Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420500/8/WEI/Ps VwSen-420501/8/WEI/Ps

Linz, 15.06.2007

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerden der Ehegatten E, geb., und A, geb., K, beide S, L, vertreten durch Mag. Dr. H B, Rechtsanwalt in L, M; wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 16. Februar 2007 durch der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich zurechenbare Polizeiorgane des Landeskriminalamts für Oberösterreich zu Recht erkannt:

 

I. Den Beschwerden wird Folge gegeben und es werden folgende von Polizeibeamten eines Einsatzkommandos des Landeskriminalamts Oberösterreich am 16. Februar 2007 vorgenommene Verwaltungsakte für rechtswidrig erklärt:

 

a)     das Eindringen in die vormalige Wohnung der beiden Beschwerdeführer in der K, L, ohne Rechtsgrundlage sowie

b)     das kurze Zu-Boden-Drücken und Festhalten des Zweitbeschwerdeführers im Zuge dieses Eindringens bis zum Bemerken des irrtümlichen Zugriffs.

 

II. Der Bund hat den Beschwerdeführern zu Händen ihres Rechtsvertreters je den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 679,20 Euro, insgesamt daher 1.358,40 Euro (darin enthalten Stempelgebühren von 36,80 Euro) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG 1991; §§ 67c und 79a AVG 1991.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit der am 26. März 2007 beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich rechtzeitig eingelangten Beschwerde vom 20. März 2007 haben die mittlerweile an eine neue Wohnadresse verzogenen Beschwerdeführer durch ihren Rechtsvertreter Maßnahmenbeschwerde "gem. Art. 129 a Abs. 1 Z 2 BVG und gem. § 67 a Abs. 1 Z 2 AVG" erhoben und dazu folgenden Sachverhalt vorgebracht:

 

"Am 16.02.2007 zwischen 8:00 und 8:30 Uhr morgens klopfte es lautstark an unsere Wohnungstüre und machte ich, E K, die Türe nur einen Spalt auf, worauf in der Folge etwa 5 bis 10 schwarz vermummte Männer, wobei nur Augen und Mund offen gelassen waren, unsere Wohnung stürmten. Ich, E K, war zu diesem Zeitpunkt im neunten Monat schwanger und war ich auf Grund des Vorfalles sofort zu Boden gefallen und hatte ich einen großen Schock. Mein Ehegatte, A K, befand sich noch im Bad und kam er nur mit Hose bekleidet aus dem Badezimmer heraus, wobei er sofort von den schwarzen bekleideten, vermummten Männern zu Boden gedrückt wurde. Er wurde am Boden festgehalten und stand auch einer der Männer mit dem Fuß auf ihm. Als ich, A K, am Boden lag, zeigte mir einer der Männer einen Ausweis, dass er von der Polizei ist und wurde ich mehrmals gefragt: 'Wo ist P?' Als ich dreimal antwortete, dass ich keinen P kennen würde, ließen die Männer von mir ab und kamen diese darauf, dass sie in die falsche Wohnung eingedrungen waren. Wir wohnten K, richtig wäre jedoch die Türnummer gewesen. Nachdem die Männer der Polizei ihren Irrtum bemerkt hatten, verließen sie unmittelbar danach die Wohnung, um die Nachbarwohnung aufzusuchen, Wir möchten anmerken, dass auf unserer Tür groß und unverkennbar die Nummer steht und unter normalen Umständen daher eine Verwechslung nicht möglich ist. Nachdem der Irrtum bemerkt worden war, blieben noch 3 Männer in der Wohnung, entschuldigten sich und rief mich, E K, einer der Beamten noch zweimal an (von der Rufnummer). Er fragte mich, ob bei mir alles in Ordnung sei, insbesondere in Anbetracht meiner unmittelbar bevorstehenden Entbindung. Wir stehen beide seit diesem Ereignis unter großem Schock und sind wir aufgrund der Schlaflosigkeit und psychologischen Probleme in ärztlicher Behandlung. Bis heute wissen wir nicht, weshalb und für welche Behörde die Männer einschritten und gab res nie eine offizielle Entschuldigung seitens einer Behörde für diesen Vorfall, welcher doch maßgebliche Konsequenzen für uns nach sich zog."

