Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230535/13/Br

Linz, 10.10.1996

VwSen-230535/13/Br Linz, am 10. Oktober 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung der Frau B, vertreten durch Dr. B Rechtsanwalt, A, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 9.

August 1996, AZ. Sich96-112-1996-WIM/MR, wegen der Übertretung des Versammlungsgesetzes 1953, nach der am 10.

Oktober 1996 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird dem Grunde nach keine F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch in Abänderung zu lauten hat: ...." um 9.10 Uhr den Versammlungsort noch nicht verlassen hatten" und sind der .... (folglich wie Straferkenntnis); die Geldstrafe auf 1.500 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 72 Stunden ermäßigt wird; der auf die erlittene Vorhaft anzurechnende Betrag wird mit 25 S festgesetzt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr.

866/1992 - AVG, iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1, § 51f Abs.2 u. § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993 - VStG; II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demzufolge auf 150 S. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs. 2 u. § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit dem Straferkenntnis vom 9. August 1996, AZ. Sich96-112-1996 über die Berufungswerberin wegen der Übertretung nach § 14 iVm § 19 Versammlungsgesetz 1953 eine Geldstrafe von 3.000 S und für den Nichteinbringungsfall 168 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und in dessen Spruch folgenden Tatvorwurf erhoben: "Sie haben als Teilnehmerin einer nicht rechtzeitig angezeigten Versammlung (die gemäß § 2 Abs.1 Versammlungsgesetz, BGBl. 98/1953 i.d.g.F. mindestens binnen 24 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung unter Angabe des Zweckes, des Ortes und der Zeit der Versammlung bei der zuständigen Behörde angemeldet werden muß) gegen den Bau des Kraftwerkes L, am rechten Traunufer, Marktgemeinde S (im Bereich des Widerstandscamp M), am Montag, 11.3.1996, ab 09.15 Uhr den Versammlungsort nicht sogleich verlassen und sind der gesetzlichen Verpflichtung, auseinanderzugehen nicht nachgekommen, obwohl diese Versammlung von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land am 11.3.1996 um 08.05 Uhr und nochmals um 08.10 Uhr, mittels Megaphon behördlich untersagt und aufgelöst worden ist." 1.1. Für die in der Zeit von 09.15 Uhr bis 10.30 Uhr erlittene Vorhaft wurden auf die Geldstrafe 22.35 S angerechnet.

1.2. Hiezu führte die Erstbehörde in der Sache begründend aus:

"Die ihnen zur Last gelegte Verwaltungsübertretung ist aufgrund der dienstlichen Wahrnehmungen des Einsatzleiters der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 11.3.1996, welche im beiliegenden behördlichen Aktenvermerk vom 18.3.1996 beschrieben wurden, als erwiesen anzusehen. Sie haben gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 11.3.1996, Zl. wie oben, innerhalb offener Frist Einspruch erhoben, ohne diesen konkret zu begründen. Im Rahmen des gegen Sie wegen des geschilderten Sachverhaltes eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens wurden Sie sodann mit ha. Schreiben vom 2.4.1996 zur Rechtfertigung aufgefordert.

In Ihrer schriftlichen Rechtfertigung vom 17.4.1996, geben Sie rechtsanwaltlich vertreten zu, daß Sie sich am 11.3.1996 an dem angeführten Ort befunden haben, führen dazu an, daß im angenommenen Tatzeitpunkt keine Versammlung im Gesetzessinne vorgelegen sei, da im gegenständlichen Fall keine Ansammlung von Menschen im Sinne des Versammlungsrechtes gegeben gewesen sei, nachdem sich im Tatzeitpunkt nur mehr wenige Umweltschützer im Bereich des Widerstandscamps "M" befunden hätten. Jedenfalls habe um 09.15 Uhr die Anzahl der anwesenden Personen nicht mehr ausgereicht, um den Versammlungsbegriff zu erfüllen. Das Vorliegen einer "Versammlung" im Sinne des Versammlungsgesetzes sei darüber hinaus auch deshalb abzulehnen, als es an dem essentiellen Kriterium einer vorübergehenden Zusammenkunft mehrerer Personen zu gemeinsamem wirken in Form der Äußerung bzw. Kundgabe einer bestimmten Meinung gefehlt habe. Nachdem sich bereits seit Wochen Umweltschützer in den Widerstandscamps aufgehalten hätten, könne von einer "vorübergehenden Zusammenkunft" im Sinne des Versammlungsgesetzes keine Rede sein. Den Umweltschützern sei es auch nicht um die Manifestation eines bestimmten (von den Versammelten gebildeten) Willens gegangen, was ebenfalls ein Indiz für das Vorliegen einer Versammlung gewesen wäre. Die Grundintention der Umweltschützer sei es gewesen, durch ihre (mehr oder weniger "wortlose") physische Präsenz im Augebiet auf die Zerstörung einer Naturlandschaft bzw. eines wertvollen Vogelschutzgebiet aufmerksam zu machen. Eine Übertretung des Versammlungsgesetzes könne Ihnen daher schon mangels des Vorliegens einer "Versammlung" im Gesetzessinne nicht zur Last gelegt werden. Selbst wenn man jedoch tatbestandsmäßiges Verhalten Ihrerseits annehmen wolle, wäre dieses nach § 6 VStG. entschuldigt bzw. aufgrund des Vorliegens eines übergesetzlichen Notstandes gerechtfertigt.

Nachdem die Absicht der Umweltschützer nur darauf gerichtet gewesen sei, ein intaktes Augebiet - sohin ein "höherwertiges Rechtsgut" vor der sinnlosen Zerstörung aus offenkundigem Profitstreben zu retten, liegt gegenständlich ein notstandstauglicher Sachverhalt vor, der Ihre Strafbarkeit ausschließe. Dies gilt umso mehr, als mittlerweile auch der Verwaltungsgerichtshof den den Bauarbeiten zugrundeliegenden wasserrechtlichen Bescheid als rechtswidrig aufgehoben und sich die bisherigen Eingriffe bzw. Bauarbeiten als rechtlich nicht gedeckt erwiesen hätten.

