Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-162251/13/Bi/Se

Linz, 10.07.2007

 

 

                                              

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn F P, B, Deutschland, nunmehr vertreten durch Herrn RA Dr. E G, S, vom 29. Mai 2007 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 10. Mai 2007, VerkR96-985-2007, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 und des Kraftfahrgesetzes 1967, aufgrund des Ergebnisses der am 6. Juli 2007 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:

 

     

      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren im Zweifel zugunsten des Beschuldigten jeweils ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 45 Abs.1 Z1 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1a StVO 1960 und 2) §§ 106 Abs.1 iVm 134 Abs.1 KFG 1967 Geldstrafen von 1) 891 Euro (254 Stunden EFS) und 2) 40 Euro (18 Stunden EFS) verhängt, weil er am 22. April 2007 um 14.13 Uhr 1) das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ....... in der Gemeinde Ulrichsberg vor dem Haus Markt .... in einem durch Alkohol beein­trächtigten Zustand gelenkt habe. Der Test am geeichten Alkomaten habe einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,61 mg/l ergeben.

2) als Lenker des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen  in der Gemeinde Ulrichsberg vor dem Haus Markt ..... nicht dafür gesorgt habe, dass die Vorschriften des Kraftfahrgesetzes eingehalten würden, da festgestellt worden sei, dass er die bei der Genehmigung festgesetzte größte zulässige Anzahl von vier Personen um eine Person überschritten habe, weil er fünf Personen (einschließlich Lenker) befördert habe.

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 93,10 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 6. Juli 2007 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, seines nun­mehrigen rechtsfreundlichen Vertreters RA Dr. G und der Zeugen R K (K), GI F S und Meldungsleger BI A S (Ml) durchgeführt. Die Vertreterin der Erstinstanz, Frau B K, war entschuldigt. Die Berufungs­entscheidung wurde mündlich verkündet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er sei nicht der Lenker zum damaligen Zeitpunkt gewesen, sondern Frau N B (B). Dafür hat er R K, N B und A B als Zeugen geltend gemacht und die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw und sein Rechtsvertreter gehört, die Ausführ­ungen in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berücksichtigt und die oben genannten Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen wurden. Die Zeugen B und B wohnen in Deutschland und Frankreich, sodass eine Ladung zur Berufungsverhandlung zunächst aus Kosten­gründen unterblieb, vom Bw in der Verhandlung nicht mehr beantragt wurde und im Ergebnis auch entbehrlich war. 

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Am Vorabend des 22. April 2007 fand in Aigen eine Veranstaltung statt, in deren Rahmen der Bw und die Mitglieder seiner Band, nämlich die von ihm genannten Zeugen, auftraten. Nach den schlüssigen und vom Zeugen K bestätigten Aussagen des Bw beschlossen die Bandmitglieder, mit dem auf den Vater des Bw zuge­lassenen Wohnmobil nach Österreich zu fahren, um darin zu übernachten. Außerdem sei mit der Zeugin B ausgemacht worden, dass sie mit dem Wohnmobil nach Hause fahren werde, weil sie wenig bzw keinen Alkohol trinke. Daran habe sich die Zeugin auch gehalten, als sie gegen 14.00 Uhr des 22. April 2007 von Aigen losgefahren seien. Der Ml und RI S bestätigten, dass zu diesem Zeitpunkt eine Fahndung betreffend das Wohnmobil gelaufen sei, weil dieses in der Nacht in der Nähe eines Objektes, in das eingebrochen wurde, abgestellt gewesen sei.

GI S befand sich zur Durchführung von Lasermessungen in Salnau und wollte diese eben beenden, als ihm das aus Richtung Ulrichsberg kommende Wohnmobil mit dem in der Fahndung genannten Kennzeichen auffiel; allerdings konnte er den Lenker nicht mehr sehen. Er verständigte den Ml, der in Ulrichsberg noch eine Amtshandlung beendete und dann mit dem Polizeifahrzeug in Richtung Salnau fuhr. Da das Wohnmobil inzwischen gewendet hatte – der Bw bestätigte, sie hätten sich verfahren – und dieses wieder am Standort von GI S vorbei in Richtung Ulrichsberg fuhr, wendete der Ml das Polizeifahrzeug und fuhr hinter dem Wohnmobil nach, das nach rechts in Richtung Zentrum Ulrichsberg einbog.

