Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-161850/6/Bi/Se

Linz, 30.07.2007

 

 

                                              

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn J R, H-U, vertreten durch RA Dr. J P, M, vom 30. November 2006 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau/Inn vom 21. November 2006, VerkR96-692-2006-Kb, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

 

I.  Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt wird, dass der Spruch zu lauten hat: "Sie haben am 26. August 2006, 12.22 Uhr, das einspurige Motorrad ..... in der Gemeinde Lohnsburg am Kobernaußerwald, Ortsgebiet Stelzen, auf der L508 bei km 17.430 gelenkt und dabei die im Ortgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 23 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Mess­toleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen. ...", die Geldstrafe wird jedoch auf 55 Euro, die Ersatzfreiheits­strafe auf 15 Stunden herabgesetzt.

 

II.  Der Verfahrenskostenbeitrag der Erstinstanz ermäßigt sich auf 5,50 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a Z1 und 19 VStG

zu II.: §§ 64f VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 70 Euro (20 Stunden EFS) verhängt, weil er "die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 23 km/h überschritten" habe. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 7 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich, weil nach deren Anberaumung ausdrücklich darauf verzichtet wurde. 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er sei in verfassungsgesetzlich gewähr­leisteten Rechten sowie in Konventionsrechten verletzt, insbesondere, dass ihm als Zulassungsbesitzer kein Entschlagungsrecht zukomme, was gleichheitswirdrig sei. Der (einfache) Verfassungsgesetzgeber habe nur den letzten Satz des § 103 Abs.2 KFG in Verfassungsrang erhoben und damit eine qualifiziertem Verfassungs­recht gleichwertige Norm geschaffen, die einer Prüfung durch den Verfasssungs­gerichtshof nicht mehr zugänglich sei. Das Verbot der Selbstbe­zichtigung gemäß Art.90 Abs.2 B-VG sei zwar in Art 6 EMRK nicht ausdrücklich erwähnt, werde aber vom EGMR zum Kernbereich eines fairen Verfahrens gerechnet in engem Zusammenhang mit der Unschuldsvermutung gemäß Art. 6 Abs.2 EMRK. Die Strafverfolgungsbehörde habe den Beschuldigten zu überführen, ohne hiefür auf Beweismittel zurückzugreifen, die durch Zwangs- oder Druckmittel ohne Willen des Beschuldigten erlangt würden. Ein Beschuldigter dürfe entgegen Art.6 Abs.1 EGMR nicht gezwungen werden, Beweise gegen sich selbst zu liefern; das öffentliche Interesse könne dazu nicht ins Treffen geführt werden.

Zum Zeitpunkt der behördlichen Lenkeranfrage sei die Geschwindigkeitsüber­schreitung bereits durch Verhängung einer Geldstrafe von 70 Euro geahndet gewesen; er habe sich durch die Lenkerauskunft selbst belastet, ansonsten sei ihm ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Verweigerung der Auskunftspflicht mit wesentlich strengerer Strafnorm angedroht worden. Der Strafrahmen des § 134 Abs.1 KFG sei 7x höher als der des § 99 Abs.3 StVO – diese Differenzierung sei unzulässig. Die Verwaltungsstrafbehörde habe keinen gesetzlichen Nachweis der Schuld iSd Art.6 Abs.2 EMRK erbracht, obwohl die Behörde die Beweislast für die Begehung einer Verwaltungsübertretung wie der Täterschaft treffe. Er sehe darin einen Angriff auf seinen Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens iSd Art.8 Abs.1 EMRK, dass er ohne Entschlagungsmöglichkeit verpflichtet worden sei, sich selbst oder einen Familienangehörigen als Lenker zu bezeichnen und damit einem Verwaltungs­strafverfahren auszusetzen. Behauptet wird weiters eine Verletzung der Art.13, 14 und 17 EMRK und Art.9 Abs.1 B-VG und Verfahrens­einstellung beantragt.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass das auf den Bw zugelassene Motorrad ...... am 26. August 2006, 12.22 Uhr, auf der L508 bei km 17.430 im Ortsgebiet Stelzen, wo eine 50 km/h-Beschränkung gilt, vom Meldungsleger RI W mittels Stand Radar MUVR 6F, Nr.03, mit 78 km/h gemessen wurde – auf dem Radarfoto sind das Motorrad und der Lenker von hinten zu sehen und das Kennzeichen und die angezeigte Geschwin­dig­keit samt Tatzeit eindeutig zuzuordnen. Der Anzeige und dem daraufhin einge­leiteten Verwaltungsstrafverfahren wurde nach Abzug der vorge­schriebenen Toleranzen von 5 km/h eine gefahrene Geschwindigkeit von 23 km/h zugrunde­gelegt.

Die Strafverfügung der Tatortbehörde, der BH Ried/Innkreis, vom 6. September 2006 richtete sich gegen den Bw, der als Zulassungsbesitzer des Motorrades aufschien; eine Anhaltung war nicht erfolgt.

