Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400884/4/WEI/Ps

Linz, 06.06.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des K N, russischer Staatsangehöriger, dzt. Schubhaft im Polizeianhaltezentrum S, vertreten durch Dr. A W, Rechtsanwalt in L, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von S-Land zu Recht erkannt:

 

 

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird gleichzeitig festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Der Antrag auf Aufhebung des Schubhaftbescheids und auf sofortige Entlassung aus der Schubhaft wird zurückgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 157/2005) iVm §§ 67c und 79a AVG 1991.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht auf Grund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde vom nachstehenden S a c h v e r h a l t aus:

 

1.1. Aus der Meldung der Polizeiinspektion (PI) W vom 26. Mai 2007 geht hervor, dass der Beschwerdeführer (Bf) verdächtig ist, gemeinsam mit dem georgischen Staatsangehörigen G D, T, einen Diebstahl in der Shell-Tankstelle des F R in D versucht zu haben. Die beiden wären etwa 5 Minuten nach dem Betanken ihres PKW und dem Bezahlen im Verkaufsraum zu Fuß zur Tankstelle zurück gekommen. Während der eine mit dem Tankwart ein belangloses Gespräch führte, hätte der Bf zunächst unbemerkt in den Verkaufsraum gelangen können. Als R diese dann doch bemerkte, rannte er in den Verkaufsraum und fand den Bf in gebückter Haltung im Bereich der Kassa offenbar in Vorbereitung eines Diebstahls vor. Der Tankwart hätte versucht den Bf anzuhalten, was ihm aber nicht gelang. Der Bf habe auf der Flucht eine entwendete Stabtaschenlampe nach R geworfen. Dieser erstattete Anzeige, worauf sofort eine Fahndung ausgelöst und die Verdächtigen von einer Streife in H angehalten und in weiterer Folge festgenommen werden konnten. Bei der Überprüfung stellte sich heraus, dass der Bf seit etwa einem Monat illegal in Österreich Aufenthalt genommen habe. Die Anzeige erfolgte nach Information des zuständigen Staatsanwalts auf freiem Fuß

 

1.2. Bei der auf der PI W zum Diebstahl durchgeführten Einvernahme vom 26. Mai 2007 gab der Bf an, dass er vor zirka einer Woche mit einem großen Autobus nach Österreich gekommen wäre. Er hätte ein von der russischen Botschaft ausgestelltes Touristenvisum gehabt. Sein Freund G D und er wären mit dessen roten PKW Volvo 750 unterwegs gewesen, den der Bf nach den Anweisungen von G lenkte. Der Bf wohne bei seiner Freundin O R in Linz, kenne aber die Adresse nicht. Sein Gepäck und seine persönlichen Gegenstände, seinen russischen Reisepass und Führerschein und das gültige Touristenvisum hätte er bei O, die etwa 10 km von Linz in einem vier- oder fünfstöckigem Haus wohne. Nach dem Frühstück wären sie in die Innenstadt von Linz und hätten gegen 10.30 Uhr G getroffen. O hätten sie zu ihrem Arbeitsplatz als Kindermädchen im Zentrum von Linz gebracht und wären dann Richtung S gefahren. Zum Vorfall in der Tankstelle gegen 15.00 Uhr verantwortete sich der Bf nicht geständig. Er gab zwar an, dass sie nach dem Tanken zunächst wegfuhren und dann den PKW in der Nähe bei einem Gasthaus abstellten, um zu Fuß zurück zu kehren. Bei der Tankstelle habe dann G mit dem Tankstellenbetreiber gesprochen, während er nach einem Scheibenreiniger gesucht hätte und dann in das Shop gegangen wäre, um etwas zu kaufen, Er hätte Taschenlampen begutachtet, als der Tankwart plötzlich hereingekommen wäre und ihm mit einem Gartenschlauch um den Hals festhalten hätte wollen. Er hätte sich aber befreien können und die beiden wären zu ihrem PKW geflüchtet und schnell weggefahren. Der Bf hätte nichts Strafbares gemacht.

