Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230531/9/Br

Linz, 10.10.1996

VwSen-230531/9/Br Linz, am 10. Oktober 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung der Frau C, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt, A, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 31.

Juli 1996, AZ. Sich96-128-1996-WIM/MR, wegen der Übertretung des Versammlungsgesetzes 1953, nach der am 10. Oktober 1996 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr.

8471/1995 - AVG, iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1, § 51f Abs.2 u. § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 620/1995 - VStG; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem Straferkenntnis vom 31. Juli 1996, AZ.

Sich96-128-1996-WIM/MR über die Berufungswerberin wegen der Übertretung nach § 14 iVm § 19 Versammlungsgesetz 1953 eine Geldstrafe von 2.500 S und für den Nichteinbringungsfall 120 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und in dessen Spruch folgenden Tatvorwurf erhoben:

"Sie haben als Teilnehmerin einer nicht rechtzeitig angezeigten Versammlung (die gemäß § 2 Abs. 1 Versammlungsgesetz, BGBl 98/1953 i.d.g.F. mindestens binnen 24 Stunden vor den beabsichtigten Abhaltung unter Angabe des Zweckes, des Ortes und der Zeit der Versammlung bei der zuständigen Behörde angemeldet werden muß) gegen den Bau des Kraftwerkes L, am rechten Traunufer, Marktgemeinde S (iM Bereich des Widerstandscamp ""M"), am Montag, 11.3.1996, ab 08.10 Uhr den Versammlungsort nicht sogleich verlassen und sind der gesetzlichen Verpflichtung auseinanderzugehen nicht nachgekommen, obwohl diese Versammlung von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land am 11.3.1996 um 08.05 Uhr und nochmals um 08.10 Uhr, mittels Megaphon behördlich untersagt und aufgelöst worden ist. Trotz dieses Umstandes haben Sie den Versammlungsort nicht sogleich verlassen und sind entgegen dieser behördlichen Anordnung am Versammlungsgelände auf einen Baum geklettert, auf dem Sie noch einige weitere Stunden verharrten.

1.2. Hiezu führte die Erstbehörde in der Sache begründend aus:

"Die Ihnen zur Last gelegte Verwaltungsübertretung ist aufgrund der Anzeige des GPK S vom 12.3.1996, GZP 226/96 Hi, in Verbindung mit der dienstlichen Wahrnehmung des Einsatzleiters der Gendarmerie, Bezirksgendarmeriekommandant Obstlt. M, welcher hiezu als Zeuge einvernommen wurde (Ermittlungsverfahren), als erwiesen anzusehen. Sie haben gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 20.3.1996, Zl. wie oben, innerhalb offener Frist Einspruch erhoben, ohne diesen konkret zu begründen.

§ 2 Abs. 1 Versammlungsgesetz, BGBl. 98/1953 i.d.g.F., normiert:

Wer eine Volksversammlung oder überhaupt eine allgemein zugängliche Versammlung ohne Beschränkung auf geladene Gäste veranstalten will, muß dies wenigstens 24 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung unter Angabe des Zweckes, des Ortes und der Zeit der Versammlung der Behörde (§ 16) schriftlich anzeigen. Die Anzeige muß spätestens 24 Stunden vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Versammlung bei der Behörde einlangen.

§ 14 Versammlungsgesetz, BGBl. 98/1953 i.d.g.F., normiert:

Abs.1: Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, sind alle Anwesenden verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen.

Abs.2: Im Falle des Ungehorsams kann die Auflösung durch Anwendung von Zwangsmittel in Vollzug gesetzt werden.

§ 19 Versammlungsgesetz, BGBl. 98/1953 i.d.g.F., normiert:

Übertretungen dieses Gesetzes sind, insofern darauf das allgemeine Strafgesetz keine Anwendung findet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Amtsgebiet einer Bundespolizeibehörde aber von dieser Behörde, mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu S 5.000,-- zu ahnden.

