Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230983/2/Gf/Mu/Ri

Linz, 13.08.2007

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Berufung des I A, vertreten durch RA Dr. B, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­manns von Kirchdorf vom 11. Juli 2007, Zl. Sich96-28-2007-Sk, wegen mehrfacher Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes zu Recht erkannt:

 

I.    Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als das angefochtene Straf­erkenntnis aufge­hoben  wird.

 

II.   Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Straf­verfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungs­senat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG iVm. § 66 Abs. 4 AVG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Kirchdorf vom 11. Juli 2007, Zl. Sich96-28-2007-Sk, wurden über den Rechtsmittelwerber zwei Geldstrafen in Höhe von jeweils 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 5 Tage) und drei Geldstrafen in Höhe von jeweils 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 3 Tage) verhängt, weil er sich einerseits seit dem 11. Mai 2004 als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, da seine Aufenthaltsbewilligung nach einem mehr als sechsjährigen stän­digen Aufenthalt in der Türkei mit seiner Familie gegen­standslos geworden sei, und er es andererseits als gesetzlicher Vertreter seiner minder­jährigen Kinder zu verantworten habe, dass er durch ihre Mitnahme nach Österreich deren ebenfalls nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet in Kauf genom­men habe. Dadurch habe er mehrere Übertretungen des § 120 i.V.m. § 31 des Fremden­polizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005 (im Folgenden: FPG), be­gangen, weshalb er nach der erstgenannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der ihm zur Last gelegte Sachverhalt zufolge des Ergebnisses des Ermittlungs­verfahrens als erwiesen anzusehen sei.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien keine Milderungsgründe hervorgekommen, während drei einschlägige Verwaltungsvorstrafen sowie die hartnäckige Weigerung, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen, als besonders erschwerend gewertet werden habe müssen. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien mangels entspre­chender Mitwirkung und unter Berücksichtigung, dass bekannt gewesen sei, dass der Rechtsmittelwerber seit 12. April 2006 als Leasingarbeiter beschäftigt gewesen sei, von Amts wegen zu schätzen gewesen.

 

1.2. Gegen dieses ihm am 13. Juli 2007 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 27. Juli 2007 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

 

Darin bringt der Beschwerdeführer vor, dass der ihm im Spruch angelastete Tatvor­wurf denkunmöglich sei, weil ihm zwei Straferkenntnisse zugestellt worden seien und ihm damit zugleich angelastet worden sei, dass er sich seit 11. Mai 2004 unrecht­mäßig im Bundesgebiet aufhalte, aber anderseits von einem Tatbeginn mit 3. Jänner 2006 die Rede sei. Es liege daher offensichtlich eine gesetzwidrige Doppel­bestrafung vor. Darüber hinaus sei ignoriert worden, dass ihm bis zum Abschluss des noch anhängigen Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof, in dem die seines Erachtens verfassungswidrige Bestimmung des § 10 Abs. 3 Z. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes aufgehoben werden müsse, ein Aufenthaltsrecht zukomme. Im Übrigen sei die verhängte Strafe überhöht.

 

Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Erteilung einer bloßen Ermahnung beantragt.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf zu Zl. Sich96-28-2007; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.


 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 31 FPG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2.180 Euro zu bestrafen, der sich als Fremder ohne gültigen Aufenthaltstitel und somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

 

Nach § 44a Z. 1 VStG muss der Spruch die als erwiesen angenommene Tat enthalten; eine in diesem Zusammenhang unabdingbare Voraussetzung ist nach der insoweit ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Festlegung der Tat­zeit und des Tatorts.

 

3.2.1. Diesem letztgenannten Erfordernis wird der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses aber schon insoweit nicht gerecht, als es – wie sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt ergibt – für den Tag der Wiedereinreise in Österreich keinerlei objektiv nachvollzieh­bare Feststellungen gibt.

 

In diesem Zusammenhang hat die Erstbehörde nämlich nur an Hand einer ZMR-Anfrage (aus der ersichtlich ist, dass der Rechtsmittelwerber am 11. Mai 2004 seinen Wohnsitz in St. Pölten und in der Folge am 9. August 2004 in Grünburg angemeldet hat) und auf Grund des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 21. November 2006, Zl. B1794/06-4 (mit dem seinem Antrag, einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen, keine Folge gegeben wurde) geschlossen, dass der Beschwerdeführer mit dem Tag der ersten Meldungs­legung wieder nach Österreich zurückgekehrt ist; entsprechende, diese Vermutung belegende Tatsachenfeststellungen liegen hingegen nicht vor.

