Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230614/2/BR

Linz, 14.11.1997

VwSen-230614/2/BR Linz, am 14. November 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn F, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, vom 20. Oktober 1997, Zl. Sich96-261-1997/HM, zu Recht:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 471/1995 - AVG, iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1, § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, idF BGBl. Nr. 620/1995 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

Rechtsgrundlage: § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit Straferkenntnis vom 20. Oktober 1997 über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 81 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt und in dessen Spruch dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört, indem er auf dem Sportplatz der U, während des Fußballspieles am 4.5.1997 gegen 18.45 Uhr mit dem Leiter der Sektion Fußball Herrn G eine tätliche Auseinandersetzung gehabt habe.

1.1. Begründend führt die Erstbehörde aus wie folgt: "Auf Grund einer Anzeige durch Herrn G am 5.5.1007 (richtig wohl: 1997) um 16.20 Uhr am Gendarmeriepostenkommando B ist der im Spruch angeführte Sachverhalt der ha. Behörde angezeigt worden. Gegen die ha. Strafverfügung vom 9.6.1997, Zl. wie oben, erhoben Sie innerhalb der gesetzlichen Frist Einspruch. In Ihrer Rechtfertigung verweisen Sie auf die bei der Gendarmerie O am 15.5.1997 gemachten Angaben. Zeugenschaftlich vernommen und somit an die Wahrheitspflicht gebunden bestätigt der Meldungsleger seine in der Anzeige gemachten Angaben. Weiters wurde die Ihnen zur Last gelegte Übertretung durch einen weiteren Zeugen vor der ha. Behörde bestätigt. Der Zeuge führt detailliert aus, daß er eindeutig aus einer Entfernung von ca. 20 m beobachten konnte, daß Herr R, Masseur und Betreuer der L Mannschaft, am Spielfeld von Ihnen geohrfeigt wurde. Weiters führt der Zeuge aus, daß Sie ihm schon des öfteren durch die aggressive und sehr harte Spielweise aufgefallen sind. Am 23.9.1997 wurden Sie nachweislich vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt. In Ihrer Stellungnahme verweisen Sie wiederum auf die bei der Gendarmerie gemachten Angaben.

Die Behörde hat dazu erwogen: Gemäß § 81 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz begeht eine Verwaltungsübertretung, wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört und ist mit Geldstrafe bis zu S 3000,-- zu bestrafen.

Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes mußte die ha. Behörde zu der Überzeugung gelangen, daß Sie die im Spruch angeführte Übertretung tatsächlich begangen haben. Ihre Angaben vor der Gendarmerie bzw. Einspruchsangaben können daher als nur der menschlich verständliche Versuch gewertet werden, sich strafbefreiend zu verantworten. Die von der Behörde einvernommen Zeugen sind hingegen an die Wahrheitspflicht gebunden. Da diese Übertretung unter Strafsanktion gestellt ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Strafbemessung erfolgte entsprechend den Bestimmungen des § 19 VSTG 1991 unter Berücksichtigung Ihrer aktenkundigen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse. Mildernde oder erschwerende Umstände traten im Verfahren nicht zu Tage. Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet." 2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber aus: " Wie ich bereits bei der Vernehmung am 15.Mai 1997 vor dem Gendarmerieposten O zu Protokoll gegeben habe, kam es ca. in der 85. Spielminute des Fußballmeisterschaftsspieles B gegen R am 4.5.1997 nach einem Foul an einem L Spieler zu einem "Gerangel". Dieses Foul passierte in der Nähe der Seitenoutlinie auf der Tribünenseite des L Sportplatzes. Zu diesem Zeitpunkt war ich etwa 10 - 15 m von der Stelle, an der das Foul passierte, entfernt. In der Nähe des Mittelkreises trafen unmittelbar danach Spieler beider Mannschaften, darunter war auch ich, durch Wortgefechte und Drängeleien, die aber ohne Folgen blieben, aufeinander.

Zu meiner Verwunderung ist dem Akt zu entnehmen, daß ich gerade in dieser Phase einem Betreuer der L Mannschaft eine Ohrfeige versetzt haben soll. Noch verwundernswerter ist die Aussage eines "Zeugen", der eine derartige Handlung gesehen haben soll, obwohl ich mich zu diesem Zeitpunkt nachweislich an einer anderen Stelle des Sportplatzes befunden habe. Betreffend Glaubwürdigkeit dieses "Zeugen" sei am Rande erwähnt, daß ich diesem bereits öfter durch aggressive und sehr harte Spielweise aufgefallen sein soll, obwohl ich in meiner über 20jährigen Fußballerlaufbahn mit Ausnahme der Begegnung in der Herbstmeisterschaft noch nie gegen B gespielt habe. Mit welchem Motiv mich der Betreuer der L Mannschaft bzw. der "Zeuge" einer strafbaren Handlung bezichtigen, die ich nicht begangen habe, ist mir völlig unklar - jedenfalls ist diese Vorgangsweise sehr bedauerlich.

Zur Abklärung des tatsächlichen Sachverhaltes ersuche ich die Behörde, folgende Zeugen, die sich zum angesprochenen Zeitpunkt am Spielfeldrand bzw. am Spielfeld befunden haben, zu vernehmen.

Zeugen: In Anbetracht der falschen Aussagen des angeblichen Opfers bzw. des angeblichen Zeugens, die mich bewußt vor einer Behörde in Bedrängnis zu bringen versuchen, überlege ich, Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen falscher Zeugenaussage vor einer Verwaltungsbehörde zu erstatten. Ich beantrage daher, das Verfahren nach § 81 Abs. 1 SPG gegen mich einzustellen.

