Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720172/3/Ste/FJ

Linz, 06.07.2007

 

 

 


                                                        E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung der N Y, M, 40 L, vertreten durch Dr. A W, Rechtsanwalt, M, 40 L, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz vom 30. November 2006, 1031856/FRB, wegen der damit ausgesprochenen Ausweisung, zu Recht erkannt:

 

 

            Der Berufung wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid wird behoben und die Angelegenheit wird zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neues Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 2 Allgemeines Verwal­tungs­verfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

                                                                          

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz vom 30. November 2006, Zl. 1031856/FRB, wurde die Berufungswerberin (in der Folge: Bwin), eine türkische Staatsangehörige, (wörtlich) "gem. § 54 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 66 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, i.d.g.F. ausgewiesen".

 

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund der Aussage des Ehegatten der Bwin feststehe, dass es sich bei der Ehe zwischen den eben genannten Personen um eine Scheinehe handle. Wäre diese Sachlage bei der Beantragung der Niederlassungsbewilligung bekannt gewesen, hätte dies einen Versagungsgrund dargestellt. Die Bwin habe zum Vorhalt der Aussage ihres Ehegatten nicht Stellung genommen. Eine entsprechende Möglichkeit sei ihr mit Schreiben vom 20. Oktober 2007 (hinterlegt am 27. Oktober) eingeräumt worden. Alleine aus der Aufenthaltsdauer in Österreich könne keine Integration abgeleitet werden. Weiters sei zu betonen, dass die Bwin die rechtliche Grundlage ihres Aufenthaltes in Österreich erschlichen habe. Diese habe zwar weitere sonstige familiäre Beziehungen in Österreich, jedoch würden die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung der Ausweisung schwerer wiegen, als die Auswirkungen auf die Lebenssituation.

 

Nach erfolglosen Zustellversuchen am 1. und 4. Dezember 2006 sowie einer Hinterlegung bei der das Schriftstück von der Bwin nicht behoben wurde, konnte der Bescheid am 25. Jänner 2007 erfolgreich der Bwin zugestellt werden.

 

1.2. Mit Schreiben vom 7. Februar 2007, einlangend bei der Behörde erster Instanz am selben Tag, jedoch nach Ende der Amtsstunden, erhob die Bwin im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung Berufung gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Bundespolizeidirektion Linz vom 30. November 2006.

 

In dem Schreiben vom 7. Februar 2007 stellte die Bwin einen Antrag auf Wiedereinsetzung. Begründend brachte Sie vor, von der Hinterlegung im ersten Zustellversuch keine Kenntnis erlangt zu haben und sie aus diesem Grund auch nicht in der Lage gewesen sei, den Bescheid vom Postamt zu beheben. Mangels für sie erkennbarer Hinweise sei sie nicht in der Lage gewesen von der Hinterlegung Kenntnis zu erlangen. Sie habe zudem nicht damit zu rechnen gehabt, dass im vorliegenden Verfahren die Zustellung eines Bescheides an sie erfolgen werde. Sie sei in diesem Verfahren seit Juni 2004 rechtsfreundlich vertreten, daher hätte die Zustellung an ihren bevollmächtigten Vertreter erfolgen müssen. Weiters bringt sie vor, dass für sie selbst dann kein Handlungsbedarf bestanden hätte, wenn die Hinterlegung an ihrer Adresse ein rechtswirksam gewesen sei, da sie berechtigt darauf vertrauen hätte dürfen, dass eine korrekte Zustellung an ihren Rechtsvertreter erfolgen werde.

 

Zum Berufungsantrag brachte die Bwin im Wesentlichen vor, dass die Behauptung ihres Gatten unrichtig sei. Zur Begründung verwies sie dabei auf die Ausführungen in ihrer Stellungnahme vom 24. Juni 2004 und in der Berufung vom 30. Juli 2004.

 

Ergänzend brachte sie vor, auch gegenwärtig mit ihrem Gatten verheiratet zu sein und beruflich Fuß gefasst zu haben. Diesbezüglich beantragte sie die Einvernahme der Zeugen E A, B A und E S sowie ihres Gatten. Weiters beantragte sie zum Beweis die Einsichtnahme in einen Auszug der Heiratsurkunde, den Auszug aus dem Reisepass, die Einholung von Melderegisterauskünften und die Einsichtnahme in den Mietvertrag vom 10. bzw. 22. Juli 2003. In diesem Zusammenhang wies die Bwin daraufhin, diese Beweise auch schon im Verfahren im Juni 2004 beantragt und angeboten zu haben.