Die gegenständliche Versammlung wurde am 11.3.1996 um 08.05 Uhr von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land als örtlich zuständige Behörde aufgelöst und wurden sämtliche im Bereich des Widerstandscamps "M" befindlichen Versammlungsteilnehmer aufgefordert, das Gelände sogleich zu verlassen. Da die Versammlungsteilnehmer dieser Aufforderung keine Folge geleistet haben, mußte die Auflösung daraufhin durch Anwendung von Zwangsmittel in Vollzug gesetzt werden, wobei mit Festnahmen gegen die Anti-Kraftwerks-Aktivisten, unter welchen auch Sie sich befanden, vorgegangen werden mußte.

Sie entzogen sich jedoch dieser Festnahme, indem Sie am Versammlungsgelände auf einen Baum kletterten und dort einige Stunden verharrten.

Die zeugenschaftliche Einvernahme des Gendarmeriebeamten Obstlt. Leopold M hat ergeben, daß Sie sich zweifelsfrei nach Verkündung der behördlichen Auflösung der Versammlung weiterhin im Bereich der aufgelösten Versammlung aufgehalten haben. Entgegen Ihren Rechtfertigungsangaben vom 8.5.1996 führt der Zeuge an, daß der Wortlaut der Untersagung und Auflösung der Versammlung samt der Aufforderung den Versammlungsort zu verlassen sehr wohl deutlich hörbar und verständlich wahrnehmbar war. Sie liefen sodann vom Widerstandscamp zu einem wenige Meter entfernten Baum, welchen Sie erkletterten und auf welchem bereits eine Sitzgelegenheit errichtet war. Der von Ihnen besetzte Baum steht im Bereich zwischen Traunufer und oberer rechter Uferböschung am rechten Traunufer im Gemeindegebiet S und befand sich damit innerhalb jenes abgegrenzten Gebietes, für welches die Auflösung der Versammlung ausgesprochen worden war. Dieses Gebiet war laut Aussage des Zeugen durch eine auseinandergezogene Kette von Gendarmeriebeamten abgesperrt.

Dieser Zeugenaussage wurde im Rahmen der freien Beweiswürdigung eine maßgebliche Beweiskraft beigemessen.

Der Zeugenaussage ist vollkommene unbedenkliche Glaubwürdigkeit beizumessen und wurde diese zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes herangezogen.

In Ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 27.6.1996 geben Sie ferner an, daß die Megaphondurchsage, bei dem 50 Meter entfernten Camp vorgenommen worden sei. Sie selbst seien niemals konkret aufgefordert worden, das Baumhaus, in welchem Sie sich zum Zeitpunkt der Vorkommnisse befunden hätten, zu verlassen. Dieser Behauptung steht allerdings die angeführte Zeugenaussage sowie die unbestreitbare Tatsache entgegen, daß Sie sich nach Auflösung der Versammlung innerhalb des abgesperrten Gebietes, für welches die Auflösung der Versammlung ausgesprochen worden war, aufgehalten haben.

Wenn Sie weiters bestreiten, daß eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes vorgelegen sei, da sich Umweltschützer bereits seit Wochen in den Widerstandscamps aufgehalten hätten und Ihrer Ansicht nach weder von einer "vorübergehenden Zusammenkunft" im Sinne des Versammlungsgesetzes noch primär von einer Manifestation eines bestimmten Willens auszugehen sei, so ist dem seitens der erkennenden Behörde entgegenzuhalten, daß man unter dem Begriff "Versammlung" sprachlich in weiterem Sinne eine organisierte Zusammenkunft einer Mehrheit von Personen zu einem gemeinsamen Zweck an einem bestimmten Ort versteht.

Eine solche Versammlung im Sinne der Bestimmungen des Versammlungsgesetzes lag am 11.3.1996 vor. Hiefür spricht auch die Tatsache, daß seitens mehrerer Umweltorganisationen (G u.a.) in den Medien dazu aufgerufen wurde, sich an einem "Aktionscamp" gegen den Bau des OKA-Kraftwerkes L in L bzw.

in S zu beteiligen.

