Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162124/3/Zo/Da

Linz, 23.07.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn M E, geb. , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. J P, M, vom 13.03.2007, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau vom 21.02.2007, Zl. VerkR96-6488-1-2006, wegen einer Übertretung des KFG zu Recht erkannt:

 

 

I.                     Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Wortlaut: "im Gemeindegebiet von Helpfau-Uttendorf, auf der B147 bei Strkm 26,406" zu entfallen hat.

 

II.                   Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den erstinstanzlichen Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren einen Kostenbeitrag in Höhe von 10 Euro zu bezahlen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.:    § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 19 VStG

zu II.:    §§ 64 ff VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau wirft dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vor, dass er als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges, Kennzeichen, trotz schriftlicher Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 05.12.2006, Zl. VerkR96-6488-2006, welche am 06.12.2006 seinem rechtsfreundlichem Vertreter zugestellt worden ist, binnen 2 Wochen ab Zustellung, das war bis 20.12.2006, der Behörde nicht Auskunft darüber erteilt habe, wer dieses Fahrzeug am 10.09.2006 um 15.39 Uhr im Gemeindegebiet von Helpfau-Uttendorf, auf der B147, bei Strkm 26,406 gelenkt hat oder wer diese Auskunft erteilen kann.

 

2. Der Berufungswerber erhob dagegen rechtzeitig eine Berufung, in welcher er zusammengefasst im Wesentlichen Folgendes ausführte:

Nach Zusammenfassung des Verfahrensganges führte er an, dass er bei der Auskunftserteilung seine Ehefrau als Lenkerin hätte angeben müssen, was ihm im Sinne des § 49 Abs.1 Z1 AVG und § 38 AVG nicht zumutbar sei. Deshalb habe er keine Lenkerauskunft erteilt und das sei unter den gegebenen Umständen nicht strafbar. In weiterer Folge verwies er auf zwei Entscheidungen des UVS Vorarlberg bzw. des UVS Steiermark, wonach dann, wenn bereits ein Strafverfahren gegen den Beschuldigten wegen des Grunddeliktes eingeleitet ist und die Lenkeranfrage gem. § 103 Abs.2 KFG erst später erfolgt, eine Bestrafung gegen Art.6 Abs.1 EMRK verstoßen würde. Das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht für den Zulassungsbesitzer sei gleichheitswidrig. Die Verfassungsbestimmung des letzten Satzes des § 103 Abs.2 KFG widerspreche dem Baugesetz des rechtstaatlichen Prinzipes, weil es der Gesetzgeber mit diesem "Schachzug" dem VfGH unmöglich gemacht habe, diese Bestimmung auf ihre Verfassungsgemäßheit hin zu überprüfen. Daraus ergebe sich aber auch eine Verletzung des Art.13 EMRK, weil der Betroffene keine "wirksame" Beschwerde mehr einlegen könne.

 

§ 103 Abs.2 KFG 1967 verstoße gegen den Anklagegrundsatz nach Art.90 Abs.2
B-VG, weil niemand unter Strafsanktion verhalten werden darf, sich im Strafverfahren oder in einem Stadium vor Einleitung eines solchen selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen. Dieses Prinzip sei auch in § 33 Abs.2 VStG festgehalten.

 

Die Bestimmung verstoße gegen Art.6 Abs.1 EMRK, weil der Grundsatz eines fairen Verfahrens u.a. verlange, dass der Betroffene seine Rechte effektiv vertreten kann. Ein Beschuldigter dürfe nicht gezwungen werden, Beweise gegen sich selbst zu liefern. Dieser Grundsatz müsse auf alle Strafverfahren von den einfachsten Handlungen bis hin zu den am meisten komplexen angewendet werden. Das öffentliche Interesse könne eine Verletzung nicht rechtfertigen. Die Verpflichtung, den Lenker wahrheitsgemäß bekannt zu geben stelle daher einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren dar.

