Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521646/8/Bi/Se

Linz, 25.07.2007

 

 

                                              

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn E R, N, vom 18. Mai 2007 gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Kirchdorf/Krems vom 9. Mai 2007, AZ: 07/184349, wegen Befristung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

      Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Befristung behoben und festgestellt wird, dass der Berufungswerber zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen Al, A und B unter der Auflage gesundheitlich geeignet ist, dass er eine Brille trägt, mit der die erforderliche Sehschärfe erreicht wird.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) die von der BH Kirchdorf/Krems am 8. Mai 2007, GZ 07/184349, für die Klassen Al, A und B erteilte Lenkberechtigung gemäß §§ 5 Abs.5, 8 Abs.2, 13 Abs.5 und 24 Abs.1 Z2 FSG iVm §§ 8 und 11 Abs.2 FSG-GV in der zeitlichen Gültigkeit durch Befristung bis 21. Juni 2012 durch die Auflage 01.01; Tragen einer Brille, mit welcher die erforder­liche Sehschärfe erreicht wird, eingeschränkt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte mit 14. Mai 2007.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2. Satz  AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, es bestehe keine Notwendigkeit ärztlicher Nachuntersuchungen. Die Erstinstanz habe keine die Befristung rechtfertigende Feststellung im Sinne der Judikatur des VwGH getroffen, sondern nur auf das ärzt­liche Gutachten vom 8.5.2007 verwiesen, wonach bei ihm ein "insulinpflichtiger Diabetes mellitus, gute Einstellung, diabetische Netzhautveränderungen" vorlägen und daraus geschlossen, dass eine "Nachuntersuchung bei begonnenen Folge­schäden erforderlich" sei. Warum bei ihm aufgrund des seit 1978 manifesten Diabetes tatsächlich eine Gefahr konkreter Folgeerkrankungen, die zudem seine Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließen oder einschränken würden, bestehe oder in den nächsten fünf Jahren zu erwarten sein sollte, sei nicht erfolgt. Zwingend seien Nachuntersuchungen gemäß § 11 Abs.2 FSG-GV bei insulin­pflichtigen Diabetikern nur bei Lenkberechtigungen der Gruppe 2 vorgesehen. Die bei ihm vereinzelt aufgetretenen geringfügigen Netzhautveränderungen rechtfertigten die Erforderlichkeit von Nachuntersuchungen nicht.

Außerdem lägen befürwortende FA-Stellungnahmen der Internistin und des Augen­arztes vor, wonach bei beiden kein Einwand gegen das Lenken von Kraftfahrzeugen bestehe. Frau Dr. S N habe bestätigt, dass er seine Insulintherapie bestens beherrsche, penibel, regelmäßig und konstant durchführe und sich in Bezug auf die Therapie sehr kompetent, überdurchschnittlich verantwortungsvoll und sicher verhalte. Es sei ihm gelungen, nach fast 30jähriger Diabetesdauer weitgehend frei von Folgeschäden zu sein. Eine Einschränkung seiner Fahrtauglichkeit sei nicht gegeben und werde auch künftig keine abweichende Entwicklung im Vergleich zur nicht-diabetischen Bevölkerung nehmen, wobei aufgrund der sehr guten Stoff­wechsel­führung auch keine Rechtfertigung für eine weitere Befristung der Lenk­berechtigung bestehe. Herr Dr. E S habe ebenfalls festgehalten, dass er regel­mäßig zur augenärztlichen Kontrolle erscheine und am Fundus ganz vereinzelt diabetische Netzhautveränderungen vorlägen, sodass gegen das Lenken von Kraft­fahrzeugen keinerlei Einwand bestehe, zumal es seit Jahren zu keiner Ver­schlech­terung gekommen sei. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes allgemein betrachtet könne bei jedermann zum Verlust oder der Einschränkung der gesund­heitlichen Eignung führen; warum bei ihm damit zu rechnen sein werde, habe die Erstinstanz nicht festgestellt. Beantragt wird daher die unbefristete Erteilung der Lenkberechtigung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz. Daraus ergibt sich, dass der Bw aufgrund Frist­ablauf am 8. Mai 2007 um Verlängerung seiner Lenkberechtigung für die Klassen Al, A und B angesucht und dazu FA-Stellungnahmen Dris S N, Fachärztin für Innere Medizin in Steyr, vom 23. April 2007 und Dris E S, Facharzt für Augenheilkunde und Optometrie in B H, vom 10. April 2007 vorgelegt hat. Obwohl weder aus internistischer noch aus ophthalmologischer Sicht Einwände gegen den unbefristeten Erhalt der Lenkberechtigung bestanden, und bei der amtsärzt­lichen Untersuchung gemäß § 8 FSG außerdem die Führung eines Blutzuckertage­buchs, das gänzliche Fehlen von "Hypo's" und das Mitführen von Traubenzucker bestätigt wurde, befand die Amtsärztin Frau Dr. Ilse P den Bw für befristet geeignet (fünf Jahre) unter der Auflage einer Nachuntersuchung mit internistischen und augenfachärztlichen Stellungnahmen und der Auflage der Verwendung einer Brille. Begründet wurde dies mit insulinpflichtiger Diabetes mellitus und diabetischen Netzhautveränderungen, somit begonnenen Folge­schäden.    

