Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230635/3/BR

Linz, 29.12.1997

VwSen-230635/3/BR Linz, am 29. Dezember 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn M gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, vom 6. November 1997, Zl. Sich96-432-1996/WIM, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 471/1995 - AVG, iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1, § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, idF BGBl. Nr. 620/1995 - VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

Rechtsgrundlage: § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit Straferkenntnis vom 6. November 1997 über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 81 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 96 Stunden verhängt und wider ihn folgenden Tatvorwurf erhoben:

"Sie haben am 28.9.1996 gegen 01.30 Uhr in erheblich alkoholisiertem Zustand im T in W im Zuge einer Feier durch eine wörtliche Auseinandersetzung mit J nachdem Sie einigen Gästen mit einem Cola-Rotwein-Mixgetränk die Kleidung verschmutzt hatten und anschließend durch eine Ranglerei mit dem Genannten, weil Sie die Feier nicht verlassen wollten, wobei Sie plötzlich J ins Gesicht schlugen, wodurch diesem ein Stück vom linken oberen Schneidezahn abgebrochen ist, und somit durch Ihr fortgesetztes, besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung im T ungerechtfertigt gestört." 1.1. Begründend führt die Erstbehörde aus wie folgt:

"Die ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ist aufgrund der im Zuge einer Privatanzeige von Gendarmerieorganen durchgeführten Erhebungen und der darauf basierenden Strafanzeige des GPK. M vom 04.12.1996, GZP-3124/96- Sei, als erwiesen anzusehen.

Gemäß § 81 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. 566/1991 i.d.g.F.(SPG) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört und ist mit Geldstrafe bis zu S 3.000,-- zu bestrafen. Anstelle der Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.

Gemäß § 85 SPG liegt eine Verwaltungsübertretung nicht vor, wenn eine Tat nach den §§ 81 bis 84 den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

Gemäß § 86 obliegt die Durchführung der Verwaltungsstrafverfahren den Bezirksverwaltungsbehörden.

Sie geben in Ihrer Rechtfertigung als Beschuldigter vom 24.1.1997 an, sich hinsichtlich der Ihnen zur Last gelegten Rangelei keiner Schuld bewußt zu sein. Sie seien am Gendarmerieposten M darüber einvernommen worden und sei die wegen Verdacht des Vergehens nach § 83 StGB erstattete Strafanzeige gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt und das Verfahren eingestellt worden.

Wie der an Sie mit Schreiben der Staatsanwaltschaft Wels vom 6.12.1996, Zl.2 BAZ 6770/96, gerichteten Verständigung ferner zu entnehmen ist, unterbleibt aufgrund der angeführten Zurücklegung gemäß § 90 Abs. 1 StPO ein Strafverfahren aus diesem Anlaß, womit gemäß § 86 die Zuständigkeit der hiesigen Verwaltungsstrafbehörde gegeben ist, weshalb auch mit ha. Aufforderung zur Rechtfertigung vom 17.1.1997 das Verwaltungsstrafverfahren gegen Sie eingeleitet wurde.