Im gegenständlichen Fall waren alle Voraussetzungen für eine Versammlung, nämlich die Organisation einer Mehrheit von Personen zu einem gemeinsamen Zweck, und zwar dem Protest gegen den Bau bzw. Errichtung des angeführten Kraftwerkes an einem bestimmten Ort, das ist der umseits genannte Tatort im Gemeindegebiet von S, erfüllt. Wenn die Beschuldigte vorbringt, daß Sie sich schon seit Wochen im Widerstandscamp aufgehalten habe und daher von einer "vorübergehenden Zusammenkunft" keine Rede sein könne, so ist dem entgegenzuhalten, daß die durch die Judikatur geprägte, sogenannte Spontanversammlung jederzeit eintreten kann und am 11.3.1996 tatsächlich eingetreten ist.

Das Ermittlungsverfahren hat eindeutig ergeben, daß unmittelbar nach Eintreffen der Behörden und Exekutivorgane nicht nur Sie sich sondern insbesondere auch zahlreiche Aktivisten formiert und vorbereitete Positionen bezogen haben. Sie geben selbst zu, daß Sie auf ein Baumhaus geklettert sind, als für Sie die Räumung durch die Gendarmerie (subjektiv) klar war. Es wurden auch ferner Warnparolen seitens sämtlicher Aktivisten wie: "Paßt's auf, sie kommen", gerufen und haben sich diese untereinander mit Funktelefonen verständigt. Dieser Umstand ergibt sohin die eindeutige, organisierte Zusammenkunft mehrerer Personen.

Protestlieder, Farbspraybezeichnungen des Widerstandscamps "M", Transparente und dgl. zeigen eindeutig die organisierte Willenskundgebung, die durch zusätzliche Verhaltensweisen wie Anketten mit Stahlbügelschlössern, Zusammenhängen der Arme in Betonrohren und dgl., besonders den Manifestationscharakter gegen den Bau der Kraftwerkes L unterstreichen. Ihnen muß auch vorgehalten werden, daß diese gesamten Umstände mit Bild- und Tonträgern dokumentiert wurden (§ 10 Richtlinienverordnung).

Zweck dieser Versammlung war daher eindeutig, gegen den Kraftwerksbau zu demonstrieren. Nur der Vollständigkeit halber wird in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß durch diese Spontanversammlung Holzbringungsarbeiten behindert wurden, und zwar die Bringung von Bäumen, die rodungs- bzw.

forsttechnisch bis zur Hälfte der Stammitte in die T hineinragten und der Zeitpunkt der Schneeschmelze, der ansteigenden Temperaturen, des Hochwassers und der damit verbundenen hohen Gefahr des Abschwemmens dieser Bäume aus dem Bereich des gesamten Widerstandscamps und der weiters damit verbundenen hohen Gefahr der Beschädigung flußabwärts gelegener Brückenbauwerke unmittelbar bevorstand. Aufgrund des vorgefundenen und ermittelten Sachverhaltes war daher die öffentliche Ordnung bedroht, weshalb die Versammlungsauflösung auch unter Berücksichtigung des Art.

11 Abs. 2 EMRK vollkommen unbedenklich war. Zum Zwecke der Aufrechtserhaltung der öffentlichen Ordnung war daher diese Versammlungsauflösung auf jeden Fall sachlich und rechtlich gerechtfertigt.

Aufgrund dieses ermittelten maßgeblichen Sachverhaltes steht fest, daß Sie gegen die Bestimmungen des § 14 Versammlungsgesetz verstoßen haben, indem Sie sich nach Auflösung der Versammlung durch die Behörde weiterhin auf dem durch die Auflösung betroffenen Baugelände aufgehalten haben.

Die gegen Sie verhängte Geldstrafe wurde innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafsatzes sowie unter Bedachtnahme auf § 19 VStG. 1991 festgesetzt. Bei der Strafbemessung wurde das Ausmaß Ihres Verschuldens, Sie haben als Teilnehmer einer nicht rechtzeitig angezeigten Versammlung den Versammlungsgrund damit Tatort nicht sogleich verlassen und sind Ihrer gesetzlichen Verpflichtung auseinanderzugehen, nicht nachgekommen, obwohl diese Versammlung wie im Spruch angeführt, zweimal behördlich untersagt und aufgelöst wurde, entsprechend berücksichtigt. Sie haben daher die Verwirklichung des Tatbildes gemäß § 14 Versammlungsgesetz zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden. Durch das Klettern in das Baumhaus haben Sie daher vorsätzlich den Versammlungsort nicht sogleich verlassen und sind daher von den anderen Demonstrationsteilnehmern auch nicht auseinandergegangen. Außerdem wurde auf Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse hinreichend Bedacht genommen. Sie wurden mit ha. Schreiben vom 18.4.1996 gemäß § 19 Abs. 2 letzter Satz VStG., BGBl.

