Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521549/7/Ki/Da

Linz, 31.05.2007

 

                                                          E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Herrn Ing. W S, R, E, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH P, V & P, R, C, vom 16.2.2007 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 31.1.2007, VerkR20-44906-2007/RI, wegen Erteilung einer Auflage in Zusammenhang mit der Lenkberechtigung nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 24.5.2007 zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben. Die Erteilung der Auflage, es sei alle 5 Jahre eine Kontrolluntersuchung (internistischer Befund inklusive Beurteilung der diabetischen Nephropathie, diabet. Neuropathie, mikro- u. makrovaskuläres Gefäßscreening, Beurteilung der Hypoglykämiewahrnehmung, sowie einen augenfachärztlichen Befund inkl. Gesichtsfeldbeurteilung und des Dämmerungssehens) durchzuführen und ein Bericht darüber bei der Führerscheinstelle der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. abzugeben (Zahlencode 104) wird aufgehoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 iVm 67a Abs.1 AVG; § 5 Abs.5 FSG

 

 

                                                     Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid hat die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis die Herrn Ing. S erteilte (am 8.1.2007 abgelaufene) Lenkberechtigung für die Klasse B ohne weitere zeitliche Befristung unter der Auflage, dass alle 5 Jahre eine Kontrolluntersuchung (internistischer Befund inklusive Beurteilung der diabetischen Nephropathie, diabet. Neuropathie, mikro- u. makrovaskuläres Gefäßscreening, Beurteilung der Hypoglykämiewahrnehmung, sowie einen augenfachärztlichen Befund inkl. Gesichtsfeldbeurteilung und des Dämmerungssehens) durchzuführen und ein Bericht darüber bei der Führerscheinstelle der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. abzugeben ist, verlängert. Angeordnet wurde, dass die Auflage mittels Zahlencode "104" im Führerschein einzutragen ist.

 

Als weitere (unbekämpfte) Auflage wurde angeordnet, dass eine Brille, mit der die erforderliche Sehschärfe erreicht wird, zu tragen bzw. diese Auflage mittels Zahlencode "01.01" im Führerschein einzutragen ist.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis stützt die Entscheidung auf ein amtsärztliches Gutachten vom 22.9.2006, wonach festgestellt wurde, dass derzeit die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Fahrzeugen unter Einhaltung der im Spruch angeführten Auflage gegeben sei.

 

2. Dagegen richtet sich die vorliegende Berufung vom 16.2.2007. Es wird der Antrag gestellt, die Berufungsbehörde möge den bekämpften Bescheid dahingehend teilabändern, dass dem Berufungswerber keine Auflage erteilt wird, dass er alle 5 Jahre eine Kontrolluntersuchung (internistischer Befund inklusive Beurteilung der diabetischen Nephropathie, diabet. Neuropathie, mikro- u. makrovaskuläres Gefäßscreening, Beurteilung der Hypoglykämiewahrnehmung, sowie einen augenfachärztlichen Befund inkl. Gesichtsfeldbeurteilung und des Dämmerungssehens) durchzuführen und einen Bericht darüber bei der Führerscheinstelle der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. abzugeben hat, wobei die Auflage mittels Zahlencode "104" im Führerschein eingetragen wird. Ausgeführt wurde, dass im Übrigen der Bescheid unbekämpft bleibt.

 

Im Wesentlichen verweist der Berufungswerber auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Notwendigkeit derartiger Nachuntersuchungen nur dann gegeben sei, wenn eine Krankheit festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Der angefochtene Bescheid verweise in seiner Begründung auf ein amtsärztliches Gutachten. Tatsächlich sei im Gutachten der Amtsärztin gerade nicht gutachterlich festgestellt worden, dass beim Berufungswerber trotz der vorliegenden Stabilisierungen in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden müsse. Es sei ganz im Gegenteil festgestellt worden, dass keine gesundheitliche Risikoerhöhung beim Beschuldigten bestehe.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt, dieser hatte durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 24.5.2007. An dieser Verhandlung nahmen der Berufungswerber im Beisein seines Rechtsvertreters sowie ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis teil. Weiters wurde die Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis, Dr. A L, zur Erörterung ihres Gutachtens der Verhandlung beigezogen.

 

Beim Berufungswerber besteht ein langjähriger insulinpflichtiger Diabetes mellitus, weshalb bisher seine Lenkberechtigung stets befristet war. Am 30.1.2007 stellte er einen Antrag auf Austausch des Führerscheines (gemeint wohl: Wiedererteilung bzw. Verlängerung) hinsichtlich der Klassen A und B.

 

In ihrem amtsärztlichen Gutachten vom 15.1.2007 erachtete die Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis den Berufungswerber als geeignet zum Lenken eines Kraftfahrzeuges der Klassen A und B. Es wurde jedoch die Erteilung von Auflagen, nämlich die Verwendung einer Brille sowie die Anordnung der gegenständlichen Kontrolluntersuchung vorgeschlagen.

