Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162221/4/Br/Ps

Linz, 01.06.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn O K, geb. 20.8.1972, S, vertreten durch RA Dr. J P, M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshaupt­mann­schaft Ried im Innkreis vom 3. Mai 2007, Zl. VerkR96-9046-2006, nach der am 25. Mai 2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

 

I.        Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 10/2004 – AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 117/2002 – VStG.

 

II.      Zuzüglich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten werden als Kosten für das Berufungsverfahren 12 Euro (20 % der verhängten Geldstrafe) auferlegt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 u. 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis wegen der Übertretungen nach § 103 Abs.2 KFG 1967 iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 60 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 20 Stunden verhängt und wider ihn folgender Tatvorwurf erhoben:

"Sie haben es als Zulassungsbesitzer des PKW  trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 15.12.2006, rechtswirksam zugestellt am 19.12.2006, unter­lassen, der Behörde binnen 2 Wochen Auskunft darüber zu erteilten, wer dieses Fahrzeug am 06.11.2006 in Ried i.I., Kirchenplatz vor Kirchturm, im Bereich des Vorschriftszeichens 'Halten und Parken verboten' abgestellt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann."

 

1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz aus wie folgt:

"Die Stadtpolizei 4910 Ried i.I. setzte gegen den Lenker des PKW  am 06.11.2006 mit Organstrafverfugung gemäß § 50 Verwaltungsstrafgesetz 1991 wegen Übertretung nach § 24 Abs. 1 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 20,00 Euro fest, weil Ihr KFZ am 06.11.2006, um 11:45 Uhr, in Ried i.I., Kirchenplatz vor Kirchturm, im einem beschilderten Halte- und Parkver­bot abgestellt war.

 

Da der durch die Organstrafverfugung festgelegte Strafbetrag binnen der nach § 50 Abs. 6 VStG gegebenen Frist von 2 Wochen nicht einbezahlt wurde und dies als Verweigerung der Zahlung des Strafbetrages gilt, wurden Sie von der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. als Zulassungsbesit­zer des PKW  mit Schreiben vom 15.12.2006, VerkR96-9046-2006, gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 aufgefordert, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens bekannt zu ge­ben, wer das Fahrzeug zuletzt vor dem 06.11.2006, um 11:45 Uhr in Ried i.I., Kirchenplatz vor Kirchenturm, im Bereich des Vorschriftszeichen „Halten und Parken verboten" abgestellt hat.

 

Da Sie der hs. Behörde diese Auskunft nicht erteilt haben, wurde gegen Sie als Zulassungsbesit­zer des PKW  wegen der im Spruch angeführten Verwaltungsübertretung eine Straf­verfügung (Strafbetrag 60,00 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe 20 Stunden) erlassen, gegen die Sie, rechtsfreundlich vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P, M, mit Schriftsatz vom 25.01,2007 rechtzeitig Einspruch erhoben. Weiters ersuchten Sie um Gewährung der Akteneinsicht und Einräumung einer angemessenen Frist ab Akteneinsichtnah­me zur Erstattung einer Rechtfertigung.

Daraufhin wurde Ihnen bzw. aus Ihrem ausgewiesenen Rechtsvertreter durch Übersendung des Strafaktes an das Stadtamt M nachweislich am 12.03.2007 die Akteneinsicht gewährt und wurden Sie in diesem Zusammenhang aufgefordert, binnen 3 Wochen eine allfällige Stel­lungnahme bzw. Rechtfertigung an die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. zu richten.

 

Von dem Ihnen eingeräumten Recht auf Parteiengehör haben Sie bislang keinen Gebrauch ge­macht. Es ist daher davon auszugehen, dass die dem Tatwurf nichts Substanzielles entgegenzu­setzen haben.

 

Hierüber hat die Behörde erwogen:

Gemäß § 103 Abs. 2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen. Kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann. Diese trifft dann die Auskunftspflicht. Die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles ge­boten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen. Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Aus­künfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

 

Auf Grund des Akteninhaltes ist es offensichtlich, dass Sie als Zulassungsbesitzer die geforderte Auskunft nicht innerhalb der gesetzlich eingeräumten Frist von zwei Wochen erteilt haben.

 

Zum Verschulden ist zu bemerken, dass gemäß § 5 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, wenn eine Verwaltungsvorschrift nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten ge­nügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Ge­botes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

§ 103 Abs. 2 KFG 1967 bildet ein so genanntes „Ungehorsamsdelikt". Es ist daher Fahrlässigkeit anzunehmen, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwal­tungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Umstände, welche Ihr Verschulden an der Verletzung der gegenständlichen Verwaltungsvor­schrift ausschließen würden, sind von Ihnen im Verfahren nicht vorgebracht worden und auch sonst nicht zu Tage getreten. In diesem Sinne wäre es an Ihnen gelegen, Initiative zu ergreifen und darzulegen, was für Ihre Entlastung spricht. Hiezu hätte es beispielsweise eines konkreten, durch Beweisanträge untermauerten Tatsachenvorbringens bedurft. Ein solches Vorbringen ha­ben Sie jedoch bislang nicht erstattet.

 

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Straf­drohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderangsgründe, soweit sie nicht die Strafdrohung bestim­men, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die von Ihnen verletzte Verwaltungsvorschrift dient vor allem dazu, dass Übertretungen der Verkehrsvorschriften auch in den Fällen wirkungsvoll geahndet werden können, in denen das Fahrzeug nicht angehalten und daher der Lenker nicht festgestellt werden konnte. Es entspricht -leider - der täglichen Erfahrung, dass die Einhaltung von für die Verkehrssicherheit bedeutenden Bestimmungen ohne wirksame Kontrolle und Bestrafung nicht möglich ist.

§ 103 Abs. 2 KFG 1967 dient daher in erster Linie der Sicherheit des Straßenverkehrs und dem Schutz jener überwiegenden Anzahl von Verkehrsteilnehmern, welche sich vorschriftsmäßig verhalten.

 

Im Hinblick auf die im § 134 Abs. 1 KFG 1967 vorgesehene Höchststrafe von 5.000,00 Euro bewegt sich die verhängte Geldstrafe von 60,00 Euro ohnedies im untersten Bereich des Straf­rahmens und ist diese — insbesondere bei Berücksichtigung Ihrer vielen verkehrsrechtlichen Vor­merkungen - als geringfügig einzustufen. Die Geldstrafe entspricht dabei auch Ihren persönli­chen Verhältnissen, wobei die hs. Behörde Ihren eigenen Angaben in anderen Verfahren folgend von einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.200,00 Euro bei keinem Vermögen und keinen Sorgenpflichten ausgeht.

 

Der Strafmilderungsgrund der absoluten Unbescholtenheit kommt Ihnen auf Grund zahlreicher rechtskräftiger und noch nicht getilgter Verwaltungsvorstrafen nicht zu. Hingegen ergab eine genauere Einsicht in das bei der Behörde aufliegende Verwaltungsvorstrafenregister, dass Sie zum Zeitpunkt der Begehung der nun mehr in Rede stehenden Straftat bereits mehrere einschlä­gige, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Straftaten aufweisen. Besagte Vorstrafen sind somit als Erschwerungsgrund im Sinne des § 33 Z. 2 StGB zu berücksichtigen gewesen. Sonstige Milderungs- und Erschwerungsgründe lagen nicht vor."

 

2. Dem tritt der Berufungswerber durch seinen ausgwiesenen Rechtsvertreter in seiner fristgerecht erhobenen Berufung  mit folgenden Ausführungen entgegen:

"Gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried vom O3.O5.2OO7, VerkR96-9046-2006, erhebe ich durch meinen ausgewiesenen Verteidiger nachstehende

 

BERUFUNG

 

an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

 

Aufgrund einer Anzeige der Stadtgemeinde Ried im Innkreis vom 06.11.2006 fordert mich die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis mit Schreiben vom 15.12.2006 unter Heranzie­hung der Bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG als Zulassungsbesitzer des in Rede stehenden Pkw auf, der Behörde binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens mitzuteilen, wer dieses Fahrzeug am 06.11. um 11.45 Uhr in der Gemeinde Ried im Innkreis, Kirchenplatz vor dem Kirchturm zuletzt vor diesem Zeitpunkt am Tatort abgestellt hat oder die Person zu be­nennen, welche die Auskunft erteilen kann, zumal dem Lenker folgende Verwaltungsübertre­tung zur Last gelegt wird: „ Sie haben im Bereich des Vorschriftszeichens „Halten und Parken verboten" gehalten".

Ich werde darauf hingewiesen, dass das Nichterteilen der Auskunft oder das Erteilen einer unrichtigen Auskunft als Verwaltungsübertretung strafbar ist.