 

Im Gegensatz zur englischen Rechtslage betrage die Strafdrohung für das Verweigern der Lenkerauskunft bis zu 5.000 Euro, während für das Grunddelikt (Geschwindigkeitsüberschreitung) die maximale Geldstrafe nur 726 Euro betrage. Dieses unsachliche Gleichgewicht ergebe sich auch im gegenständlichen Verfahren, weil nämlich die ursprünglich verhängte Geldstrafe für das Grunddelikt nur 29 Euro, die Strafe für die Verweigerung der Lenkerauskunft aber 50 Euro betragen habe. Die Bestrafung könne auch nicht mit den Erwägungen im Fall "Weh gegen Österreich" begründet werden, weil in diesem Fall nur ein schwacher und hypothetischer Zusammenhang zwischen der Verpflichtung des Beschwerdeführers, den Lenker seines Fahrzeuges preiszugeben und einem möglichen Strafverfahren wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung gegen den Beschwerdeführer bestand. Bei ihm sei der Fall aber völlig anders gelegen. Er habe keine andere Möglichkeit gehabt, als die Lenkerauskunft zu verweigern, um nicht seine Gattin dem Strafverfahren auszusetzen.

 

Die im Strafverfahren vorgesehenen Verfahrenskostenbeiträge (10 % für das Verfahren 1. Instanz sowie 20 % für das Verfahren 2. Instanz) würden im Ergebnis bereits einen strafrechtlichen Charakter aufweisen und den Beschuldigten wesentlich belasten. Dieser Betrag sei geeignet, den Beschuldigten von Rechtsmitteln abzuhalten.

 

Es liege auch ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung nach Art.6 Abs.2 EMRK vor, weil grundsätzlich die Behörde die Beweislast für das Begehen einer Verwaltungsübertretung habe. Diese Beweislastregel hat die Bezirkshauptmannschaft dadurch missachtet, dass sie ihn unter Strafsanktion verpflichtet habe, wahrheitsgemäß seine Ehegattin als Lenkerin bekannt zu geben. Auch das Verwaltungsstrafverfahren stelle eine strafrechtliche Anklage dar, weshalb eine differenzierende Betrachtung zwischen Kriminal- und Verwaltungsstrafrecht nicht zulässig ist.

 

Die gegenständliche Bestimmung verstoße auch gegen sein Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art.8 Abs.1 EMRK, weil er eben unter Strafsanktion verpflichtet wurde, seine Gattin als Lenkerin bekannt zu geben. Dem stehen die Entschlagungsrechte eines Zeugen sowohl im AVG, im VStG als auch in der Strafprozessordnung gegenüber. Diese Entschlagungsrechte müssen in einem Strafverfahren auch für den Beschuldigten gelten. Mit der Verpflichtung, seine Ehefrau einem Strafverfahren auszusetzen, liege ein unzulässiger Eingriff in sein Privatleben vor.

 

Ihm stehe als Zulassungsbesitzer kein Entschlagungsrecht zu, sondern er sei verpflichtet, auch sich selbst oder nahe Angehörige zu belasten, was ihn als Beschuldigten wesentlich schlechter stelle als Zeugen, für welche in den entsprechenden Verfahrensgesetzen entsprechende Entschlagungsrechte vorgesehen sind. Darin erblickt er einen Verstoß gegen Art.14 EMRK, wonach der Genuss der in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ohne Benachteiligung zu gewährleisten ist.

 

Gemäß Art.17 EMRK dürfe keine Bestimmung der Konvention dahin ausgelegt werden, dass sie für einen Staat das Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, die auf die Abschaffung der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten oder auch weitergehende Beschränkungen hinzielt. Österreich hätte daher die Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 nicht in Verfassungsrang heben dürfen. Diese Bestimmung verstoße daher auch gegen Art.9 Abs.1 B-VG und Art.17 EMRK.

 

Die Bestimmung des § 103 Abs.2 KFG 1967 greife in sein Privat- und Familienleben ein, wobei dieser Eingriff zwar gesetzlich vorgesehen, aber in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig sei. Es liege deshalb auch ein Verstoß gegen Art.18 EMRK vor.

