Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720177/4/SR/Ri

Linz, 17.08.2007

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag Stierschneider aus Anlass der "Berufungsergänzung" des O T, vertreten durch die W Rechtsanwalts GmbH, Rechtsanwalt Dr. W L W, Wstraße, B, betreffend den Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 21. Februar 2007, Zl. Fr-96.702, erkannt:

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreichs ist zur Entscheidung über diese "Berufung" sachlich nicht zuständig. Die Anträge des Berufungswerbers werden zurückgewiesen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG.

 

 

Begründung:

 

 

1. Der Beschwerdeführer, ein marokkanischer Staatsangehöriger, geboren am 25. Juli 1972, derzeit in Strafhaft, war laut eigenen Angaben mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und verfügte bis zum 8. September 2006 über eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck.

 

1.1. Laut Aktenlage war der Beschwerdeführer von 1996 bis zum 8. September 2006 legal in Österreich. Vorerst hielt er sich aufgrund einer Aufenthaltserlaubnis (Student) und in der Folge aufgrund einer Niederlassungsbewilligung (Eheschließung mit einer österreichische Staatsangehörigen) rechtmäßig in Österreich auf. Nach der Scheidung am 6. Mai 2004 (BG Linz, 3C 107/03 t -12) wurde ihm ein Aufenthaltstitel für jeglichen Aufenthaltszweck erteilt.  

 

1.2. Mit Urteil des LG Graz vom 19. April 2006, rechtskräftig seit 3. Mai 2006, 8 Hv 2/06 t, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Freiheitsstrafe von 30 Monaten wegen Verbrechen und Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz verhängt.

 

1.3. Mit Bescheid des Sicherheitsdirektors für das Bundesland Oberösterreich vom 1. September 2006, St-153/06, wurde der Berufung gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 14. Juli 2006, Fr-96.702, keine Folge gegeben und das auf 10 Jahre befristete Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich bestätigt.

 

1.4. Der Antrag des Beschwerdeführers vom 8. Jänner 2007 auf Aufhebung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes wurde mit Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 21. Februar 2007, FR-96.702, abgewiesen.

 

1.5. Innerhalb offener Frist hat der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung eingebracht. Die zuständige Fremdenpolizeibehörde hat entsprechend der Berufung den zugrundeliegenden Akt zur Entscheidung vorgelegt. Das Berufungsverfahren ist derzeit bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich anhängig. 

 

1.6.1. Mit Fax vom 3. August 2007 hat der Beschwerdeführer, nunmehr vertreten durch die W Rechtsanwalts GmbH, eine Berufungsergänzung eingebracht und die Aufhebung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes durch den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich beantragt.

 

1.6.2. In der Antragsbegründung führt der Rechtsvertreter aus, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war und über eine Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck verfüge. Daraus und aus der Tatsache, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen kooperationsintegrierten Staatsbürger handle, schließt der Rechtsvertreter, dass der Beschwerdeführer speziellen Sonderbestimmungen unterliege und somit der Unabhängige Verwaltungssenat die zuständige Berufungsinstanz sei.

 

Der Berufungsbescheid der Oö. Sicherheitsdirektion vom 1. September 2006 sei von der unzuständigen Behörde ergangen und da das Aufenthaltsverbot nicht von einem Unabhängigen Verwaltungssenat geprüft worden sei, sei dieser unwirksam.

 

Nachdem der Beschwerdeführer mehrere Jahre mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen und von dieser wegen angenommener Suchtgiftabhängigkeit geschieden worden sei, wäre er als Angehöriger einer Österreicherin zu betrachten. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer aufgrund seines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck" den "Status eines kooperationsintegrierten marokkanischen Staatsbürgers". Nach den Grundsätzen der Entscheidungen Dörr und Ünal vom 2.6.2005, Rs. C-136/03, könne daher nur ein vom Unabhängigen Verwaltungssenat bestätigtes Aufenthaltsverbot vollstreckbar sein.