52/1991 i.d.g.F. aufgefordert, Ihre Einkommens-, Vermögensund Familienverhältnisse bis 8.5.1996 der erkennenden Behörde bekanntzugeben, andernfalls Ihr monatliches Nettoeinkommen mit S 12.000,-- geschätzt wird. Da Sie dieser Aufforderung nicht nachgekommen sind, ist seitens der erkennenden Behörde davon auszugehen, daß Sie ein monatliches Nettoeinkommen von S 12.000,-- beziehen, ledig, ohne Sorgepflichten und vermögenslos sind. Straferschwerend oder strafmildernd war ferner kein Umstand, sodaß die verhängte Geldstrafe bei dem zur Verfügung stehenden Strafrahmen angemessen erscheint. Die Höhe der Geldstrafe ist ausreichend, um Sie in Hinkunft von der Übertretung dieser Normen abzuhalten und besitzt darüberhinaus auch generalpräventive Wirkung.

Bei der Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe waren die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht zu berücksichtigen.

Die Entscheidung über die Kosten des Strafverfahrens gründet sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle." 2. Fristgerecht bringt die Berufungswerberin durch ihren ag.

Rechtsvertreter nachfolgende Berufung bei der Erstbehörde ein:

"Gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 31.7.1996, zugestellt am 5.8.1996, mit welchem über die Beschuldigte wegen § 14 1.V.m. § 19 Versammlungsgesetz eine Geldstrafe verhängt wurde, erhebt diese durch ihren ausgewiesenen Vertreter innerhalb offener Frist BERUFUNG, ficht den genannten Bescheid zur Gänze an und begründet dies wie folgt:

1.) Wesentliche Verfahrensmängel:

Im gegenständlichen Verfahren wurde das im § 37, bzw., 45 Abs.3 AVG normierte grundsätzliche Recht der Partei eines Verwaltungsverfahrens, im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gehört zu werden, gröblich verletzt. Insbesondere unterließ es die ermittelnde Behörde, der Berufungswerberin vollständigen Einblick in den Verwaltungsstrafakt zu geben, insbesondere wurde ihr die beantragte Einsicht in die im Ermittlungsverfahren verwendeten Gendarmeriefotos verweigert. Weiters hat es die ermittelnde Behörde auch unterlassen, durch Einvernahme weiterer Zeugen, bzw.

Einvernahme der Berufungswerberin, die Widersprüche in den Rechtfertigungsangaben der Berufungswerberin und den Angaben des Zeugen Oberstleutnant M und den Angaben des Mag. P aufzuklären. Die Berufungswerberin wurde dadurch jedenfalls wesentlicher Verteidigungsmittel beraubt.

2.) Unrichtige, sowie mangelhafte Tatsachenfeststellungen:

Die Erstbehörde stellt in der Begründung ihres Bescheides fest, daß sich die Berufungswerberin erst nach Verkündung der behördlichen Auflösung der Versammlung in ein Baumhaus begeben habe und stützt sich dabei ausschließlich auf die zeugenschaftliche Einvernahme des Oberstleutnant M dessen Angaben vollkommene Glaubwürdigkeit zugebilligt wird. Diese "Beweiswürdigung" ist in keiner Weise nachvollziehbar und setzt sich die Erstbehörde in keiner Weise mit den gegenteiligen Angaben der Beschwerdeführer in ihrer Rechtfertigung auseinander, wonach sie sich im Zeitpunkt der Megaphondurchsage des Mag. P bereits im Baumhaus befunden hatte und von diesem Standort aus die Megaphondurchsage akustisch nicht verständlich war. Dies ist umso unverständlicher, als auch in dem von Mag. P angefertigten Aktenvermerk vom 11.3.1996 ausdrücklich vermerkt ist, daß sich im Zeitpunkt des Einlangens der Behörde, bzw. der Gendarmen, am Einsatzort bereits Aktivisten im Baumhaus befanden. Durch diese Aussage werden daher die Angaben der Beschwerdeführerin verifiziert und hätten diese der Sachverhaltsfeststellung zu Grunde gelegt werden müssen.