 

Im Verwaltungsstrafverfahren sei das Tagsatzsystem nicht verwirklicht sondern es sei bei der Strafbemessung lediglich auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse Bedacht zu nehmen. In der Praxis würden diese persönlichen Verhältnisse aber so gut wie nicht berücksichtigt werden, weshalb diese Art der Strafbemessung in sein Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums eingreife. Das einzig gerechte Strafbemessungssystem sei das im StGB verwirklichte Tagsatzsystem und die Nichtanwendung dieses Systems verletze auch sein Recht auf ein faires Verfahren nach Art.6 EMRK.

 

Mit Schreiben vom 10.7.2007 verzichtete der Berufungswerber auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und brachte ergänzend vor, dass er keine andere Möglichkeit gehabt habe, als die Lenkerauskunft zu verweigern, um nicht seine Ehefrau dem Strafverfahren auszusetzen. Es liege daher ein Rechtfertigungsgrund vor. Der Berufungswerber bezog sich weiters auf das Urteil der großen Kammer in den Fällen O'Halloran und Francis gegen das Vereinigte Königreich vom 29.6.2007 und stellte dar, dass der zugrundeliegende Sachverhalt sich wesentlich von seinem Fall unterscheide. Ihm sei bereits eine Strafverfügung zugestellt worden, weshalb er Beschuldigter in einem Verwaltungsstrafverfahren war. Der EGMR habe in der Begründung seiner Urteile besonders betont, dass gegen die Beschwerdeführer Weh und Francis kein Strafverfahren wegen des Grunddeliktes geführt wurde. Weiters dürfe nach der Bestimmung des § 172 der Englischen Straßenverkehrsordnung die Polizei nur unter bestimmten Umständen und betreffend taxativ aufgezählter Straftaten den Zulassungsbesitzer zur Lenkerbekanntgabe verpflichten. Derartige Beschränkungen bestehen jedoch in § 103 Abs.2 KFG 1967 nicht. Weiters sei die Strafdrohung in England mit max. 1.000 britischen Pfund beschränkt, während die Strafdrohung in Österreich bis zu 5.000 Euro beträgt. Es sei unfair und diskriminierend, dass in Österreich für das Verweigern der Lenkerauskunft eine Geldstrafe bis zu 5.000 Euro verhängt werden darf, obwohl die maximale Geldstrafe für das zugrundeliegende Grunddelikt lediglich 726 Euro beträgt. Auch darin bestehe ein wesentlicher Unterschied zur englischen Rechtslage. Weiters sei in § 134 Abs.1 KFG sogar Arrest bis zu 6 Wochen vorgesehen.

 

In den Fällen O'Halloran und Francis hätten die Beschwerdeführer den behaupteten Verstoß gegen die Unschuldsvermutung iSd Art.6 Abs. EMRK nicht ausgeführt, weshalb der EGMR diese Rechtsverletzung nicht geprüft habe. Er habe dazu jedoch sehr wohl Ausführungen gemacht. Weiters habe er auch ausgeführt, weshalb die gegenständliche Bestrafung gegen Art.8 EMRK verstößt.

 