Der hiezu als Zeuge einvernommene Anzeigeleger J führt im wesentlichen aus, Sie hätten während der Unterhaltung an der Bar mehrmals Cola-Rotwein auf das Hemd des M und auf die Hose von J geschüttet, woraufhin es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen Ihnen dreien gekommen sei. Der Zeuge habe Sie als Obmannstellvertreter des Vereines und als Initiator der Feier dann zwecks Vermeidung von Schwierigkeiten zum Verlassen des Tennisheimes aufgefordert. Da Sie dies nicht befolgen wollten, habe er Sie von hinten bei den Händen festgehalten um Sie nach draußen bringen zu können. M und W hätten Sie beide dann mit der Aufforderung, das Raufen aufzuhören, getrennt. Während J mit G darüber geredet habe, habe er plötzlich von Ihnen einen Schlag auf den Mund erhalten, wobei ein Stück vom oberen linken Schneidezahn abgebrochen sei. Er sei dann sofort weggefahren, um einer Schlägerei zu entgehen. Gegen 13.00 Uhr habe er Sie dann Zuhause angerufen, Ihnen wegen des beschädigten Zahnes Mitteilung gemacht und Sie aufgefordert, nötigenfalls die Kosten einer Sanierung zu bezahlen, was Sie abgelehnt hätten. Der Schneidezahn sei repariert worden, Folgeschäden seien jedoch nicht ausgeschlossen. Der Gast M gibt als Zeuge im wesentlichen an, er habe sich mit Ihrer Freundin unterhalten, bis er bemerkt habe, daß Sie ihm Cola-Rotwein auf sein weißes Hemd geschüttet hätten. Auf seine Frage, was das unter Freunden für einen Sinn habe, seien Sie sofort aufgesprungen, hätten ihn leicht nach hinten gestoßen und gefragt, was er wolle. J habe den Streit schlichten wollen, habe Sie als Nichtmitglied des Vereines aufgefordert, das Fest zu verlassen, woraufhin es zu einer kleinen Rangelei gekommen sei, die sofort wieder vorbei gewesen sei. Sie seien stehen geblieben und hätten ruhig gewirkt, seien jedoch plötzlich in Richtung J gerannt, hätten ihm mit der rechten Hand auf den Mund geschlagen und seien dann sofort wieder weggelaufen. Wie der Zeuge weiter angibt, habe er dann bei J gesehen, daß ein Stück vom Schneidezahn abgebrochen gewesen sei. Der Zeuge, J und andere hätten das Fest verlassen. Sie seien mehr als angeheitert gewesen, hätten sich aber in einem Zustand befunden, in dem Sie "wissen was Sie tun". Er wisse nicht genau, warum Sie ihn angeschüttet und J geschlagen hätten, womöglich seien Sie auf O wegen seines Gespräches mit Ihrer Freundin eifersüchtig gewesen. Was die weiteren zeugenschaftlich befragten Personen M, W und G anbelangt, haben diese ebenfalls den Vorfall, die Auseinandersetzung bzw. den Tumult mit Ihnen mitbekommen, jedoch keine näheren Angaben gemacht.

Seitens der erkennenden Behörde wird im Rahmen der Beweiswürdigung angesichts der schlüssigen und übereinstimmenden Aussagen der beiden, oben angeführten Zeugen, welche objektiv gesehen durch Ihr grundloses, besonders rücksichtsloses Verhalten geschädigt wurden, diesen Zeugenaussagen mehr Glaubwürdigkeit zuerkannt und gelangt die Verwaltungsstrafbehörde nach freier Überzeugung zu der Erkenntnis, daß Sie die Ihnen zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen haben, weshalb auch spruchgemäß auf Bestrafung zu erkennen ist. Ihre Angaben vor dem GPK. M vom 4.11.1997, wonach Sie sich aufgrund Ihrer Alkoholisierung an nichts mehr erinnern könnten, sind demnach als Schutzbehauptung zu qualifizieren und treten gegenüber den Aussagen der Zeugen eindeutig in den Hintergrund.

Bei der Strafbemessung im Sinne des § 19 VSTG wurde auf Ihr monatliches Nettoeinkommen von ca. S 17.300,-- sowie auf die Tatsache, daß Sie ledig und vermögenslos sind, zwar für ein ue. Kind sorgepflichtig, jedoch alimentationspflichtig sind, hinreichend Bedacht genommen.