 

Zum Zweck seines Aufenthalts in Österreich erklärte der Bf, dass ihm das Land gefalle und er hier sesshaft werden möchte. Er beantragte die Aufnahme eines Asylverfahrens, um in Österreich bleiben zu können.

 

Am 26. Mai 2007 um 20.11 Uhr fand daher auf der PI W weiter die Erstbefragung nach dem AsylG 2005 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Bf an, Anfang Mai die Hafenstadt Suchumi verlassen und mit einem Schiff in die Türkei gelangt zu sein. Der Ankunftshafen wäre ihm unbekannt. Von der Türkei wäre er mit einem Autobus legal weitergereist, wobei ihm aber die Reiseroute unbekannt wäre. Er wüsste nicht einmal, wo die EU beginnt. Er hätte auch noch in keinem anderen Land um Asyl angesucht und keine Familienangehörige im EU-Raum. Er hätte aber ein Schengenvisum, das von einer unbekannten Botschaft in Suchumi, Russland, ausgestellt und bis April 2008 gültig wäre. Die Reise hätte ca. 2 Wochen gedauert. Das Visum und Ticket hätte ihm ein bekannter besorgt, dessen Daten er aber nicht angeben möchte. Die Kosten der Reise betrugen 3.500 Euro.

 

Zum Fluchtgrund gab der Bf an, sein Vater hätte im Krieg zwischen Russland und Georgien auf georgischer Seite gekämpft. Er wäre nicht mehr am Leben Seine Mutter wäre entführt worden. Er wäre zu Hause mit Schusswaffen aufgegriffen worden, hätte aber flüchten können. Sein Bruder wäre bei Verwandten in Suchumi.

In seiner Heimat würde er verfolgt werden. Er werde von der russischen Polizei gesucht und unrichtig beschuldigt, Bombenanschläge verübt zu haben.

 

Der seit Februar 2003 in Österreich aufhältige G D, georgischer Staatsangehöriger, gab an, den Bf vor 10 bis 20 Tagen im Linzer Schillerpark zufällig kennen gelernt zu haben. Später habe er ihn mit seiner Freundin "O" oä. wieder getroffen, die er schon vom Sehen kannte. Er wisse von ihr, dass sie in Urfahr wohnt, kenne aber keine genaue Adresse. Ein anderes Mal wäre er mit einem anderen Mädchen gekommen, das in der Solarcity wohnen soll.

 

1.3. Aus der Anzeige der PI W vom 27. Mai 2007 an die belangte Behörde geht hervor, dass der Bf nach Begehung einer Straftat in H um 15.10 Uhr von Beamten der PI St. Florian vorläufig in Verwahrung genommen wurde. Dabei habe er um Asylgewährung ersucht. Beim Abgleich der Fingerabdruckspuren im EURODAC habe man festgestellt, dass der Bf bereits in 3 Fällen um Asyl angesucht hatte, und zwar am 19. Mai 2004 in Tschechien, am 15. Mai 2004 in der Slowakei und am 18. April 2005 in Frankreich. Die telefonische Rücksprache am 26. Mai 2007 um 23.35 Uhr mit dem Journaldienst des Bundesasylamts habe ergeben, dass es damit eindeutig eine Dublin-Relevanz festzustellen sei. Der Journalbeamte habe die Verständigung der zuständigen Bezirkshauptmannschaft wegen Schubhaftübernahme angeordnet. Der Bf wurde dann am 27. Mai 2007 um 9.30 Uhr der belangten Behörde vorgeführt.

 

Die polizeilichen Ermittlungen betreffend die angebliche Freundin O R seien negativ verlaufen. Sie scheine weder im Melderegister auf, noch bestünden andere Vormerkungen. Wo sich die angebliche Wohnung befindet, habe nicht ermittelt werden können.