 

Die Beschwerdeführer stellten durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter die

 

"A N T R Ä G E,

 

der Unabhängige Verwaltungssenat Oberösterreich möge

a)    eine mündliche Verhandlung anberaumen und durchführen, sowie

b)   feststellen, dass das Eindringen in unsere Wohnung am 16.02.2007, K, L durch glaublich Beamte der Kobra ohne Rechtsgrundlage erfolgte und daher rechtswidirg war und wir durch diese Vorgangsweise in unseren subjektiven Rechten verletzt wurden

c)    erkennen, der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, die Kosten des Maßnahmenbeschwerdeverfahrens im gesetzlichen Ausmaß binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang an den Beschwerdeführervertreter zu ersetzen."

 

Zur Begründung ihrer Maßnahmenbeschwerde führen die Beschwerdeführer weiter aus, dass das Eindringen der 5 bis 10 Beamten ohne Rechtsgrundlage und damit rechtwidrig gewesen wäre. Es habe sich augenscheinlich um eine Verwechslung der Türnummer gehandelt. Als die Erstbeschwerdeführerin (ErstBfin) die Türklinke drückte, wäre die Tür aufgedrückt, die Wohnung gestürmt und der Zweitbeschwerdeführer (ZweitBf) grundlos zu Boden geworfen worden, der dabei leichte Verletzungen erlitten habe. Die ErstBfin sei im neunten Monat schwanger und in einem instabilen Gesundheitszustand gewesen. Auf Grund des Schocks sei sie zu Boden gefallen und leide noch heute an Schlafstörungen und psychologischen Problemen. Auch der ZweitBf befinde sich in psychologischer Behandlung. Vorgelegt wurden dazu 3 Beilagen, und zwar Kopien einer gynäkologischen Anamnese, Medikamentenliste der psychiatrischen Ambulanz der Oö. Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg und Krankmeldung vom 27. Februar 2007.

 

Bisher seien die Beschwerdeführer nicht aufgeklärt worden, wie es zur Verwechslung habe kommen können und wer die eindringenden Beamten überhaupt waren. Lediglich die ErstBfin sei zwei Mal von einem Mann am Handy angerufen worden, der sich nach ihrem Befinden und danach erkundigte, ob sie ihr Kind schon bekommen habe. Es sei offenkundig, dass das Eindringen rechtswidrig gewesen und die Verwechslung bei einem sorgfältigen Vorgehen der Beamten unterblieben wäre.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat mit Schreiben vom 28. März 2007 der Bundespolizeidirektion Linz die eingebrachte Maßnahmenbeschwerde zur Kenntnis gebracht und zur Aktenvorlage und Gegenschrift aufgefordert. Mit Schreiben vom 19. April 2007 teilte diese mit, dass Erhebungen ergaben, dass keine Organe des Stadtpolizeikommandos Linz eine derartige Amtshandlung geführt hätten, weshalb die Bundespolizeidirektion Linz nicht als belangte Behörde anzusehen sei. Mit Schreiben vom 25. April 2007 wurde daher die Sicherheitsdirektion für Oberösterreich mit der gegenständlichen Maßnahmenbeschwerde konfrontiert und zur Aktenvorlage und  Gegenschrift aufgefordert.

 

Am 31. Mai 2007 langte beim Oö. Verwaltungssenat die Gegenschrift der Sicherheitsdirektion (Kriminalpolizeiliche Abteilung) vom 21. Mai 2007, Zl. 1-519/07, ein, mit der in der Sache wie folgt Stellung genommen wird:

 

"I. Sachverhalt:

 

 

Am 16.2.2007 beabsichtigte das LKA , EB 9, unter Mitwirkung von Beamten der EGS in Vollziehung eines Haft- und Hausdurchsuchungsbefehles des LG Linz, basierend auf § 28 SMG in die in L, K etablierte konspirative Wohnung des dort aufhältigen, jedoch nicht gemeldeten Tatverdächtigen einzudringen.