Bei der Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe waren die Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse nicht zu berücksichtigen. Straferschwerend war insbesondere der Umstand zu werten, daß Sie sich im Verlaufe der angeführten Feier in einen doch erheblich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand versetzt haben und der Vorfall ausschließlich dadurch ausgelöst wurde, daß Sie dem Gast O grundlos mehrmals ein alkoholisches Getränk auf sein Hemd und S ein solches auf dessen Hose schütteten. Als strafmildernd war schließlich Ihre bisherige Unbescholtenheit zu werten. Die verhängte Geldstrafe erscheint unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände schuld- und unrechtsangemessen. Die Höhe der Geldstrafe erscheint ausreichend, um Sie in Zukunft von der Übertretung dieser Normen abzuhalten und besitzt darüber hinaus auch generalpräventive Wirkung. Der Ausspruch über die Kosten des Strafverfahrens gründet sich auf die im Spruch zitierte Gesetzesstelle. Sohin war spruchgemäß zu entscheiden." 2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber aus: "In umseits näher bezeichneter Verwaltungsstrafsache gebe ich der Behörde bekannt, daß ich mit meiner Vertretung Rechtsanwälte Dr. H, Mag. W, M, beauftragt habe, welche sich auf mündlich erteilte Vollmacht gemäß § 10 AVG berufen.

1. Sachverhalt: Die Bezirkshauptmannschaft Weis-Land als erstinstanzliche Behörde im Sinne des § 86 Sicherheitspolizeigesetz (in der Folge SPG) legt mir im vorhin näher bezeichneten Straferkenntnis zur Last, daß ich am 28.09.1996 gegen 01.30 Uhr in alkoholisierten Zustand im Tennisheim in W, im Zuge einer Feier eine wörtliche Auseinandersetzungen mit J gehabt hätte. Ich hätte ferner einigen Gästen mit meinem Cola-Rotwein-Mixgetränk die Kleidung verschmutzt, im Anschluß daran eine Rangelei gehabt und hätte ich noch J ins Gesicht geschlagen, wodurch diesem ein Stück vom linken oberen Schneidezahn abgebrochen sei.

Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land nimmt in ihrer Begründung insbesondere Bezug auf die zeugenschaftlichen Einvernahmen des J und M und kommt schließlich zum Schluß, daß ich dadurch den Tatbestand des § 81 Abs.1 SPG erfüllt hätte.

Es wird eine Geldstrafe von S 2.000,-- verhängt sowie die Bezahlung der 10 %-igen Kosten des Strafverfahrens im Ausmaß von S 200,-- aufgetragen. Dieses Straferkenntnis wurde am 17.11.1997 zugestellt.

II. Innerhalb offener Frist wird nunmehr wider dieses Straferkenntnis im Sinne der Bestimmung des § 51 VStG durch meinen ausgewiesenen rechtsfreundlichen Vertreter erstattet nachstehende BERUFUNG an den unabhängigen Verwaltungssenat für das Land Oö.

Es wird gestellt der A n t r a g :

das gegenständliche Straferkenntnis, welches in seinem vollen Umfang angefochten wird, aufzuheben das Verfahren im Sinne eines Freispruches einstellen.

III. Begründung: Die von der Erstinstanz vorgehaltene Verwaltungsübertretung des § 81 Abs. 1 SPG lautet wie folgt:

"Wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 3.000,-- zu bestrafen." Ungeachtet des Umstandes, daß von der Erstinstanz die Sachverhaltsfeststellungen nicht mit den Ergebnissen des Beweisverfahrens übereinstimmt bzw. diese Feststellungen unvollständig geblieben sind, ist jedenfalls der vorhin angeführte Tatbestand durch ein Verhalten meiner Person nicht gegeben.

a) Keine Zuständigkeit der BEZIRKSHAUPTMANNSCHAFT-Wels Land: Schon eingangs wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hingewiesen, so wie auch in meiner Rechtfertigung an die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land dargelegt, daß von der Staatsanwaltschaft Wels (18 BAZ 153/97 f) die Verfolgung im Sinne der §§ 42 StGB bzw. 90 Abs. 1 StPO unterblieben ist und sohin das bezirksgerichtliche Verfahren wegen des Vorwurfs der vorsätzlichen Körperverletzung § 83 Abs. 1 StGB eingestellt wurde.

