Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-161669/5/Bi/Se

Linz, 31.07.2007

 

 

                                              

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn H P, T, vom 5. September 2006 gegen das Straf­erkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 23. August 2006, VerkR96-5811-2006, wegen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, aufgrund des Ergebnisses der am 31. Juli 2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:

 

 

I.   Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis im Schuldspruch bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 300 Euro, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 60 Stunden herabgesetzt wird.

 

II.  Der Beitrag zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz ermäßigt sich auf 30 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 19 Verwaltungsstrafgesetz - VStG

zu II.: §§ 64f VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 103 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe von 320 Euro (64 Stunden EFS) verhängt, weil er als Zulassungsbesitzer bzw Halter des Kfz, Kz. ....... (D), trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirks­hauptmannschaft Grieskirchen vom 22. Juni 2006, VerkR96-5811-2006, nach­weislich zugestellt am 28. Juni 2006, insofern der Behörde nicht Auskunft darüber erteilt habe, wer dieses Kraftfahrzeug am 25. Mai 2006 um 12.16 Uhr gelenkt bzw verwendet habe oder wer diese Auskunft erteilen könne, zumal er mit Schreiben vom 19. Juli 2006, bei der BH Grieskirchen eingelangt am 24. Juli 2006 (Eingangs­stempel), mitgeteilt habe, dass er keine Auskunft erteilen könne. 

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 32 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 31. Juli 2007 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Abwesenheit des Bw durchgeführt. Die Zustellung der Ladung ist laut Rückschein am 17. Juli 2007 erfolgt. Der Vertreter der Erstinstanz war entschuldigt. Die Berufungs­entscheidung wurde mündlich verkündet.  

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er bestreite den Tatvorwurf und mache von seinem Schweigerecht Gebrauch.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der auf den Bw zugelassene Pkw, Kz. ........., am 25. Mai 2006 um 12.16 Uhr vom Meldungsleger BI S auf der Innkreisautobahn A8 im Gemeindegebiet Pram bei km 44.493, Fahrtrichtung Wels, trotz erlaubter Höchstgeschwindigkeit auf österreichischen Autobahnen von 130 km/h mit einer Geschwindigkeit von 195 km/h mittels geeichtem Moving Radar gemessen wurde. Nach Abzug der vorgeschriebenen Toleranzen von aufgerundet 5 %, ds 10 km/h, wurde eine tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von 185 km/h der Anzeige zugrunde­gelegt.

Seitens der Erstinstanz als Tatortbehörde erging mit Schreiben vom 22. Juni 2006 an den Bw als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 die Aufforderung, binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens der Behörde mitzuteilen, wer das genannte Kfz am 25. Mai 2006 um 12.16 Uhr gelenkt habe oder die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen könne. Dem Bw wurde der Grund für die Lenker­anfrage mitgeteilt, nämlich die Geschwindigkeits­überschreitung um 55 km/h, und er wurde auch darauf hingewiesen, dass die Nichterteilung der Auskunft ebenso wie die Erteilung einer unrichtigen Auskunft als Verwaltungsübertretung strafbar sei.

Das Schreiben wurde laut Rückschein am 8. Juli 2006 zugestellt. Mit Schreiben vom 19. Juli 2006 teilte der Bw mit, er könne dazu keine Auskunft erteilen.

Die daraufhin wegen Übertretung gemäß §§ 103 Abs.1 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 ergangene Strafverfügung der Erstinstanz hat der Bw fristgerecht beeinsprucht mit dem Verweis auf ein Schweigerecht. Daraufhin erging das nunmehr angefochtene Straferkenntnis.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraft­fahr­zeug ge­lenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger ver­wendet hat bzw zu­letzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der be­treffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Aus­kunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Aus­kunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten er­scheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Fall der schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeich­nun­gen nicht erteilt werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Ver­fassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsver­weigerung zurück.

 

Nach der Rechtsprechung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes ist Tat­ort der Verwaltungsübertretung der Nichterteilung einer Lenkerauskunft der Sitz der die Aus­kunft begehrenden Behörde (vgl E 31.1.1996, 93/03/0156 ua). Daraus folgt, dass derjenige, der die von einer österreichischen Behörde nach § 103 Abs.2 KFG 1967 verlangte Auskunft nach dem Lenker eines Kraftfahrzeugs zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht erteilt, nach österreichischem Recht eine Ver­wal­tungsübertretung - und zwar gemäß der Bestimmung des KFG 1967 und nicht wegen des zur Lenkeranfrage geführt habenden Grunddeliktes der Straßenverkehrsordnung 1960 - begangen hat und zu bestrafen ist, auch wenn er seinen Wohnsitz im Aus­land hat.

Eine Rechtswidrigkeit dahingehend, dass ausgehend von einem Inlandsbezug eines einge­brachten Fahrzeuges ein Auskunftsbegehren an einen Bürger, der in einem ande­ren Staat aufhältig ist, ge­richtet wird und die Verweigerung der Auskunft mit Sanktionen bedroht ist, ist nicht zu erkennen. Der Inlandsbezug ist im ggst. Fall insofern gegeben, als das auf den Bw zugelassene Kraftfahrzeug auf österreichischem Bundesgebiet verwendet wurde und diese Verwendung, ausgelöst durch die dabei mit dem Kraftfahrzeug be­gangene Normverletzung, Ingerenzfolgen gegenüber der österreichischen Rechts­ord­nung begründet hat (vgl VwGH 11.5.1993, 90/08/0095 ua).