 

1.4. Die belangte Behörde hat am 27. Mai 2007 den ihre vorgeführten Bf ab 10.05 Uhr fremdenbehördlich einvernommen. Der Bf konnte oder wollte weder eine Adresse, noch eine Fahrtroute zur angeblichen Wohnung in Linz nennen. Zu seiner Reise gab er nur an, vor ca. 20 Tagen ab Suchumi in Russland über die Türkei nach Österreich gelangt zu sein. Aufenthaltstitel habe er nicht. Nunmehr gab er auch zu, im EU-Raum bereits drei Mal einen Asylantrag gestellt zu haben. In Österreich stellte er daher am 26. Mai 2007 den vierten Asylantrag. Zu seiner Verfolgung in Russland meinte er, dass sein Vater als Volksfeind und Partisan gegolten habe und daher würde auch er in Russland verfolgt werden.

 

In der Folge ordnete die belangte Behörde mit Bescheid vom 27. Mai 2007, Zl. Sich 41-100-2007, gegen den Bf auf der Rechtsgrundlage des § 76 Abs 1 und 2 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und der Ausweisung an. Der Bf wurde anschließend zum Vollzug der Schubhaft in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) der BPD S überstellt.

 

Im Schubhaftbescheid geht die belangte Behörde im Wesentlichen vom oben dargestellten Sachverhalt aus. Bei der Asylantragstellung vor den Polizeiorganen habe er noch verneint, dass er schon in drei verschiedenen EU-Staaten um Asyl angesucht hatte. Dies sei erst im Zuge der Ermittlungen mittels EURODAC festgestellt worden.

 

Die belangte Behörde ging davon aus, der Bf werde sich den beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahmen (Aufenthaltsverbot, Ausweisung) entziehen und untertauchen, weil er kein Reisedokument mit sich führe, keine Familienangehörigen in Österreich habe, über keine bekannte Wohnung oder Unterkunft verfüge und keine Mittel für seinen Unterhalt besitze. Auf Grund dieses Sachverhalts könnte der Zweck der Schubhaft auch nicht durch gelindere Mittel erreicht werden.

 

1.5. Mit E-Mail vom 27. Mai 2007 teilte Herr AI WEILGUNY, der ermittelnde Beamte der PI W, der belangten Behörde ergänzend mit, dass er den Freund des Bf am 27. Mai 2007 um 18.15 Uhr telefonisch erreicht habe und zur angeblichen Freundin des Bf befragen konnte. Diese sei Herrn D nach Adresse und Schreibweise des Namens unbekannt gewesen. Der Bf habe auch ihm gegenüber angegeben, dass er nicht im Besitz von Reisedokumenten wäre. Er habe auch nie welche bei ihm gesehen. Vermutlich sei er ohne Reisedokumente nach Österreich gelangt.

 

1.6. Mit der am 31. Mai 2007 bei der belangten Behörde eingebrachten Eingabe vom 29. Mai 2007 brachte der Bf durch seinen Rechtsvertreter Schubhaftbeschwerde und einen weiteren Asylantrag ein, wobei er den Beschwerdeantrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides und sofortige Entlassung aus der Schubhaft stellte.

 

2.1. Die Beschwerde bringt begründend vor, dass für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes kein Grund bestünde und die Feststellungen nicht ausreichten. Der Bf habe in Österreich einen Asylantrag gestellt und habe das für eine Entscheidung notwendige Minimalerfordernis einer Erstanhörung bisher nicht stattgefunden. Damit lägen die Grundlagen für eine Asylentscheidung nicht vor. Die Verhängung der Schubhaft verletze den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und sei verfrüht gewesen. Die Schubhaft sei das letzte Mittel zur Sicherung einer Ausweisung. Sie sei daher nicht am Anfang des Asylverfahrens zu verhängen. Als gelinderes Mittel wäre die Weisung bzw das Gelöbnis anzuwenden, sich im Asylzentrum West in Thalheim/St. Georgen niederzulassen und sich wöchentlich zu melden.

