Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-340001/8/Br

Linz, 02.11.1995

VwSen-340001/8/Br Linz, am 2. November 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn H U, G gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 4. September 1995, Zl.:

Agrar96-33/03-1995/De/OT, wegen der Übertretung des Oö.

Jagdgesetzes, nach der am 2. November 1995 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird F o l g e gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr.

51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 471/1995 - AVG iVm § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr.620/1995 VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit dem Straferkenntnis vom 4. September 1995 wider den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit zwei Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er es als Jagdausübungsberechtigter des Eigenjagdgebietes "M" zu verantworten habe, daß der Abschußplan im Jagdjahr 1994/95 nicht erfüllt wurde, weil vom festgesetzten Abschuß bei Rehwild von 35 Stück nur 25 Stück entnommen wurden, obwohl der Abschußplan weder unter- noch überschritten werden dürfe.

1.1. Begründend führte die Erstbehörde in der Sache im wesentlichen aus, daß gemäß § 50 Abs.1 des O.ö. Jagdgesetzes der Abschußplan von Schalenwild nur auf Grund und im Rahmen eines von der Bezirksverwaltungsbehörde genehmigten Abschußplanes zulässig sei. Die darin festgesetzten Abschußzahlen dürfen weder unter- noch überschritten werden.

Wer dem zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und sei zu bestrafen (§ 93 Abs.2 leg.cit.).

2. Dagegen richtet sich die vom Berufungswerber fristgerecht erhobene Berufung. Er führt sinngemäß aus, daß er sich größte Mühe für die Erfüllung des Abschußplanes gegeben habe. Von neun Trophäenträger hätten nur drei erlegt werden können. Auf 100 Hektar seien drei Stück Rehwild ohnehin ein sehr niedriger Bestand und hätte dieser Bestand keine negativen Auswirkungen auf den Waldbestand (Verbißschäden).

Ferner sei der Abschußplan von den österreichischen Bundesforsten beantragt worden. Aus diesem Grunde sei er sich keiner Verwaltungsübertretung (gemeint wohl keiner Schuld) bewußt.

3. Zumal keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Zumal sich die Berufung im Ergebnis auch gegen Tatsachenannahmen richtet, war eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen (§ 51e Abs.1 VStG).

3.1. Beweis geführt wurde durch die Einsichtnahme bzw.

Erörterung des Verwaltungsstrafaktes der Erstbehörde im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung, Zl.:

Agrar96-33/03-1995/De/OT. Dem Akt angeschlossen bzw.

beigeschafft wurden die Abschußpläne vom Jagdjahr 1993/94 und 1994/95. Der Bescheid vom 14. April 1993, Zl.

Agrar-41-1993, welcher am 2. Juli 1993 der Forstverwaltung der österr. Bundesforste, zu Hd. Dipl.Ing. K zugestellt wurde. Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vorgelegt und verlesen die Strafverhandlungsschrift betreffend das im Vorjahr bereits wider den Berufungswerber eingeleitete Strafverfahren (welches schließlich eingestellt wurde) zu Agrar96-43-1994/B/RG. Ferner wurde Beweis erhoben durch die Vernehmung des Bezirksjägermeisters von G, H. P, des O W und des Leiters der Forstabteilung der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, Wirkl.Hofrat, Dipl.Ing. D als Zeugn und des Berufungswerbers als Beschuldigten, sowie das vom Sachverständigen für das Jagdwesen des Amtes der Oö.

Landesregierung, ROFR Dipl.Ing. Z, im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erstellte Gutachten.

4. Folgender Sachverhalt ist erwiesen:

4.1. Der Berufungswerber ist Jagdausübungsberechtigter des Eigenjagdgebietes "M". Dieses Jagdgebiet weist eine Gesamtfläche vom 2.562 ha auf, wovon dieses sich aus 1.911 ha Wald-, 15 ha Wiesen-, 631 ha Ödland- und 5 ha Wasserflächenanteil gliedert. Der hier verfahrensbezogene Abschußplan, welcher in Rechtskraft erwachsen war, wurde im Hinblick auf das Rehwild mit 35 Stück festgesetzt.

