Linz, 20.08.2007
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des Herrn W M, geb. , B, V, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 22.5.2007, VerkR96-3799-2007, wegen Übertretung des GGBG, zu Recht erkannt:
Der Berufung wird stattgegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z2 VStG eingestellt.
Der Berufungswerber hat weder eine Geldstrafe, noch Verfahrenskostenbeiträge zu bezahlen.
Rechtsgrundlage: § 5 Abs.1 VStG
Entscheidungsgründe:
Die belangte Behörde hat über den nunmehrigen Berufungswerber (Bw) das in der Präambel zitierte Straferkenntnis – auszugsweise – wie folgt erlassen:
Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ (§ 9 VStG) der Firma V. (in) S. und somit als Zulassungsbesitzer folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Sie haben am 15.12.2004 um 13.45 Uhr im Gemeindegebiet von Semmering auf der S6 nächst dem km 25,719 (Semmeringtunnel) in Fahrtrichtung Bruck an der Mur gefährliche Güter LEERES TANKFAHRZEUG, 8, LETZTES LADEGUT, UN 2582 EISEN(III)CHLORID, LÖSUNG, III, mit dem Sattelkraftfahrzeug (Kennzeichen: VB-.... – VB-...., Beförderungsart: Tankfahrzeug)
als Zulassungsbesitzer zur Beförderung von gefährlichen Gütern verwendet, wobei an
der rechten Seite der Beförderungseinheit kein Großzettel (Placard) nach Muster 8 angebracht war, obwohl ungereinigte oder nicht entgaste leere Tankfahrzeuge für die Beförderung in loser Schüttung mit den für die vorherige Ladung vorgeschriebenen Großzetteln (Placards) versehen sein müssen.
Die Stecktafel war falsch in die Halterung eingesteckt und war der Großzettel nicht sichtbar – Unterabschnitt 5.3.1.6 ADR.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt.
§ 27 Abs.2 Z10 iVm § 13 Abs.5 Z1 und § 6 Z4 GGBG
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von | falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von | gemäß § |
72 Euro | 24 Stunden | 27 Abs.2 Z10 GGBG
|
Ferner haben Sie gemäß § 64 VStG zu zahlen:
7,20 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe
Der zu zahlende Geldbetrag (Strafe/Verfahrenskosten) beträgt daher 79,20 Euro.
Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw innerhalb offener Frist die nicht begründete Berufung vom 13.6.2007 eingebracht. Mit Niederschrift vom 10.8.2007 wurde die Begründung – iSd § 13 Abs.3 AVG rechtswirksam – nachgereicht.
Im Ergebnis hat daher der Bw innerhalb offener Frist eine begründete Berufung eingebracht!
Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 51c VStG) erwogen:
Herr J. R., geb. 1949, lenkte am 15.12.2004 um 13.45 Uhr das im erstinstanzlichen Straferkenntnis angeführte Sattelkraftfahrzeug in den Semmeringtunnel.
Während der Fahrt durch den Semmeringtunnel bemerkte der Lenker, dass das Sattelzugfahrzeug im Bereich unter bzw. hinter dem Führerhaus brannte.
Der Lenker hielt das Fahrzeug bei der ersten Bucht im Tunnel – ca. 700 m nach der Einfahrt und ca. 2.700 m vor der Ausfahrt des Tunnels – am ersten Fahrstreifen an.
Der Lenker versuchte, den Brand mit den eigenen Feuerlöschern zu bekämpfen.
Der Brand konnte vom Lenker gemeinsam mit den – vom Tunnelwart verständigten – Bediensteten der Autobahnmeisterei unter Kontrolle gehalten und von der herbeigerufenen Feuerwehr gelöscht werden.
Im darüber erstellten Protokoll der Bundespolizeidirektion Schwechat vom 23.12.2004 ist ausdrücklich angeführt:
"Das Verhalten des Gefahrgutlenkers kann im Zusammenhang mit dem Feuer als vorbildlich eingeschätzt werden."
Betreffend den "nicht angebrachten Großzettel" hat der Lenker – siehe Anzeige der Bundespolizeidirektion Eisenstadt vom 30.1.2005 – sinngemäß angegeben:
"Bezüglich des nicht angebrachten Großzettels (Placard) kann ich nur angeben, dass ich diesen bei der Entnahme des Feuerlöschers aus seiner Halterung irrtümlich umgedreht habe."
Dass in einer ausgesprochenen Notstandssituation (Fahrzeugbrand im ca. 3,4 km langen Semmeringtunnel) der – geistesgegenwärtig und vorbildlich reagierende – Lenker bei Entnahme des Feuerlöschers aus seiner Halterung den angebrachten Großzettel irrtümlich umgedreht hat, kann keinesfalls als fahrlässiges Verhalten iSd § 5 Abs.1 VStG gewertet werden.
Beim Bw – als das zur Vertretung nach außen berufene Organ des Zulassungsbesitzers – liegt daher analog dazu ebenfalls kein fahrlässiges Verhalten iSd § 5 Abs.1 VStG vor.
Es war daher
- der Berufung stattzugeben
- das erstinstanzliche Straferkenntnis aufzuheben
- das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen
- auszusprechen, dass der Bw weder eine Geldstrafe, noch Verfahrenskosten zu bezahlen hat und
- spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.
Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
Mag. Kofler
Beschlagwortung:
§ 5 Abs.1 VStG – KEIN fahrlässiges Verhalten;