Aus diesem Umstand sind zwei Schlußfolgerungen zum ziehen:

- Wenn das Bezirksgericht Wels bzw. die Staatsanwaltschaft Wels zu einer mangelnden Strafwürdigkeit des § 42 StGB kommt, so bedeutet dies, daß dieser Vorfall als Geringfügigkeit abzutun ist.

Voraussetzung für die Anwendung des § 42 StGB ist zusammengefaßt ein geringes Verschulden bzw. ein unbedeutender Schaden sowie Fehlen von spezial- oder generalpräventiven Überlegungen, die eine Bestrafung erforderlich machten. All diese Voraussetzungen sind nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Wels erfüllt, weshalb es völlig sinnwidrig ist, wenn die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land plötzlich zu einem besonders rücksichtslosen Verhalten kommt, und dadurch die öffentliche Ordnung gestört worden sei. Es besteht ein krasser Widerspruch und ist schon deshalb die Ansicht der Bezirkshauptmannschaft Wels völlig verfehlt.

- Es ist nicht zulässig, wenn von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wird.

Es wird in diesem Zusammenhang auf die Bestimmung des § 85 SPG verwiesen, wonach eine Verwaltungsübertretung nur dann vorliegt, wenn eine Tat nicht nach den §§ 81 bis 84 den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Die Bestimmung sagt nichts darüber aus, wie das gerichtliche Verfahren abgeschlossen wird, weder ob Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung des § 85 ist ein Schuldspruch, Freispruch oder Einstellung ist.

§ 85 SPG normiert die Subsidiarität der Verwaltungsbehörden dann, wenn die Zuständigkeit eines Gerichtes gegeben ist. Dies ist bzw. war jedenfalls der Fall, zumal die Bestimmung des § 83 Abs. 1 StGB zugrundegelegt wurde, die Zuständigkeit des Gerichtes dadurch jedenfalls auch begründet ist, so daß eine Verwaltungsübertretung nicht vorliegt. Die erstinstanzlichen Ausführungen, welche ihre Zuständigkeit darauf stützt, daß das gerichtliche Verfahren nach § 90 Abs. 1 StPO eingestellt worden ist, steht mit dem Gesetzeswortlaut ausdrücklich in Widerspruch, zumal ausdrücklich auf eine Zuständigkeit abstellt wird, nicht jedoch auf ein bestimmtes Ergebnis oder bestimmten Ausgang des gerichtlichen Verfahrens.

b) Unrichtige bzw. unvollständige Sachverhaltsfeststellung, unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung: Unter diesem Gesichtspunkt werden insbesondere nachstehende Sachverhaltsfeststellungen bzw. mangelnde Feststellungen gerügt:

- Es ist nicht unproblematisch, wenn die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land meine Aussagen unbeachtet läßt, sondern lediglich die Sachverhaltsfeststellung auf die zeugenschaftlichen Angaben des J und des M stützt. Tendenziöses Verhalten bzw. tendenziöse Aussagen zum Nachteile meinerseits sind hinsichtlich dieser beiden Zeugen schon dadurch indiziert, als es sich um eine Veranstaltung des Vereines "Free-Time-Club" handelt, und sind vorhin beide genannte Zeugen Mitglieder dieses Vereins; hingegen bin ich mit dem Verein keinerlei Beziehung stehend.

Schon aus diesem Gesichtspunkt, insbesondere im Rahmen eines Strafverfahrens, welches durch den Zweifelsgrundsatz zugunsten eines Beschuldigten geprägt ist, sind diese Zeugenaussagen besonders kritisch zu betrachten.

- M hat in seiner Angabe vor dem Gendarmerieposten M vom 16.10.1996 angegeben, daß ich, was anfänglich ihm nicht bewußt war, Cola-Rotwein auf sein Hemd geschüttet hätte. Dies hat auch J am 04.10.1996 zu Protokoll gegeben.

