Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230621/2/BR

Linz, 25.11.1997

VwSen-230621/2/BR Linz, am 25. November 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau Petra N, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 29. Oktober 1997, Zl. III/ S - 31.025/97 2, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 471/1995 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 620/1995 VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem Straferkenntnis vom 29. Oktober 1997, Zl.: III/ S - 31.025/97 2, wider die Berufungswerberin den Tatvorwurf erhoben, sie sei am 9. 9. 1997 um 17.20 und am 18. 9. 1997 um 18.10 Uhr in Linz, A - Cafe "N" angetroffen und einer Kontrolle unterzogen worden, wobei festgestellt worden sei, daß sie sich als Fremde im Sinne des § 1 Abs.1 des Fremdengesetzes unrechtmäßig im Bundesgebiet Österreich aufgehalten habe, weil weder eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes noch von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt worden, noch ihr eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zugekommen sei. 2. Begründend führt die Erstbehörde im wesentlichen aus, daß die Berufungswerberin an der im Spruch angeführten Örtlichkeit und Zeiten als Animierdame einer Beschäftigung nachgegangen wäre. Sie stützte diese Annahme auf Indizien, nämlich den Aufenthalt in der "G" und dem Tragen von Reizwäsche anläßlich der zwei Kontrollen und ihrer eigenen Erklärung auch teilweise dort zu tanzen. Diese Feststellung erachtete die Erstbehörde ausreichend um der Berufungswerberin die Tatsache einer Erwerbstätigkeit als Animierdame zu unterstellen und damit als erwiesen anzusehen. Der Verantwortung, daß die Berufungswerberin diese Tätigkeit nur aus Vergnügen bzw. ohne Entgelt ausübte, erachtete die Erstbehörde als unglaubwürdig und jeder Lebenserfahrung zuwider.

2.1. Dagegen wendete sich die Berufungswerberin mit ihrer fristgerecht durch ihren bevollmächtigten Vertreter erhobenen Berufung. Inhaltlich führt sie im Ergebnis aus, daß die Annahme eines Entgeltes keinesfalls erwiesen sei und nicht erwiesen werden könne und daher keine Beweislastumkehr stattfinden dürfe. Sie habe eben keine Erwerbstätigkeit ausgeübt. Sie besuchte jeweils nur für kurze Zeit Bekannte in Österreich. Dabei halte sie sich zum Spaß im besagten Lokal auf und wirkte auch nach Lust und Laune tänzerisch. Ein Erwerbszweck könne daraus aber nicht abgeleitet werden und sie bekomme dafür weder eine Provision noch ein Entgelt. Die Berufungswerberin räumt jedoch ein, daß es schon vorgekommen sei, daß ihr ein Gast Geld in das Strumpfband gesteckt habe. Der Inhalt der Anzeige sei als Beweis für einen Aufenthalt im Bundesgebiet zum Erwerbszweck nicht geeignet. Die Berufungswerberin verweist auf das Erkenntnis des VwGH 12.3.1986, 84/03/0251 in ZfVB 1991/3/1122 und den Rechtsgrundsatz "in dubio pro reo". Die Berufungswerberin rügt auch noch die Vorgangsweise der Erstbehörde, dessen Inhalt hier aber nicht als verfahrensrelevant anzusehen ist und dahingestellt bleiben kann.

3. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist hat der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben (§ 51e Abs.1 [erster und zweiter Halbsatz] VStG).