 

In diesem Zusammenhang führte die Bwin aus, in dem vorangegangen Verfahren sei ihren Anträgen nicht entsprochen worden. Das vorliegende Verfahren leide an einem Verfahrensmangel, weil der angefochtene Bescheid ebenso erlassen worden sei, wie jenes Aufenthaltsverbot, das mit Erfolg bekämpft worden sei. Es komme der belangten Behörde als Aufgabe zu den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln. Es gelte im Verfahren den Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Dieser Grundsatz beziehe sich aber nur auf vorliegende Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und lasse nicht zu, ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorwegzunehmen. Eine vorgreifende Beweiswürdigung sei unzulässig. Im angefochtenen Bescheid sei auch nicht begründet worden, wieso die beantragten Zeugen keine Berücksichtigung gefunden hätten.

 

Weiters brachte die Bwin vor, im angefochtenen Bescheid seien die Voraussetzungen des § 66 FPG nicht geprüft worden. Desweiteren sei ihre Ausweisung auch nicht zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

 

Die Bwin stellt daher den Antrag den angefochtenen Bescheid, nach Ergänzung des Verfahrens ersatzlos aufzuheben, in eventu diesen aufzuheben und der Erstbehörde die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

 

1.3. Die Berufung wurde am 7. Februar 2007, nach Ende der Amtsstunden, bei der Behörde erster Instanz eingebracht. Die Berufung gegen die Ausweisung wurde samt bezughabendem Akt der Sicherheitsdirektion Oberösterreich, Nietzschestraße 33, 4021 Linz, zur Entscheidung weitergeleitet. Der Zeitpunkt der Weiterleitung konnte nicht festgestellt werden.

 

2.1. Mit Schreiben vom 8. Juni 2007 leitete die Sicherheitsdirektion den betreffenden Verwaltungsakt an den oberösterreichischen Verwaltungssenat weiter, dort langte dieser am 12. Juni 2007 ein. Eine Übermittlung der Berufung unterblieb. Über telefonische Aufforderung wurde dem Oö. Verwaltungssenat mit Telefax vom 15. Juni 2007 eine Kopie der Berufungsschrift übermittelt.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis er­hoben durch Einsichtnahme in die Berufung des Bw und in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Be­hörde.

 

2.3. Von der Durch­führung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abge­sehen werden, weil aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 67d Abs. 2 Z. 1 AVG).

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Die Bwin ist türkische Staatsangehörige. Am 21.11.2002 hat die Bwin mit dem österreichischen Staatsangehörigen A Y, in der Türkei die Ehe geschlossen. Ihr wurde am 10. März 2003 vom österreichischen Generalkonsulat in Istanbul eine bis 9. Juli 2003 gültige Niederlassungsbewilligung – "begünstigter Drittsta. – Ö., § 49 Abs. 1 FrG" – erteilt. Am 16. März 2003 ist sie nach Österreich eingereist.

 

Am 1. Juli 2003 wurde der Bwin vom Polizeidirektor der Bundespolizeidirektion Linz  eine bis 1. Juli 2004 gültige Niederlassungsbewilligung - "begünstigter Drittsta. – Ö., § 49 Abs. 1 FrG" – erteilt.

 

Im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme des Gatten am 21. Juni 2004 sagte dieser aus, dass es sich bei der Ehe mit seiner Gattin um eine Scheinehe handle. Zur Abdeckung der Unkosten sei ihm von der Schwester der Bwin ein Betrag von Euro 1500 überwiesen worden. Die Ehe sei nicht vollzogen worden. Es sei geplant gewesen, gleich nach der Hochzeit ein Visum zu beantragen, dafür hätte er jedoch nicht die erforderlichen Dokumente zur Hand gehabt. Diese hätte er seiner Frau, dann aus Österreich geschickt.

 

Nach der Einreise nach Österreich, sei seine Frau unverzüglich zu ihrer Schwester gezogen. Er habe die Wohnung, F, auf eigenen Namen gemietet. Dort sei aber dann lediglich seine Frau eingezogen, er selbst habe keinen Schlüssel erhalten. Die Scheidung habe er nicht einreichen können, da ihm dafür die erforderlichen Unterlagen gefehlt hätten. Außerdem habe er um Annullierung der Ehe angesucht. Abschließend gab er an, an der Adresse, F, nie Unterkunft genommen zu haben. Zum Zeitpunkt der Vernehmung habe er bei seiner Mutter und auch seiner Schwester gewohnt. Abschließend gab er nochmals an, dass es sich bei dieser Ehe um eine reine Scheinehe handle.