Aufgrund meiner Alkoholisierung kann dies von mir nicht näher kommentiert werden, dieser Vorfall, wenn überhaupt, aber nur auf ein Versehen bzw. Unachtsamkeit meiner Person zurückgeführt werden kann, welche aus bzw. gerade wegen der Alkoholisierung hervorgerufen worden ist. Auch wenn ein derartiger Vorfall für den Betroffenen unangenehm ist, handelt es sich hiebei um etwas, was ständig bei verschiedensten Anlässen gesellschaftlichen Beisammenseins passiert, so daß dadurch in keiner Weise eine Verwaltungsstraftatbestand erfüllt würde. Hinsichtlich dieses Verhaltens, welches mir vorgeworfen wird, kann zudem keinesfalls ein Vorsatz unterstellt werden.

- Weiters spricht M davon, daß ich von J aufgefordert worden sei, das Fest zu verlassen und es in der Folge zu einer kleinen Rangelei kam, welche sofort wieder vorbei war. Das ist, wenn es sich so abgespielt hat, für eine derartige Festivität überhaupt nichts außergewöhnliches, und von der Intensität insbesondere auch vom Zeitausmaß her derartig geringfügig gewesen, so daß dadurch ein besonders rücksichtsloses Verhalten nicht gegeben ist und keinesfalls dadurch die Ordnung gestört werden konnte. In der diesbezüglichen Beurteilung ist insbesondere die Einschätzung durch andere abzustellen. Der Zeuge O hat es als kleine Rangelei, die sofort wieder vorbei war, bezeichnet, so können andere Leute oder Anwesende überhaupt nicht gestört worden sein. Soweit andere Gäste überhaupt davon etwas mitbekommen haben, so wurde dem keine Beachtung geschenkt, und konnten keine inhaltlichen Aussagen dazu getätigt erden, was wiederum den zwingenden Schluß zuläßt, daß sich dieser Vorfall in einem ganz engen Personenkreis ereignet hat, ohne Einfluß bzw. Ausfluß auf die sonstige Öffentlichkeit. In diesem Zusammenhang muß aber auch mit Nachdruck betont werden, und dies hat die Bezirkshauptmannschaft kurioserweise nicht festgestellt, daß nämlich die Rangelei von J ausgegangen ist, so nach seiner eigenen Aussage vor der Gendarmerie M. Er schildert den Vorfall in der Form, daß er mich von "hinten" genommen hätte, bei den Händen festhielt und mich nach draußen bringen wollte.

Einmal davon abgesehen, daß ihm dieses Recht in keiner Weise zukommt, und es dafür auch keinerlei Rechtfertigungsgrund gibt, ist es J selbst, der die Rangelei vom Zaun gebrochen hat. Die ganze Rangelei ist mir sohin in keiner Weise vorwerfbar Die Bestimmung des § 81 Abs. 1 SPG ist angesichts dieses Umstandes nicht einschlägig, zumal darin von einer unberechtigten Störung die Rede ist.

- Unzulässig ist es ferner, wenn die Bezirkshauptmannschaft Wels von einem "Tumult" spricht. Bei einem Tumult, wie man ihn im herkömmlichen Sinne interpretiert, ist im gänzlichen Behördenakt des Gendarmeriepostens M weit und breit keine Rede. Einen solchen hat es tatsächlich in keiner Weise gegeben.

Die Bezirkshauptmannschaft Wels Land versuchte auf unzulässige Weise mangels entsprechender Beweisergebnisse mit irreführender Wortwahl eine größere Auseinandersetzung zu konstruieren, um die Anwendung des § 81 Abs. 1 zu rechtfertigen.