4.2. Wie das Beweisverfahren ergeben hat, wurden hinsichtlich des Rehwildes über das gesamte Jagdjahr 1994/95 verteilt Abschüsse entnommen, wobei der weibliche Rehwildabschuß mit 17 Stück (gegenüber männlichem Rehwild mit nur 8 Stück) deutlich überwog. Bei männlichem Reh kamen zusätzlich infolge zweier Fehlschüsse zwei Stück weniger zur Strecke. Der Berufungswerber ist Berufsjäger. Er hat im Rahmen des Berufungsverfahrens glaubhaft gemacht, daß er das ganze Jahr über tagtäglich im Revier ist und ihm ein Mangel in der Intensität der Jagdausübung nicht vorgeworfen werden kann. Der Hochwildabschuß, welchem auf Grund von spezifischen Wildschäden an Hängen im Einvernehmen mit der Behörde das Hauptaugenmerk zugewendet wurde, vermochte praktisch voll erfüllt werden. Das Beweisverfahren hat insbesondere auf Grund der Aussage des Zeugen BJM P ergeben, daß im Hinblick auf die für die Erstellung der mit den Abschußplänen vorzuschreibenden Abschußziffern in der Praxis keine spezifischen Wildstandserhebungen vorgenommen wurden, sondern diese Zahlen in der Praxis eigentlich aus den Vorjahren übernommen, gleichsam fortgeschrieben werden, wenngleich aber der Rehwildbestand durch die aus der Wildschadenssituation bedingte intensivere Bejagung in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Dies führt zum Ergebnis, daß eben die Abschußziele objektiv besehen unerfüllbar werden können. Auch die Ausführungen des Herrn Amtssachverständigen kommen zum Ergebnis, daß Wildstandschätzungen in der Regel bis zu 300 % Abweichungen aufweisen. Ferner weist der Sachverständige darauf hin, daß hier eine die gesamte Schußzeit ausschöpfende Rehwildbejagung vorlag, wobei aus jagdfachlicher Sicht bei einer Mehrentnahme an Böcken als an weiblichen Rehen ein Manko erblickt werden müßte. Die Ausführungen des Berufungswerbers, er habe alles ihm zumutbare im Hinblick auf die Rehwildbejagung getan, waren durchaus glaubwürdig und stehen daher im Einklang mit den obgenannten Angaben der Jagdfachleute. Der Berufungswerber vermochte daher glaubhaft zu machen, daß ihm an der nicht vollständigen Erfüllung kein Schuldvorwurf gemacht werden kann. Jedenfalls war im Zweifel davon auszugehen, weil schließlich die Jagd mit ihren vielen unbekannten Faktoren, eine endgültige Nachvollziehbarkeit nicht zuläßt.

5. Rechtlich war wie folgt zu erwägen:

5.1. Der Abschuß von Schalenwild (mit Ausnahme des Schwarzwildes), von Auer- und Birkwild ist nur auf Grund und im Rahmen eines von der Bezirksverwaltungsbehörde genehmigten Abschußplanes zulässig. Die im Abschußplan für Schalenwild festgesetzten Abschußzahlen dürfen weder unternoch überschritten werden. Die im Abschußplan für Auer- und Birkwild festgesetzten Abschußzahlen dürfen unterschritten werden (§ 50 Abs.1 Oö. JagdG).

Die Nichterfüllung des Abschußplanes ist ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 VStG und es trifft in einem solchen Falle die Beweislast hinsichtlich des Verschuldens gem. § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG den Beschuldigten. Ein Verschulden an der Nichterfüllung des vorgeschriebenen Abschusses ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn seine Erfüllung objektiv unmöglich war. Die Beantwortung der Frage, ob der nach dem Abschußplan bewilligte oder von der Behörde festgesetzte Abschuß auf Grund der tatsächlichen Gegebenheiten im Revier erfüllbar war oder nicht, erfordert jagdfachliche Kenntnisse. Hierüber ist ein Sachverständigengutachten einzuholen (VwGH 21.4.1971, 1139/70).

Ein Verschulden an der Nichterfüllung des vorgeschriebenen Abschusses ist daher jedenfalls dann nicht gegeben, wenn seine Erfüllung objektiv unmöglich war. Für die Glaubhaftmachung i.S.§ 5 Abs.1 VStG ist es rechtlich unerheblich, daß der Berufungswerber gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden - Abschußplan für das Jahr 1994/95 vom 12.4.1994 - kein Rechtsmittel ergriffen hat (VwGH 12. November 1992, Zl. 91/19/0160). Das hier unter Bezugnahme auf das jagdfachliche Gutachten durchgeführte Beweisverfahren führte zum Ergebnis der objektiven Unerfüllbarkeit.