 

Abschließend wird u.a. die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

 

2. Mit Schreiben vom 8. August 2007 hat der Oö. Verwaltungssenat die Oö. Sicherheitsdirektion um Aktenübermittlung zwecks Einsichtnahme ersucht, da der "Berufungsergänzung" der entscheidungsrelevante Sachverhalt nur unvollständig entnommen werden konnte.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und unter Berücksichtigung der "Berufungsergänzung" festgestellt, dass die gestellten Anträge mangels Zuständigkeit zurückzuweisen sind.

 

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Nach der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 99/2006 (im Folgenden: FPG), entscheiden, sofern nicht anderes bestimmt ist, über Berufungen gegen Entscheidungen nach dem FPG im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern, in allen anderen Fällen hingegen die Sicherheitsdirektionen (in letzter Instanz).

 

4.2. Gemäß der - aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklichen - Legaldefinition des § 2 Abs. 4 Z. 8 FPG ist unter einem EWR-Bürger ein Fremder zu verstehen, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

 

Dieses EWR-Abkommen (BGBl. Nr. 909/1993 i.d.F. 566/1994, zuletzt geändert durch BGBl. III Nr. 53/2006) wurde zwar von zahlreichen Staaten und Staatengemeinschaften, nicht jedoch von jenem Staat (Marokko), dessen Angehöriger der Rechtsmittelwerber ist, ratifiziert. Eine Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates nach § 9 Abs. 1 Z. 1 erste Alternative FPG scheidet daher - ebenso wie eine solche gemäß § 9 Abs. 1. Z. 1 zweite Alternative FPG ("Schweizer Bürger") - schon von vornherein aus.

 

4.3. Es bleibt also zu untersuchen, ob der Beschwerdeführer als ein "Begünstigter Drittstaatsangehöriger" i.S.d. § 9 Abs. 1 Z. 1 dritte Alternative i.V.m. § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG anzusehen ist.

 

4.3.1. Unter einem (bloßen) "Drittstaatsangehörigen" ist gemäß § 2 Abs. 4 Z. 10 FPG jeder Fremde, der nicht EWR-Bürger ist (vgl. FN 2), zu verstehen.

 

4.3.2. Nach § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG gelten dem gegenüber als "Begünstigte Drittstaatsangehörige" solche Fremde, die zwar selbst nicht EWR-Bürger, aber entweder der Ehegatte oder (eigene) geradlinig Verwandte (bzw. geradlinig Verwandte des Ehegatten) eines EWR-Bürgers, eines Schweizer Bürgers oder eines Österreichers, der - soweit überhaupt möglich - sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat, sind. Hinsichtlich derartiger geradlinig Verwandter ist weiters insofern zu unterscheiden, als den in gerader absteigender Linie Verwandten dieser Status jeweils bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres (bzw. darüber hinaus, sofern ihnen tatsächlich Unterhalt gewährt wird) zukommt; den in gerader aufsteigender Linie Verwandten hingegen nur, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird und ein solcher Drittstaatsangehöriger den freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder Österreicher, von dem sich seine gemeinschaftsrechtliche Begünstigung herleitet, tatsächlich begleitet oder diesem nachzieht.

 

Um die Stellung eines "Begünstigten Drittstaatsangehörigen" erlangen zu können, muss der EWR-Bürger oder der Österreicher sein "Recht auf Freizügigkeit" in Anspruch genommen haben.

 

Nach § 2 Abs. 4 Z. 15 FPG ist unter "Recht auf Freizügigkeit" das gemeinschaftliche Recht eines EWR-Bürgers, sich in Österreich niederzulassen, zu verstehen. Das "Recht auf Freizügigkeit" für einen Österreicher lässt sich aus dem Gemeinschaftsrecht oder den - umgesetzten - nationalen Vorschriften jenes Staates entnehmen, in dem er sein Niederlassungsrecht in Anspruch nehmen möchte.