 

Infolge eines Irrtums beruhend auf der konspirativen Annäherung an die Zielwohnung drangen die – der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich zurechenbaren – Einsatzkräfte versehentlich in die in L, K befindliche Wohnung der oben bezeichneten Beschwerdeführer ein, welche unmittelbare Wohnungsnachbarn zur Zielwohnung sind.

 

Nach Bemerken des bedauerlichen Irrtums erfolgte schließlich der Zugriff in der Wohnung L, K, wobei der Tatverdächtige letztendlich festgenommen werden konnte.

 

 

II. Rechtliche Würdigung

 

 

Da die durch die rechtsfreundliche Vertretung in Beschwerde gezogene Maßnahme und im Rahmen der Anträge formulierte Feststellung, dass das Eindringen in die Wohnung, L, K am 16.2.2007 ohne Rechtsgrundlage erfolgte und daher rechtswidrig war, seitens der belangten Behörde dem Grunde nach nicht bestritten wurde, erscheint die Beschwerdeerhebung unnötig.

Zwar verkennt die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich nicht, dass dieser im Sicherheitspolizeigesetz formulierte Rechtsschutz keinerlei Einschränkung – insbesondere unabhängig davon, ob durch die Behörde ein Sachverhalt zugestanden bzw. verneint wird – unterworfen ist, jedoch scheint die Sinnhaftigkeit der gegenständlichen Beschwerde fragwürdig, wurde doch, wie bereits oben dargelegt, der Sachverhalt dem Grunde nach nicht in Zweifel gezogen und ergibt sich doch aus dem SPG kein weiteres, darüber hinaus gewährleistetes recht bzw. vermag es die Rechtsposition ggf. in einem anderen Verfahren weder zu bestärken, noch zu schwächen.

 

In Anbetracht der oben dargelegten Ausführungen sowie dem Aspekt der Raschheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis erscheint aus Sicht der belangten Behörde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als verzichtbar."

 

Für den Fall einer anderen Beurteilung durch den UVS Oberösterreich beantragt die belangte Behörde hilfsweise die kostenpflichtige Zurück- oder Abweisung der Beschwerde.

 

3. Der unabhängige Verwaltungssenat kann auf Grund der vorliegenden Eingaben der Parteien feststellen, dass der von den Beschwerdeführern vorgebrachte wesentliche Sachverhalt von der belangten Behörde nicht bestritten worden ist. Die Gegenschrift der belangten Behörde gibt dazu bekannt, dass das polizeiliche Einsatzkommando des Landeskriminalamts Oberösterreich einen gerichtlichen Haft- und Hausdurchsuchungsbefehl in einer Strafsache nach dem Suchtmittelgesetz umsetzen und einen Tatverdächtigen verhaften wollte, sich dabei aber bedauerlicher Weise in der Wohnung irrte und zunächst in die Wohnung Nr. der Beschwerdeführer anstatt in die Nachbarwohnung Nr. in der K eindrang, wo dann unmittelbar nach Bemerken des Irrtums der Zugriff erfolgte. Der von den Beschwerdeführern geschilderte Sachverhalt wurde nicht in Zweifel gezogen, weshalb von der Schilderung des Sachverhalts in der Beschwerdeschrift auszugehen ist und keine Beweise darüber aufgenommen werden müssen.

 

Da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist, konnte gemäß § 67d Abs 2 Z 3 AVG eine öffentliche mündliche Verhandlung in der gegenständlichen Beschwerdesache entfallen.

 

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 AVG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein (sog. Maßnahmenbeschwerde), ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes.

 

Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt setzt nach der Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts die unmittelbare Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch voraus (vgl VwGH 14.12.1993, 93/05/0191; VfSlg 11935/1988; VfSlg 10319/1985; VfSlg 9931/1984 und 9813/1983). Die bloße Untätigkeit einer Behörde erfüllt diesen Begriff nicht (vgl VfSlg 9813/1983; VfSlg 9931/1984; VfSlg 10319/1985, VfSlg 11935/1988). Für die Ausübung von Zwangsgewalt ist im Allgemeinen ein positives Tun begriffsnotwendig (vgl VwGH 25.4.1991, 91/06/0052; VwSlg 9461 A/1977; VfSlg 6993/1973; VfSlg 4696/1964). Dieses kann auch in einem schlüssigen Tun iSd § 863 ABGB bestehen (vgl Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, 74).