 

Auch hinsichtlich der minderjährigen Kinder hat sich die belangte Behörde ausschließlich auf Daten von Computeraus­drucken (mit dem Titel "Aufent­haltsgesetz, Fallübersichten [Sichtvermerk]" vom 18. Mai 2007) gestützt und daraus die angelastete Tatzeit geschlossen.

 

Dem gegenüber hätte die belangte Behörde aber vielmehr zielgerichtet zu ermitteln gehabt, an welchem Tag der Rechtsmittelwerber mit seinen Kinder tatsächlich wieder ins Bundesgebiet eingereist ist (z.B. indem sie Feststellungen darüber trifft, ob sich er und seine Kinder tatsächlich an der gemeldeten Wohnsitzadresse aufhalten; im Zweifelsfall wäre sodann nur der Tag dieser Kontrolle als Tatzeitpunkt anzulasten gewesen).

 

3.2.2. Selbst wenn die zuvor aufgezeigten Mängel nicht bestanden hätten, wäre aber der Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses auch in Bezug auf § 44a Z. 2 VStG mangelhaft geblieben, weil in diesem jegliche formelle und inhaltliche Bezugnahme auf § 31 FPG fehlt.

 

In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof schon zur insoweit inhaltlich und systematisch vergleichbaren Vorgängerbestimmung des § 107 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes, BGBl.Nr. I 75/1997 (im Folgenden: FrG), bereits mehr­fach ausge­sprochen, dass unter dem Aspekt des § 44a Abs. 1 VStG eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet nur dann in Betracht kommt, wenn im Spruch des Straferkenntnisses sämtliche der im § 31 Abs. 1 FrG (nunmehr: § 31 Abs. 1 FPG) angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthalts nicht gegeben sind; im Spruch des Straferkenntnisses ist die als erwiesen ange­nommene Tat daher – um den Anforderungen des Konkretisierungsgebotes zu entsprechen – stets durch explizite Verneinung aller in § 31 Abs. 1 FPG genannten alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts zu umschreiben (vgl. in diesem Sinne zuletzt z.B. VwGH vom 23. November 2004, Zl. 2003/21/0142, m.w.N.).

 

3.2.3. Im Ergebnis wurde damit aber dem Beschwerdeführer eine Tat angelastet, die er jedenfalls so nicht begangen hat, wobei für ihn auch nicht von vornherein zweifelsfrei erkenn- und nachvollziehbar war, welche Verfehlung ihm konkret zur Last gelegt werden sollte.

 

3.3. Darüber hinaus ist anzumerken, dass die belangte Behörde den Rechtsmittelwerber hinsichtlich seiner Kinder allenfalls nur als Anstifter gemäß § 7 VStG hätte  bestrafen dürfen (wobei diese Bestimmung auch ausdrücklich im Spruch anzuführen gewesen wäre). Seine minderjährigen Kinder können hingegen mangels Strafmündigkeit ad personam nicht bestraft werden.

 

3.4. Der gegenständlichen Berufung war daher schon aus diesen formalen Gründen gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 VStG stattzugeben und das angefochtene Straf­erkenntnis aufzuheben. Eine entsprechende Spruchkorrektur – nämlich insbesondere wegen dessen Nichtentsprechung im Hinblick auf § 44a Z. 1 und Z. 2 VStG – kam hingegen schon von vornherein nicht in Betracht, weil der Oö. Verwal­tungssenat von Verfassungs wegen (vgl. Art. 129 ff B-VG) nicht (auch) als eine Anklage- und Ermittlungsbehörde, sondern ausschließlich als ein Kontrollorgan zu fungieren hat.

 

Im Hinblick auf die wegen der Anlastung eines Dauerdeliktes noch offene Verfolgungsverjährungsfrist war andererseits aber auch eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens nicht zu verfügen; ob bzw. in welchem Umfang dieses Verfahren weitergeführt wird, hat vielmehr die belangte Behörde aus eigenem zu beurteilen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr.  G r o f

 

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