Abschließend führte der Berufungswerber aus, dass ihn an der Verweigerung der Lenkerauskunft kein Verschulden treffe. Zum Zeitpunkt der Zustellung des erstbehördlichen Lenkerauskunftsersuchen sei ihm der Inhalt des Erkenntnisses des UVS Steiermark sowie des UVS Vorarlberg bekannt gewesen, wonach eine Verpflichtung zur Erteilung der Lenkerauskunft dann nicht mehr bestehe, wenn gegen den Verpflichteten ein Strafverfahren wegen des Grunddeliktes anhängig ist. Er konnte sich an diese Judikatur halten, weil auch keine anderslautenden Entscheidungen eines UVS vorliegen würden, weshalb er eben der Meinung war, nicht zur Auskunft verpflichtet zu sein.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Braunau hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Aus diesem ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze und der Berufungswerber hat auf eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung verzichtet, weshalb von dieser abzusehen war.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Die Polizeiinspektion Mauerkirchen erstattete am 12.9.2006 Anzeige gegen den Lenker des PKW mit dem Kennzeichen, weil dieser am 10.9.2006 um 15.39 Uhr in Helpfau-Uttendorf auf der B147 bei Strkm 26,406 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 15 km/h überschritten habe. Der Berufungswerber ist Zulassungsbesitzer des gegenständlichen Kraftfahrzeuges.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau verhängte über den nunmehrigen Berufungswerber mit Strafverfügung vom 19.9.2006, Zl. VerkR96-6488-2006, wegen dieser Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldstrafe in Höhe von 29 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden). Gegen diese erhob der Berufungswerber rechtzeitig Einspruch, worauf die Bezirkshauptmannschaft Braunau vorerst Erhebungen bezüglich der Geschwindigkeitsüberschreitung durchführte. Das Erhebungsergebnis wurde dem Berufungswerber zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt. Dazu führte er aus, dass er zwar Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges sei, damals aber nicht der Lenker gewesen sei.

 

Mit Schreiben vom 05.12.2006, VerkR96-6488-2006, wurde der Berufungswerber als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges, Kennzeichen, gem. § 103 Abs.2 KFG 1967 aufgefordert, binnen 2 Wochen, gerechnet vom Tag der Zustellung dieses Schreibens der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn mitzuteilen, wer das gegenständliche Fahrzeug am 10.9.2006 um 15.39 Uhr im Gemeindegebiet Helpfau-Uttendorf, auf der B147 bei Strkm 26,406 gelenkt hat, wobei diese Auskunft jedenfalls den vollständigen Namen und die genaue Anschrift dieser Person enthalten muss. Der Berufungswerber wurde auf die Strafbarkeit einer Verletzung dieser Auskunftspflicht hingewiesen. Dazu teilte der Berufungswerber lediglich mit, dass er auch diesbezüglich von seinem Anwalt vertreten werde. Telefonisch wurde (entsprechend einem handschriftlichen Aktenvermerk der Bearbeiterin der Bezirkshauptmannschaft Braunau) vom Vertreter des Berufungswerbers mitgeteilt, dass keine Auskunft erteilt werde. Der Berufungswerber wurde in weiterer Folge mit Schreiben vom 6.2.2007 aufgefordert, sich wegen der Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs.2 KFG 1967 zu rechtfertigen, woraufhin er eine umfangreiche Stellungnahme abgab, mit welcher er im Wesentlichen vorbrachte, dass die Auskunftspflicht des § 103 Abs.2 KFG 1967 gegen die Art.6 und 8 EMRK verstoßen würde. In weiterer Folge erging das nunmehr angefochtene Straferkenntnis.

 

5. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 103 Abs.2 KFG kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung – zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen (Verfassungsbestimmung). Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.

 

5.2. Der Berufungswerber hat die geforderte Lenkerauskunft nicht erteilt und damit die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht verwirklicht.

 