Nach seinen Schilderungen in der Verhandlung holte der Ml, der sich allein im Polizeifahrzeug befand, das Wohnmobil ca 50 m nach der Abzweigung Richtung Ulrichsberg ein, fuhr diesem bis zum Zentrum nach, fand aber zunächst keinen Platz zum Anhalten. Nach seinen Aussagen sah der Ml bei der Nachfahrt im linken Außenspiegel des Wohnmobils dessen Lenker, wobei er in der Verhandlung betonte, ihm sei ein weißes oder helles Hemd aufgefallen, das über dunkler Kleidung ausgeschlagen gewesen sei, und er könne sich nicht vorstellen, dass er im relativ großen Außenspiegel eine andere Person als den Lenker gesehen habe. Er gab mittels Lichthupe Zeichen zum Anhalten, die auch insofern befolgt wurden, als das Wohnmobil beim Haus Markt 25 rechts geparkt wurde. Der Ml fand dahinter Platz, gurtete sich ab, stieg aus und ging zur Fahrerseite, wo er zu seiner Verwunderung eine Frau als Lenkerin vorfand, was mit seinen vorherigen Wahrnehmungen nicht übereinstimmen konnte. Im Fahrzeug befanden sich insgesamt fünf Personen, die er zum Aussteigen aufforderte.

Der Bw und der Zeuge K bestätigten übereinstimmend in der Verhandlung, der Ml sei sehr schnell auf der Fahrerseite erschienen und habe die Zeugin B angeschrieen, sie sei nicht gefahren. Er habe, nachdem sie ausgestiegen seien, alle der Reihe nach ange­schrieen, sie seien gefahren, und schließlich hätten auch alle gesagt, ja sie seien gefahren, bis die Zeugin B schließlich erklärte, das stimme alles nicht, sie sei gefahren.

Der Ml bestätigte in der Verhandlung, es sei richtig, dass ihm die Frau am Lenkersitz eigenartig vorgekommen sei, zumal diese dunkel gekleidet war und schwarzes schulterlanges Haar hatte. Der Bw habe hingegen ein helles Hemd über einem dunklen Gilet an- und eine schwarze Kappe verkehrt herum aufgehabt. Es sei richtig, dass er sich die Personen vom Fahrzeug genau angesehen und er zunächst nicht gewusst habe, wer nun tatsächlich der Lenker gewesen sei. Allerdings sei ihm dann das helle Hemd des Bw – auch die anderen Personen seien dunkel gekleidet gewesen, einer habe eine weiße Kappe verkehrt herum getragen – aufgefallen und habe deshalb diesen und die Zeugin B – nach Vermutung des Zeugen K, weil beide vorne gesessen seien – aufgefordert, zur PI Ulrichberg mitzukommen.

Dort wurde dann bei beiden ein Alkotest gemacht, wobei der Bw um 14.35 Uhr einen günstigsten Atemalkoholgehalt von 0,61 mg/l aufwies und die Zeugin B einen AAG von 0,0 mg/l.

Die Zeugin B blieb laut Ml dabei, dass sie das Wohnmobil gelenkt habe, wobei, wie auch der später zum Anhalteort dazugekommene GI S bestätigte, davon die Rede war, dass die Zeugin auf die Frage, warum sie sich als Lenkerin ausgebe, geant­wortet habe, das tue sie aus Solidarität. GI S konnte zum Lenker des Wohn­mobils keinerlei Aussagen machen; der Ml blieb dabei, der Bw habe das Wohn­mobil gelenkt.

 

Aus der Sicht des UVS ist die Lenkereigenschaft des Bw nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit zu klären, weil zum einen die Version des Bw und des Zeugen K, alle hätten Alkohol getrunken und es sei von Vornherein ausge­macht gewesen, dass die Zeugin B, die wenig bzw gar keinen Alkohol trinke, mit dem Wohnmobil heimfahren werde, schlüssig ist. Dass bei solchen Veranstaltungen größere Mengen Alkohol getrunken werden, entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, wobei auch GI S bestätigt hat, dass die Männer im Wohnmobil alkoholisiert und übernächtigt wirkten. Die 0,0 mg/l der Zeugin B sprechen dafür, dass die Vereinbarung, sie werde heimfahren, tatsächlich umgesetzt wurde.        

Der Bw und der Zeuge K schilderten übereinstimmend, alle hätten sich am Vorabend Gesichter und Köpfe angemalt und die Schminke sei bei der Anhaltung noch vorhanden gewesen – der Bw sei zB auf Katze geschminkt gewesen. Der Ml hat sich vage erinnert; GI S dagegen nicht, wohl aber an die "alkoholische Verfassung" der Zeugen und des Bw, wobei Polizeibeamte vermutlich die für solche Amts­handlungen wichtigen Aspekte eher registrieren.