 

Die Amtsärztin begründete diesen Vorschlag mit einem langjährigen insulinpflichtigen Diabetes mellitus, wobei sie jedoch feststellte, dass im Beobachtungszeitraum der letzten 5 Jahre die HbA1c-Werte regelmäßig im Normbereich lagen bzw. eine stabile Stoffwechsellage vorlag. Bezüglich der bereits eingetretenen diabetischen Folgeschäden liege eine Stabilisierung der Nephropathie mit rückläufiger Eiweißausscheidung vor, seit 1987 sei es zu keiner Verschlechterung der diabet. Retinopathie gekommen. Der Blutdruck sei medikamentös gut eingestellt. Bisher sei es zu keinem Auftreten eines schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignisses oder zu Komplikationen auf Grund der diabet. Folgeschäden gekommen. Interventionspflichtige Hypoglykämien mit Fremdhilfen seien in den letzten 6 Monaten nicht aufgetreten, eine ausreichende Hypoglykämiewahrnehmung sei fachärztlich bestätigt. Da nicht zwingend das Risiko für das Eintreten eines kardivaskulären Zwischenfalls oder eine massive Verschlechterung der bereits bestehenden diabet. Folgeschäden in den nächsten 5 Jahren erhöht sei, bestehe eine unbefristete Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1. Bei bereits eingetretenen Folgeschäden seien jedoch regelmäßig fachärztliche Kontrollbefunde zu erbringen, diese müssten eine solche massive Verschlechterung ausschließen.

 

Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung wurde das amtsärztliche Gutachten erörtert, wobei die Amtsärztin zunächst erklärte, dass der Umstand, dass hinsichtlich der Folgeschäden eine Stabilisierung gegeben sei, nicht bedeute, dass keine derartigen Folgeschäden mehr bestehen würden. Es komme als Spätfolge des Diabetes zu Schädigungen an den Gefäßwänden der allerkleinsten Gefäße, sodass es zu einer Minderdurchblutung von den betroffenen Organen komme. Vor allem seien betroffen das Auge bzw. die Niere, es werde aber auch die Nervenversorgung derart geschädigt, dass es zu einer Schädigung der Nerven und des Nervensystems komme.

 

Konkret fassbar an Spätschäden bei Herrn Ing. S sei dokumentiert die Nierenschädigung. Diese Schädigung sei zwar derzeit bei stabiler Blutdruckeinstellung in einem stabilen Bereich, als Risikofaktor komme dazu im konkreten Falle jedoch der Nikotinkonsum des Berufungswerbers.

 

Bezüglich Spätschäden am Auge bestehe derzeit ein stabiler Zustand, es seien aber Narben von einer durchgeführten Lasertherapie im Jahr 1987 vorhanden. Die Gefahr bestehe darin, dass man selber eine allfällige Verschlechterung nicht unmittelbar bemerke, es komme dann zu einer Netzhautblutung bzw. zu einer Glaskörpereinblutung.

 

Weiters sei auch eine diabetische Nervenschädigung bereits eingetreten, diesbezüglich hat sie jedoch den Einwand des Berufungswerbers, dass dies vor 20 Jahren festgestellt und seither keine Verschlechterung eingetreten sei, nicht widerlegt. Es bestehe auch diesbezüglich derzeit kein Hinweis auf ein Fortschreiten.

 

Da hinzugekommen seien die diabetischen Makroangiopathieschäden, diesbezüglich verwies sie auf einen vorliegenden Ambulanzbericht des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern Ried im Innkreis, wonach ein Verdacht auf eine periphäre arterielle Verschlusskrankheit vom Unterschenkeltyp festgestellt wurde. Es handle sich dabei um eine Einschränkung in der Durchblutung, welche laut Ambulanzbereich als gering einzustufen sei. Diesbezüglich erwiderte der Berufungswerber glaubhaft, dass er eine diesbezügliche weitere Untersuchung vornehmen ließ und sich dabei der Verdacht nicht erhärtete.

 

Resümierend stellte die Amtsärztin fest, dass auf Grund des Wesens einer chronischen schweren Erkrankung ein Fortschreiten der Spätsymptome anzunehmen sei. Erschwerend komme hiezu, dass der Nikotinkonsum einen hohen Risikofaktor darstelle und es werde daher die im amtsärztlichen Gutachten vom 15.1.2007 vorgeschlagene Kontrolluntersuchung aufrecht erhalten. Allerdings führte sie auf ausdrückliches Befragen, ob zwingend davon auszugehen sei, dass beim Berufungswerber eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes so weit eintritt, dass seine Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen eingeschränkt werden könnte, aus, in der Medizin könne generell nicht davon ausgegangen werden, dass mit 100%iger Sicherheit etwas eintrete.

 

6. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 5 Abs.5 FSG ist die Lenkberechtigung, soweit dies aufgrund des ärztlichen Gutachtens oder wegen der Art der Lenkberechtigung nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit nötig ist, unter den entsprechenden Befristungen, Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen.