 

Nur jene EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen und sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufgehalten haben, sind unter den Voraussetzungen des § 51 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 31/2006 (im Folgenden: NAG) zur Niederlassung berechtigt und als freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger anzusehen. Auch Österreicher müssen, um als Freizügigkeitsberechtigte betrachtet werden zu können, ihr Recht auf Freizügigkeit in einem von ihnen gewählten EWR-Mitgliedstaat in Anspruch genommen und sich dort entsprechend den umgesetzten nationalen Rechtsvorschriften länger als drei Monate aufgehalten und in der Folge niedergelassen haben.

 

4.3.3. Aus dem zur Einsicht vorgelegten Akt geht hervor, dass der Rechtsmittelwerber mit einer Österreicherin verheiratet war, die offensichtlich weder zum Zeitpunkt der Eheschließung noch in der Folge ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat. Derartiges wird auch von ihm selbst gar nicht behauptet.

 

Mangels aufrechter Ehe und mangels Inanspruchnahme der Freizügigkeit der Bezugsperson ist der Beschwerdeführer nicht als "Begünstigter Drittstaatsangehöriger" i.S.d. § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG anzusehen.

 

Weder im FPG 2005 noch in der derzeit geltenden Fassung des AVG 1991 (anders in der geplanten AVG-Novelle: siehe § 36a Abs. 2) ist vorgesehen, dass eine durch die Ehe begründete Angehörigeneigenschaft im Falle der Auflösung der Ehe bestehen bleibt.

 

4.3.4. Im Ergebnis ist daher - weil auf den vorliegenden Fall keine der dort angeführten Alternativen zutrifft - eine Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates nach § 9 Abs. 1 Z. 1 FPG nicht gegeben; vielmehr fällt es nach dem in § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG normierten Auffangtatbestand in die Kompetenz der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich, über die vorliegende Berufung zu entscheiden.

 

4.4. Aus allen diesen Gründen hatte der Oö. Verwaltungssenat also - weil in der gegenständlichen "Berufungsergänzung" ausdrücklich die Entscheidung durch den Oö. Verwaltungssenat beantragt worden war  - in Anwendung des § 66 Abs. 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 AVG bescheidmäßig seine Unzuständigkeit festzustellen.

 

5. Diesem Ergebnis kann auch nicht eine vermeintlich gegenteilige Judikatur des EuGH (Grundsätze der Entscheidung Dörr und Ünal vom 2.6.2005, Rs. C-136/03) entgegen gehalten werden, die im Ergebnis eine auf dem sog. "Assoziationsratsbeschluss" basierende Stärkung der Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger zu bezwecken scheint.

 

5.1. Der Beschluss des Assoziationsrates Nr. 1/80 vermittelt nämlich lediglich jenen türkischen Arbeitnehmern weitergehende Rechte auf Arbeit und Aufenthalt, die zuvor den ersten Integrationsschritt eines rechtmäßigen Zugangs zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaats vollzogen haben. Hingegen ist damit ein allgemeines Zuzugsrecht eines türkischen Arbeitnehmers aus seinem Heimatstaat in die Gemeinschaft nicht verbunden. Der genannte Beschluss lässt vielmehr die Kompetenz der Mitgliedsstaaten, über die Einreise bzw. die erstmalige Erteilung einer Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis autonom zu befinden, grundsätzlich unberührt (stRsp des EuGH, vgl. z.B. im Fall G, 30. September 1997, Rs C-36/96, Rz 36 bis 38 und im Fall B, 26. November 1998, Rs C-1/97, Rz 37; s.a. Feik, Das Aufenthaltsrecht türkischer Arbeitnehmer, ZfV 1995, 8, mwN; Akyürek, Das Assoziationsabkommen EWG-Türkei, Wien 2005, 47 f;).

Im Urteil vom 7. Juli 2005, C-383/03 (Fall D), Rz 13, hat der EuGH ausdrücklich darauf hingewiesen, "dass sich aus dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 ergibt, dass ..... ein türkischer Arbeitnehmer, der rechtmäßig in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates eingereist ist und dort die Erlaubnis erhalten hat, eine Beschäftigung auszuüben, seine Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat ausüben kann".