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme des von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsaktes, Zl. III/ S - 31.025/97 2. Durch fernmündliche Rückfrage beim Bevollmächtigten der Berufungswerberin wurde deren Abschiebung aus Österreich in Erfahrung gebracht. 4.1. Laut der von Sicherheitswachebeamten des Wachzimmers Landhaus gelegten Anzeigen wurde die Berufungswerberin am 9. 9. 1997 um 17.20 Uhr und am 18. 9. 1997 um 18.10 Uhr mit weiteren fünf Frauen tschechischer und ungarischer Nationalität im Cafe "N" in Linz, A, "sehr knapp bekleidet" (Tangaslip) angetroffen. Während eine Frau auf der Bühne tanzte, unterhielt sich die Berufungswerberin mit den anderen Frauen und zwei Gästen. Beim Ansichtigwerden der Sicherheitswachebeamten seien die Frauen erschrocken und hätten sich eilig zur provisorischen Umkleidekabine begeben. Im Reisedokument der Berufungswerberin (und auch der übrigen Damen) habe sich weder eine Aufenthaltsgenehmigung noch ein Sichtvermerk befunden. Über Befragen hätten die Damen in gebrochenem Deutsch und teilweise in englischer Sprache zum Ausdruck gebracht, daß sie als Touristinnen eingereist seien und sich als solche hier aufhielten. Die tänzerischen Darbietungen erfolgten freiwillig und seien keine Beschäftigung. Im ersten Stock des Hauses A, in der dort eingerichteten zwei Zimmer umfassenden Unterkunft, nächtige die Berufungswerberin sowie die anderen Frauen seit geraumer Zeit ohne polizeiliche Meldung. Der Einreisezeitpunkt wurde nicht erhoben. Die von jeweils verschiedenen Meldungslegern gelegten Anzeigen sind offenkundig durch die Verwendung des Datensatzes aus der ersten Anzeige in den überwiegenden Passagen wortgleich verfaßt. Die Geschehnisse anläßlich der jeweiligen Kontrollen werden somit im Detail ident dargestellt. Eine persönliche Einvernahme der Berufungswerberin wurde seitens der Erstbehörde nicht vorgenommen. Laut Auskunft des bevollmächtigten Vertreters der Berufungswerberin hält diese sich nicht mehr im Bundesgebiet auf weil sie zwischenzeitig wie auch die übrigen Frauen in ihre Heimat abgeschoben worden sein sollen.

5.2. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

5.2.1. § 15. (1) Z1 u. 2 lautet: "Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf, 1. wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Teiles und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder 2. wenn ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde oder ......" Gemäß § 82 Abs.1 Z.4 FrG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 15) und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 10.000,-- zu bestrafen. Die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt liegen gemäß § 15 Abs. 1 FrG dann vor, wenn der Fremde sowohl der Paß- und Sichtvermerkspflicht in dem für ihn bestehenden Umfang tatsächlich genügt, den Grenzübertritt bei einem Grenzübergang vornimmt und sich der dort vorgesehenen Grenzkontrolle stellt (Z.1) oder wenn ihm eine Bewilligung gemäß § 1 Aufenthaltsgesetz oder ein Sichtvermerk erteilt wurde (Z.2). Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes richtet sich gem. § 15 Abs.3 Z.1 nach der durch zwischenstaatliche Vereinbarungen getroffenen Regelung.

5.2.2. Das ABKOMMEN ZWISCHEN DER ÖSTERREICHISCHEN BUNDESREGIERUNG UND DER REGIERUNG DER TSCHECHOSLOWAKISCHEN SOZIALISTISCHEN REPUBLIK ÜBER DIE AUFHEBUNG DER SICHTVERMERKSPFLICHT (StF: BGBl. Nr. 47/1990 idF BGBl.Nr. 123/1997) lautet: "Artikel 1 (1) Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die Inhaber eines gültigen gewöhnlichen Reisepasses sind, dürfen zu einem nicht Erwerbszwecken dienenden Aufenthalt ohne Sichtvermerk in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates einreisen und sich dort bis zu 30 Tagen aufhalten. (2) Für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder für einen 30 Tage übersteigenden Aufenthalt im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates ist ein Sichtvermerk erforderlich......" 5.2.3. Es kann an sich dahingestellt bleiben, ob hier überhaupt das die Rechtswidrigkeit des Aufenthaltes begründende Kriterium 'des Aufenthaltes zum Erwerbszweck'- [und damit nicht sichtvermerksfrei]- mit der von der Erstbehörde als erwiesen angenommenen Tatsache begründet werden könnte. Für den Erwerbszweck bedarf im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum inhaltsgleichen Kriterium "Gewerbsmäßigkeit" der Absicht der Täterin, sich durch öftere Wiederholung "der die Strafbarkeit des Aufenthaltes begründende Handlung durch Tanzauftritte bzw. als Animierdame" eine, wenn auch nicht dauernde und wenn auch nicht regelmäßige Einkommensquelle zu schaffen (Erkenntnis Slg. 9770 A/1979; Hinweis auf das zum Vorarlberger Sittenpolizeigesetz ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Jänner 1992, Zl. 91/10/0175). Im zweitgenannten Erkenntnis hat der Gerichtshof unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung ausgeführt, daß das Erfordernis der Gewerbsmäßigkeit wohl auch bei einer einmaligen Tathandlung als erfüllt angesehen werden kann, sofern diese in der Absicht ausgeführt wird, sich dadurch eine ständige oder doch für längere Zeit wirkende (zusätzliche) Einkommensquelle zu verschaffen, und dies in der einen Tathandlung zum Ausdruck kommt (VwGH 24.5.1993, 93/10/0014). Schon im Hinblick auf dieses Kriterium fehlen hier jegliche Feststellungen und können diese auch nicht mehr nachgeholt werden, indem die Berufungswerberin nicht mehr in Österreich aufhältig ist und dazu nicht mehr befragt werden kann.