Mit freundlichen Grüßen! 3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Entscheidung vorgelegt. Somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Gemäß § 51e Abs.1 VStG war die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht erforderlich.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis geführt durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verwaltungsakt und die Erhebung des Sachausganges beim Bezirksgericht B. 5. Aufgrund des Ergebnisses der Aktenlage und des ergänzenden Erhebungsergebnisses steht fest, daß der Berufungswerber am 4. Mai 1997 gegen 18.45 Uhr auf dem Sportplatz der U in einer Auseinandersetzung mit einem Funktionär des Fußballvereins verwickelt war, wobei der Berufungswerber dem Vereinsfunktionär eine Ohrfeige versetzt haben soll. Dieser Vorfall gelangte der Bezirksanwaltschaft B zur Anzeige, wo der Vorgang unter protokolliert ist und am 13. Juni 1997 gemäß § 42 StGB zurückgelegt wurde.

6. Rechtlich ist wie folgt zu erwägen :

6.1. Gemäß § 81 Abs. 1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, "wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört"; er ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.

6.1.1. Nach § 85 SPG liegt jedoch eine Verwaltungsübertretung nicht vor, wenn eine Tat nach den §§ 81 bis 84 (auch) den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

6.1.2. Der § 85 SPG schränkt somit die Reichweite der Tatbestände der §§ 81 bis 84 SPG - in Abkehrung von der früheren Gesetzeslage (vgl. etwa VfSlg. 3597/1959) - ein. Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor, wenn die Tat den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung bildet; die Tatbestandsumschreibungen der §§ 81ff SPG sind also um das Tatbestandsmerkmal: "soweit die Tat nicht gerichtlich strafbar ist" erweitert zu lesen. So ist etwa nunmehr ein Täter - im Gegensatz zur Rechtslage vor dem SPG - der an einem öffentlichen Ort einen anderen vorsätzlich am Körper verletzt hat, nicht mehr vom Gericht (Körperverletzung; §§ 83ff StGB) und zugleich auch von einer Verwaltungsbehörde (Ordnungsstörung; § 81 SPG) zu bestrafen.

Dabei ist gleichgültig, ob der Täter tatsächlich von einem Gericht etwa auch tatsächlich bestraft wird (vgl. VwSlg. 2079A/1951 und 3640A/1955). Ausschlaggebend ist allein, ob eine Handlung (Unterlassung) den "äußeren" Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt. Auch wenn die gerichtliche Bestrafung mangels Zurechnungsfähigkeit, Vorsatz, Fahrlässigkeit oder etwa auch nur wegen Arbeitsüberlastung der Gerichte entfällt, liegt gleichwohl keine Verwaltungsübertretung vor. Ein Vorgehen der Anklagebehörde nach § 42 StGB läßt jedenfalls den so beurteilen Tatbestand als einen in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden beurteilen.

Die Verwaltungsbehörden haben die Frage, ob eine Tat den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt, im Grundsatz eigenständig als Vorfrage im Sinne von § 38 AVG zu beurteilen; dabei sind die besonderen Regelungen des § 30 Abs. 2 und 3 VStG zu beachten. Ist aber eine Tat von den Behörden nur zu ahnden, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlungen bildet, und ist zweifelhaft, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, so hat die Behörde das Strafverfahren auszusetzen, bis über die Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist. Eine diesbezügliche Prüfung hat hier die Behörde offenbar überhaupt nicht vorgenommen. Die Erstbehörde hätte ihre Zuständigkeit (genauer: das Vorliegen eines Verwaltungsstraftatbestandes iSd Subsidiaritätsvorschrift) verneinen müssen, zumal es jüngst gerade im Lichte des Gradinger-Urteiles naheliegt, "eine (die) Tat" iSd Subsidiaritätsvorschrift mit "dem [die Tat bildenden] Verhalten" iSd Gradinger-Urteiles (EGMR 23.10.1995, 33/1994/480/562) gleichzusetzen. Die Behörde war bislang schon an ein "verurteilendes Erkenntnis des Strafgerichtes, nicht aber durch dessen Einstellungsbeschluß gebunden" (VwSlg. 2079A/1951); im Fall der Einstellung - das gleiche muß auch für den Freispruch gelten - "hat die Verwaltungsstrafbehörde die Frage, ob die von ihr dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat einen gerichtlich zu ahndenden Tatbestand bildet, selbst zu beurteilen" (VwSlg. 4169A/19!6; 10276A/1980). Dies muß nunmehr im Lichte der Judikatur des EGMR - zur Vermeidung einer doppelten Ahndung (ne bis in idem) jedenfalls eng ausgelegt werden. Diese Tat war hier im äußeren Tatbild (Körperverletzung) zweifelsfrei als in die Zuständigkeit des Gerichtes fallend zu erachten. Dies gelangte hier insbesondere darin zum Ausdruck, daß die Anklagebehörde unter Anwendung des § 42 StGB vorgegangen ist, was besagt, daß vom Vorliegen einer an sich strafbaren Handlung ausgegangen wurde.

Die Behörde hat sich Kenntnis von der gerichtlichen Entscheidung amtswegig zu verschaffen; eine Mitteilungspflicht der Gerichte ist nicht vorgesehen. Auf diese Rechtsproblematik wurde bereits im h. Erkenntnis vom 20. November 1995, VwSen - 230404/2/Br, ausführlich hingewiesen. Dieser Berufungsbescheid betraf ebenfalls ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung.

Mangels eines im Lichte der obigen Ausführungen vorliegenden Verwaltungsstraftatbestandes war daher ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung mit einer Verfahrenseinstellung vorzugehen. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten. Dr. B l e i e r Beschlagwortung: Tatbegriff, Subsidiaritätsklausel, Ordnungsstörung

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