 

Im Rahmen des Berufungsverfahrens erstattete die Amtsärztin Frau Dr. Eva Wimbauer, Landessanitätsdirektion, das Aktengutachten vom 2. Juli 2007, San-235279/1-2007-Wim/Du, auf der Grundlage der vorliegenden FA-Stellungnahmen und kam zum Ergebnis, dass derzeit eine Befristung der Lenkberechtigung beim Bw nicht erforderlich sei, jedoch im Intervall von fünf Jahren regelmäßig fachärztliche Kontrolluntersuchungen durch einen Facharzt für Innere Medizin und einen Augenfacharzt wegen der "leichten Sekundärkomplikationen" in Form diabetischer Netzhautveränderungen.

Der Bw hat sich im Rahmen des Parteiengehörs in seiner Stellungnahme vom 20. Juli 2007 dagegen ausgesprochen und argumentiert, im Lichte der fachärztlich bestätigten guten Compliance sei die Vorschreibung regelmäßiger Kontrollunter­suchungen alle fünf Jahre nicht nachvollziehbar und nicht berechtigt. Verschlechter­ungen der ganz vereinzelt festgestellten Netzhautveränderungen seien nicht zu erwarten; abgesehen davon könne bei jedem gesunden Menschen eine in Zukunft auftretende Verschlechterung seines Gesundheitszustandes nicht ausgeschlossen werden – auch die Amtsärztin habe keine Gründe genannt, die das Erfordernis wiederkehrender behördlicher Überprüfungen im Ansatz rechtfertigen würden. In beiden FA-Stellungnahmen werde die Durchführung regelmäßiger Kontrollunter­suchungen, schon aus Eigeninteresse, explizit bestätigt; für eine darüber hinaus­gehende behördliche Observanz bestünde nicht die geringste Veranlassung.  Außer­dem verursache die Einholung fachärztlicher Stellungnahmen nicht uner­hebliche Kosten und es bestehe für solche Kontrolluntersuchungen keine rechtliche Grund­lage. Beantragt wird die unbefristete Erteilung der Lenkberechtigung ohne neue Auflagen zusätzlich zu der des Tragens einer Brille.  

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 3 Abs.1 Z3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken.

Gemäß § 8 Abs.2 FSG-GV kann, wenn eine fortschreitende Augenkrankheit festge­stellt oder angegeben wird, eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen erteilt oder belassen werden.

Gemäß § 11 Abs.1 FSG-GV darf Zuckerkranken eine Lenkberechtigung nur nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme erteilt oder belassen werden.

Gemäß § 3 Abs.5 FSG-GV kann Personen mit einer fortschreitenden Erkrankung eine Lenkbe­rech­tigung befristet erteilt oder belassen werden unter der Auflage ärzt­licher Kontroll­unter­suchungen und amtsärztlicher Nachuntersuchungen. Die Auflage kann aufge­hoben werden, sobald sich die Erkrankung oder Behinderung stabilisiert hat.

