Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230585/7/BR

Linz, 04.06.1997

VwSen-230585/7/BR Linz, am 4. Juni 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Frau Y, vertreten durch Dr. F. S, Rechtsanwalt, J, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/I, vom 15. April 1997, Zl. Sich96-378-1996-Stö, nach der am 3. Juni 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben als unter Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird. Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG iVm § 21, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 620/1995 VStG.

II. Es entfallen daher sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

III. Das Begehren über die Zuerkennung von Verfahrenskosten im Ausmaß von S  17.701,44 wird a b g e w i e s e n.

Rechtsgrundlage: ad II u. III. § 65 VStG, § 74 Abs.1 AVG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat mit Straferkenntnis vom 15. April 1997, Zl. Sich96-378-1996-Stö, über die Berufungswerberin wegen der Übertretung nach § 82 Abs.1 Z4 iVm § 15 Abs.1 u. Abs.3 Z2 Fremdengesetz eine Geldstrafe in Höhe von 3.000 S und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 100 Stunden verhängt, weil sie sich in der Zeit vom 28. September 1995 bis 23. November 1996 rechtswidrig ohne gültigen Sichtvermerk bzw. ohne Aufenthaltsbewilligung im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehalten habe, obwohl der ihr zuletzt von der österreichischen Botschaft in A unter der Nr. ausgestellte Touristensichtvermerk mit einer Gültigkeitsdauer vom 20.2.1995 bis 17. 5. 1995 abgelaufen war. Im angeführten Zeitraum sei die Berufungswerberin auch nicht im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Asylgesetz 1991 gewesen; dieser Sachverhalt sei durch Beamte des GP-. am 23.11.1996 an der Adresse H festgestellt worden.

1.1. Begründend führte die Erstbehörde im Ergebnis aus, daß die Berufungswerberin auch nach Abschluß eines bereits wegen eben dieser Übertretung, durch die Erlassung eines Straferkenntnisses mit 25. September 1995, im rechtswidrigen Verhalten verharrt habe, weil sie nach Zustellung dieses Straferkenntnisses am 28. September 1995 sich noch weiter bis 23. November 1996 im Bundesgebiet aufgehalten habe. Der Aufenthalt während dieser Zeit sei unbestritten geblieben. Die Erstbehörde vertrat im Ergebnis weiters die Rechtsauffassung, daß der Aufenthalt so lange als rechtswidrig anzusehen sei, als nicht von der Behörde eine entsprechende Bewilligung erteilt ist. Eine Verwaltungsstrafe dürfe wegen illegalen Aufenthaltes auch im Falle eines gänzlichen Unterbleibens einer Ausweisung ergehen. Dies sei ein Mittel zur Beendigung des rechtswidrigen Aufenthaltes. Daher sei auch die Frage im Hinblick auf einen Eingriff in das Privat- und Familienleben im Sinne des § 19 nicht zu prüfen. Eine Zuwiderhandlung stelle auch im Falle des bereits langen Aufenthaltes des Ehegatten der Berufungswerberin keinen Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 6 VStG dar. Auch Belange des Art. 8 Abs.1 EMRK seien dadurch nicht verletzt, weil diese Bestimmung nur ganz allgemein das Privat- und Familenleben schütze, ohne diesen Begriff näher zu präzisieren. Diese Bestimmung schließe letztlich auch nicht aus, den Zuzug von Fremden im Sinne einer Interessensabwägung einschränkend zu üben. Der Berufungswerberin müsse bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung am 7.7.1994 bewußt gewesen sein, daß eine Einreise nach Österreich nur auf Grund einer entsprechend vorher erteilten Bewilligung möglich sei. Ebenfalls müsse der Berufungswerberin bewußt gewesen sein, daß sie nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Touristenvisums zurückreisen müsse. Sie habe daher die Zuwiderhandlung durch ihren Verbleib bewußt in Kauf genommen.