5.2.1. In diesem Zusammenhang muß auf das Ausmaß der objektiv zumutbaren spezifischen jagdlichen Aktivität im Sinne objektiver Sorgfaltspflichten Bezug genommen werden.

Diesbezüglich spricht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur aus (vgl. Slg. 9710 A und 28.10.1980, 2244/80 u.a.), daß der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters (hier des Verkehrskreises des Berufungswerbers) versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig wurde folglich dann gehandelt, wenn sich ein Angehöriger dieses Verkehrskreises (gedacht als eine objektivierte Maßfigur), dem der Handelnde angehört (ein Jagdausübungsberechtigter), an seiner Stelle sich anders Verhalten hätte (VwGH 12.6.1989, 88/10/0169), d.h. im Sinne dieser objektivierten Maßfigur vom Berufungswerber noch mehr Aktivitäten in seinem Jagdrevier erwartet werden hätte müssen. Man muß sich im Sinne dieser Judikatur aber auch davor hüten, die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht zu überspannen. Dem pönalisiertem Erfolg, welcher hier in einer Unterlassung im Sinne einer ausreichenden jagdlichen Aktivität erblickt werden müßte, darf quasi nicht a'priori durch überhöhte, gleichsam jeden Bogen an Zumutbarem übersteigende Anforderungen an jagdliche Aktivitäten ein schuldhaftes Untätigsein unterstellt werden (vgl. auch h. Erk. VwSen-200105 v. 5.10.1993). Wie oben bereits erwähnt sind der Jagd durchaus nicht objektivierbare, einem Erfolgsziel entgegenstehende Komponenten, inhärent. Solche sind auch in jagd(recht)lichen Grundsätzen, etwa in der "Weidgerechtigkeit" eine zu beachtende (Leistungs-)Grenze gelegen. So gilt es etwa, das Wild sicher anzusprechen und etwa auch Weitschüsse zu vermeiden (vgl. Pesendorfer/Rechberger, Das Oö. Jagdrecht [Loseblattausgabe] § 38 Anm.3). Auch sicherlich nicht zu vermeidende Fehlschüsse (so wie hier) stellen ein unverschuldetes Faktum für das Ausbleiben des (erwünschten) Erfolges dar. Der bloße Hinweis auf "die nicht erreichten Abschußquoten", läßt daher nicht zwingend den Schluß auf ein "schuldhaftes Untätigsein" zu. Ganz im Gegenteil! Hier wurde sowohl eine den ökologischen Interessen entsprechende Bejagung des Rehs durch die überdurchschnittliche Entnahme von weiblichen Stücken und ebenfalls eine entsprechende Intensität der Jagdausübung durch seine so gut wie ständige Präsenz des Berufungswerber im Revier unter Beweis gestellt.

Ebenfalls mangelte es auch nicht an geeigneten Reviereinrichtungen, welche vom Berufungswerber sogleich nach der Revierübernahme errichtet wurden. Die Rechtsordnung sieht eine Strafsanktion bloß für die Verletzung solcher Sorgfaltspflichten, welche sie nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, vor. Von keiner dem Verkehrskreis des Berufungswerbers angehörigen Person wäre daher in dieser Situation ein anderes Verhalten und ein größerer Erfolg - bezogen auf die Spezies Rehwild zu erwarten gewesen.

Mit diesem weiten Bogen an rechtlichen Erörterungen sollte auch zum Ausdruck gelangen, daß der Vollzug des Jagdgesetzes durch zu statische Beurteilungen dieses komplexen Fachgebietes im Ergebnis nicht zu einer Erfolgshaftung führen darf, welche dem Rechtsgrundsatz (keine Strafe ohne Schuld) zuwiderlaufen würde.

Eine Fehlertoleranz muß in jagdlichen Belangen eben wegen der bereits oben angesprochenen "vielen unbekannten und vom Menschen nicht handhabbaren Faktoren" einkalkuliert werden.

Diese Notwendigkeit wurde auch in diesem Beweisverfahren besonders illustrativ verdeutlicht.

Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s :

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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