§ 2 Abs. 1 Versammlungsgesetz, BGBl. 98/1953 i.d.g.F., normiert:

Wer eine Volksversammlung oder überhaupt eine allgemein zugängliche Versammlung ohne Beschränkung auf geladene Gäste veranstalten will, muß dies wenigstens 24 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung unter Angabe des Zweckes, des Ortes und der Zeit der Versammlung der Behörde (S 16) schriftlich anzeigen. Die Anzeige muß spätestens 24 Stunden vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Versammlung bei der Behörde einlangen.

§ 14 Versammlungsgesetz, BGBl. 98/1953 i.d.g.F., normiert:

Abs.1: Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, sind all Anwesenden verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen.

Abs.2: Im Falle des Ungehorsams kann die Auflösung durch Anwendung von Zwangsmittel in Vollzug gesetzt werden.

§ 19 Versammlungsgesetz, BGBl. 98/1953 i.d.g.F., normiert:

Übertretungen dieses Gesetzes sind, insofern darauf das allgemeine Strafgesetz keine Anwendung findet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Amtsgebiet einer Bundespolizeibehörde aber von dieser Behörde, mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu S 5.000,-- zu ahnden.

Die gegenständliche Versammlung wurde am 11.3.1996 um 08.05 Uhr von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land als örtlich zuständige Behörde aufgelöst und wurden sämtliche im Bereich des Widerstandscamps "M" befindlichen Versammlungsteilnehmer aufgefordert, das Gelände sogleich zu verlassen. Da die Versammlungsteilnehmer dieser Aufforderung keine Folge geleistet haben, mußte die Auflösung daraufhin durch Anwendung von Zwangsmittel in Vollzug gesetzt werden, wobei mit Festnahmen gegen die Anti-Kraftwerks-Aktivisten, unter welchen auch Sie sich befanden, vorgegangen werden mußte.

Die zeugenschaftliche Einvernahme des Gendarmeriebeamten Obstlt. L hat ergeben, daß Sie sich zweifelsfrei nach Verkündung der behördlichen Auflösung der Versammlung weiterhin im Bereich der aufgelösten Versammlung aufgehalten haben. Entgegen Ihren Rechtfertigungsangaben vom 17.4.1996 führt der Zeuge an, daß der Wortlaut der Untersagung und Auflösung der Versammlung samt der Aufforderung, den Versammlungsort zu verlassen sehr wohl deutlich hörbar und verständlich wahrnehmbar war. Dieses Gebiet war laut Aussage des Zeugen durch eine auseinandergezogene Kette von Gendarmeriebeamten abgesperrt. Ab ca. 08.23 Uhr begann der Abtransport der wegen Verharrens in der strafbaren Handlung festgenommenen, mindestens 50 Versammlungsteilnehmer, unter welchem auch Sie sich befanden, zum Gendarmerieposten L. Der gesamte Abtransport dauerte bis ca. 12.00 Uhr. Es liegt daher in der Natur der Sache, daß die Anzahl der noch anwesenden, festgenommenen Personen ständig geringer wurde.

Dieser Zeugenaussage wurde im Rahmen der freien Beweiswürdigung eine maßgebliche Beweiskraft beigemessen.

Der Zeugenaussage ist vollkommene unbedenkliche Glaubwürdigkeit beizumessen und wurde diese zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes herangezogen.

In gegenständlicher Verwaltungsstrafsache wurde Ihnen mit ha. Schreiben vom 24.6.1996 gemäß § 43 Abs. 2 VStG., BGBl.

52/1991 i.d.g.F., Gelegenheit gegeben, binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieser Verständigung, welche per 27.6.1996 erfolgte, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und hiezu Stellung zu nehmen. Sie haben hiezu innerhalb offener Frist keine Stellungnahme abgegeben.

Wenn Sie weiters bestreiten, daß eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes vorgelegen sei, da sich Umweltschützer bereits seit Wochen in den Widerstandscamps aufgehalten hätten und Ihrer Ansicht nach weder von einer "vorübergehenden Zusammenkunft" im Sinne des Versammlungsgesetzes noch primär von einer Manifestation eines bestimmten Willens auszugehen sei, so ist dem seitens der erkennenden Behörde entgegenzuhalten, daß man unter dem Begriff "Versammlung" sprachlich in weiterem Sinne eine organisierte Zusammenkunft einer Mehrheit von Personen zu einem gemeinsamen Zweck an einem bestimmten Ort versteht.

Eine solche Versammlung im Sinne der Bestimmungen des Versammlungsgesetzes lag am 11.3.1996 vor. Hiefür spricht auch die Tatsache, daß seitens mehrerer Umweltorganisationen (G.) in den Medien dazu aufgerufen wurde, sich an einem "Aktionscamp" gegen den Bau des O in L bzw. in S zu beteiligen. Im gegenständlichen Fall waren alle Voraussetzungen für eine Versammlung, nämlich die Organisation einer Mehrheit von Personen zu einem gemeinsamen Zweck, und zwar dem Protest gegen den Bau bzw.

Errichtung des angeführten Kraftwerkes an einem bestimmten Ort, das ist der umseits genannte Tatort im Gemeindegebiet von , erfüllt.

Das Ermittlungsverfahren hat eindeutig ergeben, daß unmittelbar nach Eintreffen der Behörden und Exekutivorgane nicht nur Sie sich sondern insbesondere auch zahlreiche Aktivisten formiert und vorbereitete Positionen bezogen haben. Sie geben selbst zu, daß Sie am 11.3.1996 bis 09.15 Uhr am angeführten Tatort aufhältig waren. Es wurden auch ferner Warnparolen seitens sämtlicher Aktivisten wie:

"Paßt's auf, sie kommen", gerufen und haben sich diese untereinander mit Funktelefonen verständigt. Dieser Umstand ergibt sohin die eindeutige, organisierte Zusammenkunft mehrerer Personen. Protestlieder, Farbspraybezeichnungen des Widerstandscamps "M", Transparente und dgl. zeigen eindeutig die organisierte Willenskundgebung, die durch zusätzliche Verhaltensweisen wie Anketten mit Stahlbügelschlössern, Zusammenhängen der Arme in Betonrohren und dgl., besonders den Manifestationscharakter gegen den Bau der Kraftwerkes L unterstreichen. Ihnen muß auch vorgehalten werden, daß diese gesamten Umstände mit Bild- und Tonträgern dokumentiert wurden (§ 10 Richtlinienverordnung).