 

Die Zugehörigkeit zum "regulären Arbeitsmarkt" setzt daher eine rechtmäßige (legale) Beschäftigung voraus (vgl. nochmals EuGH vom 26. November 1998, Rs C-1/97 [Fall B], Rz 50).

 

Das Erfordernis einer ordnungsgemäßen (legalen) Beschäftigung ist aber jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn eine Beschäftigung auf Grund eines Aufenthaltstitel ausgeübt wurde, der unrechtmäßiger Weise - insbesondere durch eine Täuschung (zB Scheinehe) - erlangt wurde (vgl. EuGH vom 5. Juli 1997, Rs C-285/95, Rz 24ff).

 

Der EuGH hat in seinem auf Grund eines Vorabentscheidungsersuchens des VwGH ergangenen Urteils vom 2. Juni 2005, C-136/03, daher auch lediglich ausgeführt, dass (nur) hinsichtlich türkischer Staatsangehöriger, die rechtmäßig eingereist sind und dem regulären Arbeitsmarkt angehören, zwar Art. 8 der Richtlinie 64/221/EWG (im Folgenden: RL 64/221) für aufenthaltsbeendende Maßnahmen grundsätzlich eine derartige Ausgestaltung des Rechtsschutzes erfordern würde, dass solche Entscheidungen einer gerichtsförmigen Kontrolle unterliegen und einem dementsprechenden Rechtsbehelf auch aufschiebende Wirkung zukommen muss. Wenn jedoch eine Garantie in diesem Umfang - wie zum damaligen Zeitpunkt in Österreich allseits unbestritten - nicht bestand, musste nach Art. 9 Abs. 1 RL 64/221 zumindest gewährleistet sein, dass eine von jener, die letztlich über die aufenthaltsbeendende Maßnahme zu entscheiden hat, verschiedene Stelle eingerichtet ist, vor der sich der Fremde entsprechend den innerstaatlichen Rechtsvorschriften verteidigen, unterstützen oder vertreten lassen kann und die zur Abgabe einer Stellungnahme berechtigt ist.

 

Diesem Erfordernis (war und) ist aber auch dann Rechnung getragen, wenn im gegenständlichen Fall - wie zuvor dargetan - die Sicherheitsdirektion als Berufungsbehörde zuständig ist. Denn z.B. nach § 15a Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 158/2005 (im Folgenden: SPG), obliegt es dem Menschenrechtsbeirat explizit, u.a. die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden, die die Sicherheitsverwaltung - wozu gemäß  § 2 Abs. 2 SPG auch die Fremdenpolizei zählt - zu besorgen haben (vgl. § 2 Abs. 1 SPG), unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Menschenrechte zu beobachten und begleitend zu überprüfen. Europarechtskonform, nämlich unter dem Blickwinkel des Art. 9 Abs. 1 der RL 64/221 interpretiert, bestünde daher für die Sicherheitsdirektion nicht nur kein Hindernis, sondern sogar die Verpflichtung, vor ihrer Entscheidung über eine Berufung aus Anlass einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme jeweils eine Stellungnahme des Menschenrechtsbeirates abzuwarten, sofern sich der Rechtsmittelwerber zuvor an diesen gewandt hat.

 

5.2. Das auf Grund eines Vorabentscheidungsersuchens des VwGH ergangene Urteil des EuGH vom 2. Juni 2005, C-136/03 bezog sich auf die Rechtslage vor der Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG (im Folgenden: Unionsbürger-RL 2004/38) durch den österreichischen Gesetzgeber. Unter Punkt 2 des Beschlusses vom 18. März 2003, Zlen EU 2003/0001, 0002-1 hatte der VwGH dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob "die Rechtsschutzgarantien der Art 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, auf türkische Staatsangehörige anzuwenden sind, denen die Rechtsstellung nach Art. 6 oder 7 des Beschlusses des - durch das Abkommen zur Gründung der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei errichteten - Assoziationsrates vom 19. September 1980, Nr. 1/80, über die Entwicklung der Assoziation zukommt".