 

Zum Asylverfahren erklärt der Bf, er hätte schon mehrfach Asylanträge gestellt, jedoch hätten die "dortigen Angaben" aus Angst vor Verfolgung nicht den Gegebenheiten entsprochen. Er könne keinesfalls nach Georgien/Abchasien zurückkehren. Er habe nach seiner Ausreise aus Frankreich in der Ukraine erfahren, dass für ihn Lebensgefahr auf Grund bürgerkriegsnaher Unruhen und der Verwicklungen seines Vaters und von ihm selbst in Kämpfe der Unabhängigkeitsbewegung bestünde. Der Bf habe daher ein Recht auf ein neuerliches objektives Asylverfahren in Österreich und auf Freizügigkeit während des Verfahrens.

 

2.2. Die belangte Behörde hat die Beschwerde und ihre Verwaltungsakten mit Schreiben vom 31. Mai 2007, eingelangt am 4. Juni 2007, zur Entscheidung vorgelegt, ohne eine Gegenschrift zu erstatten.

 

3. Der erkennende Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die Beschwerde und die vorgelegten Verwaltungsakten sowie nach ergänzender telefonischer Erhebung beim Bundesasylamt Erstaufnahmestelle West (BAA EASt-West) festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinreichend geklärt erscheint, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 9 Abs 2 FPG ist gegen die Anordnung der Schubhaft weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.

 

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung den unabhängigen Verwaltungssenat anzurufen,

1.        wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.        wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3.        wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der Unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl § 83 Abs 4 FPG).

 

Der Bf wurde in Oberösterreich festgenommen und wird in Vollziehung des Schubhaftbescheides vom 27. Mai 2007, Zl. Sich 41-100-2007, für die belangte Behörde im PAZ der BPD S in Schubhaft angehalten. Seine Beschwerde wegen Anhaltung in Schubhaft ist zulässig, aber nicht begründet. Der Antrag auf Aufhebung der Schubhaft und sofortige Entlassung war zurückzuweisen, weil die Schubhaft gemäß § 81 Abs 1 Z 2 FPG durch Freilassung formlos aufzuheben ist, wenn der unabhängige Verwaltungssenat festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für ihre Fortsetzung nicht vorliegen. Der zugrundeliegende Bescheid gilt dann gemäß § 81 Abs 2 FPG als widerrufen.

 

4.2. Gemäß § 76 Abs 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Nach § 76 Abs 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

1.        gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2.        gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.        gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4.        auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

4.3. Gemäß § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Art 2 des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl I Nr. 100/2005) ist ein Antrag auf internationalen Schutz das -auf welche Weise immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (vgl Z 15) und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des subsidiär Schutzberechtigten (vgl Z 16).

 

Asylwerber ist nach § 2 Abs 1 Z 14 AsylG 2005 ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens.

 

Gemäß § 17 Abs 1 AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wenn ein Fremder in Österreich vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, einer Sicherheitsbehörde oder bei einer Erstaufnahmestelle (§ 59) um Schutz vor Verfolgung ersucht. Nach § 17 Abs 2 leg.cit. ist der Antrag auf internationalen Schutz eingebracht, wenn er vom Fremden persönlich - auch im Rahmen einer Vorführung (§ 43 Abs 2) - bei der Erstaufnahmestelle (§ 59) gestellt wird. Unterbleibt die Vorführung nach § 45 Abs 1 und 2 AsylG 2005 gilt der Antrag auf internationalen Schutz nach Durchführung der Befragung und gegebenenfalls der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung als eingebracht (§ 17 Abs 6 leg.cit.).

 

Gemäß § 13 AsylG 2005 ist ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Entzug des Aufenthaltsrechts (§ 62 Abs 1 FPG) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. Wird Asylwerbern gemäß § 62 FPG ihr Aufenthaltsrecht entzogen, kommt ihnen faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.