 

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer sog. Maßnahmenbeschwerde ist daher, dass gegen den Beschwerdeführer physischer Zwang ausgeübt wurde oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl mwN Walter/Mayer, Bundesverfassungsrecht9 Rz 610).

 

Im vorliegenden Fall sind die Polizisten im Dienste der Strafrechtspflege auf Grund eines gerichtlichen Befehls tätig geworden. Soweit durch Akte von Verwaltungsorganen nur richterliche Befehle durchgeführt werden, sind sie funktionell der Gerichtsbarkeit zuzurechnen, solange der Ermächtigungsrahmen nicht überschritten wird. Bei offenkundigen Überschreitungen des gerichtlichen Befehls liegt ein der Verwaltung zuzurechnendes Verhalten vor (vgl Judikaturnachweise bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 [1998] E 20 zu § 67a AVG).

 

Im gegenständlichen Fall steht die Verwechslung der Wohnung und damit der irrtümliche Zugriff in der Wohnung der Beschwerdeführer fest. Diese Vorgangsweise war eindeutig nicht vom gerichtlichen Haft- und Hausdurchsuchungsbefehl des LG Linz gedeckt, weshalb von einer verwaltungsbehördlichen Zurechnung des Organverhaltens auszugehen ist. An der Ausübung physischen Zwanges durch die polizeilichen Einsatzkräfte kann im gegenständlichen Fall keinerlei Zweifel bestehen, weshalb die begrifflichen Voraussetzungen für eine Maßnahmenbeschwerde jedenfalls vorliegen.

 

4.2. Gemäß Art 9 StGG ist das Hausrecht unverletzlich. Das bestehende Gesetz vom 27. Oktober 1862 (RGBl Nr. 88) zum Schutz des Hausrechtes wird als Bestandteil dieses Staatsgrundgesetzes erklärt. § 1 dieses HausrechtsG definiert als Hausdurchsuchung eine Durchsuchung der Wohnung oder der sonstigen zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten.

 

Das Hausrecht gewährt Schutz vor Hausdurchsuchungen und dient nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs im besonderen Maß der Wahrung der Intimsphäre. An diesem Normzweck orientiert sich auch der Begriff der geschützten Räumlichkeiten. Neben der Wohnung im engeren Sinn fallen auch Geschäfts- und Betriebsräume, nicht aber öffentlich zugängliche Räume oder ein Gebäude, das Baustelle und daher unbewohnt ist, darunter (vgl näher mit Nachw Mayer, B-VG3 [2002] Art 9 StGG Anm I. und III.)

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist für das Wesen einer Hausdurchsuchung charakteristisch, dass nach Personen oder Sachen, von denen unbekannt ist, wo sie sich befinden, gesucht wird (vgl mwN VfSlg 14864/1997; VfSlg 12.056/1989). Einen Raum durchsuchen heißt, dessen Bestandteile und die darin befindlichen Objekte zu dem Behufe beaugenscheinigen, um festzustellen, ob in diesem Raum und an welcher Stelle sich ein bestimmter Gegenstand befindet (VfSlg 6.328/1970; VfSlg 8.642/1979). Dafür ist eine gewisse Intensität erforderlich. Eine Hausdurchsuchung erfordert die systematische Besichtigung wenigstens eines bestimmten Objekts (vgl VfSlg 6.528/1971; VfSlg 9.525/1982, und VfSlg 10.897/1986).

 

Eine solche Hausdurchsuchung fand im vorliegenden Fall nicht statt, weil die Wohnung der Beschwerdeführer nach dem eigenmächtigen Eindringen nicht mehr durchsucht wurde, zumal die Polizeibeamten ihren Irrtum schon bald feststellten und die Wohnung wieder verließen, um in der Nebenwohnung den dort sich aufhaltenden Tatverdächtigen festzunehmen.

