Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-251580/6/Ste

Linz, 13.07.2007

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung der N O, T, 40 L, vertreten durch Mag. Dr. M E, Rechtsanwalt P, 40 L gegen das Straferkenntnis des Bürger­meisters der Landeshauptstadt Linz vom 20. März 2007, GZ. 0028889/2006, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungs­gesetz zu Recht erkannt:

 

 

I.                    Der Berufung wird hinsichtlich der vorgeworfenen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird in diesem Umfang aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren wird hinsichtlich der vorgeworfenen Übertretung des ASVG eingestellt.

 

II.                  Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24, 45 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

Zu II.: § 66 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 20. März 2007, GZ. 0028889/2006, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bwin) (ua.) gemäß „§ 33 iVm. § 111 ASVG“ iVm. § 9 VStG eine Geldstrafe in der Höhe von 730 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 112 Stunden) verhängt, weil sie es als vertretungs­befugtes Organ der Firma C OEG zu verantworten hätte, dass von dieser im Lokal Badgasse zumindest am 2. Dezember 2006 eine genau bestimmte Person „als Kellner beschäftigt wurde die nicht zur Sozialversicherung angemeldet war“.

 

In der Begründung wurde (zur Übertretung des ASVG) lediglich ausgeführt, dass der im Spruch angeführte Sachverhalt von einem Organ des Hauptzollamtes Linz bei einer Kontrolle am 2. Dezember 2006 gemeinsam mit Beamten der Polizeiinspektion Landhaus und Beamten der Gewerbebehörde festgestellt wurde. Das Straferkenntnis enthält darüber hinaus keine weiteren Angaben zur fraglichen Verwaltungsübertretung, insbesondere auch keine Beurteilung der Rechtsfrage (vgl. § 24 VStG iVm. § 60 AVG). Sämtliche Ausführungen beziehen sich nur auf eine gleichzeitig vorgeworfene Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der der Bwin am 31. März 2007 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende – rechtzeitige (Datum der Faxübermittlung: 12. April 2007) – Berufung.

 

Darin führt die Bwin im Wesentlichen aus, dass die im Lokal angetroffene Person nicht für sie gearbeitet hätte, sondern lediglich dem neu angestellten Kellner für ein paar Minuten kurz ausgeholfen habe.

 

Neben der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung wird die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt.

 

2.1. Mit Schreiben vom 6. Juni 2007 legte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt vor.

 

2.2. Auf Grund wesentlicher Unklarheiten und offensichtlicher Widersprüche im vor­gelegten Akt, forderte der Oö. Verwaltungssenat mit Schreiben vom 28. Juni 2007 die be­langte Behörde und das Hauptzollamt Linz (als anzeigende Stelle) auf, zu insgesamt zehn konkreten Fragen ehest möglich (spätestens bis 10. Juli 2007) Stellung zu nehmen. Insbesondere sollte geklärt werden, an welchem Tag die Kon­trolle tatsächlich stattfand, weil in dem im Akt befindlichen sog. Personenblatt handschriftlich der 2. November 2006 eingetragen ist, wogegen in der Anzeige und im gesamten nachfolgenden Verfahren jeweils vom 2. Dezember 2006 ausgegangen wurde.

In der daraufhin eingelangten Stellungnahme des Bürgermeisters der Landes­haupt­stadt Linz wurde zu drei Punkten Stellung genommen, insbesondere die Frage zum Tatzeitpunkt blieb jedoch unbeantwortet.

 

Durch das Zollamt Linz / KIAB, erfolgte in der eingeräumten Frist keine Stellung­nahme.

 

2.3. Mit Schreiben vom 2. Juli 2007 ersuchte der Oö. Verwaltungssenat die Oö. Ge­biets­krankenkasse um die Vorlage der Meldedaten zu den involvierten zwei Per­sonen, die postwendend zur Verfügung gestellt wurden.

 

2.4. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem ent­scheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Am 2. November oder (!) 2. Dezember 2006 fand in der Betriebsstätte C der O OEG in der B in L eine Kontrolle durch Organe verschiedener Behörden statt. Dabei wurde eine Person (Herr T.A.) bei einer kurzen Aus­hilfs­tätigkeit ange­troffen. Diese Person war vom genannten Dienstgeber vom 16. Mai bis 31. Oktober 2006 bei der Oö. Gebietskrankenkasse für 5 Tage/Woche und 30 Stunden/Woche in der Beitragsgruppe A1 angemeldet. Die Abmeldung langte bei der Oö. Gebietskrankenkasse am 2. November 2006 ein.

 

2.5. Der Oö. Verwaltungssenat erhob Beweis durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde und die genannten zusätzlich angeforderten Dokumente. Auffallend war dabei insbesondere der Widerspruch hinsichtlich des Kontrolltags. Während auf dem handschriftlich ausgefüllten und unterschriebenen Personenblatt (offensichtlich vom Kontrollorgan) das Datum „2.11.06“ angeführt ist, wurde in der Anzeige und im gesamten nachfolgenden Verfahren jeweils vom „2. Dezember 2006“ ausgegangen.

 

2.6. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs. 3 Z 1 VStG abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geld­strafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Nach dem festgestellten Sachverhalt steht zweifelsfrei fest, dass die Bwin als Gesellschafterin das zur Vertretung nach außen und somit iSd § 9 VStG verant­wortliche Organ ist.

 

3.2. Gemäß § 111 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (in der Folge: ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, in der hier (bezogen auf den Tatzeitpunkt) anzu­wen­denden Fassung zuletzt geändert durch die Kundmachung BGBl. I Nr. 133/2006 und das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 131/2006, begehen Dienstgeber und sonstige meldepflichtige Personen, die ua. der ihnen auf Grund dieses Bundesgesetzes obliegenden Verpflichtung zur Erstattung von Meldungen und Anzeigen bzw. zur Übermittlung von Meldungsabschriften an den Dienstnehmer nicht oder nicht rechtzeitig nachkommen, wenn die Handlung nicht nach anderer Bestimmung einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und sind entsprechend zu bestrafen.