 

Diese Lenkerauskunft habe ich deshalb nicht erteilt, weil ich mich damit selbst belasten hätte müssen, zumal ich diesen Pkw zum besagten Zeitpunkt am von der Behörde angeführten Ort selbst abgestellt habe.

 

Eine derartige Selbstbeschuldigung ist mir nicht zuzumuten und steht mit den Grundrechten und Freiheiten der EMRK nicht im Einklang; nach § 33 Abs. 2 VStG darf der Beschuldigte zur Beantwortung der an ihn gestellten Fragen nicht gezwungen werden.

 

Zum Zeitpunkt der behördlichen Lenkeranfrage war ich Beschuldigter, weil ich mit der am Pkw damals hinterlassenen Organstrafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Ried zur Kenn­zahl 120002356800 wegen Übertretung des § 24 VStG bereits mit einer Geldstrafe von € 20,-- belegt wurde; auf der Organgstrafverfügung findet sich der Vermerk „Halten im beschilder­ten Halteverbot, die Tatzeit wird mit 06.11.2006, 11.45 Uhr angeführt.

 

Dass es sich dabei um eine Strafe iSd Art. 6 EMRK handelt, kann nicht bezweifelt werden. Wenn § 51 Abs. 6 VStG auch nur von „Berufung" spricht, so wird man das Verbot der refor-matio in peius dennoch auf alle strafrechtlichen Sanktionen beziehen müssen, wozu auch eine Organstrafverfügung gehört.

Die Anhebung der in der Organstrafverfügung vom 06.11.2006 ausgesprochenen Geldstrafe von € 20,— in der Strafverfügung vom 15.01.2007 und im nunmehrigen Straferkenntnis vom 03.05. auf € 60,— verstößt somit gegen das Verbot der reformatio in peius und muss als Sank­tion für die Nichtbezahlung der Organstrafverfügung gewertet werden; damit wird also ein „Ungehorsam" des Normunterworfenen sanktioniert, welcher sich erlaubt, die Organstrafver­fügung nicht zu bezahlen. Die Anhebung der Bestrafung auf das Dreifache kann auch nicht mit dem Behördenaufwand gerechtfertigt werden, weil dieser im VStG für das Verwaltungs­strafverfahren abschließend normiert ist und bis zur Erlassung einer Strafverfügung keine Verfahrenskostenbeiträge auferlegt werden dürfen, erst in einem Straferkenntnis ist dies zu­lässig.

 

Die über mich verhängte Bestrafung verletzt mich in den nachstehend angeführten verfas­sungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und steht mit den angeführten Bestimmungen der EMRK im Widerspruch.

Der UVS Vorarlberg führt in seiner Berufungsentscheidung vom 10.6.2005, ZI. 1-774/04, wie folgt aus:

 

Der gegenständliche Fall unterscheidet sich wesentlich von jenen Fällen, die den Ur­teilen des EGMR in den Rechtsachen Weh gegen Österreich vom 8.4.2004 sowie Rieg gegen Österreich vom 24.3.2005 zugrunde gelegen sind. Im hier gegenständlichen Fall wurde nämlich zuerst ein Strafverfahren gegen den Beschuldigten wegen der Ge­schwindigkeitsübertretung eingeleitet und erfolgte die Lenkeranfrage gemäß § 103 Abs.2 KFG erst, nachdem der Beschuldigte im Einspruch gegen die Straf Verfügung vorgebracht hatte, er könne den Lenker des Fahrzeuges zum maßgebenden Zeitpunkt nicht nennen. Weiters wurde das gegen den Beschuldigten eingeleitete Verwaltungs­strafverfahren wegen der Geschwindigkeitsübertretung auch nicht eingestellt, sodass dieses weiterhin anhängig war. Im gegenständlichen Fall ist somit davon auszugehen, dass eine Bestrafung wegen einer nicht ordnungsgemäßen Beantwortung der Lenker­anfrage nach § 103 Abs.2 KFG gegen das Recht nach Artikel 6 Abs. 1 EMRK, zu schweigen und sich nicht selbst zu bezichtigen, verstoßen würde. Eine verfassungs­konforme Auslegung des § 103 Abs.2 KFG führt daher zum Ergebnis, dass das gegen­ständliche Straferkenntnis aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfah­ren einzustellen ist. Diese Entscheidung ist auch im vorliegenden Fall die richtige.

 

Im Erkenntnis vom 07.11.2006, UVS 30.11-105/2006-4, weist der UVS für die Steiermark die Berufung des J L gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmann­schaft Judenburg vom 19.09.2006 betreffend eine Bestrafung wegen Verweigerung der Len­kerauskunft nach § 103 Abs. 2 iVm § 134 Abs. 1 KFG mit der Begründung ab, dass im Sinne der Judikate des EGMR vom 08.04.2004 und 03.05.2005 in den Fällen W und F-M gegen Österreich auch im gegenständlichen Verfahren nicht ersichtlich ist, in­wieweit ein Verstoß gegen das Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung bzw. ein Verstoß ge­gen ein faires Verfahren iSd Art. 6 EMRK vorliegen sollte.

 

Auf Seite 5 dieses Erkenntnisses führt der UVS für die Steiermark wie folgt aus:

 

„Anders wäre der Sachverhalt zu beurteilen, wenn die Behörde zunächst eine Strafverfügung wegen der Geschwindigkeitsübertretung gegen den Zulassungsbesitzer erlassen hätte und erst aufgrund des Einspruchs eine Lenkeranfrage an den Zulassungsbesitzer gerichtet hätte. Ist nämlich gegen einen Beschuldigten ein Strafverfahren wegen einer Geschwindigkeitsübertre­tung anhängig und erfolgt die Lenkeranfrage gemäß § 103 Abs. 2 KFG erst, nachdem er im Einspruchs vorbringen darauf hingewiesen hatte, er könne den Fahrzeuglenker zum maßgeblichen Zeitraum nicht nennen, so verstößt die Bestra­fung wegen einer nicht ordnungsgemäßen Beantwortung der Lenkeranfrage gegen das Recht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK, sich nicht selbst bezichtigen zu müssen (vgl. UVS Vorarlberg vom 10.06.2005, UVS-1-774-2004). Ein derartiger Fall liegt aber nicht vor, weil ein Strafverfahren wegen der Geschwindigkeitsübertretung im Zeitpunkt der Lenkeranfrage eben nicht anhängig war".

 

Auch dieses Erkenntnis zeigt, dass die über mich verhängte Bestrafung nicht der (Verfas-sungs)rechtslage entspricht.

 

            -    Verletzung im Gleichheitsrecht nach Art. 7 Abs. 1B-VG und Art. 2 StGG:

Dem Zulassungsbesitzer kommt kein inhaltlich einem Zeugnisverweigerungsrecht entspre­chendes Entschlagungsrecht zugute, was gleichheitswidrig ist (VfSlg. 9950, 10.394 und 10.505).

 

            -     Verstoß gegen das Rechtsstaats- und demokratische Prinzip:

 

Im Erkenntnis vom 11.10.2001, G 12/00 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof die Verfas­sungsbestimmung des § 126a des Bundesvergabegesetztes in der damals gegoltenen Fassung als verfassungswidrig aufgehoben.

Unter Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg. 15.215 stellt der VfGH fest, dass die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Normenkontrolle als zentrales Element des rechtsstaatlichen Baugesetzes der österreichischen Bundesverfassung anzusehen ist.

 

Aus diesem Grund widerspricht die Verfassungsbestimmung des letzten Satzes des § 103 Abs. 2 KFG dem Baugesetz (qualifizierten Verfassungsrecht) des rechtsstaatlichen Prinzips, weil damit nicht nur die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte des Beschuldigten sus­pendiert und diesbezüglich auch der verfassungs gerichtlichen Kontrolle entzogen werden, weil der (einfache) Verfassungsgesetzgeber mit der Erhebung des letzten Satzes de § 103 Abs. 2 KFG in Verfassungsrang ein zu den Normen, welche verfassungsgesetzlich gewähr­leistete Rechte einräumen, gleichwertige Norm geschaffen hat, deren Inhalt der Verfassungs­gerichtshof somit nicht mehr an diesen Rechten messen kann.

Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes spricht im Zusammenhang mit Art. 18 B-VG vom Rechtsstaatsprinzip, aus dem insbesondere auch das Erfordernis eines Rechtsschutzsys­tems abzuleiten ist (vgl. VfSlg. 11.196 und 13.003).

Im Fall einer Gesamtänderung der Bundesverfassung ist die Durchführung einer Volksab­stimmung nach Art. 44 Abs. 3 B-VG obligatorisch. Ob ein solcher Fall vorliegt, hat unter der nachprüfenden Kontrolle des VfGH gemäß Art. 140 B-VG der Nationalrat zu bestimmen; eine Gesamtänderung liegt vor, wenn eine Änderung der verfassungsrechtlichen Grundord­nung erfolgt (vgl. VfSlg. 2455 und auch das in der BRD im Grundgesetz verankerte Intabula-tionsverbot).