Der Berufungswerber bzw. dessen Rechtsvertreter beruft sich auf die Entscheidung des EGMR in den Fällen O`Halloran und Francis (Beschwerdenummern 15809/02 und 25624/02). In diesen Fällen hat der EGMR in einer großen Kammer mit 15 zu 2 Stimmen entschieden, dass die (britische) Regelung betreffend die Lenkerauskunft nicht gegen Artikel 6 Abs.1 EMRK verstößt. Diese Urteile sind entgegen dem ergänzenden Berufungsvorbringen für den gegenständlichen Fall durchaus heranzuziehen. So hat der EGMR in Punkt 35 festgehalten, dass beide Beschwerdeführer als "angeklagt" im Sinne des Artikel 6 EMRK anzusehen waren. Richtig ist, dass im gegenständlichen Fall ein deutlicher Unterschied bei den Strafdrohungen zwischen dem "Grunddelikt" und der Übertretung des § 103 Abs.2 KFG 1967 besteht (726 Euro zu 5.000 Euro) während bei der britischen Regelung die maximale Geldstrafe für das Verweigern der Lenkerauskunft 1.000 Pfund beträgt und die Strafe ähnlich wie für das Grunddelikt verhängt wird (vgl. Punkte 10 bzw. 18 des Urteils). Nach Ansicht des zuständigen Mitgliedes des UVS kommt es für die Beurteilung jedoch nicht nur auf die abstrakte Höchststrafe an, sondern auch auf die tatsächlich zu erwartende Strafe. Die Strafe betrug im gegenständlichen Fall 50 Euro, sodass keinesfalls von einem außergewöhnlichen Missverhältnis zwischen Grunddelikt und der Strafe für die Verweigerung der Lenkerauskunft auszugehen ist.

 

Soweit sich der Berufungswerber auf einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung nach Artikel 6 Abs.2 EMRK beruft, sind nach hs. Ansicht die Überlegungen des EGMR zu Artikel 6 Abs.1 EMRK auch auf Abs.2 anzuwenden. Insbesondere darf nicht übersehen werden, dass der Zwang zur Lenkerbekanntgabe zwar strafrechtlicher Natur ist, er sich aber aus der Tatsache ergibt, dass jeder Besitzer eines Kraftfahrzeuges sich (freiwillig) jenen Regeln unterwirft, die in einer Gesellschaft mit dem Besitz eines Kraftfahrzeuges verbunden sind (siehe Punkt 57 der Urteile). In Österreich gehört zu diesen Regeln eben auch der als Verfassungsbestimmung ausgeführte § 103 Abs.2 KFG 1967. Letztlich darf auch nicht übersehen werden, dass die Anfrage dahingehend eingeschränkt ist, wer ein bestimmtes Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt hat. Die Angabe dieser bloßen Tatsachen an sich ist in keiner Weise inkriminierend, der Zusammenhang mit einem Strafverfahren besteht nur deshalb, weil die Behörde den Verdacht hatte, dass der Lenker dieses Kraftfahrzeuges zum angefragten Zeitpunkt eine Verwaltungsübertretung begangen hatte. Ob dieser Verdacht zu Recht besteht, kann aber nur dann geprüft werden, wenn der Fahrzeuglenker bekannt ist. Das bloße Lenken eines Kraftfahrzeuges ist an sich jedenfalls kein strafbares Verhalten, weshalb die Auskunft, wer ein bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt hat, auch keine unmittelbare strafrechtliche Verfolgung nach sich zieht. In der Beschwerdesache Francis hat der EGMR immerhin eine Geldstrafe von 750 britischen Pfund als moderat bezeichnet (siehe Punkt 58 der Urteile).

 

Insgesamt ist noch anzuführen, dass der Berufungswerber im gegenständlichen Verfahren mehrmals ausgeführt hat, dass er bei einer wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet gewesen wäre, seine Gattin zu belasten. Soweit er sich in weiterer Folge darauf beruft, § 103 Abs.2 KFG 1967 würde einen Zwang zur Selbstbezichtigung bewirken, ist dieses Vorbringen in sich widersprüchlich. Der Berufungswerber macht aber auch einen Verstoß gegen Artikel 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) geltend. Zu dieser Bestimmung ist darauf hinzuweisen, dass in Artikel 8 Abs.2 EMRK unmittelbar vorgesehen ist, dass Einschränkungen dieses Rechtes durch Gesetz zulässig sind. Die Argumente, welche für die Zulässigkeit der Lenkerauskunft im Sinne des Artikel 6 EMRK sprechen, gelten sinngemäß auch für die Einschränkungen des Artikel 8 Abs.2 EMRK. Es liegt damit auch kein Verstoß gegen diese Bestimmung vor. Das gilt auch für die vom Berufungswerber sonst geltend gemachten grundrechtlichen Bedenken. Die im Vergleich zur britischen Rechtslage höhere Höchststrafe erscheint noch "moderat" im Sinne der Ausführungen des EGMR und es darf nicht übersehen werden, dass die tatsächlich verhängte Strafe nur geringfügig war. Das vom Berufungswerber vermisste Tagsatzsystem mag zwar aus seiner Sicht wünschenswert sein, es räumen aber auch die Bestimmungen des VStG ausreichend Möglichkeiten ein, auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Berufungswerbers bei der Strafbemessung Rücksicht zu nehmen. Wenn der Berufungswerber bemängelt, dass die behördliche Praxis diesen Strafzumessungsgründen zu wenig Bedeutung zumisst, so kann damit keinesfalls eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Bestimmungen begründet werden. Allenfalls könnte in manchen Fällen die behördliche Strafzumessung nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Dies ist aber ohnedies von der Berufungsinstanz zu überprüfen und kann auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden.