 

Gemäß § 28 Abs 1 Satz 2 AsylG 2005 erfolgt die Zulassung durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte (§ 51).

 

Nach § 28 Abs 2 AsylG 2005 ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz entscheidet, dass der Antrag zurückzuweisen ist, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Dublin - Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht. Diese gilt überdies nicht, wenn der Asylwerber am Verfahren nicht mitwirkt, dieses gegenstandslos wird oder er sich diesem entzieht. Ist der Asylwerber aus in seiner Person gelegenen Gründen nicht in der Lage, am Verfahren mitzuwirken, ist der Lauf der Frist nach Satz 1 gehemmt.

 

4.4. Im gegenständlichen Fall war die Verhängung der Schubhaft auf der Grundlage des § 76 Abs 2 Z 4 FPG zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (gemäß § 10 AsylG 2005) und zur Sicherung der anschließenden Abschiebung möglich. Die belangte Behörde hat sich auch ausdrücklich auf diese Rechtsgrundlage berufen. Dass sie außerdem inhaltlich auch nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats zu Unrecht mit § 76 Abs 1 FPG argumentierte, vermag am zutreffenden Schubhaftgrund gemäß § 76 Abs 2 Z 4 FPG nichts zu ändern.

 

Auf Grund der aktenkundigen Ergebnisse konnte nach der Befragung des Bf und den ergänzenden Erhebungen (EURODAC) nach erkennungsdienstlicher Behandlung angenommen werden, dass der Antrag des Bf auf internationalen Schutz (Asylantrag) voraussichtlich mangels Zuständigkeit Österreichs zurückgewiesen werden wird. Wie die telefonische Rücksprache mit dem Journaldienst des BAA EASt-West (vgl Aktenvermerk der PI Garsten vom 26.05.2007) ergab, war auf Grund der EURODAC-Abfrage von einer Dublinrelevanz auszugehen, zumal der Bf im Jahr 2004 in Tschechien und der Slowakei und im Jahr 2005 in Frankreich Asylanträge gestellt hatte. Geht man im Übrigen von den - wenn auch zweifelhaften - Angaben des Bf aus, wonach er mit dem Autobus aus der Türkei über unbekannte Länder und Grenzübergänge nach Österreich gelangt sei, so konnte er nur über EU-Staaten (Slowakei oder Ungarn) eingereist sein und hätte bereist dort Asylanträge stellen können und nach der Dublin II Verordnung auch müssen.

 

Die belangte Behörde durfte demnach zumindest vorläufig iSd § 76 Abs 2 Z 4 FPG annehmen, dass der in Österreich gestellte Asylantrag mangels Zuständigkeit zurückgewiesen werden wird.

 

4.5. Das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats hat am 6. Juni 2007 im Dublinreferat des BAA EASt-West telefonisch ergänzend erhoben (vgl Aktenvermerk vom 06.06.2007), dass tatsächlich am 5. Juni 2007 Dublin-Konsultationen mit Frankreich eingeleitet wurden, weil dort zuletzt ein Asylantrag des Bf behandelt worden ist. Mit der Slowakei und mit Tschechien werde noch ein Inforequestverfahren (Informationsersuchen) erfolgen. Dem beigeschafften Gesuch des BAA vom 5. Juni 2007 im Konsultationsverfahren mit Frankreich ist zu entnehmen, dass der Bf bei der Ersteinvernahme vor dem BAA EASt-West angab, dass sein Asylverfahren in Frankreich zunächst positiv erledigt worden, ihm aber später die Flüchtlingseigenschaft wieder aberkannt worden wäre. Er hätte dann bis vor 3 bis 4 Monaten illegal in Paris gelebt und sei anschließend über Italien und die Slowakei in die Ukraine gereist, wo er sich bis Anfang Mai 2007 aufgehalten hätte, ehe er über unbekannt nach Österreich gelangte. Demnach hat der Bf vor der Asylbehörde eine andere Version über seine Reise nach Österreich angegeben. Im bisherigen Verfahren wollte er noch per Schiff von der Hafenstadt Suchumi über einen unbekannten Ankunftshafen in die Türkei und von dort mit dem Autobus über unbekannt nach Österreich gereist sein.