 

Der Ml hat die Lenkereigenschaft des Bw letztlich damit begründet, ihm sei bei der Nachfahrt das helle Hemd aufgefallen und er könne sich nicht vorstellen, dass er im Seitenspiegel des Wohnmobils jemand anderen als den Lenker gesehen habe; keiner der anderen Insassen habe etwas Helles angehabt. Aus der Sicht des UVS vermag die Aussage des Ml insofern nicht gänzlich zu überzeugen, als die Nachfahrt nach seinen eigenen Schilderungen ca 50 m nach der Abzweigung nach Ulrichsberg begann – Geschwindigkeit und Abstand konnte der Zeuge nicht nennen – und der Ml im Ortsgebiet offenbar nach einem geeigneten Anhalteort Ausschau hielt, sodass er seine Aufmerksamkeit auf mehrere Details gleichzeitig richtete. Auf wen der Wohnmobilaußenspiegel eingestellt war und in welchem Winkel der Ml eine Person in welchem Ausschnitt und welcher Breite sah, ist insofern fraglich, als zum einen die schwarze Kappe, die der Bw verkehrt herum trug, mit schulterlangen schwarzen Haaren, die nicht nach vorne fallen, große Ähnlichkeit hat und der Bw in der Verhandlung, gegenüber den Angaben in der Anzeige, nichts mehr vom Bart des Bw erwähnte, der allerdings, wie in der Verhandlung festgestellt, nicht so dunkel war, dass er auf größere Entfernung im Spiegelbild auffallen müsste.

Die Zeit, die der Ml vom Abstellen des Dienstfahrzeuges bis zum Erreichen der Fahrerseite des Wohnmobils brauchte, hat er selbst mit eher einer Minute einge­grenzt, wobei die Zeitverzögerung beim Einparken zu bedenken ist, auch wenn er sich offensichtlich sehr beeilte. Dass dann überraschenderweise eine Frau am Lenkersitz saß und er aufgrund des "Verwirrspiels" der Insassen, die in ihrer Alkohol­laune seine Lautstärke als Scherz empfanden und entsprechend reagierten, indem sie sich alle als Lenker bezeichneten, etwas verunsichert war, hat er selbst zugestanden, sich jedoch dann an das helle Hemd erinnert und, da nur der Bw ein solches trug, diesen als Lenker zum Alkotest aufgefordert. Dass die Zeit vom Parken des Wohnmobils bis zum Erscheinen des Ml auf der Fahrerseite lange genug für einen Platzwechsel des Bw und der Zeugin B, die vorne saßen, gewesen wäre, oder dass irgendetwas am Erscheinungsbild der beiden Personen dafür gesprochen hätte, dass gerade zwischen beiden ein Sitzwechsel stattgefunden hätte, hat der Ml nicht bestätigt, ihm fiel nur auf, dass die Zeugin nicht angegurtet war – was aber nicht ausschließt, das sie den Gurt nach dem Einparken angesichts des ihr nachfahrenden Polizeifahrzeuges bereits gelöst hatte. Ob der Bw angesichts seiner 0,61 mg/l AAG und der bestätigten Übernächtigtheit zu akrobatischen Leistungen fähig gewesen wäre bzw ob er überhaupt die Notwendigkeit rascher Bewegungen in Erwägung gezogen hat, bleibt dahingestellt.    

Auszuschließen ist auch nicht, dass die Zeugin B bei der PI Ulrichs­berg tatsächlich insofern missverstanden wurde, als sie die Solidarität nicht auf die Bezeichnung als Lenkerin bezogen hat, sondern auf das Lenken nach dem Alkoholkonsum der Zeugen.

Nach Auffassung des UVS ist sprechen letztendlich ebenso viele Anhaltspunkte für eine Lenkereigenschaft des Bw wie für eine solche der Zeugin B, sodass in rechtlicher Hinsicht gemäß § 45 Abs.1 Z1 1.Alt. VStG im Zweifel zugunsten des Bw wegen Nichterweisbarkeit der Lenkereigenschaft mit der für ein Verwaltungsstraf­verfahren erforderlichen Sicherheit spruchgemäß zu entscheiden war. Verfahrens­kosten­beiträge fallen naturgemäß nicht an. 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung:

Lenkereigenschaft des Bw nicht mit der erforderlichen Sicherheit beweisbar -> Einstellung im Zweifel

 

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