In diesem Zusammenhang hätte daher die Erstbehörde auch feststellen müssen, daß für die Aktivisten in keiner Weise feststellbar war, für welches Gebiet die behördliche Aufforderung, den Versammlungsort zu verlassen, gegolten hatte. Die diesbezügliche Behauptung des Zeugen Oberstleutnant M, die Beschwerdeführerin sei auf einem Baum gesessen, der sich im Bereich eines durch eine Kette von Gendarmeriebeamten abgesperrten Gebietes befunden habe, ist nicht stichhaltig und insbesondere auch in Ansehung des weitläufigen, durch verschiedene Widerstandscamps und Geländeunebenheiten, bzw. Baumbestand, sehr stark gegliederten Augebietes, nicht nachvollziehbar.

Bezeichnenderweise wird auch im schon erwähnten Aktenvermerk des Mag. P vom 11.3.1996 in keiner Weise erwähnt, für welches umgrenzte Gebiet die Aufforderung zur Auflösung sohin ausgesprochen wurde, bzw. ob hier eine Erkennbarkeit für die im gesamten Augebiet verstreut aufhältigen Aktivisten gegeben war. Die Erstbehörde hätte sohin zu dem Schluß kommen müssen, daß eine eindeutige Feststellung zu diesem Punkt aus den vorliegenden Ermittlungsergebnissen nicht zu treffen sei.

3.) Unrichtige rechtliche Beurteilung:

Rechtlich führt die Erstbehörde aus, es sei entgegen der Ansicht der Berufungswerberin sehr wohl eine vom Versammlungsgesetz umfaßte "Versammlung" vorgelegen. Dies im Sinne einer organisierten Zusammenkunft einer Mehrheit von Personen zu einem gemeinsamen Zweck an einem bestimmten Ort.

Diese Rechtsansicht ist jedoch im Hinblick auf die gesetzliche Formulierung "vorübergehende Zusammenkunft" nicht stichhaltig. Daß im Zeitpunkt des Eintreffens des Vertreters der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land keine "Versammlung" im Sinne des Versammlungsgesetzes vorlag, nämlich eine "vorübergehende Zusammenkunft von Personen zum Zwecke der Manifestation eines bestimmten Willens" geht unzweifelhaft aus der bekannten Situation in den Widerstandslagern in den Tagen um den 11. März 1996 hervor. Es geht ja die Behörde selbst davon aus, daß ein Widerstandscamp, Baumhäuser, usw. eingerichtet waren, die bereits seit längerer Zeit bestanden, daß es sich hier also um eine Gesamtaktion handelte, die in keiner Weise als "vorübergehend" oder "spontane" Versammlung interpretiert werden kann. Auch aus der Beschreibung der Situation im Augebiet im schon erwähnten Aktenvermerk des Mag. P wird hinreichend deutlich, daß keinesfalls eine "Versammlung" vorlag, sondern daß sich eben die Aktivisten, wie bereits seit Wochen, in den Widerstandscamps, Zelten, Hütten und Baumhäusern aufhielten. Mag. P beschreibt dieses "Lagerleben", das er bei seinem Eintreffen vorfand, wo eben Aktivisten um das Lagerfeuer, bzw. in den Hütten und Zelten saßen, sangen, usw. Keinesfalls kann demnach diese Situation als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes angesehen werden, weshalb auch eine Auflösung dieser nicht existenten Versammlung, bzw. ein Nichtfolgeleisten der Aufforderung zum Auseinandergehen, rein rechtlich nicht möglich war.