 

Der Darstellung des Bf betreffend das kurzweilige Verlassens der Mitgliedsstaaten mit Aufenthalt in der Ukraine bezweifelte das BAA EASt-West, zumal der Bf auch keinerlei Beweise dafür vorlegen konnte. Allein die Aussage über einen kurzen Aufenthalt in der Ukraine bis Mitte Mai 2007 mit unbekannter Adresse verdeutliche schon die Unglaubwürdigkeit des Bf. Diese werde noch dadurch untermauert, dass der Bf die bisherigen Asylantragstellungen in der EU zunächst verschweigen wollte.

 

Bei der asylbehördlichen Ersteinvernahme vom 4. Juni 2007 wurde dem Bf auch gemäß § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz nach § 5 AsylG 2005 zurückzuweisen, weil Konsultationen nach der Dublin II Verordnung mit Frankreich eingeleitet werden. Gemäß § 27 Abs 1 AsylG 2005 gilt ein asylrechtliches Ausweisungsverfahren als eingeleitet, wenn im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe nach § 29 Abs 3 Z 4 oder 5 AsylG 2005 erfolgt. Weil diese Zurückweisung gemäß dem § 10 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden ist, wurde demnach gegen den Bf nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 auch ein Ausweisungsverfahren eingeleitet. Im Zusammenhang mit der Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs 3 Z 4 AsylG 2005 hat der Bf auch das Informationsblatt zur Dublin II Verordnung der Europäischen Union (Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003, ABl L 50/1 vom 25.2.2003) erhalten.

 

Mit dem Datum der asylbehördlichen Ersteinvernahme am 4. Juni 2006 ist demnach auch von der Einleitung eines Ausweisungsverfahrens nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 auszugehen. Damit liegt per 4. Juni 2006 auch der Schubhaftgrund gemäß dem § 76 Abs 2 Z 2 FPG vor.

 

4.6. Gemäß § 77 Abs 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Der Oö. Verwaltungssenat vertritt mit der belangten Behörde die Ansicht, dass im gegenständlichen Fall der Zweck der Schubhaft durch gelindere Mittel nicht erreicht werden könnte. Der mittellose Bf hat in Österreich keine verwandtschaftlichen oder sonstige sozialen Bindungen. Er hat auffällige Erinnerungslücken, wenn es um nähere Angaben zu seinem angeblichen Fluchtweg oder zu seinem Aufenthalt in Österreich geht. Seine Angaben zur angeblichen Linzer Freundin O R, bei der er Wohnsitz genommen und seine Dokumente deponiert haben will, konnten von den ermittelnden Polizeibeamten in keiner Weise verifiziert werden. Auch die Identität des Bf ist bislang nicht zuverlässig geklärt, zumal er keinerlei Dokumente vorgewiesen oder sonstige Beweismittel genannt hat. Er merkt sich keine Adressen, keine Länder und Grenzübergänge, die er passiert hat, und weiß angeblich nicht einmal, wo die EU beginnt. Nachträglich stellte sich freilich nach erkennungsdienstlicher Behandlung und EURODAC Abgleich heraus, dass er schon 2004 und 2005 in drei verschiedenen Eu-Mitgliedsstaaten Asylanträge gestellt hatte.