 

Aufgrund dieser niederschriftlichen Einvernahme wurde die Bwin mit Schreiben vom 21. Juni 2004, Zl. 1031856/Frb, eingeladen, zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen und informiert, dass beabsichtigt sei gegen ihre Person ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen.

 

Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2004 erstattete die Bwin schriftliche Stellungnahme. Darin führte sie aus, dass die Angaben ihres Gatten falsch seien. Tatsächlich hätten sie zuerst gemeinsam an der Adresse H, 40 L und später F, 40 L gewohnt. Sie räumte darin ein, dass sie nicht ausschließen könne, dass es im weiteren Verlauf zur Scheidung komme. Sie habe dies schon vorher aufgrund von Spannungen und Streit überlegt. Daraufhin habe ihr Mann angedroht er werde zur Polizei gehen und angeben bei dieser Ehe handle es sich lediglich um eine Scheinehe. Zum Beweis legte sie eine Kopie der Heiratsurkunde, ihres Reisepasses und des Mietvertrages vom 10./22. Juli 2003 vor und beantragte die Einvernahme der Zeugen E A, B A, E S sowie die Einholung von Melderegisterauskünften.

 

In der Stellungnahme vom 24. Juni 2004 stellte sie den Antrag ihrem Verlängerungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Folge zu geben und von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes abzusehen.

 

Mit Bescheid vom 13. Juli 2004; Zl. 1031856/FrB, erließ der Polizeidirektor der Bundespolizeidirektion Linz gegen die Bwin ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Begründend wurde darin ausgeführt, dass die Aussage des Zeugen glaubwürdig erschien. Durch eine Falschaussage würde er sich gerichtlich strafbar machen, überdies könne die Behörde keinen Grund erkennen, weshalb der Ehegatte der Bwin diese wahrheitswidrig belasten solle.

 

Es konnte nicht festgestellt werden, ob die belangte Behörde in Bezug auf den Gatten der Bwin der Vorschrift des § 84 StPO nachgekommen ist.

 

Gegen diesen Bescheid brachte die Bwin am 3. August 2004, mit Schriftsatz vom 30. Juli 2004, Berufung ein. Darin rügte sie vor allem die Mangelhaftigkeit des Verfahrens und die unrichtige rechtliche Beurteilung. Insbesondere seien die im Verfahren beantragten Zeugen nicht vernommen worden.

 

Die Berufung wurde von der Sicherheitsdirektion Oberösterreich mit Bescheid vom 6. Oktober 2004, Zl. St 191/04, abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

Gegen diesen Bescheid erhob die Bwin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom 30. November 2005, Zl. 2005/18/0440 (vormals: 2004/18/0386), hob der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

 

Die Sicherheitsdirektion leitete daraufhin den bezughabenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 9. Jänner 2006 an den Oö. Verwaltungssenat weiter. Dieser gab der Berufung vom 30. Juli 2004 mit Erkenntnis vom 10. April 2006, Zl. VwSen-720037/2/Ste/Wb/Da statt, hob den angefochtenen Bescheid auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung an den Behörde erster Instanz zurück. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der der Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt dem Zeitpunkt Juli 2004 entspreche und seit dem wesentliche Änderungen eingetreten sein könnten. Außerdem sei von der belangten Behörde bisher keine mündliche Verhandlung durchgeführt worden und habe diese auch die beantragten Zeugen nicht einvernommen.

 

Mit Schreiben vom 14. September 2006 teilte die Bundespolizeidirektion Linz dem Magistrat der Stadt Linz mit, dass das Aufenthaltsverbot betreffend die Bwin aufgehoben worden sei und auch kein weiteres Aufenthaltsverbot erlassen werde. Gleichzeitig wurde der Verlängerungsantrag der Bwin zur Erwirkung eines Aufenthaltstitels übermittelt.

 

Die Bwin lebt seit dem 11. Mai 2005 von ihrem Ehegatten getrennt. Aufgrund der geänderten Umstände wurde der Akt der Bwin der Fremdenpolizeibehörde übermittelt.

 

Mit Schreiben der Bundespolizeidirektion Linz vom 20. Oktober 2006, AZ: 1031856/FrB, wurde der Bwin die Aussage ihres Ehegatten vom 21. Juni 2004 abermals vorgehalten und sie zur schriftlichen Stellungnahme eingeladen. Dieses Schreiben wurde nach zwei erfolglosen Zustellversuchen mit Beginn der Abholfrist am 27. Oktober 2006 hinterlegt. Es wurde behoben, der genaue Zeitpunkt konnte nicht festgestellt werden. Die Bwin brachte keine schriftliche Stellungnahme ein.

 

In der Folge erließ die belangte Behörde den mit der vorliegenden Berufung angefochtenen Bescheid.