Im Zusammenhang mit den Feststellungen des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg. 10.091 ist im gegebenen Zusammenhang festzuhalten, dass der Gesetzgeber durch die Erhebung des letzten Satzes des § 103 Abs. 2 KFG mit der 10. Novelle im Jahr 1986 in Verfassungsrang ganz bewusst auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 9950, 10.394 so­wie 10.505, reagiert und es klar darauf angelegt hat, es dem Verfassungsgerichtshof in der Zukunft unmöglich zu machen, die vom Zulassungsbesitzer verpflichtend und unter sonstiger Straf Sanktion abzugebende Lenkerauskunft nochmals auf ihre Verfassungsgemäßheit hin zu überprüfen; dies - wie VfSlg. 11.829 zeigt - mit Erfolg.

 

Damit liegt auf der Hand, dass es der Gesetzgeber mit diesem „Schachzug" dem VfGH un­möglich gemacht hat, diese Bestimmung auf ihre Verfassungsgemäßheit hin zu überprüfen; der Gesetzgeber schaltet somit mit einer derartigen Verfassungsbestimmung die Überprü­fungsbefugnis und somit eine wesentliche Funktion des Verfassungsgerichtshofes als Höchst­gericht aus, was baugesetzwidrig ist. Einer solchen gesetzgeberischen Vorgangs weise hat der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg. 10.091 eine klare Absage erteilt.

 

Das in der BRD geltende Intabulationsverbot findet seine Berechtigung unter anderem in der Hintanhaltung eines solchen gesetzgeberischen Vorgehens.

 

Damit geht aber auch die noch auszuführende Verletzung des Art. 13 EMRK einher, weil der Betroffene (Beschuldigte) eine „wirksame" Beschwerde nicht (mehr) einlegen kann, was im folgenden noch auszuführen sein wird.

 

Zu diesem Ergebnis kommt man aber auch, wenn man die Verfassungsbestimmung des Art. 17 EMRK berücksichtigt, wonach der Staat keine Tätigkeit ausüben oder eine Handlung be­gehen darf, die auf die Abschaffung der in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten oder auf weitergehende Beschränkungen dieser Rechte und Freiheiten als in der Konvention vorgesehen, hinzielt (vgl. dazu auch Art. 54 der Grundrechte - Charta der EU).

 

-    Verstoß gegen den Anklagegrundsatz nach Art. 90 Abs. 2 B-VG:

 

Nach dieser Verfassungsbestimmung gilt im Strafverfahren der Anklageprozess, wozu auch das Verwaltungsstrafverfahren zählt (VfSlg. 9950 u.a. sowie EGMR vom 20.12.2001 im Fall Erwin Baischer gegen Österreich).

 

Aus Art. 90 Abs. 2 B-VG leitet der Verfassungsgerichtshof ein verfassungsgesetzlich gewähr­leistetes, subjektives Recht ab, welches darin besteht, dass niemand unter Strafsanktion ver­halten werden darf, sich im Strafverfahren oder in einem Stadium vor Einleitung eines sol­chen selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen (materielles Anklageprinzip; VfSlg. 9950, 11.829,11.923, 12.454. 14.988 und VfGH vom 26.06.2000, B 460/00).

 

In VfSlg. 14.987 stellt der VfGH klar, dass aus dem Anklageprinzip in seiner materiellen Be­deutung das sowohl an die Gesetzgebung als auch die Vollziehung gerichtete Verbot abgelei­tet wird, den Rechtsunterworfenen auch schon im Stadium vor Einleitung eines gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens durch Androhung oder Anwendung rechtlicher Sanktionen dazu zu verhalten, Beweise gegen sich selbst zu liefern.

 

Nach § 33 Abs. 2 VStG kann der Beschuldigte zur Beantwortung der an ihn gestellten Fragen nicht gezwungen werden, eine Mutwillensstrafe darf gegen ihn nicht verhängt werden (Abs. 3 leg.cit).

 

Verwaltungsübertretungen sind mit Ausnahme des Falles des § 56 von Amts wegen zu ver­folgen (§ 25 Abs. 1 VStG).

Der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit ergibt sich aus § 37 AVG und wird in § 25 Abs. 2 VStG besonders hervorgehoben (VwGH Vom 05.10.1976, ZI. 1306/76 sowie vom 16.10.2001, 2001/09/0071).

 

Der Anklagegrundsatz ist auch in der StPO lückenlos verwirklicht; nach § 2 Abs. 1 tritt die gerichtliche Verfolgung der strafbaren Handlung nur auf Antrag eines Anklägers ein. Das Urteil des Strafgerichtes darf über die Anklage nicht hinausgehen.

Verweigert der Beschuldigte die Aussage, so darf er zu dieser nicht gezwungen werden (§§ 203 und 245 Abs. 2 StPO), sagt der Beschuldigte wahrheitswidrig aus, so kann er dafür straf­rechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden, dies selbst dann nicht, wenn er die belas­tenden Aussagen eines Zeugen oder Sachverständigen als unrichtig bezeichnet; vgl. auch § 202 leg.cit.

 

Es gibt keinen Wahrheits- und Aussagezwang (EvBl. 1966/438), die Verweigerung von An­gaben ist das Recht des Beschuldigten, sie unterliegt der richterliehen Würdigung nach § 258 Abs. 2 StPO (SSt 56/92).

Zu den Rechten des Angeklagten gehört auch das Recht zu schweigen und sich nicht selbst zu beschuldigen (nemo tenetur), welches im deutschen Recht in § 136 Abs. 1 dStPO positiviert ist und in der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes wurzelt. Dieser Grund­satz ist zwar in Art. 6 EMRK nicht ausdrücklich erwähnt, wird vom EGMR aber zum Kernbe­reich eines fairen Verfahrens gerechnet, wobei dieser stets auf den engen Zusammenhang mit der Unschuldsvermutung gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK hinweist. Es obliegt der Strafverfol­gungsbehörde, den Beschuldigten zu überführen, ohne hiefür auf Beweismittel zurückzugrei­fen, die durch Zwangs- oder Druckmittel ohne den Willen des Beschuldigten erlangt wurden. Diese Garantie ist nicht nur auf Aussagen beschränkt, sondern umfasst auch den Zwang zur Herausgabe von Beweismitteln (vgl. Christoph Grabenwarter, Europäische Menschenrechts­konvention, S. 385 und die dort zitierte EGMR-Judikatur).

 

-    Verstoß gegen ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK:

 

Der Grundsatz eines fairen Verfahrens („in billiger Weise") verlangt unter anderem, dass der Betroffene seine Rechte effektiv vertreten kann (VfSlg. 10.291). Ein Beschuldigter darf ins­besondere nicht gezwungen werden, Beweise gegen sich selbst zu liefern (VfSlg. 12.454 so­wie EGMR vom 25.02.1993 im Fall Funke gegen Frankreich, vom 17.12.1996 im Fall Saun-ders gegen das Vereinigte Königreich, vom 03.05.2001 im Fall J.B. gegen die Schweiz, vom 04.10.2005 im Fall William Shannon gegen das Vereinigte Königreich sowie vom 25.10.2005 in den Fällen Gerard O'Halloran und Idris R. Francis v.UK).

Im Urteil vom 04.10.2005 im Fall Shannon gegen das Vereinigte Königreich hat der EGMR besonders hervorgehoben, dass das Argument der englischen Regierung nicht akzeptiert wird, die Komplexität von Betrugshandlungen im Bereich von Wirtschaftsgesellschaften und das vitale öffentliche Interesse an der Ermittlung solcher Betrügereien und die Bestrafung der dafür Verantwortlichen könnte eine signifikante Abweichung von den Grundsätzen eines fai­ren Verfahrens, wie sie im vorliegenden Fall geschehen ist, rechtfertigen. So wie die Kommission ist der EGMR der Auffassung, dass die allgemeinen Erfordernisse der Fairness, wie sie in Art. 6 enthalten sind, einschließlich des Rechtes, sich nicht selbst be­schuldigen zu müssen, auf Strafverfahren aller Typen strafbarer Handlungen ohne Unter­scheidung von den einfachsten bis hin zu den am meisten komplexen Anwendung finden. Das öffentliche Interesse kann nicht ins Treffen geführt werden, um die Verwertung von Aussa­gen, die zwangsweise erlangt wurden, zur Belastung des Angeklagten zu rechtfertigen. Wenn der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 11.829 den Standpunkt vertritt, diese Verfassungsbestimmung sei „in seiner innstaatlichen Maßstabsfunktion" anzuwenden, so steht dem die Verfassungsbestimmung des Art. 1, 15 und 17 EMRK entgegen und ist in diesem Zu­sammenhang auf die obigen Ausführungen zum Rechtsstaatsprinzip hinzuweisen, ebenso auf die Erkenntnisse des UVS des Landes Oberösterreich vom 18.10.2005, VwSen-160878 und vom 05.01.2006, VwSen-161052 u.a.