Die Strafverfügung hat der Bw fristgerecht beeinsprucht - worauf der Verfahrensakt gemäß § 29a VStG an die Wohnsitzbehörde, die Erstinstanz, abgetreten wurde - und nach Akten­einsicht in der Stellungnahme vom 31. Oktober 2006 darauf hingewiesen, er sei wohl der Zulassungsbesitzer, habe aber das Motorrad nicht selbst gelenkt.

Daraufhin erging seitens der Erstinstanz die Aufforderung zur Lenkerauskunft vom 6. November 2006 an den Bw als Zulassungsbesitzer gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967, die der Bw dahingehend beantwortete, er sehe sich (sinngemäß aus den oben genannten Gründen) gezwungen, der Behörde mitzuteilen, dass er der Lenker zum angefragten Zeitpunkt gewesen sei. Daraufhin erging das angefochtene Strafer­kenntnis.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 20 Abs.2 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h fahren.

 

Weder die Art der technischen Durchführung noch das Ergebnis der Geschwindig­keits­messung wurde auf der Grundlage der Berufung in Verbindung mit dem aus­drücklichen Verzicht des Bw auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 27. Juli 2007 in Zweifel gezogen und ergibt sich auch aus der Anzeige kein offensichtlicher Fehler bei der Radarmessung oder den Toleranz­abzügen, sodass die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von 73 km/h im Ortsgebiet bei einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h dem Tatvorwurf seitens der Erstinstanz zurecht zugrundegelegt wurde.

 

Zur Frage der Zulässigkeit der ggst Aufforderung zur Lenkerauskunft an den Zulassungs­besitzer wird auf die Bestimmungen des § 103 Abs.2 KFG 1967 verwiesen. Der Bw hat – aus welchen Überlegungen immer – fristgerecht Lenker­auskunft erteilt und sich selbst als Lenker bezeichnet, sodass der Tatvorwurf gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 zurecht an ihn gerichtet wurde.

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates besteht auf der Grundlage des durchgeführten Beweisverfahrens kein Zweifel, dass er selbst den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und, da von einer Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG keine Rede sein kann, sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat. Allerdings waren die im Spruch angeführten Ergänzungen, die dem Bw bereits aus der innerhalb der Verfolgungs­verjährungsfrist ergangenen Strafverfügung bekannt waren bzw die der Lenkerauskunft zu entnehmen waren, zur ordnungsgemäßen Konkretisierung des Tatvorwurfs gemäß § 44a Z1 VStG vorzunehmen.  

 

Seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates besteht auch auf der Grundlage der Berufungsausführungen kein Anlass, an der Verfassungs- und Konventionsmäßigkeit der Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 zu zweifeln, weshalb in Anbetracht der Judikatur des VfGH (vgl 29.9.1988, G72/88, ua), des VwGH (vgl 15.9.1999, 99/03/0090) und des EGMR (vgl 8.4.2004, Nr. 38544/97 – Weh gegen Österreich; zuletzt 29.6.2007, Nr. 15809/02 und Nr. 25624/02 – H und F gegen das Vereinigte Königreich) eine Anfechtung dieser Bestimmung beim öster­reichischen Verfassungs­gerichtshof nicht in Betracht gezogen wird, auch wenn sich der EGMR mangels entsprechender Ausführungen nicht zur Prüfung einer Verletzung des Art. 6 Abs.2 oder des Art 8 EMRK veranlasst sah.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis zu 726 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zu zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Die Erstinstanz ist laut Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses – zutreffend – von unwidersprochen gebliebenen geschätzten finanziellen Verhält­nissen ausgegangen (1.200 Euro netto monatlich; kein Vermögen, Sorgepflichten) und hat trotz einer laut Vormerkungsverzeichnis bestehenden noch nicht getilgten einschlägigen Vormerkung des Bw vom September 2002 weder Milderungs- noch Erschwerungs­gründe berücksichtigt. Weiters wurde ein Vorliegen der Voraus­setzungen für die Anwendung der §§ 20 oder 21 VStG verneint.

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz damit den ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Der Bw selbst hat keine konkreten berücksichtigungs­würdigen Argumente im Hinblick auf die wegen Übertretung der StVO verhängte Strafe geltend zu machen vermocht, die die Annahme eines geringfügigen Verschuldens oder eines beträchtlichen Überwiegens von mildernden Umständen gerechtfertigt hätten.

Die verhängte Strafe ist unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 19 VStG angemessen und soll den Bw in Zukunft zur Einhaltung der im Ortsgebiet erlaubten Höchstgeschwindigkeit anhalten. Die trotzdem erfolgte geringfügige Herabsetzung der Strafe ist begründet durch die längere Verfahrensdauer aufgrund des Abwartens der Entscheidung des EGMR im Fall H und F zur Erlangung entsprechender Rechtssicherheit.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung nach Lenkerauskunft gerechtfertigt, jedoch Strafherabsetzung wegen längerer Dauer des Rechtsmittelverfahrens

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum