Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521610/3/Fra/Bb/RSt

Linz, 25.06.2007

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des Herrn P B, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt G R, B, D-61 F, vom 19.4.2007, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 17.4.2007, Zl. VerkR21-237-2007, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als

-  der Ausspruch, dass nach Ablauf der Entziehungsdauer der ausländische EU-Führerschein wieder ausgefolgt wird und

-  die Aufforderung innerhalb von zwei Monaten ein amtsärztliches Gutachten vorzulegen und rechtzeitig vorher die allenfalls für die Erstellung des Gutachtens erforderlichen Befunde und Stellungnahmen zu erbringen,

behoben werden.

 

Im Übrigen wird die Berufung abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 iVm § 67a Abs.1 AVG, 30 Abs.1 iVm Abs.3, 24 Abs.4 FSG und § 64 Abs.2 AVG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 17.4.2007, Zl. VerkR21-237-2007 wurde dem Berufungswerber (Bw)

a) seine am 8.8.2006 für die Klassen A und B erteilte polnische Lenkberechtigung wegen erheblicher Geschwindigkeitsüberschreitung für die Dauer von zwei Wochen, gerechnet ab 1.4.2007 (Führerscheinabnahme) bis einschließlich 15.4.2007 entzogen,

b) ausgesprochen, dass nach Ablauf dieser Frist der polnische Führerschein wieder ausgefolgt bzw.

c) da der Führerschein in einem anderen EWR-Staat ausgestellt wurde, der Ausstellungsbehörde zurückzustellen ist und anstelle des eingezogenen Führerscheines auf Antrag ein österreichischer Führerschein ausgestellt werde,

d) angeordnet, dass der Bw innerhalb von zwei Monaten ein amtsärztliches Gutachten vorzulegen habe und rechtzeitig vorher die allenfalls für die Erstellung des Gutachtens erforderlichen Befunde und Stellungnahmen zu erbringen habe.

e) Einer allfälligen Berufung wurde gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitige eingebrachte Berufung vom 19.4.2007, welche sich ausschließlich gegen die Punkte b) bis e) richtet.

Begründend führt der Bw anwaltlich vertreten aus, dass er erst seit 24.1.2007 seinen Wohnsitz in Österreich habe. Weder sei die sechsmonatige Frist verstrichen, ab der man die Ungültigkeit der polnischen FE bzw. deren Umschreibungspflichtigkeit annehmen könnte, noch rechtfertige das jüngste Delikt Bedenken an der gesundheitlichen Eignung zu nähren. Die im Bescheid der belangten Behörde angeführten Umstände würden allesamt für sich nicht die angeordnete Maßnahme rechtfertigen. Er beantragte die Wiederausfolgung des polnischen Führerscheines sowie der Berufung gegen den Bescheid vom 17.4.2007 entsprechend abzuhelfen.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat die Berufung samt Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied (§ 67a Abs.1 AVG) zu entscheiden hat.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Erstinstanz. Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung wurde nicht beantragt und war auch nicht erforderlich, weil sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage ergibt (§ 67d Abs.1 AVG).

 

5. Für die Berufungsinstanz steht nachfolgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

 

Der Bw wurde am 1.4.2007 um 10.04 Uhr bei einer erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer Freilandstraße - zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 79 km/h überschritten - betreten. Sein polnischer Führerschein wurde dem Bw im Zuge der Amtshandlung gegen Bestätigung vorläufig abgenommen.

Am 17.4.2007 erließ die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck den nunmehr angefochtenen Bescheid mit oben angeführtem Inhalt, wogegen der Bw die oben näher bezeichnete Berufung eingebracht hat.

 

Diese Berufung des anwaltlich vertretenen Bw richtet sich ausschließlich gegen die unter b) bis e) angeführten Spruchpunkte im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 17.4.2007, Zl. VerkR21-237-2007.

Die Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A und B für die Dauer von zwei Wochen (Spruchpunkt a) wurde vom Bw ausdrücklich nicht angefochten, weshalb der erstinstanzliche Bescheid in diesem Spruchpunkt – mangels Anfechtung – in Rechtskraft erwachen ist. Dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist bzw. wäre es daher rechtlich nicht möglich, in diesem Punkt eine Berufungsentscheidung zu treffen (vgl. VwGH 20.4.2004, 2004/11/0018; 5.6.1999, 97/19/1776 mit Vorjudikatur).

 

Sache dieses Berufungsverfahren ist damit die Berufung gegen den Ausspruch der Wiederausfolgung des polnischen EU-Führerscheines nach Ablauf der Entziehungsdauer sowie gegen die Einziehung und Zurückstellung dieses Führerscheines an die Ausstellungsbehörde, gegen die Anordnung, innerhalb von zwei Monaten ein amtärztliches Gutachten vorzulegen sowie gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 17.4.2007, Zl. VerkR21-237-2007.

 

6. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich daraus folgendes:

 

6.1. Gemäß § 28 Abs.1 FSG ist der Führerschein nach Ablauf der Entziehungsdauer auf Antrag wieder auszufolgen, wenn

1.      die Entziehungsdauer nicht länger als 18 Monate war und
2.      keine weitere Entziehung der Lenkberechtigung angeordnet wird.
 

Die gesetzliche Bestimmung des § 28 FSG findet auf den konkreten Fall keine Anwendung, da bei EWR-Lenkberechtigungen nach § 30 Abs.1 iVm § 30 Abs.3 FSG vorzugehen ist. Der diesbezügliche Ausspruch war damit zu beheben.

 

6.2. Gemäß § 30 Abs.1 FSG kann Besitzern von ausländischen Lenkberechtigungen das Recht, von ihrem Führerschein in Österreich Gebrauch zu machen, aberkannt werden, wenn Gründe für eine Entziehung der Lenkberechtigung vorliegen. Die Aberkennung des Rechts, vom Führerschein Gebrauch zu machen, ist durch ein Lenkverbot entsprechend § 32 auszusprechen. Für die Aberkennung ist die Behörde zuständig, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Führerscheinbesitzer seinen Aufenthalt hat; sie hat den Führerschein abzunehmen und bis zum Ablauf der festgesetzten Frist oder bis zur Ausreise des Besitzers zurückzubehalten, falls nicht gemäß Abs.2 vorzugehen ist. Hat der betroffene Lenker keinen Wohnsitz (§ 5 Abs.1 Z1) in Österreich, ist seiner Wohnsitzbehörde auf Anfrage von der Behörde, die das Verfahren durchgeführt hat, Auskunft über die Maßnahme der Aberkennung zu erteilen.

 

Betrifft das Verfahren gemäß Abs.1 den Besitzer einer in einem EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung, der seinen Wohnsitz (§ 5 Abs.1 Z1) nach Österreich verlegt hat, so hat gemäß § 30 Abs.3 FSG die Behörde eine Entziehung auszusprechen und den Führerschein des Betroffenen einzuziehen und der Ausstellungsbehörde zurückzustellen. Nach Ablauf der Entziehungsdauer hat der Betroffene einen Antrag auf Ausstellung und Ausfolgung eines österreichischen Führerscheines gemäß § 15 Abs.3 zu stellen, oder, falls die Entziehungsdauer mehr als 18 Monate war, auf Erteilung einer österreichischen Lenkberechtigung.

 

Gemäß dem im erstinstanzlichen Verfahrensakt enthaltenen Auszug aus dem Zentralen Melderegister hat der Bw seinen Wohnsitz nach Österreich verlegt und ist seit 24.1.2007 in der Gemeinde N gemeldet.

Er war daher sowohl zum Vorfallszeitpunkt (1.4.2007) als auch im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides am 17.4.2007 im örtlichen Wirkungsbereich der belangten Behörde wohnhaft und im Besitz einer in einem EWR-Staat (Polen) erteilten Lenkberechtigung.

Entsprechend der Bestimmung des § 30 Abs.3 FSG hat die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck - nach Entziehung der Lenkberechtigung - den Führerschein des Bw zu Recht eingezogen und an die zuständige Ausstellungsbehörde übermittelt.

 

6.3. Bestehen gemäß § 24 Abs.4 FSG Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Voraussetzung für die Erlassung eines Bescheides nach § 24 Abs.4 FSG sind im Zeitpunkt seiner Erlassung (oder im Fall einer Berufungsentscheidung deren Erlassung) bei der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung umfasst werden, nicht mehr besitzt und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne Untersuchung desjenigen nicht erstellt werden kann. Hierbei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann; es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen (vgl. VwGH 17.10.2006, 2003/11/0302, mit Hinweis auf Vorjudikatur 27.1.2005, 2004/11/0217; 30.9.2002, 2002/11/0120).

 

Der Bw hat die von der Erstinstanz im Bescheid angeführten Verkehrsdelikte mit hohem Alkoholisierungsgrad zwischen 1999 und 2001 begangen. Der erwähnte CDT stammt vom 2.9.2003. Diese Vorkommnisse fanden nach den Feststellungen der Erstbehörde, also in der Zeit vor der erfolgten Erteilung der polnischen EU-Lenkberechtigung für die Klassen A und B am 8.8.2006 statt.

 
Umstände, die vor dem Zeitpunkt der Erteilung der Lenkberechtigung gelegen sind, - so der Verwaltungsgerichtshof - sind nicht geeignet, begründete Bedenken im Sinne des § 24 Abs.4 FSG hervorzurufen (VwGH 20.9.2001, 99/11/0279).

 

Die belangte Behörde durfte daher vor der Erteilung der Lenkberechtigung am 8.8.2006 verwirklichte Tatsachen nicht als Grund für den Aufforderungsbescheid heranziehen. Dafür, dass der Bw nach der Erteilung der Lenkberechtigung am 8.8.2006 bzw. aktuell Alkoholdelikte bzw. Alkoholmissbrauch begangen hätte, finden sich im Akt keinerlei Anhaltspunkte, geschweige denn Beweise und wurden auch nicht behauptet.

 

Das zum Anlass der Entziehung der Lenkberechtigung genommene Geschwindigkeitsdelikt, welches nach Erteilung der polnischen EU-Lenkberechtigung am 1.4.2007 stattfand, bildet kein ausreichendes Substrat dafür, begründete Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Bw zu hegen. Der Inhalt der Anzeige allein bildet noch keine taugliche Grundlage für eine derartige Annahme.

Aus der Anzeige geht nicht hervor, dass sich der Bw nach der Anhaltung auffällig verhalten hätte und auch sonst sind keine Erhebungsergebnisse aktenkundig, welche den Schluss zulassen würden, begründete Bedenken iSd § 24 Abs.4 FSG zu rechtfertigen. Der Schluss, es lägen begründete Bedenken im Sinne des § 24 Abs.4 FSG vor, ist somit zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gerechtfertigt, weshalb die diesbezüglich Anordnung der Erstinstanz zu beheben war.

 

Abschließend ist anzumerken, dass die "Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens" nach aktueller Rechtslage nicht mehr vorgesehen ist. Der Spruch hätte bei Vorliegen der Voraussetzungen lauten müssen, dass sich der Bw amtsärztlich untersuchen zu lassen hat.

 

6.4. Gemäß § 64 Abs.2 AVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gemäß der Bestimmung des § 64 Abs.2 AVG im Fall des Entzuges der Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit aufgrund des Interesses des öffentlichen Wohles wegen Gefahr in Verzug immer geboten (VwGH 20.2.1990, 89/11/0252 ua.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist daher zu Recht erfolgt. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1.      Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

2.      Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen.

 

 

Dr.  F r a g n e r

 

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