 

Die von der Erstbehörde unter Strafandrohung ausgesprochene Verpflichtung, den Lenker meines Fahrzeuges wahrheitsgemäß bekanntzugeben, stellt unter diesen Umständen einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren dar.

 

Im Gegensatz zu der sich aus den Zulässigkeitsentscheidungen des EGMR vom 25.10.2005 in den Fällen O'Halloran und Francis ergebenden englischen Rechtslage (§ 172 StVO) sieht § 134 Abs. 1 KFG für die Verweigerung der Lenkerauskunft eine äußerst drakonische Strafe bis zu € 5.000,-- vor, das Grunddelikt (Geschwindigkeitsüberschreitung) nach § 99 Abs. 3 StVO aber nur eine solche von €726,-.

Damit unterstreicht der Gesetzgeber sein Bemühen mit intensivem Druck und Zwang den Zulassungsbesitzer zur Abgabe einer wahrheitsgemäßen Lenkerauskunft zu bewegen, was den Verstoß gegen das faire Verfahren als besonders gravierend erkennen lässt. Der Grundsatz eines fairen Verfahrens verlangt unter anderem, dass Strafen zu den Straftaten verhältnismä­ßig sein müssen, was in Art. 49 Abs. 3 der Grundrechte-Charta der EU unter Anlehnung an Art. 6 EMRK besonders zum Ausdruck kommt.

 

In Parallelfällen hat der Verfassungsgerichtshof in einer Reihe von Ablehnungsbeschlüssen, vgl. etwa jenen vom 11.03.2005, B 210/05, betreffend die Bescheidbeschwerde gegen das Erkenntnis des UVS des Landes Oberösterreich vom 26.01.2005, VwSen-160124, neben dem Erkenntnis VfSlg. 11.829, auch das Urteil des EGMR vom 08.04.2004 im Fall Weh gegen Österreich zitiert.

Jener Sachverhalt, welcher dieser Entscheidung des EGMR zugrundelag, unterscheidet sich vom gegenständlichen aber in seinen wesentlichsten Aspekten.

Darin ruft der EGMR in Erinnerung, dass das Recht zu schweigen und sich nicht selbst zu belasten, voraussetzt, dass die Behörden beim Versuch, den Beschuldigten zu überfuhren, nicht auf Beweise zurückgreifen, die durch Zwang oder Druck gegen den Willen des Ver­dächtigen erlangt wurden.

Der dortige Beschwerdeführer hat die ihm abverlangte Lenkerauskunft nicht verweigert, son­dern sich damit entlastet, dass er der Behörde eine dritte Person als Lenker bekanntgab. Die­ser wurde nur deshalb nach § 103 Abs. 2 KFG bestraft, weil seine Informationen wegen der fehlenden Adresse des Lenkers unzureichend waren. Weder im innerstaatlichen Verfahren noch vor dem EGMR hat dieser jemals behauptet, das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Ge­schwindigkeitsübertretung selbst gelenkt zu haben. In diesem Fall bestand nur ein schwacher und hypothetischer Zusammenhang zwischen der Verpflichtung des Beschwerdeführers, den Lenker seines Fahrzeuges preiszugeben und einem möglichen Strafverfahren wegen Ge­schwindigkeitsüberschreitung gegen ihn. Ohne ausreichend konkreter Verbindung zu diesem Verfahren wirft die Anwendung von Zwang (Verhängung einer Geldstrafe) zu Erlangung von Informationen kein Problem bezüglich des Rechtes zu schweigen bzw. sich nicht selbst zu bezichtigen, auf, weswegen der EGMR im dortigen Fall (mit 4 : 3 Stimmen) keine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK erblickte.

 

Der gegenständliche Fall ist völlig anders gelagert.

 

Ich habe ich mich nicht etwa durch Bekanntgabe einer dritten Person als Lenker meines Kfz entlastet.

Ich hatte keine andere Möglichkeit als die mir abverlangte Lenkerauskunft zu verweigern, um mich nicht selbst dem Strafverfahren auszusetzen. Es liegt also im Sinne des § 49 Abs. 1 Z. 1 AVG und § 38 VStG ein Rechtfertigungsgrund für mein Verhalten vor, dies ist unter diesen Umständen nicht strafbar. Die Entschlagungsrechte des Zeugen müssen zweifelsfrei auch für einen Beschuldigten geltend, zumal sich der Zeuge durch seine Aussage erst der Gefahr aus­setzt, Beschuldigter zu werden.

Es würde wohl jedem rechtsstaatlich denkenden Menschen undenkbar erscheinen, wenn etwa das StGB eine Norm enthielte, welche unter Strafe stellt, dass der Beschuldigte bzw. Ange­klagte verpflichtet ist, seine Tätereigenschaft einzugestehen oder seinen Ehegatten als Täter zu bezeichnen, ansonsten er mit einer Strafe zu belegen ist, die er bekommen hätte, wäre er der Täterschaft betreffend des in Rede stehenden Strafdeliktes überführt worden oder - umgelegt auf die Strafdrohung des § 134 Abs. 1 KFG - eine Strafbestimmung zur Anwendung kommt, welche um ein Vielfaches strenger ist als jene zur Straftat gehörige.

 

Da auch das Verwaltungsstrafverfahren eine strafrechtliche Anklage (criminal charge) iSd Art. 6 EMRK ist, ist hier eine Differenzierung nicht zulässig.

 

Nach § 64 Abs. 2 VStG ist der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens für das Verfahren erster Instanz mit 10 % der verhängten Strafe, für das Berufungsverfahren mit weiteren 20 % der verhängten Strafe zu bemessen.

Diese Bestimmung stellt einen Verstoß gegen das faire Verfahren dar, zumal in Strafverfahren das Verschlimmerungsverbot gilt.

Wird eine Berufung gegen einen erstinstanzlichen Strafbescheid abgewiesen, bedeutet dies für den Beschuldigten, dass er in Summe 30 % der Strafe als Verfahrenskosten zu bezahlen hat, was bereits strafrechtlichen Charakter aufweist und den Beschuldigten wesentlichen belastet. Bei sehr geringen Strafen ist ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 30 % in absoluten Zahlen sicherlich kein hoher Betrag, bei der gegenständlich verhängten Strafe sind 30 % aber schon ein empfindlicher Betrag, welcher geeignet ist, den Beschuldigten davon abzuhalten, ein Rechtsmittel einzubringen um seine Rechte zu wahren.

Da auch die Gewährung der Verfahrenshilfe nicht von der Leistung dieser Verfahrenskosten­beiträge befreien kann, würde ein Beschuldigter, welcher sich zwar im Recht wähnt, von der Einbringung des Rechtsmittels abgehalten werden, weil er diese nicht bezahlen kann. Die Rechtsprechung des EGMR betreffend die Möglichkeit der Beantragung der Verfahrenshilfe kann hier somit nicht angewendet werden.

 

-    Verstoß gegen die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK:

 

Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist.

 

Diesen „gesetzlichen Nachweis der Schuld" hat die Verwaltungsstrafbehörde im abgeführten Verfahren nicht erbracht.

 

Wegen einer Verwaltungsübertretung darf eine Strafe nur aufgrund eines nach diesem Bun­desgesetz durchgeführten Verfahrens verhängt werden (§23 VStG).

 

Verwaltungsübertretungen sind von Amts wegen zu verfolgen, die der Entlastung des Be­schuldigten dienlichen Umstände sind in gleicher Beweise zu berücksichtigen wie die belas­tenden (Grundsätze der Gesetzmäßigkeit - Legalitätsprinzip, der Amtswegigkeit (Offizialma-xime) sowie der materiellen Wahrheit (vgl. § 25 Abs. 2 VStG).

 

Nach Lehre und Rechsprechung gilt im österreichischen Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz das Inquisitionsprinzip (Vereinigung der Anklage - und Entscheidungsfunktion im selben Organ).

 

Eine Verletzung der Unschuldsvermutung liegt im vorliegenden Fall deshalb vor, weil der gesetzliche Nachweis der Schuld, meiner Täterschaft, nicht geführt worden ist, zumal im Sinne des Anklageprinzips nach Art. 90 Abs. 2 der österreichischen Bundesverfas­sung die Behörde die Beweislast für das Begehen einer Verwaltungsübertretung und somit auch für die Lenkereigenschaft trifft. Diese Beweislastregel hat die Bezirkshauptmannschaft als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz dadurch missachtet, dass sie mich unter Strafsanktion verpflichtet hat, wahrheitsgemäß den damaligen Lenker meines Pkw, also mich selbst bekanntzugeben, was ich verweigert habe.                               