- Schlag auf den Mund: Der Zeuge O schildert, ich hätte mit der rechten Hand auf J eingeschlagen. Wenn diese Handlung sich tatsächlich so zugetragen hat und es Folge war, daß J ein Teil des Schneidezahnes abgebrochen ist, so geht das Bezirksgericht Wels bzw. die Staatsanwaltschaft Wels davon aus, daß kein strafwürdiger Schaden eingetreten ist, welcher eine Verurteilung erforderlich mache. Sollte der Vorwurf Berechtigung haben, so war damit auch nie eine Verletzungsabsicht verbunden und war es lediglich eine Mißhandlung im Sinne des § 83 Abs. 2 StGB. Da keine gegenteiligen Aussagen vorliegen, ist jedenfalls auch davon auszugehen, daß dieser Schlag mit der flachen Hand erfolgt ist und dieser Vorfall von kaum jemandem beobachtet worden ist, außer S und O. Es bestand auch keinerlei Gefahr, daß aus diesem Vorfall noch mehr daraus wird, da ich sofort weggelaufen bin.

- Ein besonders rücksichtsloses Verhalten im Sinne der eingangs schon zitierten Gesetzesbestimmung ist nirgends zu erblicken, zumal Voraussetzung hiefür ist ein doch extremes Abweichen von der Norm, welches nicht vorliegt. Ein derartiges Verhalten fordert in ihrer Intensität und Dauer ein Ausmaß, welche von einer nicht unerheblichen Anzahl von Personen wahrgenommen werden muß, insbesondere damit eine Störung der öffentlichen Ordnung mit diesem Verhalten einhergeht. Als das ist aufgrund des festgestellten Sachverhaltes nicht gegeben, so daß ein Freispruch zu fällen ist. Den Tumult, wie es die BEZIRKSHAUPTMANNSCHAFT Wels-Land formuliert, hat es ja gerade nicht gegeben und auch kein Aufgebrachtsein von einer erheblichen Anzahl von Personen. Der Tatbestand nach § 81 Abs. 1 SPG ist in objektiver wie in subjektiver Hinsicht nicht erfüllt.

- Es muß die Bezeichnung "Folgeschaden" relativiert werden. Es besteht ja nicht die Gefahr einer tieferen oder komplizierten, die Gesundheit massiv beinträchtigende Gefahr einer Spätfolge oder Dauerfolge. Diese Feststellung, wonach spätere Folgeschäden nicht ausgeschlossen sind, stützt sich auf die Aussage von Dr. F, der aber hiefür ausdrücklich als Beispiel eine Krone für den Zahn anspricht; dies stellt aber grundsätzlich keine gesundheitliche Beeinträchtigung dar.

Unter obigen Gesichtspunkten wird gestellt bzw. wiederholt der ANTRAG, das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren in Form eines Freispruches einzustellen.

M, 1. Dezember 1997/i M" 3. Die Erstbehörde hat den Akt zur Entscheidung vorgelegt. Somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu erkennen. Gemäß § 51e Abs.1 VStG war die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht erforderlich.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis geführt durch die Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verwaltungsakt und die Erhebung des Sachausganges bzw. der gerichtsbehördlichen Erledigung beim bezirksanwaltlichen Vertreter beim Bezirksgericht Wels. 5. Aufgrund des Ergebnisses der Aktenlage und des ergänzenden Erhebungsergebnisses können die näheren Umstände, ob der Berufungswerber anläßlich eines Vorfalles am 28. September 1996, gegen 01.30 Uhr im Tennisheim in W, einem Dritten mit der Faust ins Gesicht geschlagen und diesen dadurch verletzt hat, dahingestellt bleiben. Dieser Vorfall gelangte am 4. Dezember 1996 unter der GZ-P 3124/96-Sei, dem Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Wels zur Anzeige, wo der Vorgang unter 18 BAZ 153/97 f protokolliert ist und unter Anwendung des § 42 StGB iVm § 90 StPO zurückgelegt wurde (Aktenvermerk v. 22.12.1997). Es ist an dieser Stelle aber anzumerken, daß - so wie in der erstbehördlichen Begründung dargelegt - bei der Bezirksanwaltschaft in dieser Sache auch unter der Aktenzahl 2 BAZ 6770/96 - offenbar versehentlich - der Vorgang protokolliert wurde und unter dieser Zahl lediglich eine Einstellung nach § 90 StPO erfolgte (h. AV v. 22.12.1997). Tatsächlich erfolgte jedoch unter der oben genannten zweiten Zahl eine anderslautende, nämlich auch auf § 42 StGB, gestützte Sacherledigung. Auf den Sachverhalt als solchen, welcher an sich weitgehend unbestritten ist, braucht hier daher nicht weiter eingegangen werden. 6. Rechtlich ist wie folgt zu erwägen :