 

Nach § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Voll­versicherte und Teilversicherte) ua. spätestens bei Arbeitsantritt beim zu­ständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Diese Regelung gilt oder galt im fraglichen Tatzeitpunkt hinsichtlich der Meldefrist nur eingeschränkt. Für den Bereich der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse galt eine Meldefrist von einer Woche.

 

Nach § 44a Z. 1 VStG in jener Ausprägung, die diese Bestimmung durch die Judi­katur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) erfahren hat, muss der Spruch des Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat derart konkretisieren, dass der Beschuldigte einerseits in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf be­zogene Beweise anzubieten und er andererseits rechtlich davor geschützt wird, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Aufl., Anm. zu § 44a VStG, S. 1520 ff).

 

Der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, hat die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Wie der VwGH in ständiger Recht­sprechung zu dieser Bestimmung dargelegt hat, ist, um den Anforderungen dieser Gesetzesstelle zu entsprechen, im Spruch die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

·        die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

·        die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

Dem § 44a Z. 1 VStG ist dann entsprochen, wenn auf Grund der Tatumschreibung es dem Beschuldigten ermöglicht wird, im Verwaltungsstrafverfahren in der Lage zu sein, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

 

3.3. Diesen Erfordernissen wird das angefochtene Straferkenntnis im hier zu prüfenden Umfang schon insofern nicht gerecht, als die Tathandlung selbst nicht mit hinreichender Genauigkeit angeführt wurde.

 

Tatbildlich iSd. § 111 iVm § 33 ASVG ist unter anderem die Unterlassung der bei Beginn der Pflichtversicherung unverzüglich vorzunehmenden Anmeldung eines Beschäftigten durch den Dienstgeber. Der § 33 ASVG insgesamt umfasst jedoch mehrere Tatbilder, die wiederum unterschiedliche Tatbestandselemente beinhalten. Tatbildlich im Sinne des § 33 Abs. 1 ASVG handelt beispielsweise nicht jeder Arbeitgeber bei Bestehen (irgendeiner) Pflichtver­sicherung. Nach dieser Bestimmung ist nur jeder in der Krankenversicherung nach dem ASVG Pflichtversicherte zu melden. Damit ist aber etwa klarzustellen, auf Grund welches Tatbestands eine Pflichtversicherung bestanden hätte.

 

Die belangte Behörde hat auch nicht ausgeführt, auf welchen Tatbestand des § 111 ASVG sie ihren Bescheid stützt; dabei reicht auch die Verbindung mit § 33 ASVG nicht aus, weil – wie gezeigt – auch diese Bestimmung mehrere Verpflichtungen des Dienstgebers enthält (vgl. etwa VwGH vom 21. April 1998, 97/08/0423, 7. August 2002, 99/08/0061, sowie 26. Mai 2004, 2001/08/0153).

 

Um die Verteidigungsrechte der Bwin nicht einzuschränken, hätte die Behörde erster Instanz abgesehen davon bereits in der Aufforderung zur Rechtfertigung auch dafür Sorge treffen müssen, dass der Bwin der genaue Inhalt der ihr vorgeworfenen Verwaltungsübertretung klar wird. Ein bloßer Verweis auf die genannten Bestimmungen des ASVG wird dem – abgesehen davon, dass diese Bestimmungen wie gezeigt eine ganze Reihe von Tatbildern umfassen – wohl auch deswegen nicht gerecht, weil die Erhebung deren genau geltenden Inhalts (auf Grund der Übergangsbestimmungen) wohl schon besondere (Rechts-)Kenntnisse verlangt, die von der (seinerzeit noch) nicht rechtsfreundlich vertretenen Bwin wohl nicht ohne weiteres verlangt werden können.

 

Im Übrigen ergibt sich auch ein nicht geklärter Widerspruch hinsichtlich des Tatzeit­punkts (2. November oder 2. Dezember 2006), was einerseits wegen der Ver­meidung möglicher Doppelbestrafungen, andererseits auch zur Beurteilung der Vor­bringen der Bwin (eine kurze Aushilfe oder Einschulung in engem zeitlichen Konnex zum Beschäftigungsende wäre zumindest auf subjektiver Ebene wohl anders zu beurteilen, als eine solche einen Monat später) wesentlich scheint.

 

Eine Sanierung dieser (gravierenden) Mängel durch den Unabhängigen Verwal­tungssenat ist nach Ansicht des erkennenden Mitglieds unter Berücksichtigung der mittlerweise eingetretenen Verfolgungsverjährung (vgl. § 31 Abs. 1 VStG) nicht zu­lässig, weil damit letztlich eine Tat bestraft werden würde, die der Bwin nicht oder nicht in der notwendigen Bestimmtheit vorge­worfen wurde. Im Übrigen würde mit einer weiteren Klärung der aufgeworfenen Fra­gen (die durch den Oö. Ver­waltungssenat ja zumindest versucht wurde) wohl auch ein (unverhältnismäßigen) Aufwand (vgl. § 21 Abs. 1a VStG) verbunden sein.

 

3.4. Vor diesem Hintergrund war der vorliegenden Berufung daher gemäß § 24 VStG iVm. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzu­heben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 und 3 VStG einzustellen, ohne dass auf die weiteren Vorbringen der Bwin inhaltlich eingegangen werden musste.

 

4. Bei diesem Ergebnis war der Bwin nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Wolfgang Steiner

 

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