 

Wäre eine derartige Strafnorm wie sie § 134 Abs. 1 KFG für die Verweigerung der Lenker­auskunft vorsieht, verfassungs- bzw. EMRK-konform, wäre der Gesetzgeber aufgerufen, eine Bestimmung in das Strafgesetzbuch aufzunehmen, welche vorsieht, dass der Beschuldigte bzw. Angeklagte mit einer Strafe zu belegen ist, wenn sich dieser weigert, ein Geständnis abzulegen oder seine Familienangehörigen als Täter zu bezeichnen, ist doch der Unrechtsge­halt der StGB-Delikte in aller Regel bedeutend höher als im Verwaltungsstrafrecht. Dass eine derartige Strafnorm in einem Rechtsstaat untragbar wäre, dürfte unbestritten sein. Da nach der EGMR- und VfGH-Judikatur auch das Verwaltungsstrafverfahren eine straf­rechtliche Anklage (criminal Charge) iSd Art. 6 EMRK ist, verbietet sich hier eine differenzie­rende Betrachtung zwischen Kriminal- und Verwaltungsstrafrecht (vgl. dazu die Ausführun­gen des EGMR in den Fällen Funke gegen Frankreich und Saunders gegen das Vereinigte Königreich sowie im Urteil vom 04.10.2005 im Fall William Shannon gegen das Vereinigte Königreich und in den bereits mehrfach zitierten Zulässigkeitsentscheidungen vom 25.10.2005 in den Fällen OUalloran und Francis gegen das Vereinigte Königreich).

 

Es liegt somit ein Verstoß gegen die UnschuldsVermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK vor.

 

-       Verstoß gegen das verfassungs gesetzlich gewährleistete Recht auf Achtung des         Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK:

 

Nach dieser Verfassungsbestimmung hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens.

 

Der Begriff „Privatleben" ist besonders unscharf, der EGMR hält ihn für eine erschöpfende Definition nicht zugänglich (vgl. EGMR vom 25.03.1993, ÖJZ 1993, 707 im Fall Costello-Roberts gegen das Vereinigte Königreich).

 

Einen Eingriff in dieses Recht sehe ich darin, dass ich durch § 103 Abs. 2 KFG und das erst­behördliche Lenkerauskunftsersuchen verpflichtet werde, mich selbst als Lenker zu bezeich­nen und somit dem Verwaltungsstrafverfahren auszusetzen.

 

Der Begriff „Familienleben" wird von der Judikatur weit verstanden und schließt auch das Recht ein, einen Familienangehörigen nicht einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen zu müssen, wie sich dies auch aus § 49 AVG und § 38 VStG ergibt.

 

Nach § 49 Abs. 1 Z.l AVG - diese Bestimmung ist im Sinne des § 24 VStG auch im Verwal­tungsstrafverfahren anzuwenden - darf ein Zeuge die Aussage über Fragen verweigern, deren Beantwortung dem Zeugen, seinem Ehegatten, seinem Verwandten oder Verschwägerten in auf- oder absteigender Linie, seinem Geschwisterkind oder einer Person, die mit ihm noch näher verwandt oder im gleichen Grad verschwägert ist, ferner seinen Wahl- oder Pflegeel­tern, Wahl- oder Pflegekindern, seinem Vormund oder Pflegebefohlenen einen unmittelbaren bedeutenden Vermögensnachteil oder die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung zuziehen oder zur Schaden gereichen würde.

 

Nach § 38 VStG geht das Zeugnisentschlagungsrecht weiter, die dort genannten Personen sind von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses auch dann befreit, wenn die im § 49 Abs. 1 Z. 1 AVG vorgesehenen Voraussetzungen nicht vorliegen.

 

Gerade die Pflicht des Zulassungsbesitzers zur Bekanntgabe des Lenkers seines Fahrzeuges betrifft in den allermeisten Fällen entweder den Zulassungsbesitzer selbst oder dessen Famili­enangehörige (VfSlg. 9950,10.394 und 10.505).

 

Dasselbe Entschlagungsrecht sieht die österreichische StPO in § 152 vor.

 

Danach sind von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses Personen befreit, die sich durch ihre Aussage der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung aussetzen würden oder die im Zusammenhang mit einem gegen sie geführten Strafverfahren Gefahr liefen, sich selbst zu belasten auch wenn sie bereits verurteilt worden sind.

Weiters Personen, die im Verfahren gegen einen Angehörigen (§ 72 StGB) aussagen sollen und deren Aussage die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung eines Angehörigen mit sich bräch­te, wobei die durch eine Ehe begründete Eigenschaft einer Person als Angehöriger aufrecht bleibt, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht.

 

Entschlagungsrechte eines Zeugen müssen auch für den in einem Strafverfahren Beschuldigen gelten, eine andere Gesetzauslegung wäre unsachlich und somit gleichheitswidrig.

 

Da ich im abgeführten Verfahren unter Strafandrohung verpflichtet wurde, wahrheitsgemäß den Lenker meines Fahrzeuges bekanntzugeben, hätte ich mich dem Strafverfahren aussetzen müssen, was von mir nicht verlangt werden kann, womit ein unzulässiger Eingriff in mein Privatleben vorliegt und somit eine Verletzung des Art. 8 Abs. 1 EMRK, zumal dieser Ein­griff zwar gesetzlich vorgesehen ist aber keine Maßnahme darstellt, die im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentli­che Ruhe und Ordnung bzw. zur Verhinderung von strafbaren Handlungen notwendig ist.

 

Die Richtigkeit meiner Rechtsansicht belegt auch das Urteil des EGMR vom 28.4.2005 im Fall Jürgen Bück gegen Deutschland, BeschwNr. 41.604/98, worin auch auf das Urteil des EGMR im Fall Funke gegen Frankreich vom 25.2.1993 Bezug genommen wird. Diesem Urteil lag eine Hausdurchsuchung betreffend Aufklärung eines Verkehrsdelikts (Ge­schwindigkeitsüberschreitung) zugrunde.

Es war iSd Art. 8 Abs.2 EMRK zu prüfen, ob der Eingriff gerechtfertigt, also gesetzlich vor­gesehen war, ein legitimes Ziel verfolgte und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war, um dieses Ziel zu erreichen.

Die aufgrund der Anordnung des AG Bad Urach erfolgte Durchsuchung der Geschäftsräume und der Wohnung war gesetzlich vorgesehen, durch die Bestimmungen des § 103 Abs.l dStPO iVm § 46 OWiG, § 24 StVG und §§ 3 und 49 StVO gedeckt und verfolgte auch ein legitimes Ziel (Verhütung von Straftaten und Schutz des Lebens und der körperlichen Integri­tät anderer Verkehrsteilnehmer)

Dieser Eingriff in die Privatsphäre war aber in einer demokratischen Gesellschaft nicht not­wendig, weil dieser Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen nicht verhältnismäßig war, es ging „nur" um eine Ordnungswidrigkeit.

Da der EGMR eine Verletzung des Art. 8 EMRK festgestellt hat, hat er die weiters relevierte Konventions Verletzung nach Art. 6 EMRK nicht mehr geprüft.

Abgestellt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass eine einer Ordnungswidrigkeit nach deutschem Recht vergleichbare Übertretung in Form einer Verwaltungsübertretung nach dem VStG vorliegt. Der hier relevierte Verstoß gegen Art. 6 EMRK wiegt nicht weniger schwer als ein solcher nach Art. 8 EMRK, davon abgesehen, dass ich in der über mich verhängten Strafe auch eine Verletzung dieser (in Österreich im Gegensatz zur BRD in Verfassungsrang stehenden) Bestimmung erblicke.

 

      -    Verletzung im Recht auf eine wirksame Beschwerde nach Art. 13 EMRK:

 

Nach dieser Verfassungsbestimmung hat dann, wenn die in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten verletzt wurden, der Verletzte das Recht, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen, selbst wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben.

Im gegenständlichen Strafverfahren wurde ich unter Strafandrohung verpflichtet, wahrheits­gemäß bekanntzugeben, wer zum angefragten Zeitpunkt das auf meinen Namen zugelassene Fahrzeug gelenkt hat.

Der Gesetzgeber hat im Sinne VfSlg. 11.829 mit der 10. KFG-Novelle die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes auf die einzige Frage reduziert, ob die in Rede stehende Bestim­mung zu einer Gesamtänderung der Bundesverfassung führt, welche nach Art. 44 Abs. 3
B-VG einer Volksabstimmung zu unterziehen ist.

Im Gegensatz zur Rechtslage vor der 10. KFG-Novelle ist eine derartige Bescheidbeschwerde kein wirksames Rechtsmittel iSd Art. 13 EMRK mehr.