Zweck dieser Versammlung war daher eindeutig, gegen den Kraftwerksbau zu demonstrieren. Nur der Vollständigkeit halber wird in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß durch diese Spontanversammlung Holzbringungsarbeiten behindert wurden, und zwar die Bringung von Bäumen, die rodungs- bzw.

forsttechnisch bis zur Hälfte der Stammitte in die T hineinragten und der Zeitpunkt der Schneeschmelze, der ansteigenden Temperaturen, des Hochwassers und der damit verbundenen hohen Gefahr des Abschwemmens dieser Bäume aus dem Bereich des gesamten Widerstandscamps und der weiters damit verbundenen hohen Gefahr der Beschädigung flußabwärts gelegener Brückenbauwerke unmittelbar bevorstand.

Aufgrund des vorgefundenen und ermittelten Sachverhaltes war daher die öffentliche Ordnung bedroht, weshalb die Versammlungsauflösung auch unter Berücksichtigung des Art.

11 Abs. 2 EMRK vollkommen unbedenklich war. Zum Zwecke der Aufrechtserhaltung der öffentlichen Ordnung war daher diese Versammlungsauflösung auf jeden Fall sachlich und rechtlich gerechtfertigt.

Aufgrund dieses ermittelten maßgeblichen Sachverhaltes steht fest, daß Sie gegen die Bestimmungen des § 14 Versammlungsgesetz verstoßen haben, indem Sie nach Auflösung der Versammlung durch die Behörde den Versammlungsort nicht sogleich verlassen haben und der gesetzlichen Verpflichtung, auseinanderzugehen, nicht nachgekommen sind.

Die gegen Sie verhängte Geldstrafe wurde innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafsatzes sowie unter Bedachtnahme auf § 19 VStG. 1991 festgesetzt. Bei der Strafbemessung wurde das Ausmaß Ihres Verschuldens, Sie haben als Teilnehmer einer nicht rechtzeitig angezeigten Versammlung den Versammlungs- und damit Tatort nicht sogleich verlassen und sind Ihrer gesetzlichen Verpflichtung auseinanderzugehen, nicht nachgekommen, obwohl diese Versammlung wie im Spruch angeführt, zweimal behördlich untersagt und aufgelöst wurde, entsprechend berücksichtigt.

Sie haben daher die Verwirklichung des Tatbildes gemäß § 14 Versammlungsgesetz zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden. Außerdem wurde auf Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse hinreichend Bedacht genommen. Sie wurden mit ha. Schreiben vom 2.4.1996 gemäß § 19 Abs. 2 letzter Satz VStG., BGBl. 52/1991 i.d.g.F.

aufgefordert, Ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse bis 18.4.1996 der erkennenden Behörde bekanntzugeben, andernfalls Ihr monatliches Nettoeinkommen mit S 12.000,-- geschätzt wird. Da Sie dieser Aufforderung nicht nachgekommen sind, ist seitens der erkennenden Behörde davon auszugehen, daß Sie ein monatliches Nettoeinkommen von S 12.000,-- beziehen, ledig, ohne Sorgepflichten und vermögenslos sind. Straferschwerend oder strafmildernd war ferner kein Umstand, sodaß die verhängte Geldstrafe bei dem zur Verfügung stehenden Strafrahmen angemessen erscheint.

Die Höhe der Geldstrafe ist ausreichend, um Sie in Hinkunft von der Übertretung dieser Normen abzuhalten und besitzt darüberhinaus auch generalpräventive Wirkung.

Bei der Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe waren die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht zu berücksichtigen.

Die Entscheidung über die Kosten des Strafverfahrens gründet sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle." 2. Fristgerecht bringt die Berufungswerberin durch ihren ag.

Rechtsvertreter nachfolgende Berufung bei der Erstbehörde ein:

"In umseits bezeichneter Strafsache erhebe ich gegen das Straferkenntnis der BH Wels-Land vom 9.8.1996, zugestellt am 23.8.1996, binnen offener Frist BERUFUNG an den UVS.

Das Straferkenntnis wird sowohl dem Grunde, als auch der Höhe nach angefochten. Als Berufungsgründe werden unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

1.) Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung:

Als Tatort wird der Bereich des Widerstandcamps "M" genannt.

Anstatt die Grundstücksnummer Katastralgemeinde S anzugeben, übernahm die Behörde die Terminologie der Umweltschützer.

Ich befand mich allerdings nicht im Bereich des Widerstandcamps "M". Ab 20. Jänner hielt ich mich im sogenannten Hauptcamp auf, später dann im Lager "S", von 27.2. bis 2.3. und von 8.3. bis 11.3. im Camp "J" und zwischen 14.3. und 17.3.96 wiederum im Camp "S". Im Verfahren VwSen-420105 des angerufenen Senates wurde die Lage der Camps M erörtert (Niederschrift vom 1.7.1996, Seite 4). Die Beschwerdeführerin H gab an, daß sie sich gemeinsam mit mir, H und einer gewissen A im Lager J befand. Das Lager M wurde etwa 25 Minuten vor dem Lager J geräumt.

Selbst dann, wenn ich im eigentlichen Widerstandscamp M festgenommen worden wäre, ist der Tatort zu wenig konkretisiert. Dabei hätte ohne weiteres der Tatort durch die Angabe des Flußkilometers präzisiert werden können. An und für sich ist die Angabe der Tatzeit mit "ab 09.15 Uhr" von der Judikatur gedeckt. Die Festlegung der Tatzeit mit jenem Zeitpunkt, zu dem die Tat entdeckt wurde, ist nicht rechtswidrig. Die Auflösung der Versammlung und der Festnahmezeitpunkt klaffen allerdings so weit auseinander, daß ich von der Behörde 2 x bestraft werden könnte. Tatort und Tatzeit wären daher von der Behörde so genau zu bestimmen gewesen, daß dies ausgeschlossen wird.