Darüber hinaus war auch das zweite wesentliche Indiz für das Vorliegen einer Versammlung, nämlich die Manifestation eines bestimmten Willens, im Bereich des Augebietes, bzw. der Widerstandscamps, nicht gegeben. Den Umweltschützern ging es ja nur darum, durch ihre physische Präsenz im Augebiet auf die Zerstörung einer wertvollen Naturlandschaft, bzw. eines Vogelschutzgebietes, aufmerksam zu machen, was wohl nicht als Willenskundgebung gedeutet werden kann.

Insgesamt hätte daher die Erstbehörde bei richtiger rechtlicher Würdigung des Sachverhaltes, bzw. entsprechender Aufbereitung desselben, zu dem Schluß kommen müssen, daß ein strafbares Verhalten der Beschwerdeführer nicht vorliegt und hätte das Verfahren in Anwendung des auch im Verwaltungsstrafverfahren geltenden Grundsatzes "in dubio pro reo" eingestellt werden müssen.

Es wird daher gestellt der ANTRAG:

Es möge der Berufung Folge gegeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werden.

3. Da keine 10.000,- S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Zumal ferner mit der Berufung die Übertretung auch dem Grunde nach bestritten und ein diesbezüglicher gesonderter Antrag gestellt wurde, war eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen (§ 51 Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land und Erörterung des erstinstanzlichen Verfahrensergebnisses, Zl.

Sich96-128-1996, insbesondere die Verlesung des vom Behördenvertreter angefertigten Aktenvermerkes vom 11.3.1996, die Verlesung der Aussage im erstbehördlichen Verfahren des unentschuldigt zur Berufungsverhandlung nicht erschienenen Zeugen H. H; ferner durch die Vernehmung des den Einsatz leitenden Bezirksgendarmeriekommandanten, Obstlt. M, der Zeugin H. K und der Berufungswerberin als Beschuldigte im Rahmen der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, an welchem auch ein Vertreter der Erstbehörde teilgenommen hat. Im Zuge der Verhandlung wurde der von der Gendarmerie aufgezeichnete Videofilm gesichtet.

4.1. Die Berufungswerberin verweilte am 11. März 1996 zumindest ab 08.00 Uhr im Bereich des Traunufers im Rodungsbereich der Baustelle des Kraftwerkes L, nächst der Camps "M" auf einem Baumhaus. Ihre Funktion war die Beobachtung der dortigen Vorgänge zum Zweck der Berichterstattung für das von G herausgegebene Druckwerk "G". Dieses Baumhaus war von den genannten Camps ca. 40 bis 50 Meter entfernt und lag am Fußweg zu dem oben an der Uferböschung gelegenen Camp "S". Die Berufungswerberin war mit einem Handy ausgerüstet um den Medien Bericht über die Vorgänge in der Au erstatten zu können. Sie stand teilweise auch mit den Insassen der Camps M und J in Rufkontakt und kündigte etwa durch Zuruf die bevorstehende Räumung durch die Exekutivorgane an.

Im Ergebnis war die Berufungswerberin in der Phase der Auflösung der Zusammenkunft, welche in ihrer Gestaltung als Versammlung zu qualifizieren ist, ausschließlich mit der Beobachtung der Vorgänge und der diesbezüglichen Berichterstattung beschäftigt. Ihre Positionierung im Gelände stellte im Gegensatz zu den zu räumenden Camps keine Behinderung für die sicherzustellenden Holzbringungsarbeiten dar. Die Berufungswerberin wurde zwar von einem Gendarmeriebeamten einmal gefragt, ob sie nicht vom Baum herunterkommen wolle. Dies verneinte sie jedoch. In der Folge blieb sie von der Räumung des Geländes von den Aktionisten, welche sich ausschließlich auf die Insassen der Camps M und J bezog, unberührt.

Der wesentliche Inhalt des behördlich verkündeten Auflösungsbeschlusses, welcher in einem Aktenvermerk durch den Behördenvertreter vom 18. März 1996 dargelegt wurde, lautet wie folgt:

"Achtung, Achtung, hier spricht der Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land. Ich ersuche Sie, diese unangemeldete Versammlung freiwillig aufzulösen und sofort auseinanderzugehen. Sollte diese Versammlung nicht unverzüglich freiwillig aufgelöst werden, müßte sie behördlich untersagt und aufgelöst werden. Es müßten ferner dann auch allenfalls Zwangsmittel angewendet werden und laufen Sie Gefahr, verwaltungsbehördlich bestraft zu werden. Ich ersuche sie nochmals diese Versammlung sofort freiwillig aufzulösen.