 

4.3. Art 8 EMRK gewährleistet Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und des Briefverkehrs. Dieses Grundrecht reicht über den Schutzbereich des Art 9 StGG hinaus und dient dem Schutz der Intimsphäre des Individuums (Vgl VfSlg 12.056/1989). Schutz vor Hausdurchsuchungen gewährt das Grundrecht nach Art 9 StGG. Maßnahmen, denen das Element der Suche fehlt, können ins Recht auf Achtung der Wohnung nach Art 8 EMRK eingreifen, wobei nicht nur der Eigentümer oder Mieter sondern auch der Inhaber von Räumlichkeiten geschützt wird (vgl mit Nachw Mayer, B-VG3, Art 9 StGG, Anm I.,II. Z 3 und IV.) In das Recht auf Achtung der Wohnung wird nicht nur durch eine Hausdurchsuchung, sondern durch jede Maßnahme eingegriffen, die die Intimität einer Wohnung stört (vgl Mayer, B-VG3, Art 9 MRK Anm II. Z 3).

 

Nach Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff in die Rechte nach Abs 1 nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Durch das Eindringen des Einsatzkommandos wurden die Beschwerdeführer eindeutig in der Intimität ihrer Wohnung gestört, weshalb ein Eingriff in das Recht auf Achtung der Wohnung angenommen werden muss. Beim gegebenen Sachverhalt findet dieser Eingriff in das Recht auf Achtung der Wohnung keine gesetzliche Grundlage.

 

4.4. Nach Art 5 Abs 1 EMRK hat jedermann ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den Fällen des Absatz 1 lit a) bis f) und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden.

 

Art 1 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit (PerFrSchG), BGBl Nr. 684/1988, gewährleistet dieses Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ebenfalls. Nach Art 1 Abs 2 PersFrSchG darf niemand aus anderen als den in diesem BVG genannten Gründen oder auf andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nach Art 1 Abs 3 PersFrSchG nur vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist. Er ist nur zulässig, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

 

Die Freiheitsentziehung im Sinne des PersFrSchG und der EMRK umfasst sowohl die Verhaftung (Festnahme) als auch die Anhaltung. Die Verhaftung (Festnahme) ist ein einmaliges Ereignis, sozusagen der Eintritt einer Freiheitsbeschränkung, der vom Willensakt eines Organs (Menschen) getragen wird. Dagegen stellt die Anhaltung die Fortdauer, die Aufrechterhaltung des einmal eingetretenen Zustands der Festgenommenheit dar (vgl. Ermacora, Grundriss der Menschenrechte in Österreich, 1988, Rz 364 ff). Auch dieses Verhalten eines Organs muss von dessen Willen getragen sein. Damit müssen jeweils zwei Elemente vorliegen, nämlich ein tatsächliches Verhalten und der Wille zur Freiheitsbeschränkung. Dieser Wille, durch den das bloße Verhalten erst zum normativen Akt – hier: zum Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt – wird, kann etwa dadurch ausdrücklich erklärt werden, dass jemand durch ein Organ "für verhaftet erklärt" wird. Andererseits kann ein Organverhalten auch dann eine Freiheitsentziehung bedeuten, wenn das Organ den Willen nicht ausdrücklich erklärt hat, dieser aber aus seinem Verhalten erschlossen werden muss.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hatte auf Grund der sachverhaltsmäßigen Vorgabe in der Beschwerde auch den Eingriff in die persönliche Freiheit des ZweitBf aufzugreifen. Dieser wurde im Zuge des Eindringens in die Wohnung, als er gerade mit bloßer Hose bekleidet aus dem Badezimmer kam, sofort von vermummten Einsatzkräften zu Boden gedrückt und am Boden festgehalten bzw fixiert. Erst als er auf mehrfache Frage eines Polizisten, der sich zuvor ausgewiesen hatte, dreimal antwortete, dass er keinen Patrick kennen würde, erkannten die Männer ihren Irrtum und ließen wieder vom ZweitBf ab. Dieses Geschehen ist, wenn auch eine Festnahme nicht förmlich erklärt worden war, nach der Intensität des Organverhaltens als vorübergehende Freiheitsentziehung zu deuten, die qualitativ einer – wenn auch nur vorübergehenden – Festnahme gleichkam.