Unrichtig ist, daß die Aktion um 8.05 Uhr und nochmals um 8.10 Uhr untersagt und aufgelöst worden wäre. Die Aufforderung um 8.05 Uhr war bloß informell. Der Auflösungsbefehl erfolgte erst um 8.10 Uhr, bzw. um 8.20 Uhr. Tatsächlich wurde durch Megaphon durchgegeben, daß die Besetzer 3 Stunden Zeit hätten, den Ort zu verlassen. Dies war 2x zu hören.

Beweis: H, geb. M, als Zeugin.

2.) Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung:

Der angerufene UVS hatte sich mit dem sicherheitsbehördlichen Vorgehen am 11.3.1996 auf Grund von Maßnahmenbeschwerden zu VwSen-420105 bereits auseinandergesetzt. Das Vorliegen einer Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes wurde bejaht. Gegen dieses Erkenntnis hat die Traunschützerin H am 26.8.1996 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht.

Es wird auf beiliegende Beschwerde verwiesen.

3.) Berufung wegen Strafe:

Der Strafrahmen von S 5.000,-- wurde zu 60% augeschöpft.

Meines Erachtens wäre mit einer Strafe in Höhe von 10% des Strafrahmens das Auslangen zu finden gewesen, zumal meine Besetzung aus Idealismus erfolgte, um die freie Fließstrecke der T vor einem energiepolitisch nicht notwendigen Kraftwerk zu schützen. Zu diesem Zweck habe ich persönliche Nachteile in Kauf genommen. Ich bin eine Anhängerin des gewaltfreien Widerstandes und bin auch bereit, Schmerzen in Kauf zu nehmen, wenn dadurch ein Stück Natur gerettet wird.

Um meine auch sonst soziale Einstellung zu bescheinigen, lege ich ein Schreiben der Lebenshilfe W bei.

Es wird daher beantragt, der Unabhängige Verwaltungssenat möge der Berufung Folge geben, nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung das Straferkenntnis zur Gänze aufheben; allenfalls die Strafe schuldangemessen herabsetzen.

R, 6. September 1996/k B" 3. Da keine 10.000,-- S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Zumal mit der Berufung die Übertretung auch dem Grunde nach bestritten wurde und auch ein diesbezüglicher Antrag gestellt wurde, war eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen (§ 51 Abs.1 VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land und Erörterung des erstinstanzlichen Verfahrensergebnisses, Zl.

Sich96-112-1996, insbesondere die Verlesung des vom Behördenvertreter angefertigten Aktenvermerkes vom 11.3.1996, die Verlesung der Zeugenaussage im erstbehördlichen Verfahren des unentschuldigt nicht erschienenen Zeugen H. H; ferner durch die Vernehmung des den Einsatz leitenden Bezirksgendarmeriekommandanten, Obstlt. M, der Zeugin H. K, sowie der Frau T als Beschuldigte im gleichzeitig durchgeführten Verfahren zu VwSen-230531 im Rahmen der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, an welchem auch ein Vertreter der Erstbehörde teilgenommen hat. Im Zuge der Verhandlung wurde der von der Gendarmerie aufgezeichnete Videofilm gesichtet.

4.1. Die Berufungswerberin hielt sich am Morgen des 11. März 1996 an der Baustelle des Kraftwerkes L im Bereich der Stelle der zu errichtenden Brücke bzw. des zu errichtenden südlichen Brückenkopfes auf. Sie war in den Morgenstunden dieses Tages gemeinsam mit der Zeugin K und anderen Personen in einer (einigen) aus Holzbalken errichteten, mit Zeltplanen abgedeckten und innen mit Stroh ausgelegten Hütte(n) aufhältig. Diese "Unterkünfte" (Camps) befanden sich im unmittelbaren Traunuferbereich errichtet und trugen die Bezeichnung "M". Diese Hütten befanden sich im Bereich von 100 m voneinander entfernt. Das Motiv des Aufenthaltes in diesen Unterkünften lag für die Berufungswerberin in der Manifestation der Überzeugung gegen die vermeintliche Zerstörung eines Stücks Natur durch den Bau des Kraftwerkes L einzutreten und den zu diesem Zweck bevorstehenden Bauarbeiten und Holzbringungsarbeiten durch Blockierung der Zufahrtswege sich zu widersetzen oder möglichst zu erschweren.

Kurz nach 08.00 Uhr, waren bereits zahlreiche Einsatzkräfte der Gendarmerie zusammengezogen worden und wurde um 08.05 Uhr durch einen Vertreter der Behörde (Bezirkshauptmannschaft Wels-Land) mittels Megafon die Aufforderung zum Räumen der Unterkünfte im Bereich des unteren Traunufers und zum Auseinandergehen ausgesprochen. Diese Anordnung war an alle in diesem Bereich aufhältigen Aktivisten gerichtet.

Dies erfolgte durch Verlesung eines vorbereiteten Textes, dessen Kern inhaltlich dem unten zit. Aktenvermerk entsprach. Von den Campinsassen und der Berufungswerberin, welche in ihrem Zusammensein am Camp intern organisiert waren, wurde die vom Behördenvertreter in einer Entfernung von ca. 40 Meter vorgenommene Verkündung der Auflösung dieser Zusammenkunft wahrgenommen. Vor der Räumung des Versammlungsortes bemerkten die Versammlungsteilnehmer "jetzt kommen sie", wobei mehrere Insassen der "Unterkünfte" sich gegenseitig mit diversen technischen Hilfsmittel aneinander fixierten (ihre Arme in Plastikrohren mit Schlaufen verbanden und einer sich mittels Sperrschloss um den Hals an einem Balken anhängte). Damit sollte die Räumung erschwert oder verzögert werden. Auch beim Abtransport mußten mehrere Teilnehmer weggetragen werden. Die Berufungswerberin konnte schließlich erst um ca. 09.10 Uhr von ihrer Fixierung befreit und abgeführt werden.