 

Die Bwin war jedenfalls von 1. Juli 2003 bis zum 2. Oktober 2006 (Datum des Versicherungsdatenauszuges des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger) durchgehend bei der Firma I beschäftigt.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich unbestritten auf Grund der vorliegenden Dokumente.

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 99/2006 entscheiden über Berufungen gegen Entscheidungen nach dem FPG, sofern nichts anderes bestimmt ist, im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern in letzter Instanz. Nach § 9 Abs. 1 Z 2 FPG entscheiden in allen anderen Fällen die Sicherheitsdirektionen in letzter Instanz.

 

Wie im Sachverhalt festgestellt wurde ist die Bwin türkische Staatsangehörige und mit einem Österreicher verheiratet. Aufgrund einer Niederlassungsbewilligung ließ sich die Bwin in Österreich nieder.

 

Die Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate ist auch in jenen Fällen von türkischen Staatsangehörigen, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder Art. 7 ARB Nr. 1/80 zukommt, zu bejahen (vgl. VwSen-720050 [mit ausführlicher Begründung]).

 

Gemäß Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980 – ARB 1/80 hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates angehört in diesem Mitgliedstaat

-          nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

-          nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmer aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

-          nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.

 

Artikel 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 hat in den Mitgliedstaaten unmittelbare Wirkung (vgl. EuGH, Rs C-192/89, Rn 26, "Sevince"). Art. 6 Abs. 1 ARB Nr. 1/80 regelt zwar nur die beschäftigungsrechtliche Position der Arbeitnehmer, setzt jedoch nach der Rspr. des EuGH zwingend einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis voraus, weil sonst das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt und auf Ausübung einer Beschäftigung praktisch wirkungslos wäre (stRspr. EuGH, Rs C-192/89, Rn 29, "Sevince").

 

Als Familienangehörige eines österreichischen Staatsbürgers waren auf die Bwin die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - AuslBG schon zum Zeitpunkt ihrer Einreise nach Österreich nicht anzuwenden (§ 1 Abs. 2 lit. l AuslBG, BGBl.Nr. 218/1975, idF BGBl. I Nr. 126/2002).

 

Grundsätzlich war die Bwin daher zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt, weshalb nicht schon ohne das Vorliegen einer erforderlichen Bewilligung von einer nicht ordnungsgemäßen Beschäftigung gesprochen werden kann.

 

Der Begriff "ordnungsgemäße Beschäftigung" in Art. 6 Abs. 1 ARD Nr. 1/80 setzt eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt voraus und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenhaltsrechts (stellvertretend für viele: EuGH, Rs C-192/89, Rn 30, "Sevince"). Als nicht ordnungsgemäß ist auch eine Beschäftigungszeit anzusehen, die nach Erteilung einer durch Täuschung erschlichenen Aufenthaltserlaubnis ausgeübt wurde (EuGH, Rs C-285/95, Rn 25 ff, "Kol"). In der Rechtssache "Kol" hatte der EuGH einen Fall zu beurteilen, in dem ein türkischer Staatsangehöriger zum Schein eine Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen eingegangen ist, mit dem Zweck sich eine Aufenthaltsgenehmigung zu beschaffen.

 

Für unseren Fall bedeutet dies, dass Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht anwendbar wäre, wenn es sich um einen Fall der Scheinehe handelt, da in solchen Fällen nicht von einer ordnungsgemäßen Beschäftigung gesprochen werden kann und damit nicht der Tatbestand der ebengenannten Norm erfüllt wäre.

 

Geht man wie die belangte Behörde davon aus, dass im vorliegenden Fall eine Scheinehe vorliegt, hätte dies zur Folge, dass der Oö. Verwaltungssenat nicht zur Entscheidung über die Berufung zuständig wäre, da die Voraussetzungen des § 9 FPG für eine Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, aufgrund der oben gemachten Ausführungen nicht gegeben wären.

 

3.2. Dem Oö. Verwaltungssenat wurde die Berufung aber zur Entscheidung weitergeleitet, weil sich die Sicherheitsdirektion Oberösterreich nicht für zuständig erachtete. Wobei hier angemerkt wird, dass im vorliegenden Fall für den Oö. Verwaltungssenat nicht "dieselbe Sache" vorliegt, wie zur Entscheidung im Fall VwSen-720037. Zwar besteht Identität im Sachverhalt, doch ist hier eine andere Rechtsfrage zu beurteilen und sind andere Normen anzuwenden. Eine Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates kann daher nicht darauf gestützt werden, dass er in der Sache VwSen-720037 aufgrund eines Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes eine Zuständigkeit in Anspruch genommen hat. Die Zuständigkeit ist daher in diesem Fall neuerlich und eigenständig zu beurteilen.