 

Die RL 64/221 wurde durch Art. 38 Abs. 2 der Unionsbürger-RL 2004/38 mit Wirkung vom 30. April 2006 aufgehoben.

 

Durch die Unionsbürger-RL 2004/38 wurde der besondere Rechtsschutz der Unionsbürger in Bezug auf Aufenthalt und freie Bewegung im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten ausgeweitet und die wesentlichen europarechtlichen Bestimmungen geändert, ersetzt oder sogar aufgehoben. Dieser Ansatz lässt schon a priori nicht erwarten, dass der EuGH eine solche Rechtsposition auch den - wenngleich im Wege spezifischer Abkommen mitunter begünstigten - Bürgern von Drittstaaten zubilligen wird. Dies würde nämlich zu dem unverständlichen Ergebnis führen, dass Staatsangehörige von Drittstaaten - ohne dass diese Mitglied der EU sind - den Unionsbürgern vollkommen gleichgestellt wären.

 

Denn das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben wohl in Kenntnis der einschlägigen Entscheidungspraxis des EuGH und vor allem der damit verbundenen "Rechtsfortbildung durch den EuGH" in der Frage des Rechtsschutzes türkischer Staatsangehöriger - denen die Rechtsstellung nach Artikel 6 oder 7 des Beschlusses Nr. 1/80 vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation zukommt und auf die der EuGH die verfahrensrechtlichen Mindestgarantien in Artikel 8 und 9 der mit 30. April 2006 weggefallenen RL 64/221 ausgedehnt hat -, die in Rede stehende Unionsbürger-RL 2004/38 erlassen, um das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbürger zu vereinfachen und zu verstärken. Weder in der Richtlinie selbst noch in den voran dargestellten Überlegungen der Kommission, des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen findet sich aber irgendein Hinweis, dass der nunmehr wesentlich erweiterte Rechtsschutz in gleicher Weise auch auf bloß "Assoziierte" Anwendung finden sollte. Vor diesem Hintergrund und den weiteren einleitenden Erwägungen zur Unionsbürger-RL 2004/38, wo sehr wohl auch auf die Judikatur des EuGH hingewiesen und gerade auf Grund dieser Rechtsprechung und der damit verbunden Rechtsfortentwicklung eine entsprechende Umsetzung vorgenommen wurde, ist davon auszugehen, dass bei der Erlassung dieser Richtlinie der den Unionsbürgern zukommende Rechtsschutz nicht auch auf "Assoziierte" ausgedehnt werden sollte.

 

Auch die Regierungsvorlage zum "Fremdenrechtspaket 2005" (vgl 952 BlgNR, 22. GP, Seite 2) führt aus, dass mit dem vorgeschlagenen Entwurf u.a. die RL 2004/38/EG umgesetzt werden sollte. Da aber, wie bereits zuvor dargetan, der Gesetzestext des FPG 2005, mit dem der Unionsbürger-RL 2004/38 entsprochen werden sollte und auch tatsächlich entsprochen wurde, nicht einmal ansatzweise zum Ausdruck bringt, dass auch "Assoziierten" der an sich nur Unionsbürgern garantierte erweiterte Rechtsschutz zukommen soll, ist davon auszugehen, dass die Umsetzung der Unionsbürger-RL 2004/38/EG eben nur jenen in § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG 2005 genannten Personenkreis erfasst.  

 

6. Im Hinblick auf § 10 NAG ist anzumerken, dass entgegen der Ansicht des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer seit der Rechtskraft des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes (8. September 2006) keine Niederlassungsbewilligung mehr zukommt.

 

7. Die Anträge des Beschwerdeführers waren spruchgemäß zurückzuweisen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Stierschneider

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VfGH vom 1.12.2007, Zl.: B 1852, 1853/07-5

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.


VwGH vom 18.02.2009, Zl.: 2008/21/0015-0016-9

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