Die Erstbehörde vermochte abschließend das Vorliegen einer notstandsähnlichen Situation oder ein den Aufenthalt rechtfertigendes Verhalten nicht erblicken. 2. Dagegen wendet sich die Berufungswerberin mit ihrer durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung. Im Ergebnis führt er aus, daß der Berufungswerberin ein Rechtsanspruch auf Begründung eines Wohnsitzes in Österreich gemäß § 3 AufG zukomme. Mit dem Straferkenntnis werde die Bestimmung des § 19 FrG und des Grundrechtes gemäß Art. 8 EMRK verletzt. Der Verfassungsgerichtshof habe in mehreren von der Berufungswerberin zit. Entscheidungen die Bedeutung dieses Grundrechtes unterstrichen. Die Erstbehörde habe verabsäumt Abwägungen zwischen den öffentlichen und privaten Interessen im Hinblick auf Art. 8 Abs.2 EMRK vorzunehmen. Die Berufungswerberin verweist in diesem Zusammenhang auf ihre familiären Verpflichtungen und ihre beiden Kinder. Abschließend wird auf die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den VwGH u.a. im Hinblick auf den Ausweisungsbescheid hingewiesen. Sie erblicke in ihrem Verhalten einen entschuldbaren Notstand.

Die Berufungswerberin stellt abschließend mehrere Anträge, neben der Aufhebung und Verfahrenseinstellung, die Aussetzung bis zur Entscheidung durch den VwGH, die Herabsetzung der Geldstrafe auf einen Schilling, die Zuerkennung von S 17.701,44 an Anwaltskosten und schließlich die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung.

3. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zu entscheiden. Die Berufung richtet sich im Ergebnis gegen eine unrichtige rechtliche Beurteilung des an sich unbestrittenen Sachverhaltes und zuletzt auch gegen das Ausmaß der verhängten Strafe. Obwohl sich aus dem Akt sämtliche für die Entscheidung erforderlichen Beurteilungskriterien ergeben, war wegen des gesonderten Antrages auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung eine solche anzuberaumen und durchzuführen gewesen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme des von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsaktes, Zl. Sich96-378-1996-Stö. Einsicht genommen wurde in diverse Administrativbescheide und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den VwGH hinsichtlich des im administrativen Instanzenzug bestätigten Ausweisungsbescheides. Die der deutschen Sprache nicht mächtige Berufungswerberin wurde als Beschuldigte einvernommen wobei ihr Ehegatte als Dolmetscher fungierte. 5. Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen erachtet:

5.1. Unbestritten ist, daß sich die Berufungswerberin seit dem im Akt angeführten Zeitraum (ab Februar 1995) bei ihrem Mann in H ohne entsprechender Bewilligung der Behörde aufhält (nach Ablauf des Touristensichtvermerks). Sie suchte im November 1994 beim österreichischen Generalkonsulat in Istanbul um eine Aufenthaltsbewilligung zum Zwecke der Familienzusammenführung mit ihrem seit 20 Jahren in Österreich lebenden, hier berufstätigen und in H aufhältigen Ehegatten, S, an. Dieser Antrag langte bei der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis am 12.12.1994 ein. Mittels eines Touristensichtvermerkes reiste die Berufungswerberin schließlich am 20. Februar 1995 nach Österreich ein. Sie hält sich seit diesem Zeitpunkt bei ihrem Ehegatten auf, welcher für den Lebensunterhalt der Berufungswerberin sorgt. Der Ehegatte der Berufungswerberin verfügt über ein Monatsnettoeinkommen in der Höhe von 18.000 S. Die bescheidmäßige Ablehnung der Aufenthaltsbewilligung wurde im Berufungsverfahren bestätigt. Die Entscheidung über die dagegen beim VwGH erhobene Beschwerde steht noch aus. Mit Beschluß des VwGH vom 11. März 1996, AW 96/210137, zugestellt dem Rechtsvertreter der Berufungswerberin am 25. März 1996, wurde bezüglich des ebenfalls von der Berufungsbehörde bestätigten Ausweisungsbescheides die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Die Berufungswerberin brachte anläßlich der Berufungsverhandlung im Ergebnis zum Ausdruck, daß sie die Ausstellung der Aufenthaltsbewilligung in Österreich abwarten wollte (wolle), weil sie nach ihrer Eheschließung in ihrer Heimat keine soziale Bindung zu ihrer früheren Familie mehr habe. Die Berufungswerberin hat ein eheliches mj. Kind und ist derzeit wieder hochschwanger. Es ist davon auszugehen, daß außer diesem Verfahren die Berufungswerberin sonst keine Gesetzesverstöße zu vertreten hat. Es wurde nicht in Abrede gestellt, daß ihr Ehegatte von einem Vertreter der Erstbehörde im Zuge einer Fremdenkontrolle an dessen Wohnadresse darauf hingewiesen wurde, daß seine Frau vorerst auszureisen habe und in diesem Fall mit der Erteilung der beantragten Aufenthaltsbewilligung noch vor deren Entbindung (zum ersten Kind) gerechnet werden hätte können. In diesem Zusammenhang geht der Verwaltungssenat jedoch davon aus, daß diese Mitteilung vom diesbezüglich rechtsberatenden Ehegatten der Berufungswerberin verstanden wurde und er dies seiner Frau im Tenor der Nichtbefolgung auch mitgeteilt hat. Die Nichtbefolgung dieser "Anweisung" wurde der Berufungswerberin - vermutlich noch entsprechender Rechtsberatung - von ihrem Ehemann wohl empfohlen, so daß der Berufungswerberin bei realistischer Betrachtung in diesem Zusammenhang letztlich kaum ein Raum zur Disposition bzw. Umsetzung dieser behördlichen Forderung und daher für die Disposition eines formal rechtmäßigen Verhaltens zur Verfügung geblieben ist. 5.1.1. Dieses Beweisergebnis stützt sich auf die Aktenlage und ergänzend auf die Ausführungen der Berufungswerberin in der Berufungsverhandlung, welche - wenn auch mangels Mächtigkeit in der deutschen Sprache vom Ehemann übersetzt wurden - glaubwürdig waren. Dies insbesondere im Hinblick auf die Motivation der wissentlichen Inkaufnahme des rechtswidrigen Aufenthaltes nämlich bei ihrem Mann zu bleiben und den bereits mehrere Monate vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet im Ausland gestellten Antrag auf Aufenthaltsbewilligung, abzuwarten.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

