Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-521652/14/Ki/Da

Linz, 12.07.2007

 

                                                          E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des Herrn P S, L, G, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W W, L, P, vom 30.5.2007, gegen den Bescheid der BPD Linz vom 14.5.2007, AZ: FE-157/2007, wegen Entziehung der Lenkberechtigung nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 11.7.2007 zu Recht erkannt:

 

       Der Berufung wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid wird behoben.

 

Rechtsgrundlage:

zu  I: § 66 Abs.4 und § 67a AVG iVm §§ 7 und 24 FSG; § 64 Abs.2 AVG.

 

 

                                                     Entscheidungsgründe:

 

I.1. Mit Mandatsbescheid vom 9.2.2007, AZ: FE-157/2007, hat die BPD Linz dem Berufungswerber die am 14.3.2001, unter Zl. F 1068/2001, für die Klassen A, B erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von 4 Monaten gerechnet ab 2.2.2007 entzogen. Weiters wurde ausdrücklich das Lenken eines Motorfahrrades, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder Invalidenkraftfahrzeuges für die Dauer von 4 Monaten gerechnet ab 2.2.2007 verboten und die Absolvierung einer Nachschulung für alkoholauffällige Lenker angeordnet.

 

Nach einer gegen diesen Mandatsbescheid fristgerecht eingebrachten Vorstellung hat die BPD Linz mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid den Mandatsbescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass zusätzlich bis spätestens zum Ablauf der Dauer der Entziehung ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A und B, sowie die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme verlangt wurde. Zudem wurde für die Dauer der Entziehung das Recht aberkannt, von einer allfälligen ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Gemäß § 64 Abs. 2 AVG wurde einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber mit Schriftsatz vom 30.5.2007 Berufung erhoben und beantragt den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben.

 

Diese Berufung wurde von der BPD Linz dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt, der hatte, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 11.7.2007. An dieser Verhandlung nahmen der Berufungswerber im Beisein seines Rechtsvertreters, ein Vertreter der belangten Behörde und als Sachverständiger der Amtsarzt der BPD Linz, Dr. F G, teil. Als Zeugen wurden die Meldungsleger Insp. R G und Insp. T T (beide PI. Mödling) einvernommen.

 

4. Laut Anzeige der PI. Mödling vom 2.2.2007 soll der Berufungswerber am 2.2.2007 um 03:25 Uhr einen PKW in der Gemeinde Wienerwald in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt haben. Ein um 03:58 Uhr durchgeführter Alkotest ergab einen gemessenen Atemluftalkoholgehalt von 0,76 mg/l, das sind ca. 1,52 Promille Blutalkoholgehalt.

 

In der Anzeige wurde vermerkt, am 2.2.2007 um 03:12 Uhr habe ein unbekannter Anrufer angegeben, dass zwischen Sittendorf und der Autobahnauffahrt ein PKW im Graben stehe und der Lenker offensichtlich alkoholisiert sei. Beim Eintreffen der Beamten sei der PKW mit den Vorderrädern im Graben neben der Straße stehend wahrgenommen worden, das Fahrzeugheck habe in die Fahrbahn geragt. Der Motor des KFZ sei gelaufen und der Beschuldigte sei neben dem KFZ gestanden. Er habe angegeben, dass er beim Umkehren von der Straße abgekommen und mit den Vorderrädern in den Graben neben der Straße gerutscht sei.

 

Ausgeführt wurde in der Anzeige weiters: "Angaben über Alkoholgenuß vor dem Lenken: ja", "Menge und Art der Getränke: 2 Schnäpse" sowie "Letzter Alkoholkonsum vor der Atemluftmessung: 02.02.2007, 03:00 Uhr".

 

Die Berufung wird im Wesentlichen damit begründet, dass Herr S das Kraftfahrzeug nicht in einem durch Alkohol beeinträchtigtem Zustand gelenkt oder in Betrieb genommen habe bzw das Fahrzeug nach dem Unfall fahruntüchtig gewesen sei. Er sei am Abend des 1.2.2007 nach einer heftigen Auseinandersetzung mit seinem Dienstgeber über die A 1 und in weiterer Folge über die A 21 in Richtung des Flughafens Schwechat gefahren. Bei der Raststation Alland habe er sechs kleine Fläschchen Wodka Eristoff mit einem Inhalt von jeweils 4 cl gekauft. Er habe die Absicht gehabt, diese Flaschen während des Wartens auf seinen Abflug zu trinken.