4.2.1. Der Aktenvermerk des Behördenvertreters vom Montag den 11. März 1996 wird nachfolgend in seinem gesamten Inhalt wiedergegeben:

"Im Baugelände Süd der , auf dem Grundstück Nr. KG. S wurden am 17.1.1996 Rodungsarbeiten im Zuge der Kraftwerkserrichtung vorgenommen. Diese Arbeiten konnten von der O und den beauftragten Subunternehmen nur unter Schutz und Abschirmung von zwei Zügen Einsatzeinheit, einem Zug sowie dem technischen Zug des vorgenommen werden.

Bereits einen Tag danach, am 18.1.1996, wurde gemäß der Tagesmeldung des Bezirksgendarmeriekommandos Wels-Land (GZ.

) die zum Zwecke der Holzbringung neuerrichtete Zufahrtsstraße für die am 17.1.1996 vorgenommene Steilhangrodung (Uferbereich) wiederum von den Aktivisten besetzt. Es wurden mehrere Sperren mit Holzstämmen errichtet. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß die geschlägerten Bäume teilweise bis zur Stammitte im Wasser der Traun lagen. Eine Holzbringung war am 17.1.1996 nicht mehr möglich und wurde am 18.1.1996 durch die Errichtung von Barrikaden und Sperren bereits wieder behindert. Auf der neuerrichteten Zufahrtsstraße zur Holzbringung (Baugelände Süd) wurde ein weiteres Zeltlager errichtet und die Wegbringung des Holzes weiter blockiert. Am 19.2.1996 wurde vom hydrographischen Dienst des Amtes der o.ö.

Landesregierung mitgeteilt, daß bei Einsetzen der Schneeschmelze bzw. aber auch beim Auftreten von Niederschlägen die Traun innerhalb von ein bis zwei Tagen um 100 cm bis 150 cm ansteigen kann. Auch zu diesem Zeitpunkt wurde die Holzbringung durch das nunmehr bezeichnete Widerstandslager "M" weiter behindert; das Lager wurde noch weiter ausgebaut.

Aufgrund der ansteigenden Temperaturen in der 10.

Kalenderwoche, der bevorstehenden Hochwassergefahr und der damit allenfalls verbundenen enormen finanziellen Schäden bei Abschwemmen des geschlägerten Holzes an flußabwärts gelegenen Brückenbauwerke bzw. Wasserkraftanlagen wurde ein Gendarmerieeinsatz für den 11. März 1996 festgelegt.

Nach einer kurzen Einsatzbesprechung am 11.3.1996 erfolgte um 7.30 Uhr die Fahrt zum Einsatzort mit dem Ziel, die nicht angemeldete Versammlung der Aktivisten auf der neuerrichteten Zufahrtsstraße zur Holzbringung (im Baugelände Süd) nach dem Versammlungsgesetz behördlicherseits aufzulösen. Im Zufahrtsbereich - von der W kommend - auf einem unbefestigten Behelfsweg zwischen dem Gaslager der und der abfallenden Geländekante zum Traunufer - waren bereits einige Aktivisten versammelt, die den Exekutiv- und Behördenorganen die Zufahrt mit den Fahrzeugen behindern wollten. Nach einem kurzen Gespräch gaben diese den Weg frei, jedoch mußten einige Einsatzkräfte über einen nahegelegenen Waldweg, der die E der S quert, den ursprünglichen Zufahrtsbereich umfahren. Diese Wegeparzelle (Grundstück Nr. , KG. S) endet unmittelbar im Bereich des Widerstandscamps "S". Unmittelbar nach unserem Eintreffen konnte von der Geländekante aus festgestellt werden, daß die neuerrichtete Zufahrtsstraße (von ihrem Beginn weiter flußabwärts bis in etwa der Höhe des Gaslagers der flußaufwärts) von den Aktivisten mit mehreren Holzbarrikaden (aus bereits geschlägertem Holz), Zelten und Hütten blockiert war. Einige Aktivisten sind bereits auch in sogenannten Widerstandsnestern in den von der Rodung nicht betroffenen Bäumen gesessen und haben unmittelbar nach unserem Eintreffen mehrfach in Richtung der Zelte und Hütte gerufen:

Paßt' s auf, Sie kommen!" Es konnte auch gut festgestellt werden, daß diese Personen mittels Funktelefonen mehrere Gespräche geführt haben. Auf einer Planenabdeckung einer großen rechteckig ausgebildeten Hütte war das Wort M aufgesprüht. Um ca. 7.45 Uhr waren die Gendarmerieeinsatzkräfte im unwegsamen Gelände soweit aufgezogen, daß zum weiter flußaufwärts im wirklichen Auwald gelegenen Hauptwiderstandscamp eine faktische Absperrung gegeben war; dies auch gegenüber dem nahe der Geländekante gelegenen Widerstandscamp "S".

Im Auftrag von Herrn Bezirkshauptmann W.Hofrat Dr. S habe ich mich dann mit einem Megaphon direkt zum Widerstandscamp "M" begeben. In der Richtung Geländeböschung teilweise einsehbaren Hütte saßen mehrere Personen um ein Lagerfeuer, eine weitere Person ausgerüstet mit Kameras stand unmittelbar beim Eingang und war in Begriff, die Behördenund Gendarmerieorgane zu fotografieren. Aus der Hütte selbst war ein Protestlied deut1ich wahrnehmbar, mit einem Refrain wie folgt: "... laßt Euch nicht belügen, laßt Euch nicht betrügen, von dieser O im Land, reicht Euch die Hände zum Widerstand....".