 

Da für eine Festnahme des ZweitBf unbestritten überhaupt kein tauglicher Grund vorlag, wurde dieser durch den beschriebenen Vorgang in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit verletzt und war die Amtshandlung auch insofern für rechtswidrig zu erklären.

 

5. Gemäß § 79a Abs 1 AVG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß § 79a Abs 2 AVG der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei.

 

Nach § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetzten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

 

Nach § 79a Abs 6 AVG Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Einen solchen allgemeinen Antrag haben die Beschwerdeführer gestellt.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind nach dem Zweck der behördlichen Akte trennbare Anfechtungsgegenstände zu unterscheiden, hinsichtlich derer jeweils eine gesonderte Kostenentscheidung zu ergehen hat (vgl dazu etwa VwGH 22.10.1999, 98/02/0142, 0143; VwGH 28.2.1997, 96/02/0481; VwGH 17.12.1996, 94/01/0714; VwGH 6.5.1992, 91/01/0200).

 

Gemäß § 79a Abs 7 AVG gelten die §§ 52 bis 54 VwGG auch für den Aufwandersatz im Maßnahmenbeschwerdeverfahren nach § 79a Abs 1 AVG.

 

Nach § 52 Abs 1 VwGG ist im Fall der Anfechtung mehrerer Verwaltungsakte durch einen oder mehrere Beschwerdeführer in einer Beschwerde die Frage des Anspruchs auf Aufwandersatz so zu beurteilen, wie wenn jeder der Verwaltungsakte in einer gesonderten Beschwerde angefochten worden wäre.

 

Gemäß § 53 Abs 1 VwGG ist für mehrere Beschwerdeführer, die gemeinsam einen Verwaltungsakt in einer Beschwerde angefochten haben, vorgesehen, dass die Frage des Anspruchs auf Aufwandersatz so zu beurteilen ist, wie wenn die Beschwerde nur von dem in der Beschwerde erstangeführten Beschwerdeführer eingebracht worden wäre. Diese Regelung gilt zur Vermeidung von Kostenkumulierungen für Fälle einer einheitlichen Prozesspartei, soweit sich Beschwerdeführer in derselben prozessualen Situation befinden und ihre Beschwerden dasselbe rechtliche Schicksal haben (vgl Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 [1987], 709 Rechtsprechung zu § 53 VwGG).

 

Im vorliegenden Fall waren die Beschwerdeführer vom unbefugten Eindringen der Polizeiorgane gleichermaßen betroffen und in ihrem Recht auf Achtung der gemeinsamen Wohnung verletzt worden. Die gemeinsam erhobene Beschwerde gegen diesen Verwaltungsakt teilt das gleiche rechtliche Schicksal, weshalb die Regel des § 53 Abs 1 VwGG zur Anwendung gelangt und Aufwandersatz nur vom erstangeführten Beschwerdeführer beansprucht werden kann. Damit besteht nur Anspruch auf einmaligen Aufwandersatz für die ErstBfin.

 

Von der Freiheitsentziehung durch Fixieren des ZweitBf am Boden, die von der bloßen Verletzung der Intimität der Wohnung zu unterscheiden ist, war nur dieser betroffen. Da dieser Verwaltungsakt als ein rechtswidriger Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit des ZweitBf zu beurteilen war, hatte dieser insofern auch einen Anspruch auf Aufwandersatz nach der Regel des § 52 Abs 1 VwGG.

 

Im vorliegenden Fall waren daher nach der geltenden UVS-Aufwandersatzverordnung 2003 (BGBl II Nr. 334/2003) der ErstBfin und dem ZweitBf je ein Schriftsatzaufwand in Höhe von 660,80 Euro (§ 1 Z 1 UVS-AufwandersatzV) sowie an Stempelgebühren je die Eingabengebühr für die Beschwerden (2 x 13 Euro) sowie für 3 kurze Beilagen (3 x 3,60 Euro) Gebühren von 10,80 Euro je zur Hälfte zuzusprechen. Der Bund war als der Rechtsträger der belangten Behörde auf Antrag der Beschwerdeführer zum Aufwandersatz gemäß § 79a AVG zu verpflichten.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 Blg NR 19. GP, 14 f).

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1.      Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2.      Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 36,80 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

Dr. W e i ß

 

 

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