 

Gemäß § 11 Abs.1 FSG-GV darf Zuckerkranken eine Lenkberechtigung nur nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme erteilt oder belassen werden.

 

Im vorliegenden Falle ist nun zu prüfen, ob beim Berufungswerber eine fortschreitende Erkrankung, welche eine Einschränkung der Lenkberechtigung begründen würde, vorliegt. Fortschreitende Erkrankungen werden im § 3 Abs.5 FSG‑GV allgemein geregelt, Bestimmungen zur Zuckerkrankheit finden sich in § 11 FSG‑GV. Hinsichtlich fortschreitender Erkrankungen enthält die Bestimmung des § 11 FSG‑GV keine vom § 3 Abs.5 FSG‑GV abweichende Spezialbestimmung.

 

§ 3 Abs.5 zweiter Satz FSG-GV regelt, dass eine Stabilisierung der Erkrankung oder Behinderung die Grundlage für die Aufhebung der bei der befristeten Erteilung oder Belassung der Lenkberechtigung zu verfügenden Auflagen bildet. Grundsätzlich muss dazu festgestellt werden, dass die Bestimmung wohl so zu verstehen ist, dass nicht nur eine Befristung sondern jede Einschränkung der Lenkberechtigung entsprechend zu beurteilen ist.

 

Allgemein muss festgestellt werden, dass nicht schon eine vorübergehende, sondern eine dauerhafte Stabilisierung einer ihrer Art nach als fortschreitende Erkrankung anzusehende Krankheit gemeint ist. Diese muss also derart zum Stillstand gekommen sein, dass nach dem medizinischen Wissensstand keine weitere Verschlechterung zu befürchten ist. Nur dann kann von einer Befristung Abstand genommen werden, ohne eine vorhersehbare Gefährdung der Verkehrssicherheit in Kauf zu nehmen. Bei Eintritt einer Stabilisierung im besagten Sinne liegt keine fortschreitende Erkrankung mehr vor (siehe VwGH 2003/11/0315 vom 20.4.2004).

 

Diesbezüglich hat der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie (Änderung vom 26.1.2005) in einem Durchführungserlass hingewiesen, dass keine allgemeine Notorietät dahingehend besteht, dass bei jeder Art der Zuckerkrankheit (auch nicht im Falle eines insulinabhängigen Diabetes mellitus) mit einer Verschlechterung gerechnet werden muss, die die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließt oder einschränkt.

 

Der amtsärztliche Sachverständige hat darzulegen, ob und warum im konkreten Fall mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden (bzw. einschränkenden) Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Betroffenen zu rechnen ist, wobei dies grundsätzlich auch auf jene Fälle zutrifft, wo es bereits zu Sekundärschäden gekommen ist.

 

Im vorliegenden Falle hat die Amtsärztin festgestellt, dass die unbefristete Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 gegeben sei, lediglich in Anbetracht der Folgeschäden sei jedoch die vorgeschlagene Kontrolluntersuchung erforderlich. Wohl hat die Amtsärztin im Rahmen der Erörterung ihres Gutachtens nochmals auf diese Folgeschäden bzw. auf das erhöhte Risiko infolge des Nikotinkonsums hingewiesen, es konnte von ihr jedoch nicht konkret dargelegt werden, warum es sich im vorliegenden Falle um eine fortschreitende Erkrankung iSd § 3 Abs.5 FSG-GV handeln könnte.

 

Dass nach allgemeiner Lebenserfahrung eine weitere Verschlechterung nicht ausgeschlossen werden könne, mag zutreffen, daraus ergibt sich jedoch kein konkreter Hinweis auf das Vorhandensein einer fortschreitenden Erkrankung im gegenständlichen Falle. Es finden sich auch keinerlei Hinweise dahingehend, wann allenfalls eine Verschlechterung der Krankheit eintreten könnte und es sind auch konkrete Anzeichen für die Änderung des derzeitigen Zustandes nicht hervorgekommen.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vertritt die Auffassung, dass das ärztliche Gutachten des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis als Begründung für die als notwendig erachtete Anordnung der Kontrolluntersuchung zu wenig Aussagekraft hat. In diesem Sinne konnte der Berufung Folge gegeben werden.

 

Bezüglich der Auflage, eine Brille, mit der die erforderliche Sehschärfe erreicht wird, zu tragen, wurde der angefochtene Bescheid ausdrücklich nicht angefochten, diese Auflage ist mittlerweile in Rechtskraft erwachsen.

 

Hinsichtlich Lenkberechtigung für die Klasse A wird seitens der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis eine Berichtigung iSd § 62 Abs.4 AVG vorgenommen.

 

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

 

 

                                                     Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

                                                                    Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180  Euro zu entrichten.

 

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

 

 

                                                                Mag. K i s c h

 

                                                                                                                                                      

 

Beschlagwortung:

Diabetes mellitus stellt nicht schlechthin eine fortschreitende Erkrankung dar;

 

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