6.1. Gemäß § 81 Abs. 1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, "Wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört; er ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden." 6.1.1. Nach § 85 SPG liegt jedoch eine Verwaltungsübertretung nicht vor, wenn eine Tat nach den §§ 81 bis 84 (auch) den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

Der § 85 SPG schränkt somit die Reichweite der Tatbestände der §§ 81 bis 84 SPG - in Abkehrung von der früheren Gesetzeslage (vgl. etwa VfSlg. 3597/1959) - ein. Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor, wenn die Tat den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung bildet; die Tatbestandsumschreibungen der §§ 81ff SPG sind also um das Tatbestandsmerkmal: "soweit die Tat nicht gerichtlich strafbar ist" erweitert zu lesen. So ist etwa nunmehr ein Täter - im Gegensatz zur Rechtslage vor dem SPG - der an einem öffentlichen Ort einen anderen vorsätzlich am Körper verletzt hat, nicht mehr vom Gericht (Körperverletzung; §§ 83ff StGB) und zugleich auch von einer Verwaltungsbehörde (Ordnungsstörung; § 81 SPG) zu bestrafen.

Dabei ist gleichgültig, ob der Täter tatsächlich von einem Gericht etwa auch tatsächlich bestraft wird (vgl. VwSlg. 2079A/1951 und 3640A/1955). Ausschlaggebend ist allein, ob eine Handlung (Unterlassung) den "äußeren" Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt. Auch wenn die gerichtliche Bestrafung mangels Zurechnungsfähigkeit, Vorsatz, Fahrlässigkeit oder etwa auch nur wegen Arbeitsüberlastung der Gerichte entfällt, liegt gleichwohl keine Verwaltungsübertretung vor. Ein Vorgehen der Anklagebehörde nach § 42 StGB läßt jedenfalls den so beurteilten Tatbestand als einen in die Zuständigkeit der Gerichte fallend qualifizierbar erachten.

Die Verwaltungsbehörden haben die Frage, ob eine Tat den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt, im Grundsatz eigenständig als Vorfrage im Sinne von § 38 AVG zu beurteilen; dabei sind die besonderen Regelungen des § 30 Abs. 2 und 3 VStG zu beachten. Ist aber eine Tat von den Behörden nur zu ahnden, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlungen bildet, und ist zweifelhaft, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, so hat die Behörde das Strafverfahren auszusetzen, bis über die Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist.