Der Zweck dieser Versammlung war offensichtlich wieder, die Holzbringungsarbeiten an der neuerrichteten Zufahrtsstraße zu behindern. Dies äußerte sich auch in dem Umstand, als die Aktivisten nicht bereit waren, die Holzbringungsarbeiten so wie ursprünglich vorgesehen - mittels Greifbagger und Lkw zu ermöglichen. Flußabwärts gelegen waren weitere von den Aktivisten errichtete provisorische Holzhütten erkennbar, ferner waren mehrere Igluzelte aufgestellt. Flußabwärts gelegen befand sich auch eine größere Anzahl von Personen vor den Zelten und den Hütten, die nach dem Bild, das sich mir bot, weiter vor hatten, die Holzbringungsarbeiten zu behindern. Nach dem äußeren Erscheinungsbild war hier eine Versammlung nach dem Versammlungsgesetz gegeben, die zudem nicht fristgerecht bei der zuständigen Sicherheitsbehörde angemeldet war. Ich habe daraufhin mittels Megaphon den Versammlungsteilnehmern verkündet:

"Achtung, Achtung, hier spricht der Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land. Ich ersuche Sie, diese unangemeldete Versammlung freiwillig aufzulösen und sofort auseinanderzugehen. Sollte diese Versammlung nicht unverzüglich freiwillig aufgelöst werden, müßte sie behördlich untersagt und aufgelöst werden. Es müßten ferner dann auch allenfalls Zwangsmittel angewendet werden und laufen Sie Gefahr, verwaltungsbehördlich bestraft zu werden. Ich ersuche sie nochmals diese Versammlung sofort freiwillig aufzulösen." Trotz Zuwartens von einigen weiteren Minuten waren die Versammlungsteilnehmer nicht bereit, den Versammlungsort zu verlassen. Statt dessen war immer wieder aus der großen rechteckigen und mit Planen abgedeckten Holzhütte das bereits oben zitierte Protestlied wahrnehmbar. Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes wurde um 8.10 Uhr am Ort der Versammlung den Versammlungsteilnehmern mittels Megaphon verkündet:

"Achtung, Achtung, hier spricht der Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land; gemäß § 13 und gemäß § 14 Versammlungsgesetz 1953, BGBl.Nr. 98/1953 i.d.g.F., wird angeordnet: Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land untersagt gemäß § 13 des Versammlungsgesetzes 1953 i.d.g.F. die im Bereich dieses Grundstückes stattfindende Versammlung und löst sie nach dieser Gesetzesbestimmung auf. Alle Anwesenden sind verpflichtet, den genannten Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen. Im Falle des Ungehorsams müssen Zwangsmittel angewendet und die Räumung des Versammlungsortes verfügt werden. Die Weigerung den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen stellt eine Verwaltungsübertretung dar, die gemäß § 19 Versammlungsgesetz 1953 i.d.g.F. mit einer Arreststrafe bis zu sechs Wochen oder mit einer Geldstrafe bis zu S 5.000,bestraft werden kann." Trotz weiteren Zuwartens haben die Versammlungsteilnehmer keine Anstalten gemacht, den Versammlungsort sogleich zu verlassen. Um 8.20 Uhr wurde die behördliche Versammlungsauflösung (Text wie oben) nochmals mittels Megaphon verkündet. Ferner habe ich mittels Megaphon bekanntgegeben, daß die Versammlungsteilnehmer noch drei Minuten Zeit haben, den Versammlungsort zu verlassen. Das oben genannte Protestlied war wiederum deutlich aus der provisorischen Holzhütte wahrnehmbar.

Um ca. 8.23 Uhr habe ich der Exekutive die Weisung erteilt, sämtliche Versammlungsteilnehmer wegen Verharren in einer strafbaren Handlung festzunehmen und anschließend zum GP. L zu verbringen. Die Festnahmen gestalteten sich aufgrund des Geländes als schwierig, da manche der Festgenommenen nicht bereit waren zu gehen, sondern teilweise mit vier Exekutivbeamten über den Steilhang hinaufgetragen werden mußten.

Auffällig war auch der Umstand, daß sogar nach den ersten Festnahmen die übrigen Versammlungsteilnehmer nicht bereit waren, den Versammlungsort sogleich zu verlassen, sodaß seitens der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes wegen der Übertretung gemäß § 14 i.V.m. § 19 Versammlungsgesetz und weiterem Verharren in der strafbaren Handlung insgesamt 16 Festnahmen ausgesprochen werden mußten. Die festgenommenen Personen wurden gruppenweise zum Gendarmerieposten L verbracht und im Anschluß daran verwaltungsstrafbehördlich bestraft. Die Festnahmezeitpunkte und die Aufhebung der jeweiligen Festnahmen sind in den einzelnen Verwaltungsstrafakten genau dokumentiert.

Um ca. 12.00 Uhr war kein einziger Versammlungsteilnehmer mehr auf der neuerrichteten Zufahrtsstraße zur Holzbringung.

Unmittelbar im Anschluß daran haben die Kraftwerksbetreiber und beauftragte Subunternehmen begonnen, die errichteten Barrikaden, konsenslosen Bauwerke und aufgestellten Zelte zu beseitigen; die im Eigentum bzw. Besitz der Versammlungsteilnehmer stehenden beweglichen Sachen wurden von der bzw. einem Subunternehmer weggebracht und im Anschluß daran den freigelassenen Versammlungsteilnehmern wiederum ausgefolgt.

Ab 12.30 Uhr konnten die Holzbringungsarbeiten wiederum störungsfrei aufgenommen werden. Zur weiteren Sicherung der Holzbringungsarbeiten wurde eine personenmäßig reduzierte Gruppe der Einsatzeinheit an Ort und Stelle zurückgelassen.

Im Verlauf des weiteren Tages kam es zu keinen Spontanversammlungen oder sonstigen Behinderungen der Holzbringungsarbeiten.