 

Der Oö. Verwaltungssenat gelangte bei der Beurteilung der Frage der Zuständigkeit zu der Ansicht, dass der Sachverhalt diesbezüglich nicht vollständig ermittelt ist und Lücken in entscheidungswesentlichen Punkten aufweist. Grundsätzlich sind die Unabhängigen Verwaltungssenate gem. §§ 67h Abs. 1 iVm 66 Abs. 4 AVG zur Entscheidung in der Sache berufen. Gemäß § 66 Abs. 3 kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme selbst durchführen.

 

Nach § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde verweisen.

 

Im vorliegenden Fall sind beim Oö. Verwaltungssenat Zweifel hinsichtlich des tatsächlichen Vorliegens einer Scheinehe entstanden. Aus dem Akt war nicht ersichtlich, warum die belangte Behörde nicht auf Beweisanträge der Bwin aus dem Jahr 2004 eingegangen ist. Bereits mit Bescheid des Oö. Verwaltungssenates vom 10. April 2006, VwSen-720037, wurde betreffend des gleichen Lebenssachverhaltes, auch dort war die Frage der "Scheinehe" entscheidungswesentlich, die Sache zur neuerlichen Verhandlung an die erstinstanzliche Behörde zurückverwiesen. Schon damals (April 2006) wurde reklamiert, dass der zu beurteilende Zeitraum im Entscheidungszeitpunkt zu lange zurück lag und daher neue Ermittlungen durchzuführen seien.

 

Aus der Aktenlage konnte in diesem Zusammenhang aber nur festgestellt werden, dass der Bwin abermals jene niederschriftliche Einvernahme ihres Ehegatten vorgehalten und sie zur Stellungnahme aufgefordert wurde. Es entspricht dabei nicht dem Grundsatz der materiellen Wahrheit und Amtswegigkeit gemäß § 39 Abs. 2 AVG, wegen der fehlenden Stellungnahme auf die Unstrittigkeit des vorgehaltenen Ermittlungsergebnisses schließen zu können, insbesondere wenn bereits eine Stellungnahme zu dem gleichen Sachverhalt vorliegt, auf die bisher lediglich nicht begründet eingegangen worden ist. Wobei hier bemerkt werden muss, dass die Bwin, bereits mit Schriftsatz vom 24. Juni 2004 (!) Beweisanträge eingebracht hat, denen bislang nicht nachgekommen worden ist und die auch nicht begründet abgewiesen wurden. Unter diesen Umständen, aufgrund der Tatsache, dass die Bwin auf die Aufforderung zur Stellungnahme nicht reagierte zu schließen, sie stimme mit dem Ergebnis der niederschriftliche Einvernahme überein, entspricht nicht einem Ermittlungsverfahren im Sinne der §§ 37 ff AVG 1991.

 

Der Oö. Verwaltungssenat kam daher im vorliegenden Fall, weil schon die Frage der Zuständigkeit nicht geklärt werden konnte, nicht umhin den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

 

3.3. Im allenfalls fortgesetzten Verfahren wird die Behörde erster Instanz insbesondere auch im Detail und nachvollziehbar zu prüfen haben, ob die Bwin tatsächlich begünstigte Drittstaatsangehörige im Sinn des FPG und NAG ist, weil davon auch die Anwendung der konkret zum Tragen kommenden Regeln der genannten Gesetze abhängt.

 

Der Sachverhalt muss besonders zur Frage der "Scheinehe", dem Dreh- und Angelpunkt der zu beurteilenden Rechtsfrage, lückenlos und nachvollziehbar unter Beachtung der materiellen Wahrheit und der Amtswegigkeit erhoben werden, weil ansonsten auch die Gefahr eines negativen Kompetenzkonfliktes bestünde. Die Vorschriften zur Zuständigkeit knüpfen in diesem Zusammenhang an Elemente des objektiven Tatbestandes an, weshalb der Behörde erster Instanz hier eine besondere Verantwortung zukommt.

 

3.4. Im Übrigen sieht sich der Oö. Verwaltungssenat noch zu dem Hinweis veranlasst, dass auch der Spruch des aufgehobenen Bescheids wohl nicht den Erfordernissen des § 59 AVG entspricht, scheint doch aus ihm - insbesondere für die betroffene Bescheidadressatin - wohl nicht in der erforderlichen Klarheit erkennbar, "von wo" sie "ausgewiesen" wird.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

                                                            Wolfgang Steiner

 

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