Die Behörde war also bislang schon an ein "verurteilendes Erkenntnis des Strafgerichtes, nicht aber durch dessen Einstellungsbeschluß gebunden" (VwSlg. 2079A/1951); im Fall der Einstellung - das gleiche muß auch für den Freispruch gelten - "hat die Verwaltungsstrafbehörde die Frage, ob die von ihr dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat einen gerichtlich zu ahndenden Tatbestand bildet, selbst zu beurteilen" (VwSlg. 10276A/1980). Eine diesbezügliche Prüfung hat hier die Behörde offenbar vorgenommen. Durch eine irrtümliche Doppelprotokollierung wurde seitens der Erstbehörde offenbar von einer bloßen Einstellung nach § 90 StPO ausgegangen. Diese Tat war hier im äußeren Tatbild (Körperverletzung) als in die Zuständigkeit des Gerichtes fallend zu erachten. Dies gelangte hier insbesondere darin zum Ausdruck, daß die Anklagebehörde unter Anwendung des § 42 StGB vorgegangen ist, was besagt, daß vom Vorliegen einer an sich gerichtlich strafbaren Handlung ausgegangen wurde. Aber selbst schon bei einer Einstellung nach § 90 StPO wäre der Sachverhalt bereits einer behördlichen Prüfung unterzogen worden, so daß eine nachfolgende verwaltungsstrafrechtliche Beurteilung im Lichte des oben gesagten wohl als unzulässig angesehen werden müßte, weil es dem Verbot der Doppelverwertung [ne bis in idem] entgegenstehen würde. Dies muß nunmehr im Lichte der Judikatur des EGMR und der jüngsten Entscheidung der EKMR - zur Vermeidung einer doppelten Ahndung (ne bis in idem) nicht nur eng ausgelegt werden, sondern ist fraglich, ob für die Verwaltungsbehörde im Falle einer gerichtlichen Befassung mit einer Sache überhaupt noch Raum bleibt? Bei dieser Fallgestaltung wird das Vorliegen eines Verwaltungsstraftatbestandes zu verneinen sein, weil es im Lichte des Gradinger-Urteiles naheliegt, "eine Tat" (die Tat) iSd Subsidiaritätsvorschrift mit "dem gesamten Verhaltensumfeld" ([dem die Tat bildenden Verhalten], EGMR 23.10.1995, 33/1994/480/562) gleichzusetzen. Zusätzlich verdeutlicht wird diese Problematik in einer jüngsten Entscheidung der europäischen Kommission für Menschenrechte vom 9. April 1997, 22541/93 (Fall Marte/Achberger gegen Österreich). Hier wurde nach einem ordnungsstörenden und anstandsverletzenden Verhalten der Beschwerdeführer die Gendarmerie gerufen. Im Verlaufe des Einschreitens dieser Organe, naturgemäß zeitlich wohl um etliches später gelegen, kam es zusätzlich zu einer Körperverletzung an einem Gendarmeriebeamten und zu einem Widerstand gegen die Staatsgewalt. Wegen letzterem erfolgte eine gerichtliche Verurteilung. Obwohl das ordnungsstörende Verhalten bereits vor jenem des zur gerichtlichen Verurteilung führenden lag, qualifizierte die EKMR unter Hinweis auf das sog. Gradingerurteil als ein "tateinheitliches [überlappendes]" Geschehen [based on the same conduct] und qualifizierte eine Bestrafung auch wegen der Verwaltungsdelikte als Verstoß gegen Art.6 Abs.1 MRK und als Verletzung des Art 4 des 7. Zusatzprotokolls zur MRK durch Österreich. Durch das gerichtliche Verfahren sei, so die Kommission, auch das vorherige Verhalten, welches gleichsam als Teil des nachfolgenden und somit bereits zu einer gerichtlichen Beurteilung führenden zu sehen ist, abgedeckt. In diesem Sinn ist ein bestimmtes Verhalten als ganzheitlich zu sehen, auch wenn es in seiner zeitlichen Abfolge mehrere Tatbestandselemente verwirklicht, welche verschiedenen Rechtsgutbeeinträchtigungen vorzubeugen suchen. Die bislang durchaus als gerechtfertigt erscheinende Trennung dieser Verhalten und folglich eine entsprechende Ahndung der Verwaltungsstraftatbestände vermag aus dieser Sicht gemäß dem Grundsatz des Verbotes einer Doppelverwertung nicht länger aufrecht haltbar zu sein.

Der Berufungswerber ist daher mit seinem Vorbringen im Ergebnis im Recht. Mangels eines im Lichte der obigen Ausführungen vorliegenden Verwaltungsstraftatbestandes war daher ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung mit einer Verfahrenseinstellung vorzugehen. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten. Dr. B l e i e r Beschlagwortung: Doppelbestrafung ne bis in idem

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