 

Kurz danach habe er seine Absicht geändert und sei umgekehrt, um wiederum auf der A 21 und A 1 nach Linz zurückzufahren. Kurze Zeit nach dem Umkehren habe er den Eindruck gehabt, sich verfahren zu haben bzw möglicherweise in die falsche Richtung zu fahren. Er sei daher von der Autobahn abgefahren, um sich bei nächster Gelegenheit von den Örtlichkeiten zu überzeugen. Mangels jeglicher Ortskenntnisse sei er dabei schlußendlich auf eine ihm nicht bekannte Straße geraten, auf der er umkehren wollte. Beim Versuch auf dieser schmalen Straße umzukehren sei er mit den Vorderrädern in den Straßengraben gefahren und stecken geblieben. Es sei ihm unmöglich gewesen, den PKW wieder in Gang zu bringen. Der PKW sei nicht mehr fahrfähig gewesen und habe von der Feuerwehr geborgen und von der Unfallstelle entfernt werden müssen.

 

Er habe auch mit dem ÖAMTC telefoniert, um ein Pannenfahrzeug herbeizuholen. Nachdem sich herausgestellt habe, dass der Berufungswerber vom ÖAMTC nicht geortet werden und demnach auch vom ÖAMTC kein Pannenfahrzeug zur Unfallstelle entsandt werden konnte, um den Berufungswerber samt seinen PKW zu bergen, habe er eine größere Anzahl der kurz zuvor gekauften Schnapsfläschchen ausgetrunken.

 

In der mündlichen Berufungsverhandlung führte dann Herr S aus, er sei um 22.00 Uhr von Linz weggefahren, in der Raststätte Alland, wo er sich lediglich fünf Minuten aufgehalten habe, habe er die erwähnten Fläschchen Wodka Eristoff gekauft. Der Unfall habe sich kurz danach um ca. 00.00 Uhr ereignet. Er habe dann zunächst versucht, das Fahrzeug wieder flott zu bekommen, auch habe er mit seiner Gattin telefoniert. Nachdem es ihm nicht gelungen ist das Fahrzeug flott zu bekommen, habe er ca. 1 3/4 Stunden nach dem Vorfall beim ÖAMTC angerufen.

 

Es seien dann die Polizeibeamten in Begleitung von zwei Feuerwehrautos erschienen und er sei zunächst gefragt worden, ob er verletzt sei und nachdem er dies verneint habe, ob er etwas getrunken hätte. Er habe daraufhin geantwortet, das letzte was er getrunken habe, seien zwei Schnapserl gewesen. Er habe deshalb nur zwei Fläschchen angegeben, weil er gefragt wurde was er zuletzt getrunken habe.

 

Weiters legte der Berufungswerber eine Bestätigung der Firma Mercedes Gusenbauer vor, wonach bei der Vorbesichtigung des beschädigten Fahrzeuges  in der Ablage der Fahrertür mehrere leere Minihartgetränkefläschchen aufgefallen sind, diese Angabe wurde von Herrn G sen. in einem Telefonat mit dem Verhandlungsleiter im Rahmen der Verhandlung ausdrücklich bestätigt.

 

Insp. G bestätigte bei seiner zeugenschaftlichen Aussage im Wesentlichen die in der Anzeige gemachten Angaben, führte jedoch ergänzend dazu aus, dass außerhalb des Fahrzeuges im Bereich der offenen Fahrertür mehrere 2 cl oder allenfalls 4 cl fassende Schnapsfläschchen gelegen sind. Es  habe sich dabei um 5 bis 6 Fläschchen gehandelt. Den Alkotest habe seine Kollegin durchgeführt, die dazugehörigen Fragen an den Probanden wären standartmäßig erfolgt.

 

Insp. T bestätigte, dass sie den Alkotest durchgeführt hat, sie habe Herrn S auch gefragt, ob er alkoholische Getränke konsumiert habe, er habe daraufhin ihr gegenüber angegeben, dass er um 3.00 Uhr zwei Schnäpse konsumiert hätte. Leere Alkoholgebinde neben dem Fahrzeug seien ihr nicht aufgefallen, sie habe aber nicht explizit danach gesucht.

 

Übereinstimmend erklärten beide Zeugen, dass Herr S nicht sehr kommunikativ gewesen sei, über den genauen Unfallzeitpunkt finden sich weder in der Anzeige Angaben, noch konnten die Beamten bei der mündlichen Verhandlung konkrete Angaben machen.

 

Nach der sogenannten "Widmark Formel" errechnete der Amtsarzt im Rahmen der mündlichen Verhandlung, dass der Konsum von 6 Fläschchen Wodka mit einem Alkoholgehalt von 37,5 Vol.% unter Berücksichtigung des Resorptionsdefizites einen Blutalkoholgehalt von 1,22 Promille bewirkt, dies jedoch ohne Zeitfaktor.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat wie folgt erwogen:

 

5.1. Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis Z4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt als verkehrszuverlässig eine Person, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 leg.cit. insbesondere zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen hat und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat.