6.1. Um Wiederholungen zu vermeiden kann grundsätzlich auf die fremdenrechtlichen Ausführungen der Erstbehörde verwiesen werden (siehe oben). Diesen ist insofern zu folgen, als der Berufungswerberin Kraft Gesetzes für den gesamten Zeitraum kein Aufenthaltsrecht zukommt. Ebenfalls kann der rechtswidrige Verbleib im Bundesgebiet nicht mit § 6 VStG gerechtfertigt oder entschuldigt werden. Der Aufenthalt der Berufungswerberin war ab dem Ablauf des Touristensichtvermerkes rechtswidrig und wurde in der Form eines Dauerdeliktes auch nach Abschluß eines bereits mit 25. September 1995 erstinstanzlich erlassenen Straferkenntnisses und zwischenzeitig rechtskräftig mit einem Schuldspruch abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahrens aufrecht gehalten. Auch dem Einwand der Berufungswerberin im Hinblick auf eine unzulässig erfolgte Doppelbestrafung kommt keine Berechtigung zu.

6.1.1. Nicht gefolgt vermag jedoch der Erstbehörde werden, wenn diese ausdrücklich im Ergebnis feststellte, daß die Frage des Art. 8 Abs.2 EMRK in ihrem Verfahren nicht berücksichtigt werden müßte. Die umfangreiche Begründung der Erstbehörde vermag jedoch im Hinblick auf das Wesen der in Art. 8 EMRK getroffenen Schutz des Individuums nicht vollständig überzeugen. Selbst die Erstbehörde räumt im Rahmen ihres Schlußantrages ein, daß man die Schwierigkeit einer jungen schwangeren Frau im Hinblick auf deren Aufenthaltswerbung gekannt habe und im Falle der Ausreise die grundsätzliche Bereitschaft bestanden hätte eine Vorreihung vorzunehmen.

Dem Vorbringen der Berufungswerberin kommt trotzdem weitgehend Recht zu.

6.1.2. In rechtskonformer - weil sinnrichtiger - Auslegung einer mit dem Blick auf ein Grundrecht motivierten Verhaltensweise eines Rechtsuchenden, war die Spruchpraxis des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes stets so, daß derart gelagerte rechtswidrige Aufenthalte durch Fremde ein bloß geringfügiges oder überhaupt kein Verschulden zugemessen wurde. Letzteres war etwa im Abwarten des Ausganges der Asylverfahren im Zuge der Kriegsereignisse im früheren Jugoslawien der Fall, wo die Klärung eines Rechtsstandpunktes im Inland abgewartet werden mußte, weil sonst das Schicksal der Betroffenen ungewiß gewesen wäre. Derartigen Verhalten wurden Schuldausschließungsgründe zuerkannt (vgl h. Erk. vom 20.2.1995, VwSen-230413, 20.10.1995, VwSen-230473, 5.12.1995, VwSen-230476, 26.2.1996, VwSen-230492, 10.4.1996, VwSen-230502). Im ersteren Sinn ist auch diese Fallgestaltung zu beurteilen.