 

Über seine Reiseroute hat der Bf unglaubhafte und widersprüchliche Angaben gemacht (vgl oben Punkt 4.4.). Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds täuscht der Bf Erinnerungslücken und Unkenntnis nur vor, um sich Vorteile im Asylverfahren zu verschaffen. Er hat auch nicht nachträglich - etwa nach Beratung mit seinem Rechtsvertreter – seinen angeblich in Linz befindlichen Reisepass, sonstige Dokumente oder Bescheinigungsmittel für seine Behauptungen vorgelegt. Man gewinnt den Eindruck, dass der Bf die österreichischen Behörden nur hinhalten will, um sich ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Asylverfahren zu erschleichen. Wie auch das Telefonat zwischen AI WEILGUNY von der PI W mit dem Freund des Bf G D ergeben hat (vgl oben Punkt 1.5.), ist der Bf höchstwahrscheinlich ohne Reisedokumente und illegal nach Österreich gelangt. Dieser Freund kennt entgegen der Darstellung des Bf auch keine O R, die beide angeblich am 26. Mai 2007 zur Arbeit brachten, bevor sie mit dem Auto Richtung S fuhren (vgl oben Punkt 1.2.).

 

Das gesamte bisherige Verhalten des Bf lässt erkennen, dass sich der Bf nicht im Geringsten um die fremderechtlichen Einreise - und Aufenthaltsvorschriften kümmert. Seine Behauptungen sind teils unwahr, teils so unbestimmt, dass sie nicht glaubhaft erscheinen. Der Bf hat sich bislang auch unkooperativ verhalten. Die belangte Behörde ist mit Recht von der Annahme ausgegangen, dass sich der Bf auf freiem Fuß den asylbehördlichen und fremdenpolizeilichen Maßnahmen entziehen werde. Durch gelindere Mittel könnte der Zweck der Schubhaft im Falle des Bf nicht erreicht werden, zumal sich dieser durch sein bisheriges Verhalten als vertrauensunwürdig erwiesen hat. Vielmehr muss angenommen werden, dass der Bf im Wissen um seine drohende Ausweisung und Abschiebung nach Frankreich, auf freiem Fuß untertauchen und seinen Unterhalt auf illegale Weise bestreiten würde. Seine Hemmschwelle gegenüber rechtswidrigem Verhalten schätzt der Oö. Verwaltungssenat als gering ein. Es kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass sich der Bf freiwillig dem Zugriff der Behörden stellen würde. Auch die Unterbringung in der Bundesbetreuung der Erstaufnahmestelle könnte keine Gewähr dafür leisten. Vielmehr ist dem Bf zuzutrauen, alles in seiner Macht stehende zu unternehmen, um einer Abschiebung in einen anderen EU-Mitgliedsstaat zu entgehen. Die Anhaltung des Bf in Schubhaft erscheint daher verhältnismäßig und seinem Verhalten angemessen.

 

Da sein Asylverfahren bisher nicht zugelassen wurde, hält sich der Bf in Österreich unrechtmäßig auf. Er ist mittellos und voraussichtlich nicht in der Lage seinen Aufenthalt zu legalisieren. Es liegen daher genügend Gründe für die Annahme vor, dass der Zweck der Schubhaft mit der Anwendung gelinderer Mittel nicht erreicht werden könnte. Schon die Wahrscheinlichkeit des unkooperativen Verhaltens und allfälligen Untertauchens eines Fremden rechtfertigt eine Ermessensübung dahin, die Schubhaft anstelle gelinderer Maßnahmen zu verhängen (VwGH vom 23.03.1999, Zl. 98/02/0309).

 

Im Ergebnis war daher die vorliegende Schubhaftbeschwerde mit der Feststellung iSd § 83 Abs 4 FPG als unbegründet abzuweisen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war die belangten Behörde als obsiegende Partei nach § 79a Abs 3 AVG anzusehen. Ein Kostenentscheidung entsprechend der UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 (BGBl II Nr. 334/2003) hätte aber gemäß § 79a Abs 6 AVG eines Antrags bedurft, der unterblieben ist.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Stempelgebühren für die Beschwerde von 13 Euro (§ 14 TP 6 Abs 1 GebG) und für die beigelegte Vollmacht vom 30.05.2007 von weiteren 13 Euro (§ 14 TP 13 Abs 1 GebG), insgesamt daher von 26 Euro angefallen.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

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