W, am 18.3.1996 (Mag. P)." 4.2.2. Diese Veranstaltung war der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land nicht angezeigt worden. Die unter 4.1. getroffenen Feststellungen ergaben sich insbesondere aus der Videoaufzeichnung. Diese zeigte, dass die Berufungswerberin mit einer anderen am Boden liegenden Person, die Arme gegenseitig in ein Rohr gesteckt, verbunden war. Mit dieser Illustration gut in Einklang zu bringen waren die Angaben der Zeugin K. Diese legte in recht lebendiger Form die Motivation ihres Aufenthaltes in L, die Situation des Lagerlebens und die Vorgänge anläßlich der Auflösung derselben dar. Auch die Beschuldigte T brachte zum Ausdruck, daß sie die Megafondurchsage wahrgenommen hatte, wenngleich sie diese nicht vollinhaltlich verstehen hätte können. Sie habe sich in einem nächst den Camps auf einem Baumhaus befunden. Von dort aus habe sie die Vorgänge im Zuge des Einschreitens überblicken können. Die Zeugin K ließ keinen Zweifel darüber, dass sie den Auflösungsbeschluss nicht verstanden gehabt hätte. Dafür spricht die gegenseitige Fixierung mit den bereitgehaltenen technischen Hilfsmittel just zum Zeitpunkt als die Auflösung verkündet wurde. In diesen geschilderten Vorgängen kommt die Absicht der Manifestation in geradezu typischer Weise zum Ausdruck.

Ebenso verdeutlichte die Aussage des Obstlt. M, dass die Vorgänge auf der Baustelle und die Verhalten der Aktivisten im Zweck einer Manifestation zum Ziel der Vereitelung des Bauforschrittes an der Kraftwerksbaustelle zum Inhalt hatte.

Von einem jahrzehntelang im Exekutivdienst erfahrenen Beamten kommt eine solche Beurteilung besondere Aussagekraft zu.

Der in der schriftlichen Verantwortung inhaltlich zum Ausdruck gebrachten Ansicht, dass diese Veranstaltung objektiv nicht den Charakter einer Versammlung gehabt hätte geht daher ins Leere und muß als Schutzbehauptung qualifiziert werden.

5.1. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1.1. Als Vorfrage war zunächst zu klären, ob einerseits eine Versammlung nach dem Versammlungsgesetz vorlag und ob diese zu untersagen war und nach den gegebenen Umständen aufgelöst werden durfte bzw. mußte (VfGH 23.9.1983, Zl.

23/09/1983). Dies ist hier zu bejahen! 5.1.2. Die Teilnahme an einem sogenannten Widerstandscamp, das organisierte Zusammenwirken zur Manifestation eines bestimmten Zieles und die Organisation der Möglichkeit zur Leistung von passivem Widerstand ist bereits in seiner Struktur als bloß "vorübergehend organisierte Zusammenkunft" zu qualifizieren. Dies hat die Berufungswerberin insbesondere durch ihren Aufenthalt im Camp und ihr Verhalten bei der Räumung - gegenseitiges Fixieren in einem Rohr - erkennen lassen. Diese Qualifikation wurde offenbar auch in einem vor dem h. Verwaltungssenat, Erk. v.

25.7.1996, VwSen-420101, getroffen.

Wie der VfGH schon wiederholt ausgesprochen hat, ist die Zusammenkunft mehrerer Personen dann als Versammlung iS des VersG 1953 zu werten, wenn sie in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw.) zu bringen (VfGH Slg.Nr.

9783/1983). Durch den Versuch in aktionistischen Maßnahmen Bauarbeiten zu verhindern, wobei erhebliche Verzögerungen im Fortgang erwirkt wurden, läßt an einer Assoziation der Zusammengekommenen keinen Zweifel aufkommen (VfGH 23.9.1983, B 671/80). Die Versammlung war etwa auch nicht bloß auf geladene Gäste beschränkt und damit auch nicht von der Anzeigepflicht nach § 2 Versammlungsgesetz ausgenommen. Dies wäre etwa nur dann der Fall, wenn die Teilnehmer persönlich und individuell vom Veranstalter der Versammlung zum Erscheinen geladen werden und wenn der Veranstalter Vorkehrungen trifft, durch die die Nichtzulassung Ungeladener gesichert ist (vgl. VfSlg. 7762/1976; VfGH 23.9.1983 B 671/80). Der unter den Teilnehmern bekannte Umstand der damals in L eingerichtet gewesenen "Actions-Camps", welche von den Teilnehmern quasi durch freies Kommen und Gehen erhalten wurde, läßt keinen Zweifel dahingehend aufkommen, daß es sich hier um eine für den einzelnen Teilnehmer jeweils um eine zeitlich begrenzte Tätigkeit der Manifestation handelte.

Die Behörde darf - wie aus dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 VersG hervorgeht - eine gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltete Versammlung nur "nach Umständen" auflösen (mit Hinweis auf VfSlg. 7762/1976 und VfGH 23.9.1983, B 671/80). Für eine behördliche Versammlungsauflösung muß also ein zureichender Grund vorliegen. Das im jeweiligen Fall - hier als Vorfrage vom unabhängigen Verwaltungssenat selbständig zu beurteilen - rechtmäßige Verhalten der Behörde ist wohl vor dem Hintergrund der Versammlungsfreiheit zu beurteilen.

Der staatsvertragliche (materielle) Gesetzesvorbehalt, wie er im Art. 11 Abs. 2 MRK umschrieben wird, gilt auch im innerstaatlichen Bereich und leitet die Vollzugsorgane an, wenn sie einen zureichenden Grund für eine Versammlungsauflösung annehmen dürfen (vgl. hiezu das die Ermächtigung der Behörde, einen Verein aufzulösen, betreffende Erk.

VfSlg. 8090/1977).

Die Umstände, die zur Verletzung der Anzeigepflicht hinzuzutreten haben, um eine Versammlungsauflösung zu rechtfertigen, müssen also so geartet sein, dass ohne diese Maßnahme eines der in der zitierten Konventionsnorm aufgezählten Schutzgüter gefährdet wäre. Nach der sich aus Art. 11 Abs.2 MRK ergebenden Richtlinie ist dies allem voran der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Hier das Recht des Eigentümers sein Bauvorhaben und sein Eigentum zu schützen vorzunehmen; zusätzlich war hier die öffentliche Sicherheit und die Aufrechterhaltung der Ordnung zu gewährleisten (VfGH Slg. 6883/1972, sowie VfGH 23. 6. 1977, B 209/76). Im gegenständlichen Fall war der Eingriff der Behörde (die Auflösung der Versammlung) insbesondere zum Zweck der Vermeidung des Abschwemmens der nächst der ufernahen Camps gelagerten Baumstämme durch das drohende Hochwasser, somit insbesondere des Eigentumsschutzes und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, dringend geboten.