6.1.3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes übersieht in diesem Zusammenhang jedoch nicht die im Sinne der Erhaltung des Staatszieles auf strenge Kontrolle des Zuzuges von Fremden orientierte Judikatur des VwGH, worin in zahlreichen Administrativverfahren den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich ein geringeres Gewicht als den gegenläufigen öffentlichen Interessen auch unter Abwägung im Hinblick auf Art. 8 Abs.2 EMRK zugemessen wird (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 11. Juli 1996, Zl. 96/18/0035, mwN). Letztlich ist aber auch aus diesen Erkenntnissen unzweifelhaft das Erfordernis der Abwägung und letztlich die Wertung dieser gegenläufigen Interessen [im Einzelfall] vorzunehmen (vgl VwGH 19.9.1996, 96/18/0402). 6.2. Zur Rechtswidrigkeit:

6.2.1. Im Sinne des Legalitätsgrundsatzes vermag die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bezüglich des bewilligungslosen Aufenthaltes diesen weder ex nunc noch ex tunc, zu sanieren. Es kann daher den mit Straferkenntnis vorgeworfenen illegalen Aufenthaltszeitraum nicht der Rechtswidrigkeit entledigen. Aus dieser Sicht würde der Aufenthalt selbst dann nicht legal sein, wenn die Nichterteilung der Bewilligung - worüber im Rahmen dieses Verfahrens nicht zu befinden ist - auf die Stufe der Gesetzeslosigkeit zu qualifizieren wäre. Umgekehrt entfaltet, im Sinne der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, etwa auch ein im nachhinein von Amts wegen aufzuhebender Bescheid Bindungswirkungen [strenge Akzessorietät] (E. Steininger in Triffterer - StGB-Kommentar, Wien 1993, § 1 RZ 136, sowie Zehetner/Weiss, Seite 45 ff, in der jur. Schriftenreihe "Verwaltungsakzessorietät der Neutralitätsgefährdung, Band 45"). Dies gilt analog zum gerichtlichen Strafverfahren auch für das Verwaltungsstrafverfahren. Umso mehr muß dies zutreffen, wenn, so wie hier, eine Bewilligung zum Aufenthalt (nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Touristenvisums) während des vorgeworfenen Tatzeitraumes nicht vorlag. Die Tatzeit ist bei einem nicht bloß punktuell strafbaren Verhalten, d.h. bei einem Dauerdelikt bzw. fortgesetzten Delikt - ein solches wird der Berufungswerberin mit dem angefochtenen Straferkenntnis zur Last gelegt - sowohl mit Beginn als auch das Ende des strafbaren Verhaltens anzuführen; der Tatzeitraum wurde hier präzise eingegrenzt, so daß die gegenständliche Bestrafung im Hinblick auf das bereits schon früher wegen des gleichen strafbaren Verhaltens - jedoch auf einen früheren (Tat-)Zeitraum bezogenen - zwischenzeitig bereits rechtskräftig abgeschlossene Verwaltungsstrafverfahren, nicht entgegensteht (vgl. z.B. VwGH v. 21. Oktober 1992, Zl. 92/02/0165; jeweils mwN, u.v.a.). Auf den Gegenstand und Inhalt der diesbezüglichen Erledigung, auf welche in der Berufungsvorlage hingewiesen wurde, kann im Rahmen dieses Verfahrens kein Bezug genommen werden! 6.3. Zur Schuld:

6.3.1. Der § 5 Abs.1 VStG normiert, daß, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit schon fahrlässiges Verhalten genügt. Die Berufungswerberin hat hier beharrend auf ihren Rechtsstandpunkt einen vorübergehend illegalen Aufenthalt offenkundig wohl in Kauf genommen. Diesem objektiv rechtswidrigen Verhalten kommt jedoch angesichts der Umstände ein nahezu entschuldigender Faktor zu. Diese Sicht ergibt sich vor allem im Hinblick auf Art 8 EMRK. Zutreffend verwies die Berufungswerberin auf den "Berrehab-Fall", EGMR 21. Juni 1988, 3/1987/126/177, mit welchem im Ergebnis die öffentlichen Interessen an einer restriktiven Zuwanderungspolitik gegenüber dem Interesse an möglichst ungehinderter Beibehaltung familiären Beziehungen (konkret des uneingeschränkten Kontaktes des Vaters mit seiner vierjährigen Tochter durch ein uneingeschränktes Aufenthaltsrecht und nicht bloß der Besuchsmöglichkeit per Touristenvisum) weniger gewichtet wurde. Der Gerichtshof spricht hier von einem Proportionalitätsverhältnis zwischen öffentlichem Interesse an einer eingeschränkten Zuwanderung und dem privaten Interesse der Erhaltung familiärer Beziehungen, wobei er in diesem Fall letzterem mehr Gewicht zuerkennt. Diese Wertung wird hier in erster Linie in der rechtlichen Beurteilung im Administrativverfahren im Zusammenhang mit der Versagung der Aufenthaltsbewilligung von Bedeutung sein (vgl. VfGH 27.6.1996, B 1438/94). Dieses Erkenntnis nimmt auf einen mit dem h. Verfahren parallel gelagerten Fall Bezug, worin die Ausweisung nur unter Abwägung der in Art. 8 EGMR geschützten Rechte zulässig ist. Im Lichte der rechtlichen Bedeutung des im Verfassungsrang stehenden Schutzgutes familiärer Beziehungen im Sinne des Art. 8 EMRK vermag eine nachdrückliche Durchsetzung dieses Rechtes seitens eines Betroffenen in Form der gleichzeitigen Inkaufnahme des formal illegalen Aufenthaltes während des schwebenden Verfahrens zumindest nicht strafwürdig erachtet werden. Wenn daher die Erstbehörde diese Strafe gleichsam als Mittel zur "freiwilligen" Aufgabe des Aufenthaltes (also noch vor einer diesbezüglich endgültigen rechtlichen Klärung) der diesbezüglichen Administrativentscheidung erblicken wollte, würde dadurch der im Art. 8 EMRK verankerte Schutzzweck unterlaufen. Dieses in der letztgenannten Bestimmung normierte Schutzziel würde dann bloß als leere Hülse bestehen und im Ergebnis so verfassungsrechtlich geschützte Werte im Wege des Strafverfahrens unterlaufen und dieses auf der Schuldebene ineffektiv sein lassen. Die dem Verfahrensausgang vor dem Höchstgericht im Inland harrende Berufungswerberin - welcher im Lichte der obigen Betrachtung im Hinblick auf die Ausweisung wohl auch die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen gewesen sein wird - handelt mit ihrem formal illegalen Aufenthalt wohl rechtswidrig, jedoch ist ihr ein Abwarten des Verfahrensausganges im Ausland unter faktischer Aufgabe ihrer familiären Bindung im Hinblick auf den hohen Stellenwert der Aufrechterhaltung der familiären Bindung nur schwer zumutbar. 6.4. Nach § 21 Abs.1 (erster Satz) VStG kommt ein Absehen von einer Bestrafung dann in Betracht, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Der unabhängige Verwaltungssenat vermag hier an der Aufrechterhaltung des formal illegalen Aufenthaltes der Berufungswerberin bei ihrem seit vielen Jahren in Österreich lebenden Ehegatten, bei gleichzeitiger Ausschöpfung aller rechtsstaatlichen Mittel zur Legalisierung des Aufenthaltes, objektiv keine nachteilige Beeinträchtigung der öffentlichen Interessenslage erblicken. Dies muß nicht zuletzt auch aus der zuerkannten aufschiebenden Wirkung abgeleitet werden. Diese Beurteilung ist schließlich eine Konsequenz der Homogenität der gesamten Rechtsordnung, insbesonders im Hinblick auf den Stellenwert des Grundrechtsschutzes.

II. und III. Die Entscheidung über die Kosten für das Verwaltungsstrafverfahren ergibt sich aus der unter II. zit. Gesetzesbestimmung, wobei ein Kostenzuspruch für die im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens aufgewendeten Kosten (hier für den Verteidiger) für den/die Beschuldigte(n) nicht vorgesehen ist. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. B l e i e r

Beschreibender Name: Abwarten, Aufenthaltsbewilligung, Proportionalität Dokumentart: Erstellt am: 09.06.97 09:59:23 Geändert am: 08.09.97 11:10 Verfasser/in: Rechenzentrum Schreibkraft: Rechenzentrum Betreff: Bezug: Stichpunkte: Beschlagwortung:

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