 

Der Bw hat die Lenkeranfrage vom 22. Juni 2006 nicht beantwortet, somit wurde eine Auskunft im Sinne des Ersuchens nicht erteilt und auch keine Person benannt, die die gewünschte Auskunft erteilen hätte können. Der Umstand, dass er auf das Schreiben überhaupt reagiert hat, vermag daran nichts zu ändern, dass er durch die Nichterteilung der gewünschten Auskunft in objektiver Hinsicht den ihm vorge­worfenen Tatbestand erfüllt hat, zumal das Auskunftsbegehren eine ausdrückliche Belehrung über die maßgeblichen Rechts­vorschriften enthielt.     

 

Der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 liegt die Absicht des Gesetzgebers zu­grunde, sicherzustellen, dass der verantwortliche Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit festgestellt werden kann, weshalb es Sinn und Zweck dieser Regelung ist, der Behörde die jeder­zeitige Feststellung ohne langwierige und umfangreiche Erhebun­gen zu ermöglichen (vgl VwGH 18.11.1992, 91/03/0294 ua).

Dieser Rechtsprechung hat sich auch der Unabhängige Verwaltungssenat anzu­schlie­ßen, weil eine effektive Verkehrsüberwachung - dh auch ausländischer Kraft­fahrzeuge - zur Aufrecht­erhaltung der Verkehrssicherheit ansonsten nicht ausreichend ge­währ­leistet wäre. 

Die Lenkeranfrage im gegenständlichen Fall stand mit den gesetzlichen Be­stimmun­gen im Einklang, war klar und eindeutig formuliert und auch der Hinweis auf die Begehung einer Verwaltungsübertretung im Fall der Nichterteilung war unmiss­verständlich.

 

Zur Frage der Zulässigkeit der ggst Aufforderung zur Lenkerauskunft an den Zulassungs­besitzer wird auf die Bestimmungen des § 103 Abs.2 KFG 1967 verwiesen.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates besteht auf der Grundlage des durchgeführten Beweisverfahrens kein Zweifel, dass der Bw den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und, da von einer Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG keine Rede sein kann, sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat. 

 

Seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates besteht auch auf der Grundlage der Berufungsausführungen kein Anlass, an der Verfassungs- und Konventionsmäßigkeit der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 zu zweifeln, weshalb in Anbetracht der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vgl 29.9.1988, G72/88, ua), des Verwaltungsgerichtshofes (vgl 15.9.1999, 99/03/0090) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (vgl 8.4.2004, Nr. 38544/97 – Weh gegen Österreich; zuletzt 29.6.2007, Nr. 15809/02 und Nr. 25624/02 – O'Halloran und Francis gegen das Vereinigte Königreich) eine Anfechtung dieser Bestimmung beim öster­reichischen Verfassungs­gerichtshof nicht in Betracht gezogen wird, auch wenn sich der EGMR mangels entsprechender Ausführungen nicht zur Prüfung einer Verletzung des Art. 6 Abs.2 oder des Art 8 EMRK veranlasst sah.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 134 Abs.1 KFG 1967 seit Inkrafttreten der 26. KFG-Novelle, BGBl.I Nr.117/2005, am 28. Oktober 2005, also im Gegensatz zu den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses auch zur Tatzeit im Jahr 2006, bis zu 5.000 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zu sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Erstinstanz ist laut Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses – zutreffend – von unwidersprochen gebliebenen geschätzten finanziellen Verhält­nissen ausgegangen (1.500 Euro netto monatlich; kein Vermögen, Sorgepflichten) und hat die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Bw  als mildernd berück­sichtigt; Erschwerungs­gründe waren nicht gegeben.

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz damit den ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Durch das Verhalten des Bw wurde die verwaltungsstraf­rechtliche Verfolgung des tatsächlichen Lenkers, die zur Wahrung der Verkehrs­sicherheit auf österreichischen Straßen angesichts einer derart massiven Missachtung der Geschwindigkeitsbestimmungen dringend erforderlich gewesen wäre, verhindert. Berück­sichtigungs­würdige Argumente im Hinblick auf die Annahme eines gering­fügigen Verschuldens des Bw oder eines beträchtlichen Überwiegens von mildernden Um­ständen und damit eine Anwendung der §§ 20 oder 21 VStG sind nicht aufgetaucht.

Die verhängte Strafe ist unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 19 VStG angemessen und hält general- sowie spezialpräventiven Überlegungen stand.  Die trotzdem erfolgte geringfügige Herabsetzung der Strafe ist begründet durch die längere Verfahrensdauer aufgrund des Abwartens der Entscheidung des EGMR im Fall O'Halloran und Francis zur Erlangung entsprechender Rechtssicherheit.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

Nichterteilung der Lenkerauskunft – Bestätigung, Strafherabsetzung wegen längerer Verfahrensdauer (Abwarten Entscheidung EMRK)

 

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