Ob solche Umstände vorlagen, hatte das Behördenorgan nach dem Bild zu beurteilen, das sich ihm an Ort und Stelle bot.

Hier wurde obendrein ohnedies erst eingegriffen als der Zweck der Demonstration/Manifestation schon längst erreicht gewesen zu sein schien. Eine darüber hinausgehende Blockierung von rechtlich geschützten Interessen sprengt den gesetzlich geschützten Bereich der Demonstrationsfreiheit.

Die Beurteilung des Handelns der Behörde hatte hier aus einer ex-ante Sicht zu erfolgen.

5.2. Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit schon fahrlässiges Verhalten (§ 5 Abs.1 VStG erster Satz). Hier ist jedoch von der Schuldform des Vorsatzes auszugehen.

Vorsätzlich handelt, wer zumindest in Kauf nimmt (Eventualvorsatz), dass er mit seinem Handeln ein gesetzliches Tatbild (hier Verweilen auf dem Versammlungsort nach deren Auflösung) verwirklicht.

5.2.1. Der hier in der Rechtfertigung vertretenen Rechtsansicht, dass dieses Verhalten nach § 6 VStG entschuldbar wäre bzw. dem Verhalten - im Schutz eines übergeordneten Rechtsgutes - als übergesetzlicher Notstand zu qualifizieren sei, entbehrt einer rechtlichen Grundlage. Damit wäre jedes auf subjektiver Überzeugung basierende rechtswidrige Verhalten entschuldbar und der Rechtsstaat weitgehend seiner Funktion entledigt.

5.3. Auch der Einwand der Berufungswerberin der nicht ausreichenden Tatortbezeichnung trifft nicht zu.

Dem Spruch des Straferkenntnisses kommt zwar im Hinblick auf die in § 44a Z1 bis 5 VStG festgelegten Erfordernissen besondere Bedeutung zu. Die zentrale Frage, wie ein Spruch abgefaßt sein muß, um der Bestimmung des § 44a Z1 VStG zu entsprechen, ergibt sich aus der hiezu entwickelten Judikatur des VwGH. Ein bedeutender Schritt zur Lösung der Problematik wird im Erkenntnis des VwGH v. 13.6.1984 Slg.

11466 A gesehen werden, in dem dargelegt wurde, dass die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben ist, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2. die Identität der Tat nach Ort und Zeit unverwechselbar feststeht.

Ferner ist es für die Befolgung der Vorschrift des § 44a Z1 leg.cit. erforderlich, daß im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er (sie) a) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen (sich auf den Tatvorwurf hin verteidigen zu können) und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch des Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a Z1 VStG genügt oder nicht genügt, mithin, ob die erfolgte Tatortund Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder rechtswidrig erscheinen läßt (siehe obzit.Judikat). Hier ist eine zweifelsfreie Identifizierbarkeit der Tatörtlichkeit gegeben. Es kann bei diesem Sachverhalt nicht auf eine fast punktgenaue (etwa koordinatenmäßige) Bezeichnung der Positionierung des Camps (Hütte) ankommen. Die Bezeichnung "im Bereich des Widerstandscamps "M" erfüllte den gesetzlichen Zweck in jeder Richtung hin. Es kann nicht erkannt werden, worin die Berufungswerberin durch diese Tatumschreibung einen im obigen Sinne bezeichneten Rechtsnachteil erleiden hätte können. Die Tatzeit war jedoch zu präzisieren und der Aktenlage entsprechend zu umschreiben.

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. In der Sache selbst wurde durch die von der Berufungswerberin geübte Verhaltensweise gesetzlich geschützten Interessen wohl in massiver Weise zuwidergehandelt. Es wurden durch die Unterbrechung der Bauarbeiten und Blockierung der Baumaschinen, neben dem Anspruch des Gemeinwesens auf Ruhe und Ordnung auch private und wirtschaftliche Interessen empfindlich beeinträchtigt. Diese Interessensschädigung mußte mit einem großen Einsatz der Exekutive entgegengetreten werden, welcher letztlich wiederum vom Steuerzahler finanziert werden mußte. Daran ändert auf der objektiven Tatebene auch nichts die Tatsache, dass die Berufungswerberin aus Überzeugung für ein globales Ziel unter Tragung auch persönlichen Unbills und somit auch aus achtenswerten Gründen die Verwaltungsübertretung in Kauf genommen haben mag. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass auch aus subjektiver Überzeugung höchste Ziele, für welche die Berufungswerberin mit Nachdruck einzutreten bereit gewesen zu sein schien, hinter ein Staatsziel zurücktreten müssen.

Daher kann ein Gesetzesbruch damit nicht gerechtfertigt oder entschuldigt werden. Jede andere Sicht würde mit den Grundsätzen eines Rechtsstaates nicht vereinbar sein.

6.1.1. Als Milderungsgrund konnte hier entgegen der Sicht der Erstbehörde die bisherige verwaltungsstrafrechtiche Unbescholtenheit zur Geltung kommen. Es konnte daher unter weiterer Berücksichtigung angesichts der erheblich ungüstigeren Einkommenssituation als von der Erstbehörde angenommen mit einer Bestrafung im unteren Drittel des Strafrahmens das Auslangen gefunden werden. Die Berufungswerberin ist Studentin und verfügt über kein eigenes Einkommen. Diese Strafe ist jedoch sowohl aus Gründen der Generalprävention indiziert und scheint ferner vom Gesichtspunkt der Spezialprävention erforderlich um die Berufungswerberin künftighin von derartigen Übertretungen abzuhalten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r

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