 

Liegt keine fortschreitende Erkrankung gemäß § 3 Abs. 5 FSG-GV (mehr) vor, ist bei der Erteilung der Lenkberechtigung deren gleichzeitige Befristung im Sinne einer Versagung einer Lenkberechtigung für die Zeit nach dem angenommenen Fristende hinaus unter Auflage von Kontrolluntersuchungen und Nachuntersuchungen unzulässig (vgl VwGH 20.4.2004, 2003/11/0315).

Die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinn des § 8 Abs.3 Z2 FSG ist nur dann gegeben, wenn eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Es bedarf daher konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesund­heitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für bestimmte Zeit vorhanden ist, aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl VwGH 18.1.2000, 99/11/0266; 24.4.2001, 2000/11/0337; 24.11.2005, 2004/11/0121).

 

Auf der Grundlage der FA-Stellungnahmen Dres  N und S besteht beim seit 1978 an Diabetes mellitus erkrankten Bw, der seine Insulin-Therapie schon aus Eigeninteresse sehr gewissenhaft durchführt, bei dem keine erheblichen Blutzucker­schwankungen und keine Schäden an den Nieren vorliegen und bei dem es noch nie zu Fremdhilfe erforderlich machenden Entgleisungen gekommen ist, keine Grund­lage für eine Befristung der Lenkberechtigung, zumal im Vergleich zur nicht­diabetischen Bevölkerung kein erhöhtes Unfallrisiko besteht und auch künftig keine abweichende Entwicklung der Fahrtauglichkeit zu erwarten ist. Aus internistischer Sicht hat damit die Erkrankung des Bw eine Stabilisierung erreicht, die das Vorliegen einer fortschreitenden Erkrankung im Sinne des § 3 Abs.5 FSG-GV ausschließt.

Einzig die vom Augenfacharzt bestätigten ganz vereinzelten diabetischen Netzhaut­ver­­änderungen in Form von Mikroaneurysmen, die von beiden Amtsärztinnen als Folgeschaden der Diabetes eingestuft wurden, waren Grundlage für die in den Gutachten gemäß § 8 FSG angenommene bedingte Eignung. Dabei waren beim Gesichtsfeld, beim Dämmerungssehen, beim Farbsinntest und beim Augendruck keine Auffällig­keiten festzustellen und die als Auflage vom Bw akzeptierte Korrektur mittels Brille wurde augenfachärztlich bestätigt. Der Augenarzt merkt jedoch an, dass eine gute Blutzuckereinstellung sowie regelmäßige und pünktlich eingehaltene Funduskontrollen unbedingt erforderlich sind, wenngleich von ophthalmologischer Seite kein Einwand gegen das Lenken von Kraftfahrzeugen besteht.

 

Aus der Sicht des UVS ist allein im bloßen Vorliegen von "ganz vereinzelten" Mikroaneurysmen keine ausreichende Grundlage im Sine des § 8 Abs.2 FSG-GV für die Vorschreibung von Nachuntersuchungen bzw fünf­jährlich wiederkehrenden Kontroll­untersuchungen zu finden, zumal auch nach Aussage des Augenfacharztes eine grundsätzliche gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen besteht. Dass bei solchen geringfügigen Netzhaut­veränderungen eine Verschlechterung, nachvollziehbar abhängig von der allerdings bisher einwandfrei verantwortungsvollen Gesund­heits­vorsorge des Bw, nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, liegt auf der Hand, jedoch ist vom Ausmaß der Netzhautver­änderungen her eine Einschränkung oder gar ein Wegfall seiner gesundheitlichen Eignung nicht von vornherein zu erwarten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

Diabetes mellitus mit ganz geringfügigen Netzhautveränderungen lt. Augenfacharzt -> kein Anlass für Befristung der LB unter Vorschreibung von Nach- oder Kontrolluntersuchungen

 

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