Damit habe ich keine Möglichkeit, mich wirksam gegen diese Konventionsverletzungen zur Wehr zu setzen, weswegen eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rech­tes auf eine wirksame Beschwerde nach Art. 13 EMRK vorliegt.

 

      -    Verstoß gegen Art. 14 EMRK:

 

Nach dieser Konventionsbestimmung (Verbot der Benachteiligung) ist der Genuss der in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ohne Benachteiligung zu gewährleisten.

 

Einen Verstoß gegen diese Konventionsbestimmung leite ich daraus ab, dass die gesetzlichen Bestimmungen im österreichischen Verwaltungsstrafverfahren zwar die Zeugen iSd Art. 6 EMRK davor schützen, sich selbst belasten zu müssen, nicht aber den Beschuldigten; diese Differenzierung ist unsachlich und somit diskriminierend (VfSlg. 9950 und 10.394).

 

Die Aussage darf von einem Zeugen nach § 49 Abs. 1 Z. 1 AVG (diese Bestimmung ist iSd § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden) über Fragen verweigert werden, deren Beantwortung dem Zeugen, seinem Ehegatten und anderen im Gesetz genannten nahen Familienangehörigen einen unmittelbaren bedeutenden Vermögensnachteil oder die Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung zu ziehen oder zur Schaden gereichen würde. Derartige Zeugnisentschlagungsrechte sehen auch an Verfahrensgesetze (StPO, ZPO, u.a.) vor.

 

Nach § 38 VStG sind die Verwandten und Verschwägerten des Beschuldigten in auf- und absteigender Linie sowie die dort genannten anderen Familienangehörigen von der Verbind­lichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses auch dann befreit, wenn die in § 49 Abs. 1 Z. 1 AVG vorgesehenen Voraussetzungen nicht vorliegen.

 

Dies bedeutet, dass die in § 38 VStG genannten Personen die Zeugenaussage in einem Ver­waltungsstrafverfahren gegen einen Beschuldigten selbst dann verweigern können, wenn sich diese nicht der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung aussetzen oder ihnen die Aussage zur Schaden gereichen oder einen unmittelbaren bedeutenden Vermögensnachteil mit sich bringen würde.                                                                        

 

Genau mit diesen Argumenten hat der Verfassungsgerichtshof in den Erkenntnissen aus dem Jahr 1984 und 1985, VfSlg. 9950, 10.394 und 10.505 die damals auf einfachgesetzlicher Stufe gestandene Bestimmung des § 103 Abs. 2 KFG insoweit aufgehoben, als diese den Zulas­sungsbesitzer zur Abgabe der Lenkerauskunft auch dann verpflichtet hat, wenn er sich damit selbst oder einen nahen Familienangehörigen belasten müsste.

 

Die im zweiten Satz des (damaligen) § 103 Abs. 2 KFG unter Strafsanktion des § 134 enthal­tene Regelung der Auskunftspflicht bewirkt gegebenenfalls materiell auch einen Zwang zur Selbstbeschuldigung im Hinblick auf eine Verwaltungsübertretung; weiters kommt dem Zu­lassungsbesitzer kein inhaltlich einem Zeugnis verweigerungsrecht entsprechendes Entschla-gungsrecht zugute, was unsachlich uns somit gleichheitswidrig und iSd Art. 14 EMRK dis­kriminierend ist.

 

-    Verstoß gegen Art. 17 EMRK und Art. 9 Abs. 1B-VG:

 

Keine Bestimmung dieser Konvention darf dahin ausgelegt werden, dass sie unter anderem für einen Staat das Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu bege­hen, die auf die Abschaffung der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten oder auf weitergehende Beschränkungen dieser Rechte und Freiheiten, als in der Konvention vorgesehen, hinzielt.

 

Mit Bundes Verfassungsgesetz BGB1. Nr. 59/1964 wurde die MRK und ihr erstes ZP in Ver­fassungsrang erhoben, die EMKR steht in Österreich seit 03.09.1958 in Geltung.

Die Hohen Vertragsschließenden Teile sichern allen ihrer Jurisdiktion unterstehenden Perso­nen die in Abschnitt I. dieser Konvention niedergelegten Rechte und Freiheiten zu (Art. 1 EMRK).

 

Seit dem genannten Zeitpunkt war es Österreich als Mitgliedsstaat des Europarates und Un­terzeichner der EMRK nach dessen Art. 17 untersagt, Maßnahmen zu ergreifen, welche auf die Abschaffung der Konventionsrechte und -freiheiten oder auf deren Einschränkung abzie­len.

 

Mit der Schaffung des letzten Satzes des § 103 Abs. 2 KFG (als Verfassungsbestimmung) mit der 10. KFG-Novelle im Jahr 1986 nach welcher Rechte auf Auskunftsverweigerung gegen­über der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, zurücktreten, hat Öster­reich gegen die

ebenfalls auf Verfassungsstufe stehenden Verpflichtungen nach Art. 1 und 17 EMRK versto­ßen und damit die Anwendbarkeit der EMRK eliminiert, zumindest aber den Anwendvmgs-umfang der Art. 6, 8 (und 14) EMRK unzulässigerweise eingeschränkt, sodass dieser nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes in VfSlg. 11.829 „nur mehr in seiner innerstaatlicher Maßstabsfunktion" gilt.

Dieser gesetzgeberische Schritt wurde einzig und allein deshalb gesetzt, um einer Norm Be­stand zu verschaffen, welche der VfGH bereits zweimal aufgehoben hat (VfSlg. 9950 und 10.394), was den Verfassungsbestimmungen der Art. 1 und 17 EMRK und Art. 9 B-VG wi­derspricht (vgl. auch VfSlg. 10.091 zur Vereitelungsabsicht des Gesetzgebers).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Auffassung vertreten, dass zu den durch Art. 9 B-VG rezipierten Regeln vor allem der Grundsatz der Vertragstreue zählt (98/17/0333 vom 18.09.1999 im Zusammenhang mit der Lenkerauskunftspflicht - Selbstbezichtigung). Inner­staatliche Vorschriften sind daher so auszulegen, dass sie mit den zwischenstaatlichen Ver­pflichtungen Österreichs nicht im Widerspruch geraten (94/16/082 vom 24.11.1994). Es liegt demnach auch ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 B-VG und Art. 17 EMRK vor.

 

        -   Verstoß gegen Art. 18 EMRK:

 

Nach dieser Verfassungsbestimmung dürfen die nach der vorliegenden Konvention gestatte­ten Einschränkungen dieser Rechte und Freiheiten nicht für andere Zwecke als die vorgesehe­nen angewendet werden (Begrenzung der Rechtseinschränkungen).

 

Die im zitierten Gesetz normierte Auskunftspflicht des Zulassungsbesitzers hat im gegen­ständlichen Fall dazu geführt, dass ich zur Bekanntgabe des Lenkers meines Fahrzeuges ge­zwungen wurde, obwohl gegen mich zum Zeitpunkt der behördlichen Lenkeranfrage das Strafverfahren wegen des Grunddeliktes bereits anhängig war.

 

Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens ist nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff ge­setzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten ande­rer notwendig ist (Art. 8 Abs. 2 EMRK).

Der gegenständlich stattgefundene Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Famili­enlebens war zwar gesetzlich vorgesehen, ist aber in einer demokratischen Gesellschaft zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele nicht notwendig (vgl. das bereits zi­tierte Urteil des EGMR vom 28.04.2005 im Fall Bück gegen die BRD).

 

Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nach Art. 5 StGG und Art. 1 des 1. ZP zur EMRK:

 

Primäre Strafzumessungsgründe sind nach § 19 Abs. 1 VStG das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdro­hung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Im ordentlichen Verfahren ist nach Abs. 2 leg.cit auch das Ausmaß des Verschuldens beson­ders Bedacht zu nehmen, die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Be­schuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Das zuletzt genannte Strafzumessungskriterium der persönlichen Verhältnisse kommt in der Praxis - um es offen auszusprechen - so gut wie nicht zum Zug.

 

Im Gegensatz zum gerichtlichen Strafprozeß kennt das VStG das Tagessatzsystem nicht.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner jüngsten Judikatur etwa zur Bestimmung des § 100 Abs. 5 StVO betreffend die Anwendbarkeit der §§20 und 21 VStG dem Vergleich zwischen Verwaltungsstrafrecht und gerichtlichem Strafrecht maßgebliche Bedeutung zugemessen, zumal das Verwaltungsstrafrecht im Vergleich in unsachlicher Weise strengere Maßstäbe anlegt wie das gerichtliche Strafrecht (G 9/96, G 216/96, G 108/99, G 211/98).

 

Das Tagessatzsystem des § 19 StGB ist eine tragende Säule einer gerechten Strafrechtspflege. Dieses leistet Gewähr, dass Geldstrafen jeden Rechtsbrecher mit annähernd der selben Härte treffen.

