Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230697/9/BR

Linz, 02.02.1999

VwSen-230697/9/BR Linz, am 2. Februar 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Mag. F, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz, vom 11. Dezember 1998, AZ. III/ S 32.133/98-2 SE, wegen der Übertretung des Versammlungsgesetzes 1953, nach der am 2. Februar 1999 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und der Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 158/1998 - AVG, iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1, u. § 51i Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 158/1998 - VStG; II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VstG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 2 Abs.1 iVm § 19 Versammlungsgesetz 1953 eine Geldstrafe von 3.000 S und für den Nichteinbringungsfall fünf Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 3.9.1998 um 19.10 Uhr am Flughafen L in der Aviationshalle eine allgemein zugängliche Versammlung abgehalten und es verabsäumt habe diese wenigstens 24 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung unter Angabe des Zwecks, des Ortes und der Zeit der Versammlung der zuständigen Behörde anzuzeigen und er dadurch die oben bezeichneten Rechtsvorschriften verletzt habe. 1.1. Die Erstbehörde hielt den Tatbestand auf Grund der telefonischen Anzeige des Einsatzleiters des Flughafens H vom 3.9.1998, 19.10 Uhr und der daraufhin von der eingetroffenen Sektorenstreife I am Flughafen gemachten Feststellungen, sowie auf das Ergebnis des nachfolgend durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen. Bei der Strafzumessung ging die Erstbehörde von einem Monatseinkommen von 20.000 S aus. Die Erstbehörde vermeinte abschließend diese Strafe gerade noch geeignet zu erachten um den Berufungswerber dadurch vor weiteren Begehungen derartiger oder gleich schwerer Übertretungen künftighin abzuhalten.