Trotz Zuwartens von einigen weiteren Minuten waren die Versammlungsteilnehmer nicht bereit, den Versammlungsort zu verlassen. Statt dessen war immer wieder aus der großen rechteckigen und mit Planen abgedeckten Holzhütte das bereits oben zitierte Protestlied wahrnehmbar. Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes wurde um 8.10 Uhr am Ort der Versammlung den Versammlungsteilnehmern mittels Megaphon verkündet:

"Achtung, Achtung, hier spricht der Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land; gemäß § 13 und gemäß § 14 Versammlungsgesetz 1953, BGB1.Nr. 98/1953 i.d.g.F., wird angeordnet: Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land untersagt gemäß § 13 des Versammlungsgesetzes 1953 i.d.g.F. die im Bereich dieses Grundstückes stattfindende Versammlung und löst sie nach dieser Gesetzesbestimmung auf. Alle Anwesenden sind verpflichtet, den genannten Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen. Im Falle des Ungehorsams müssen Zwangsmittel angewendet und die Räumung des Versammlungsortes verfügt werden. Die Weigerung den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen stellt eine Verwaltungsübertretung dar, die gemäß § 19 Versammlungsgesetz 1953 i.d.g.F. mit einer Arreststrafe bis zu sechs Wochen oder mit einer Geldstrafe bis zu S 5.000,-bestraft werden kann.

Trotz weiteren Zuwartens haben die Versammlungsteilnehmer keine Anstalten gemacht, den Versammlungsort sogleich zu verlassen. Um 8.20 Uhr wurde die behördliche Versammlungsauflösung (Text wie oben) nochmals mittels Megaphon verkündet. Ferner habe ich mittels Megaphon bekanntgegeben, daß die Versammlungsteilnehmer noch drei Minuten Zeit haben, den Versammlungsort zu verlassen. Das oben genannte Protestlied war wiederum deutlich aus der provisorischen Holzhütte wahrnehmbar.

Um ca. 8.23 Uhr habe ich der Exekutive die Weisung erteilt, sämtliche Versammlungsteilnehmer wegen Verharren in einer strafbaren Handlung festzunehmen und anschließend zum GP. L zu verbringen. Die Festnahmen gestalteten sich aufgrund des Geländes als schwierig, da manche der Festgenommenen nicht bereit waren zu gehen, sondern teilweise mit vier Exekutivbeamten über den Steilhang hinaufgetragen werden mußten." 4.2.2. Diese Feststellungen gründen einerseits in der Verantwortung der Berufungswerberin andererseits in den zeugenschaftlichen Angaben des Obstlt. M und der Frau K. Der erstgenannte Zeuge führte etwa im Sinne der Berufungswerberin aus, daß diese auf ihrem Baumhaus kein Hindernis dargestellt habe und daher ihre Entfernung letztlich nicht erforderlich gewesen sei. Dies wäre insbesondere auch aus Sicherheitsgründen unterblieben. Es ist daher der Berufungswerberin zu folgen, daß sie von der Räumungsaktion nicht betroffen war. Dies kann letztlich auch im Aktenvermerk wiedergegebenen Inhalt der Auflösung abgeleitet werden, wenn darin sich ganz konkret als "Auflösungsadresse" die beschriebenen Hütten erwähnt finden.

Entgegen der Anzeige und den darauf gestützten erstbehördlichen Feststellungen ist es unzutreffend, daß sich die Berufungswerberin durch Flucht auf einen Baum der Festnahme entzogen hätte. Im Gegensatz dazu befand sie sich bereits vor der Auflösung der Versammlung auf diesem "Beobachtungsposten" und setzte damit kein von der Auflösung betroffenes Verhalten, d.h. sie handelte zumindest in dieser Phase empirisch keinem die Auflösung erforderlich machenden rechtlich geschützten Zweck zuwider. Dies ist nicht zuletzt auch am Video zu sehen gewesen. Es kommt schließlich auch in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses sehr deutlich zum Ausdruck, daß es um die Beseitigung der Behinderung der Bringung der vom Abschwemmen bedrohten Baumstämme gegangen ist.