 

5.3. Soweit der Berufungswerber ein mangelndes Verschulden geltend macht, weil er sich auf die Rechtsansicht seines Rechtsvertreters verlassen hat, wobei dieser sich auf zwei UVS-Erkenntnisse aus Vorarlberg bzw. Steiermark stützte, ist dieses Vorbringen nicht nachvollziehbar. Einerseits musste dem Rechtsvertreter des Berufungswerbers bekannt sein, dass vom UVS Oberösterreich die vereinzelten Entscheidungen des UVS Vorarlberg bzw. des UVS Steiermark nicht geteilt werden (siehe dazu z.B. das vom Berufungswerber selbst angeführte Erkenntnis des UVS Oberösterreich vom 05.01.2006, VwSen-161052 oder die Entscheidung vom 23.11.2006, VwSen-161507). Selbst wenn man dem Berufungswerber (bzw. seinem Rechtsvertreter) einen Rechtsirrtum zugesteht, so schließt dieser sein Verschulden nicht aus. Der Berufungswerber wurde in der Lenkeranfrage vom 5. Dezember 2006 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine verspätete bzw. ungenaue oder unrichtige Auskunft strafbar ist. Es musste ihm daher klar sein, dass seine Rechtsansicht keineswegs die einzig denkmögliche ist. Insbesondere auch das anhängige Verfahren vor dem EGMR hätte doch zu Zweifeln an seiner Rechtsansicht führen müssen, weshalb er sich nicht auf die Auskunft seines Rechtsvertreters hätte verlassen dürfen sondern sich diesbezüglich bei einer für die Vollziehung des KFG zuständigen Behörde hätte erkundigen müssen. Diese fehlende Erkundigung ist ihm als Verschulden vorzuwerfen, und nachdem der Berufungswerber die Lenkerauskunft wissentlich und willentlich nicht erteilt hat, ist ihm in analoger Anwendung des § 9 Abs.3 StGB vorsätzliches Handeln vorzuwerfen.

 

5.4. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

§ 134 Abs.1 KFG 1967 sieht für derartige Übertretungen eine Höchststrafe von 5.000 Euro vor. Dem Berufungswerber kommt als wesentlicher Strafmilderungsgrund seine bisherige Unbescholtenheit zu Gute, einen weiteren Strafmilderungsgrund bildet sein Rechtsirrtum (§ 34 Z12 StGB). Dem stehen keinerlei Straferschwerungsgründe gegenüber. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint eine Geldstrafe in Höhe von 1 % der gesetzlich vorgesehenen Höchststrafe durchaus angemessen und ausreichend, um den Berufungswerber in Zukunft von der Begehung ähnlicher Übertretungen abzuhalten. Auch aus generalpräventiven Überlegungen ist die verhängte Strafe angemessen. Sie entspricht auch den persönlichen Verhältnissen des Berufungswerbers, wobei aufgrund seiner Mitteilung davon ausgegangen wird, dass er über ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 1.000 Euro bei keinem Vermögen und Sorgepflichten verfügt.

 


Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

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