2. In der dagegen fristgerecht durch seinen ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung führt der Berufungswerber im Ergebnis aus, daß es sich seiner Ansicht nach hier (bei der Tat des Beschuldigten) um keine Volksversammlung gehandelt habe, was selbst von der Erstbehörde nicht behauptet werde. Von einer solchen Zusammenkunft könne bei der Teilnahme von bloß 14 Personen auch nicht die Rede sei. Diese Personen hätten sich lediglich gemeinsam aufgestellt und sich auf gemeinsame akustische und optische Äußerungen beschränkt. Der Gesetzgeber habe wohl zwischen einer Volksversammlung und sonstigen öffentlich zugänglichen Versammlungen tatbestandsmäßig unterscheiden wollen. Eine Volksversammlung ginge demnach von einer größeren Volksbeteiligung aus. Es bleibe zu prüfen, inwieweit die inkriminierte Tat sich überhaupt als "öffentlich zugängliche Versammlung" dargestellt habe. Hier haben sich vierzehn Personen zum Zwecke sich zu der am Flughafen veranstalteten Malaktion zu äußern zusammengefunden. Man habe sich bewußt durch die Kleidung schon von den übrigen Besuchern abgehoben. 3. Da keine 10.000,- S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Zumal mit der Berufung die Übertretung auch dem Grunde nach bestritten wurde, war in Wahrung der gemäß Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 51 Abs.1 VStG). 4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz und Erörterung des erstinstanzlichen Verfahrensergebnisses, Zl. III/S 32.133/98-2 SE, anläßlich der Berufungs-verhandlung; ferner wurde Beweis geführt durch die Vernehmung des am Einsatz beteiligten Gendarmeriebeamten, Herrn GrInsp. Z. Der Berufungswerber war hinsichtlich seines Fernbleibens an der Berufungsverhandlung entschuldigt. 4.1. Aus dem Bericht der Greko H vom 3. September 1998, ergibt sich, daß die Ausstellung des Aktionskünstlers N entsprechend einer Mitteilung des Einsatzleiters des Flughafens L um 19.10 Uhr, durch mehrere Demonstranten mittels Transparenten, Pfeifkonzerten und lautstarken Schmährufen gestört werde. Diese Mitteilung erging per FAX der Greko H â€" GP T u.a. an das Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich. Um 19.15 Uhr traf die Sektorenstreife 1 des Greko L am Ausstellungsort in der Aviationshalle ein. Dabei wurde der Berufungswerber als Leiter der "Demonstration" ermittelt und festgestellt, daß diese "Demonstration" nicht angemeldet war. Festgestellt wurde auch, daß es sich bei den "Demonstranten" um die gesamte Stadtsenatsfraktion der FPÖ der Statutarstadt Linz handelte. Über fernmündliche Weisung des Journalbeamten der Sicherheitsbehörde (Bezirkshauptmannschaft Linz-Land) wurde die Identitätsfeststellung des "Demonstrationsleiters" und die Auflösung der "Demonstration" angeordnet. Dieser nachfolgenden Aufforderung der Exekutive sei schließlich unverzüglich nachgekommen worden und das Flughafengebäude sei von den "Demonstranten" um 19.40 Uhr verlassen worden. Während dieser Vorgänge sei es zu keinen augenfälligen Übertretungen gekommen, lediglich auf der Flughafenstraße sei es bei der Auflösung der "Demonstration" zu einer geringfügigen Verkehrsbehinderung gekommen. Das Ermittlungsverfahren der Erstbehörde beschränkte sich inhaltlich auf die Beischaffung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, vom 1.9.1998, Zl. Pol01-40-85-1998/Stu mit dem einer Firma Kunsthandel H, die Abhaltung der Malaktion im Hangar des Flughafens L für die Zeit vom 2. bis 13. September 1998 unter bestimmten (neun) Auflagen bewilligt wurde und der Beifügung eines Artikels einer kleinformatigen Tageszeitung über diese Störaktion. Aus diesem mit einem Bild versehenen Artikel geht hervor, daß die "L Freiheitlichen als Metzger verkleidet gegen die Mysterienschlachtung am Flughafen H demonstrierten". Im übrigen erstreckte sich das Beweisverfahren noch auf die Erlassung einer Strafverfügung und einer Einladung zur Vernehmung des Beschuldigten für den 22. Oktober 1998. 4.2. Bei der Berufungsverhandlung konnte im Rahmen der zeugenschaftlichen Vernehmung des einschreitenden Gendarmeriebeamten der GREKO Flughafen L nachvollzogen werden, daß der Berufungswerber mit seinen Begleitern vor dem Ausstellungsraum Aufstellung genommen hatte und dort durch Veranstaltung von Pfeifkonzerten und Enthüllung von Transparenten das Mißfallen über die Kunst des Aktionskünstlers zum Ausdruck zu bringen versuchte. Bei den Besuchern der Ausstellung handelte es sich überwiegend um geladene Gäste, wobei sich zum Zeitpunkt des verfahrensgegenständlichen Auftrittes des Berufungswerbers und seiner Begleiter etwa 50 bis 60 Personen in der "Ausstellungshalle" befunden haben. Aber auch andere Besucher hatten durch Entrichtung einer dem Zeugen nicht bekannten Eintrittsgebühr Zutritt zur Veranstaltung. Der Zeuge legte dar, daß er keineswegs den Eindruck gehabt habe, der Berufungswerber habe Besucher zu einem gemeinsamen Mitwirken an dem unter seiner Federführung veranstalteten Auftritt bewegen wollen. Ganz im Gegenteil, habe sich die Situation so dargestellt, daß die als Metzger verkleideten Personen durch ihr Verhalten ihre spezifische Meinung zum Kunstverständnis des Ausstellers zum Ausdruck bringen wollten. Dabei hätten sich die Teilnehmer und auch der Berufungswerber selbst, ihm als einschreitenden Beamten gegenüber sehr kooperativ gezeigt. Auf Grund der zum Zeitpunkt des Einschreitens herrschenden starken Regenfälle habe sich das Ganze ausschließlich im Vorraum zum Ausstellungsraum abgespielt. Die Besucher der Ausstellung hätten zwar an der vom Berufungswerber angeführten Gruppe vorbeigehen müssen. Sie taten dies ohne daran gehindert worden zu sein. Die Angaben des Zeugen sind gut nachvollziehbar und den Denkgesetzen entsprechend nachvollziehbar, so daß der Sachverhalt nicht nach § 2 Abs.2 Versammlungsgesetz, als meldepflichtige Veranstaltung subsumierbar erachtet werden kann. Da durch diese Zeugenaussage die Verantwortung des Berufungswerbers inhaltlich weitgehend gestützt wird, konnte auf die beantragte persönliche Anhörung des am Erscheinen verhinderten Berufungswerbers verzichtet werden.

5. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1. Der § 2 Abs.1 des Versammlungsgesetzes BGBl.Nr. 98/1993, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 392/1968 lautet: "Wer eine Volksversammlung oder überhaupt eine allgemein zugängliche Versammlung ohne Beschränkung auf geladene Gäste veranstalten will, muß dies wenigstens 24 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung unter Angabe des Zweckes, des Ortes und der Zeit der Versammlung der Behörde (§ 16) schriftlich anzeigen. Die Anzeige muß spätestens 24 Stunden vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Versammlung bei der Behörde einlangen.