5.1. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1.1. Die Behörde darf - wie schon aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 VersG hervorgeht - eine gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltete Versammlung nur "nach Umständen" auflösen (mit Hinweis auf VfSlg. 7762/1976 und VfGH 23.9.1983, B 671/80). Für eine behördliche Versammlungsauflösung muß also ein zureichender Grund vorliegen. Das im jeweiligen Fall - hier als Vorfrage vom unabhängigen Verwaltungssenat selbständig zu beurteilen rechtmäßige Verhalten der Behörde ist wohl vor dem Hintergrund der Versammlungsfreiheit zu beurteilen.

5.1.2. Der staatsvertragliche (materielle) Gesetzesvorbehalt, wie er im Art. 11 Abs.2 MRK umschrieben wird, gilt auch im innerstaatlichen Bereich und leitet die Vollzugsorgane an, wenn sie einen zureichenden Grund für eine Versammlungsauflösung annehmen dürfen (vgl. hiezu das die Ermächtigung der Behörde, einen Verein aufzulösen, betreffende Erk. VfSlg. 8090/1977).

5.1.3. Die Umstände, die zur Verletzung der Anzeigepflicht hinzuzutreten haben, um eine Versammlungsauflösung zu rechtfertigen, müssen also so geartet sein, daß ohne diese Maßnahme eines der in der zitierten Konventionsnorm aufgezählten Schutzgüter gefährdet wäre. Nach der sich aus Art.

11 Abs.2 MRK ergebenden Richtlinie ist dies allem voran der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Dies als grundsätzliche rechtliche Erwägungen zur Auflösung einer Versammlung.

5.2. Durch das Verhalten der Berufungswerberin in der hier gegenständlichen Phase war aber das Recht des Eigentümers seine Holzbringung bzw. Bauarbeiten vorzunehmen nicht beeinträchtigt; ebenfalls waren in diesem Zusammenhang auch keine Belange im Hinblick auf die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und die Aufrechterhaltung der Ordnung nachteilig berührt (VfGH Slg. 6883/1972, sowie VfGH 23. 6. 1977, B 209/76). Die Eingriffsbefugnis der Behörde (die Auflösung der Versammlung) ist im Sinne der Intention des Gesetzes jedenfalls eng auszulegen. Hier auf den Zweck der Vermeidung des Abschwemmens der nächst der ufernahen Camps gelagerten Baumstämme durch das drohende Hochwasser, wird somit primär auf auf den Eigentumsschutz, reduziert.

Diese Sicht wird vor allem aus verfassungsrechtlichen Überlegungen intendiert. Nach Art. 7 Abs. 1 MRK kann nämlich u.a. niemand wegen einer Handlung verurteilt werden, die nicht strafbar ist bzw. zur Zeit der jeweiligen Handlung nicht strafbar war. Strafbestimmungen sind dabei stets eng auszulegen, wobei jegliche Analogie unzulässig ist.

5.2.1. Diese - auch in Österreich im Verfassungsrang stehende - Bestimmung legt nach der Rechtsprechung der Europäischen Instanzen allgemein den Grundsatz der (strengen) Gesetzesgebundenheit (Legalitätsprinzip) des Strafrechts (nulla poena sine lege) fest (vgl. Frowein - Peukert, EMRK-Kommentar, Kehl 1985, RN 1 und 2 zu Art. 7).

Die Berufungswerberin tangierte in ihrem Verhalten (Verweilen auf einem Baum) das Auflösungsziel nicht. Daß sie subjektiv das Manifestationsziel unterstützt hat, reicht hier für eine Verurteilung nicht aus.

5.3. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Berufungswerberin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Ein Eingehen auf die vorgebrachten Verfahrensrügen ist entbehrlich.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r

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