Hier muß aber bereits das Faktum der Ausübung der Tätigkeit gegen Entgelt mangels konkreter Hinweise - Schlußfolgerungen reichen für einen Beweis aus h. Sicht nicht aus - als nicht erwiesen angesehen werden. Der Erstbehörde kann wohl durchaus gefolgt werden, daß hier aus der Lebenserfahrung ein Schluß auf die Entgeltlichkeit des Wirkens der Berufungswerberin gezogen werden kann. Die Erstbehörde maß diesem Erfahrungssatz einen so hohen Stellenwert bei, daß sie das Tatverhalten im Sinne eines Beweises der Erwerbstätigkeit zu "unterstellen" können glaubte. Damit räumt aber bereits die Erstbehörde selbst ein, - zumindest indirekt - daß konkrete diesbezügliche Feststellungen nicht verfügbar sind und somit ein Beweis dafür gerade nicht vorliegt (vgl. Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage, S 98, Fn 372). Der Verfassungsgerichtshof geht etwa davon aus, daß § 5 Abs1 zweiter Satz VStG nicht etwa bewirkt, daß ein Verdächtiger seine Unschuld nachzuweisen hat (VfSlg. 11195/1986). Vielmehr hat die Behörde die Verwirklichung des (objektiven) Tatbestandes durch den Beschuldigten nachzuweisen. Die Unterstellung eines Sachverhaltes auf Grund von Indizien würde dem Grundsatz eines fairen Verfahrens widersprechen. Im Lichte der obigen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes ist an einen Beweis ein strengerer Maßstab als bloß eine aus der Lebensnähe gezogene Schlußfolgerung zu stellen. Damit ist die Berufungswerberin mit ihrem Vorbringen grundsätzlich im Recht! 5.3. Weil hier ein eindeutiges Beweisergebnis im Hinblick auf die Tatbegehung - des Aufenthaltes zum Erwerbszweck - nicht vorliegt, war hier von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung des Verfahrens zu verfügen. Selbst wenn Zweifel am Tatvorwurf bestehen, gilt der Nachweis als nicht erbracht (VwGH 12.3.1986, 84/03/0251 u.a. sinngem.; Hinweis auf ZfVB 1991/3/1122).

5.4. Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß der Spruch die Strafbarkeit des Verhaltens nicht entnehmen läßt, indem nur der Gesetzestext wiedergegeben wurde. Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat nämlich der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten; es bedarf daher im Bescheidspruch der Ausführung aller wesentlichen Tatbestandselemente, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat und die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich sind. Nachdem hier der Spruch des Elementes des Aufenhaltes "zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit" entbehrt, wie von der Erstbehörde offenbar angenommenen wurde, läßt sich die Erforderlichkeit des Sichtvermerkes und folglich die Illegalität des Aufenthaltes ohne Sichtvermerk aus dem Spruch jedenfalls nicht ableiten (vgl. u.v. VwGH 27. April 1994, Zl. 92/03/0127 u. 26. Jänner 1996 Zl. 95/02/0435). Dies wäre wohl wegen der noch offenen Verfolgungsverjährungsfrist durch die Berufungsbehörde noch sanierbar gewesen. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Dr. B l e i e r Beschlagwortung: Beweis, Unterstellung, Beweiswürdigung

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