5.1.1. Als Vorfrage galt es somit zu klären, ob die Veranstaltung dieses 'Auftrittes' "als allgemein zugänglich und ohne Beschränkung auf geladene Gäste" qualifizierbar ist und sohin nach dem Versammlungsgesetz von der Anzeigepflicht auszugehen ist. Bereits darin kann der Erstbehörde nicht gefolgt werden, wenn diese offenbar zu vermeinen scheint, hier habe die als Volksversammlung zu qualifizierende Veranstaltung "unter freiem Himmel" stattgefunden. Dies ist alleine schon aus dem einzigen von der Erstbehörde beigeschafften authentischen Beweismaterial â€" dem besagten Zeitungsartikel â€" widerlegt. Auf den Zweck dieser Veranstaltung und die nicht näher ausgeführten Betrachtungen der Erstbehörde hinsichtlich einer "grundrechtsfreundlichen Interpretation des Rechtes auf freie Meinungsäußerung" braucht in diesem Zusammenhang nicht weiter eingegangen werden. Der Verfassungsgerichtshof wertet eine Zusammenkunft mehrerer Menschen (nur) dann als Versammlung i.S. des VersG, wenn sie in der Absicht veranstaltet wird, die â€" ohne Beschränkung auf Geladene - Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw.) zu bringen, so daß eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht (VfSlg. 4586/1963, 5193/1966, 5195/1966, 5415/1966, 8685/1979, 9783/1983, 10443/1985, 10608/1985, 10955/1986, 11651/1988, 11866/1988, 11904/1988, 11935/1988, 12161/1989). Diese Qualifikation kann im gemeinsamen aktionistischen Agieren einer auf eine Fraktion beschränkten Gruppe nicht erblickt werden. Hier war die Veranstaltung offenbar auch nicht auf eine offene Teilnehmerzahl ausgerichtet gewesen. Vielmehr betraf sie ausschließlich ein Agieren im Rahmen der politischen Fraktion und deren individuellen und freien Meinung zu einem spezifischen Kunstverständnis (vgl. VfGH 30.11.1995, B 262/95 u.a. Slg.Nr. 14367). Die Personen hatten sich offenbar geschlossen eingefunden, indem sie vom Berufungswerber persönlich und individuell und als Gesinnungsgemeinschaft zum Erscheinen und zur Meinungskundgebung überzeugt (eingeladen) worden waren. Daher vermag die bei objektiver Betrachtung störende Einwirkung auf eine beschränkte Teilnehmerzahl bewilligte Ausstellung in einem Gebäude, durch das geschlossene Auftreten einer politischen Gruppierung (Fraktion eines Stadtsenates), nicht der rechtliche Charakter einer Versammlung zugeordnet werden. Eine derartige Qualifizierung scheitert letztlich einerseits an der fehlenden "allgemeinen Zugänglichkeit, der Begrifflichkeit der Volksversammlung und der Qualifikation, durch den gegenständlichen Auftritt diese zum Ausdruck gelangende Meinung mit anderen Personen zu erörtern." Sehr wohl wurde den anderen Anwesenden jedoch die Meinung der 'Aktionisten' über ihr Kunstverständnis mitzuteilen versucht. Die Veranstaltung trug sohin nicht die für eine Versammlung wesentlichen Merkmale, sodaß daher auch von einer Meldepflicht nicht ausgegangen werden kann (vgl. VfGH 13. 6. 1988, B 751/88). Es ging dem Berufungswerber und seinen Fraktionskollegen und Kolleginnen hier glaubhaft ausschließlich darum, anderen Personen seine (ihre) Meinung über ein spezifisches Kunstverständnis mitzuteilen, nicht aber darum, diese Meinung mit anderen Personen zu erörtern und diese Personen zu einer gemeinsamen Aktion zu veranlassen (VfGH 29.9.1989, B706/89, SlgNr. 12161). Der Verfassungs-gerichtshof verwies im zuletzt genannten Erkenntnis auf seine ständige Judikatur zum Versammlungsbegriff und sprach im Falle eines Aufzeigens einer spezifischen Meinung in einer mit der h. Fallagerung vergleichbaren Situation und deren Subsumtion unter dem Versammlungsbegriff, von einer denkunmöglichen Rechtsanwendung durch die belangte Behörde (unter Hinweis auf VfSlg. 10356/1985, 10482/1985).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten. Dr. B l e i e r

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