Die in der Geldstrafe alter Prägung gelegene „Opferungleichheit" wird durch das im skandi­navischen Rechtskreis seit langem bestehende System der Tagessätze vermindert. Danach wird im Urteil als erster Schritt eine tatschuldangemessene bestimmte Anzahl von Tagessät­zen ausgesprochen. Im selben Urteil wird dann als zweiter Schritt die Höhe des Tagessatzes nach den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rechts­brechers im Zeitpunkt des Urteils erster Instanz bemessen. Geldstrafen sollen nicht konfiskatorisch wirken (vgl Foregger Fabrizy, StGB7, S. 94 ff).

 

Meines Erachtens ist das Tagessatzsystem für eine gerechte Strafrechtspflege unverzichtbar und in einem modernen Rechtstaat unabdingbar.

Die Nichtanwendung des Tagessatzsystems bewirkt auch eine Verletzung im Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK, wonach die Strafe zur Straftat in einem angemessenen Verhältnis stehen muss (vgl. auch Art. 49 der EU-Grundrechtecharta).

Ein Blick in die BRD zeigt, dass es selbstverständlich ist, dass nicht nur im Kriminalstraf­recht, sondern auch im Bußgeldverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten das Tagessatzsystem gilt, das Bußgeldverfahren ist mit dem österreichischen Verwaltungsstrafverfahren vergleich­bar.

 

Einen Spitzen Verdiener trifft die hier ausgesprochene Geldstrafe so gut wie nicht, Derjenige, welcher etwa Notstandshilfe bezieht oder ein geringes Einkommen samt Sorgepflichten hat, trifft diese hart, diese „Opferungleichheit" ist ungerecht und eines modernen Rechtsstaats unwürdig.

 

Die von der Bezirkshauptmannschaft vorgenommene Schätzung meiner persönlichen Ver­hältnisse wird akzeptiert.

 

Aus den genannten Gründen stelle ich höflich den

 

ANTRAG,

 

der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich möge meiner Berufung Folge geben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 03.05.2007 aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

 

M, am 9.5.2007                                                                  O K"

 

3. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der  Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsver­handlung schien hier trotz einer 500 Euro nicht übersteigenden Geldstrafe in Wahrung der durch Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte geboten (VfSlg 16954 mit Hinweis auf VfGH 11. Juni 2003, B1312/02).

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des Verfahrensaktes im Rahmen der öffentlichen Berufungsverhandlung, an welcher auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz teilnahm. Der hierzu auch gesondert persönlich geladene rechtsfreundlich vertretene Berufungswerber blieb mit dem Hinweis auf eine bloß zu lösende Rechtsfrage der Verhandlung fern.

Aus verfahrensökonomischen Gründen wurde dieses beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oö. erst später einlangende Berufungsverfahren zum gleichgelagerten Fall bereits ausgeschriebene Berufungsverfahren, AZ VwSen-162185/5/Br, im Einvernehmen mit den Parteien mitverhandelt.

 

4. Folgender Sachverhalt ist als erwiesen anzusehen:

 

4.1. Der h. verfahrensgegenständlichen Anfrage lag eine Anzeige zu Grunde, die vorerst durch Anbringen einer sogenannten bargeldlosen Organstrafverfügung am Fahrzeug des Berufungswerbers initiiert wurde. Diese OM-Strafe wurde offenbar nicht entrichtet, sodass die Behörde erster Instanz den Berufungswerber mit Schreiben vom 15.12.2006 aufforderte, bekannt zu geben, wer sein Fahrzeug zuletzt vor dem 6.11.2006 um 11.45 Uhr, wo es in Ried am Kirchplatz vor dem Kirchturm im "Halte- u. Parkverbot" abgestellt wahrgenommen wurde, verwendet hat oder wer diese Auskunft erteilen könne.

Der Hinweis auf das StVO-Delikt wurde in der Aufforderung als Zusatzinformation dargestellt.

Diese Aufforderung wurde dem Berufungswerber per RSb-Sendung an dessen Wohnadresse am 19.12.2006 zu Handen seiner Mutter zugestellt. Sie blieb unbeantwortet.

 

4.2. Im unbegründet bleibenden Einspruch beantragt der Berufungswerber die Aktenübersendung zwecks Akteneinsicht im Rechtshilfeweg.

Im zeit- und ressourcenintensiven Amtshilfeweg wurde der Akt am 15.2.2007 der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn und von dort an das Stadtamt M und wieder zurück, zwecks Akteneinsicht auf den Weg gebracht. Der Rechtsvertreter  nahm offenbar am 14.3.2007 Akteneinsicht. Das Datum wurde nicht vermerkt, der Akt jedoch vom Stadtamt M mit dem Hinweis der genommenen Akteneinsicht der Bezirkshauptmannschaft Ried im Wege der Bezirkshauptmannschaft Braunau wieder zurückgeleitet. Von dort langte er am 28. März 2007 bei der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis ein.

Der Berufungswerbervertreter "ersparte" sich jedoch offenkundig eine Stellungnahme, sodass sich letztlich der ganze Weg – welcher per E-Mail oder Fax in einem einzigen Verfahrensschritt und innerhalb eines Tages viel ökonomischer sich erledigen hätte lassen – im Ergebnis nur als frustrierender Aufwand und als mutwillige Inanspruchnahme von Verwaltungsleistungen darstellt.

Der durch eine übernommene Ladung zu VwSen-162185/Br und eine telefonische Kontaktaufnahme vom Verhandlungstermin in Kenntnis stehende Berufungswerber nahm an der Berufungsverhandlung unentschuldigt nicht teil.

Durch eine Vielzahl inhaltsgleicher Vorverfahren  kann es als evident gelten, dass er offenkundig die herrschende österreichische Rechtslage dafür nutzen zu wollen scheint, sich straffrei über die Regeln des ruhenden Verkehrs geradezu systematisch hinwegzusetzen.

Abschließend verweist sein Rechtsvertreter noch auf ein Erkenntnis des VfGH (SlgNr. 11866) und auf sein umfassendes rechtliches Vorbringen.

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Der § 103 Abs.2 KFG 1967 lautet:

"Die Behörde kann Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten  Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem  bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte,  welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe‑ oder von Überstellungsfahrten der  Besitzer der Bewilligung – zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er  die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht,  diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne  entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück." 

 

5.1.1. Die Gestaltung des letzten Satzes als Verfassungsbestimmung erachtete der Verfassungsgerichtshof im Einklang mit den Baugesetzen des B‑VG stehend und nicht im Widerspruch zu Art. 6 EMRK. Der Verfassungsgerichtshof verwies auf das in dieser Bestimmung rechtspolitische Anliegen des Gesetzgebers, welchem dieser nur durch das Institut der Lenkerauskunft in dieser Form nachkommen zu können glaubt. Sehr wohl hebt er gleichzeitig auch kritisch die Problematik der Durchbrechung des Anklageprinzips gem. Art. 90 Abs.2 B‑VG und den durch eine Strafsanktion ausgeübten Zwang zur Ablegung eines Geständnisses hervor (VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 VfGH 29.09.1988, Zl. G72/88 u.a.).

Hinzuweisen ist im Zusammenhang auch, wonach es der Verfassungsgerichtshof mit dem Grundsatz "nemo tenetur" als unvereinbar erkannte, wenn ein Gesetz die Partei zwingt, ein allenfalls den Gegenstand der Beschlagnahme bildendes Beweismittel zu schaffen, das im Verfahren gegen die Partei selbst verwendet werden kann. Dies – so der Gerichtshof – würde im Ergebnis einer unfreiwilligen Selbstbeschuldigung gleichkommen. Laut Verfassungsgerichtshof gilt für den Anklageprozess, dass der Beschuldigte nicht Objekt des Verfahrens, sondern Subjekt, also Prozesspartei ist. Dem Anklageprinzip würde es widersprechen, den Beschuldigten durch Zwang zu einem Geständnis der strafbaren Handlung zu veranlassen. Dies sei mit der Parteistellung des Beschuldigten unvereinbar. Aus den dargelegten Gründen hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass etwa eine Regelung des Finanzstrafgesetzes über die Beschlagnahme im Ergebnis dem aus Art. 90 Abs.2
B-VG abzuleitenden Verbot es eines Zwanges zur Selbstbeschuldigung widersprach (VfSlg 10291 mit Hinweis auf VfSlg. 5235/1966).

Nach bisher ständiger Rechtsprechung auch des Verwaltungsgerichtshofes liegt  aber der Zweck der Regelung des § 103 Abs.2 KFG in der jederzeitigen Feststellungsmöglichkeit eines Kfz-Lenkers (vgl. u.a. Erk. vom 29. September 1993, 93/02/0191).