 

Der von der Erstbehörde angenommene Sachverhalt würde eine Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 bilden. Nachdem wegen des ggstl. Sachverhaltes bei der zuständigen Behörde (BH. Mödling) zwar ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet wurde, dieses jedoch noch nicht abgeschlossen ist, wird seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes selbständig vorgenommen.

 

Festgestellt wird zunächst, dass das ggstl. Berufungsverfahren zwar als Administrativverfahren geführt wird, entscheidungswesentlich jedoch ein auch verwaltungsstrafrechtlicher Tatbestand ist. Dementsprechend muss auch in diesem Verfahren bei der Frage, ob eine bestimmte Tatsache verwirklicht wurde, der Grundsatz "in dubio pro reo" Anwendung finden. Dieser Grundsatz ist eine Regel für jene Fälle, in denen im Wege des Beweisverfahrens und anschließender freier Würdigung der Beweise in dem entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfes erzeugt werden konnte.

 

In freier Würdigung sämtlicher zur Verfügung stehender Beweise erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass im vorliegenden Fall nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden kann, der Berufungswerber habe den PKW vor dem Unfall in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und daher auch eine die Verkehrsunzuverlässigkeit indizierende bestimmte Tatsache verwirklicht. Es finden sich weder in der Anzeige der PI. Mödling konkrete Angaben über den Unfallszeitpunkt noch konnten die Meldungsleger solche Angaben in der mündlichen Berufungsverhandlung machen.

 

Andererseits erklärte der Berufungswerber schlüssig, dass sich der Unfall  bereits um ca. 00.00 Uhr ereignete und er in der Folge 1 3/4 Stunden lang versucht habe, das Fahrzeug wieder flott zu bekommen. Erst danach habe er beim ÖAMTC angerufen, doch konnte ihm von dort keine Hilfe gewährt werden. Im Laufe des Geschehens  habe er dann die 6 zuvor in der Raststätte Alland eingekauften Wodka-Eristoff Fläschchen leer getrunken.

 

Die erkennende Berufungsbehörde verkennt nicht die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein Nachtrunk bei erster sich bietender Gelegenheit gegenüber den Organen der Straßenaufsicht anzugeben ist, wobei auch Art, Zeit und Menge der Konsumation zu spezifizieren wäre, im ggstl. Falle erscheint es jedoch nicht unbedingt als denkunmöglich, dass Herr S die Frage der Polizeibeamtin T nach zuletzt getrunkenem Alkohol tatsächlich nur auf die unmittelbar vor dem Eintreffen der Beamten konsumierte Menge bezogen hat.

 

Massiv für die Glaubwürdigkeit der entlastenden Nachtrunkbehauptung spricht auch, dass Inps. G mehrere Schnapsfläschchen neben dem Fahrzeug im Bereich der Fahrertür liegen sah, wobei es auch durchaus nicht als denkunmöglich erachtet wird, dass die Organe der Feuerwehr diese Fläschchen im Zuge der Bergung des Fahrzeuges in die Ablage der Fahrertür gegeben haben (siehe o.a. Bestätigung der Fa. Mercedes Gusenbauer).

 

Schließlich lässt auch eine Berechnung nach der Widmarkformel keinen gravierenden Widerspruch erkennen.

 

In Anbetracht all dieser Umstände könnte nach Auffassung der Berufungsbehörde Herrn S nicht mit einer zur Bestrafung führenden Sicherheit der Tatvorwurf nachgewiesen werden, weshalb auch die von der Erstbehörde angenommenen Verkehrsunzuverlässigkeit nicht erwiesen werden kann. Der Entzug der Lenkberechtigung und die weiteren in den erstbehördlichen Bescheiden angeordneten Verbote bzw Maßnahmen waren daher in Stattgebung der Berufung zu beheben.

 

5.2. Gemäß § 64 Abs.2 AVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung (einer Berufung) ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse einer Partei oder des öffentlichen Wohles wegen Gefahr in Verzug dringend geboten ist.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gemäß dieser Bestimmung im Fall des Entzuges der Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit aufgrund des Interesses des öffentlichen Wohles wegen Gefahr in Verzug immer geboten (VwGH 89/11/0252 vom 20.2.1990 u.a.).

 

Im gegenständlichen Fall hat die BPD Linz die Verkehrsunzuverlässigkeit des Berufungswerbers prognostiziert und konsequenterweise im Sinne dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die aufschiebende Wirkung einer Berufung zu Recht ausgeschlossen.

 

 

 

                                                     Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

                                                                    Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180  Euro zu entrichten.

 

Weiters wird darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall Stempelgebühren in Höhe von 13 Euro angefallen sind.

 

 

 

 

                                                                Mag. K i s c h

 

                                                                                                                                                      

 

 

Beschlagwortung:

Nicht zu widerlegende Nachtrunkbehauptung in der mündlichen Berufungsverhandlung

 

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