliegen. Es liegt weder geringfügiges Verschulden vor, noch sind die Folgen unbedeutend geblieben. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß ein Fremder im Sinne des Fremdengesetzes bei einem Aufenthalt im Inland einer Aufenthaltsbewilligung bzw. eines Sichtvermerkes bedarf. Es ist auch jedem Fremden zumutbar, alles zu unternehmen, um rechtzeitig einen Sichtvermerk zu erlangen. Wenn Sie nun nach fast dreijährigem Aufenthalt im Inland noch immer nicht dafür gesorgt haben, daß Ihnen ein Sichtvermerk erteilt wurde, so kann von einem geringfügigen Verschulden keine Rede sein.

Auch sind die Folgen nicht unbedeutend geblieben, zumal der Staat ein Recht auf Regelgung der Einwanderung und des Aufenthaltes von Fremden im Bundesgebiet hat. Zur Durchsetzung dieses Rechtes schafft der Staat die entsprechenden Gesetzesbestimmungen. Werden nun diese Bestimmungen nicht eingehalten, so wird der Schutzzweck der Norm verletzt und der Staat in seinem Recht auf Regelgung des Aufenthaltes von Fremden im Bundesgebiet eingeschränkt.

Im übrigen wird auf die Rechtssprechung des VWGH (insbesondere vom 29.5.1985, Zl. 84/01/0381 und viele andere) hingewiesen, wonach ein länger dauernder Aufenthalt im Inland unter Mißachtung der Bestimmungen des Fremdengesetzes als nicht unbedeutende Übertretung zu qualifizieren ist, sodaß eine Anwendung des § 21 VStG ausgeschlossen ist.

Bei der Strafbemessung konnte Ihre bisherige Unbescholtenheit mildernd gewertet werden. Erschwerende Umstände wurden keine bekannt.

Die verhängte Strafe ist im Hinblick auf den gesetzlichen Strafrahmen, die Schwere der Übertretung, und insbesondere im Hinblick auf die lange Dauer des illegalen Aufenthaltes äußerst milde bemessen, demnach durchaus schuldangemessen, dem Unrechtsgehalt der Tat angepaßt und scheint der entscheidenden Behörde gerade noch geeignet, Sie in Hinkunft von der Begehung gleicher oder ähnlicher Übertretungen abzuhalten.

Ihre persönlichen Einkommen-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden trotz ausdrücklicher Aufforderung nicht bekanntgegeben, weshalb diese geschätzt werden mußten. Es wurde der Strafbemessung Vermögenslosigkeit und Einkommenslosigkeit zugrunde gelegt. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung war gesetzlich begründet." 2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter eingebrachten Berufung und beantragt eingangs die Verfahrenseinstellung. Ferner führt er aus, daß die Voraussetzungen für die Anwendung nach § 21 VStG - Absehen von einer Strafe - vorlägen. In der Konstellation seines Falles könne die Schuld als gering bezeichnet werden und mit der Tat seien keine bzw. nur unbedeutende Folgen verbunden gewesen. Er verweise ferner auf sein gesamtes erstinstanzliches Vorbringen.

3. Die Erstbehörde hat den Akt vorgelegt. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zu entscheiden. Zumal bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht erforderlich (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der von der Erstbehörde vorgelegte Verwaltungsakt, Zl.

III/S - 6433/96-2, beinhaltet eine Niederschrift, aufgenommen am 27.2.1996 mit dem Berufungswerber und/oder seinem Rechtsvertreter vor einem Organ der Erstbehörde und eine noch von diesem Tag verfaßte Anzeige an das Strafamt der Erstbehörde. Ferner die am 20.3.1996 wider den Berufungswerber erlassene Strafverfügung und den dagegen erhobenen Einspruch. Schließlich die Aufforderung zur Rechtfertigung und eine solche unter Hinweis auf das Einspruchsvorbringen mit 3.6.1996. Zuletzt das angefochtene Straferkenntnis mit der dagegen erhobenen Berufung.

4.1. Aus der Niederschrift vom 27.2.1996 stellte die Behörde im ersten Satz fest, daß sich Herr T seit Zustellung des Berufungsbescheides des BMI (Bundesministerium für Inneres) vom 7.10.1993, diese sei am 18.10.1993 erfolgt, ohne jegliche Aufenthaltsberechtigung und somit nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte. Dieser Niederschrift kann nicht schlüssig entnommen werden, daß auch der Berufungswerber dieser beigezogen war bzw. er über den Verlauf seines Aufenthaltes befragt worden wäre. Wie die Behörde tatsächlich zur "Feststellung" des Aufenthaltes gelangte, ist nicht erkennbar. Ferner wurde niederschriftlich festgehalten, daß ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung im Berufungsverfahren mit Bescheid des BMI vom 8.6.1995 abgewiesen worden sei.

Schließlich wurde als Stellungnahme des Rechtsanwaltes festgehalten, daß die Sicherheitsdirektion für Oö. mit Bescheid vom 13.11.1995, Zl. St 108-18/94, das über den Berufungswerber verhängte Aufenthaltsverbot aufgehoben habe.

Aufgrund dieses Bescheides sei mit Eingabe vom 15.1.1996 beim BMfI der Antrag gemäß § 68 AVG den Bescheid des BMfI vom 8.6.1995, GZ 114.153/3-III/11/95 - aufgrund der geänderten Situation - aufzuheben und dem Berufungswerber die Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, gestellt worden.