Der unabhängige Verwaltungssenat übersieht demnach durchaus nicht, dass dieses Staatsziel zwischenzeitig allenfalls verstärkt in unlösbarem Spannungsverhältnis zu verfassungsrechtlich garantierten Werten stehen mag. Ebenfalls kann davon ausgegangen werden, dass dieses der europäischen Rechtskultur weitgehend fremde Rechtsinstitut mit Blick auf den sich aus dem Gemeinschaftsrecht ableitenden Harmonisierungsbedarf zwischenzeitig ebenfalls zu einer anderen rechtlichen bzw. rechtspolitischen Wertigkeit geführt haben mag.

Diesbezüglich erweist sich das Rechtsinstitut der Lenkerauskunft durchaus als Fremdkörper, indem darauf gestützte Bestrafungen etwa in Deutschland nicht vollstreckt werden. 

Wenn der EGMR im o.a. Urteil (Weh gg. Österreich) nur deshalb (noch) keine Konventionsverletzung in der Fallgestaltung der Auskunftspflicht feststellte, weil darin keine "ausreichend konkrete Verbindung zwischen dem Auskunftsbegehren und  einer damit zu erwartenden Bestrafung des Verweigerers bestand", trifft dies im gegenständlichen Fall wohl auch in vergleichbarer Weise zu, indem sich hier der Berufungswerber von seiner Lenkeigenschaft in Kenntnis bzw. diese nicht bestreitend verantwortet.

Der Hinweis des Berufungswerbers auf den Fall Buck gg. Deutschland, Beschwerde Nr.: 41604/98 v. 28.7.2005, der im Zusammenhang mit einem Verkehrsdelikt eine Hausdurchsuchung zu Grunde lage, ist in der Eingriffsintensität mit einer Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe wohl kaum vergleichbar.

 

5.1.2. Der Verfassungsgerichtshof hat wohl anlässlich der Aufhebung einer früheren Fassung des § 103 Abs.2 KFG, die unter Wahrheitspflicht gegebene Antwort des Zulassungsbesitzers, "er habe das Fahrzeug zum betreffenden Zeitpunkt nicht einem Dritten zum Lenken überlassen",  den dahinter stehenden materiellen Zwang zu einer Selbstbeschuldigung im Hinblick auf eine Verwaltungsübertretung, unter Hinweis auf die im Verfahren zu G7/80 näher dargelegten Gründe, als verfassungsrechtlich verpönt erachtet (VfSlg. 10394).

In der nachfolgend geänderten Fassung dieser Rechtsvorschrift wollte der Verfassungsgesetzgeber mit der Ermächtigung zur Einholung bestimmter Auskünfte in § 103 Abs.2 KFG idF der 10. KFG-Novelle (versehen mit einer Verfassungsbestimmung), die Realisierung eines bestimmten rechtspolitischen Anliegens ermöglichen, von dem er – ob zu Recht oder zu Unrecht, was der Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen hatte – annahm, diesem nur durch die sogenannte Lenkerauskunft entsprechen zu können.

Der Verfassungsgesetzgeber durchbrach mit dieser Ermächtigung den aus dem Anklageprinzip des Art. 90 Abs.2 B-VG – auch für Verwaltungsstrafverfahren – erfließenden Grundsatz, dass niemand unter Strafsanktion verhalten werden dürfe, ein Geständnis seines strafbaren Verhaltens abzulegen (Hinweis auf VfSlg. 9950/1984, 10394/1985). Er nahm damit die Durchbrechung eines an sich verfassungsrechtlich geschützten Prinzips in Kauf. Auf eine Verpflichtung zur Selbstbeschuldigung liefen nämlich die damals in Prüfung gezogenen Bestimmungen ebenso hinaus, wie die bereits durch VfSlg. 9950/1984, 10394/1985 aufgehobenen Vorgängerbestimmungen des § 103 Abs.2 KFG idF BGBl. 106/1986; Der Verfassungsgerichtshof blieb zuletzt aber bei seinem in der bisherigen Judikatur (VfGH 23.06.88, V29/88 ua.) eingenommenen Standpunkt, dass – angesichts der Verpflichtung zur baugesetzkonformen Interpretation einer Verfassungsbestimmung (Hinweis auf VfGH 01.07.87, G78/87) – im Zweifel kein Inhalt beizumessen ist, der sie in Widerspruch zu den leitenden Grundsätzen des Bundesverfassungsrechts (Art. 44 Abs.3 B-VG) stellen würde.

Ein solcher möglicher Widerspruch wäre in Eingriffen erblickbar – so der Verfassungsgerichtshof – die Grundprinzipien der Bundesverfassung, wie etwa eine Einschränkung dessen Gesetzesprüfungskompetenz oder nicht nur zu einer Durchbrechung der Grundrechtsordnung führten, wenn schwerwiegende und umfassende Eingriffe in die Grundprinzipien vorgenommen würden (Hinweis auf VfGH 23.06.88, V29/88 ua.).

Wenn – wie durch den VfGH im Prüfungsverfahren zu B 210/05-3 unverändert beurteilt – diese Bestimmung abermals keinen Anlass für ein Gesetzesprüfungsverfahren bildete, gilt weiterhin das schon vor 20 Jahren mit der Verfassungsbestimmung definierte rechtspolitische Ziel dieses Rechtsinstituts. Die Lenkerauskunft ist demnach am Maßstab der innerstaatlichen Verfassungsordnung zu beurteilen. Neue Sachargumente gegen diese ursprüngliche Betrachtung greifen daher offenbar nicht.

Mit der Bestätigung dieses Schuldspruches ist der Berufungsbehörde durchaus evident, dass letztere Überlegungen ausschließlich dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben müssen, ob die möglichst leichte Überführung von Verwaltungsstraftätern durch deren Selbstbenennung als Straftäter mit gleich- oder höherwertigen Staatszielen im Einklang gesehen werden kann.

Auch mit dem Hinweis auf VfSlg 11866 ist für den Berufungswerber nichts zu gewinnen. Dieser besagt doch lediglich, "dass ein Verhalten, das an sich dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, von der Rechtsordnung erlaubt und damit gemäß § 6 VStG 1950  dann gerechtfertigt sein kann, wenn es unbedingt notwendig ist, um die Versammlung in der beabsichtigten Weise durchzuführen.“

Dass diese im gegenständlichen Fall nicht auf die Umgehung der Vorschriften bzw. die Sanktionslosigkeit von Übertretungen im ruhenden Verkehr analog angewendet werden kann, braucht unter Hinweis auf VfGH in B 210/05-3 nicht weiter erörtert werden.

Bei der Verwaltungsübertretung des § 103 Abs.2 KFG handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG (VwGH vom 27.6.1997, Zl. 97/02/0249).

Mit dem im Ergebnis lapidaren Hinweis, sich nicht selbst einer drohenden Bestrafung durch Befolgung der geforderten Auskunft ausliefern zu wollen, zeigt der Berufungswerber abermals nicht auf, dass ihn an der Auskunftsverweigerung kein Verschulden im Sinne des § 5 Abs.1 VStG trifft.

Da hier jedoch die verfassungsrechtlich abgesicherte Rechtslage nicht in Frage zu stellen ist und in diesem Rahmen die Bestrafung als zu Recht festzustellen ist, muss die Behauptung der Konventionsverletzung auf sich bewenden. Dies aufzugreifen wird – unter Hinweis auf den o.a. Beschluss des Verfassungsgerichtshofes letztlich jedoch den europäischen Instanzen anverwahrt zu bleiben haben, ob der Berufungswerber hier durch die in Verfolgung des Grunddeliktes durch die im § 103 Abs.2 KFG normierte Mitwirkungspflicht in einem von der EMRK geschützten Recht verletzt wurde.

 

6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs‑ und  Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen,  gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die  Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

 

6.1. Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140 mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).

Konkret ist daher zur Strafzumessung auszuführen, dass angesichts der zahlreichen Vormerkungen iVm einem Monatseinkommen von 2.000 Euro, in der mit 60 Euro festgesetzten Geldstrafe ein Ermessensfehler nicht erblickt werden kann.

Vielmehr könnte angesichts der zahlreichen Vormerkungen im Sinne der Spezialprävention eine viel höhere Geldstrafe durchaus als vertretbar erachtet werden. Die Rüge gegen den Grundsatz der reformatio in peius durch eine im Verwaltungsstrafverfahren verhängten höheren Geldstrafe als durch das nicht bezahlte Organmandat betragen hätte, entbehrt unter Hinweis auf VwGH 25.3.1992, 91/02/0159 u. VwGH 27.11.1991, 91/03/0113 mwN  jeglicher rechtlichen Substanz und ist daher nicht weiter zu kommentieren.

Ebenso trifft dies, insbesondere mit Blick auf die hier in äußerst geringem Umfang verhängten Geldstrafe auch auf die Bedenken wegen des dem VStG fremden Tagsatzsystems zu.

 

Der Berufung musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

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