Über diesen Antrag sei (am 27.2.1996) noch nicht entschieden worden.

Der Rechtsvertreter des Berufungswerbers ersuchte in dieser Niederschrift abschließend mit weiteren Schritten allenfalls bis zur Entscheidung des BMfI noch zuzuwarten. Die Erstbehörde kündigte bereits in dieser Niederschrift die Einleitung des Strafverfahrens an.

Weder dieser Niederschrift, noch sonst ist dem Akt zu entnehmen, woraus der objektive Schluß gezogen werden könnte, daß der Berufungswerber sich tatsächlich fortwährend im Bundesgebiet aufgehalten hat. Es wurde ihm zwar vorgehalten, daß er sich "seit 18. Oktober 1993 unrechtmäßig aufhalte", wobei der Textierung des Straferkenntnisses zu entnehmen ist, daß er sich offenbar zum Zeitpunkt der Erlassung der Strafverfügung (am 20. März 1996) und auch der Erlassung des Straferkenntnisses (am 24. Juni 1996) nicht mehr im Bundesgebiet aufhielt, indem dort ausdrücklich ausgeführt wird, "und hielten sich seit 18.10.1993.....auf, da......". Weder dem im wesentlichen bloß aus der Niederschrift vom 27.2.1996 bestehenden Ermittlungsergebnis noch aus einer der Verfolgungshandlungen (Niederschrift, Strafverfügung, Akteneinsicht und Straferkenntnis) ist der Aufenthaltsort im Bundesgebiet näher umschrieben noch das Ende des Tatverhaltens zu entnehmen. Aus der diesbezüglichen Abfassung des Spruches in der Vergangenheitsform ist vielmehr zu erschließen, daß der Aufenthalt zum Zeitpunkt der Fällung der jeweiligen Strafbescheide nicht mehr währte.

Weil insbesondere das Ermittlungsergebnis nicht den Beweis dafür erkennen läßt, daß ein ununterbrochener Aufenthalt im Bundesgebiet bestanden hat, kann nicht ausgeschlossen werden, ob nicht hinsichtlich eines Teiles der Tatzeit nicht schon Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

5.1. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

5.1.1. Dem Spruch des Straferkenntnisses kommt im Hinblick auf die in § 44a Z1 bis 5 VStG festgelegten Erfordernissen besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat nach der Rechtsprechung des VwGH ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde, usw.

Die zentrale Frage, wie ein Spruch abgefaßt sein muß, um der Bestimmung des § 44a Z1 VStG zu entsprechen, ergibt sich aus der hiezu entwickelten Judikatur des VwGH. Ein bedeutender Schritt zur Lösung der Problematik kann in dem Erkenntnis des VwGH v. 13.6.1984 Slg. 11466 A gesehen werden, in dem dargelegt wurde, daß die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben ist, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2. die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

Ferner ist es für die Befolgung der Vorschrift des § 44a Z1 leg.cit. erforderlich, daß im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er a) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch des Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z1 VStG genügt oder nicht genügt, mithin, ob die erfolgte Tatortund Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder rechtswidrig erscheinen läßt (siehe obzit.Judikat). Diesen Anforderungen wird hier die Erstbehörde mit einer Tatumschreibung, welcher weder die Tatzeit, welche dessen Ende völlig offenläßt noch den Tatort, welcher sich auf das ganze Bundesgebiet bezieht, gerecht. Auch die Strafverfügung impliziert keine innerhalb der Frist nach § 31 Abs.1 gesetzte taugliche Verfolgungshandlung (§ 32 Abs.2 VStG).

Diese Mängel könnte der unabhängige Verwaltungssenat wohl auch nicht mehr im Rahmen einer ergänzenden Beweisaufnahme im Berufungsverfahren sanieren. Das Straferkenntnis war daher aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen (vgl. etwa VwGH v. 6. November 1995, Zl. Zl.

95/04/0005). Unter diesem Gesichtspunkt wird einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften Rechnung getragen, wenn die belangte Behörde es unterläßt, den Tatzeitraum genau zu umschreiben, jedenfalls aber mit dem Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zu begrenzen, um damit im Sinne eines Dauerdeliktes den von der Bestrafung umfaßten Zeitraum klarzulegen. Dieser Mangel ist jedenfalls durch die Zeitumschreibung, "hielten sich seit 18.10.1993...... unrechtmäßig auf", evident.

Der Erstbehörde bleibt jedoch offen, im Falle des immer noch währenden Aufenthaltes des Berufungswerbers an einem bestimmten Ort im Bundesgebiet, ein neuerliches Strafverfahren gegen ihn einzuleiten.

5.2.1. Es kann somit ein Eingehen in die Sache selbst unterbleiben; es wird jedoch auf die in solchen Fällen ständige und der Erstbehörde wohl bekannte Rechtsprechung des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oö.

hingewiesen, daß etwa ein Verweilen - wenn auch ein rechtswidriges - im Bundesgebiet durch einen Fremden, um einen Sachausgang in seinem bezughabenden fremdenrechtlichen Verfahren abzuwarten, bei der Schuldfrage Bedeutung zuzumessen ist (vgl. etwa VwSen - 230413 v. 20.2.1995). Jede andere Sicht wäre aus praktischer Sicht mit inhaltlich rechtsstaatlichem Geist unvereinbar.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r

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