Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-222137/10/Kl/Pe

Linz, 14.08.2007

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn P R, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. W N, Dr. T K, P, W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 12.4.2007, Ge96-53-2006, wegen Abweisung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 12.7.2007 zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird nicht Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 24.11.2006 als unzulässig zurückgewiesen wird.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG und § 17 Zustellgesetz.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 12.4.2007, Ge96-53-2006, wurde über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung von Einsprüchen gegen die Strafverfügungen der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 15.2.2006, Ge96-9-2006, und vom 4.4.2006, Ge96-53-2006, abgewiesen. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, dass die Sendung beim zuständigen Postamt hinterlegt wurde und die Hinterlegung rechtmäßig erfolgt sei. Die Hinterlegung sei auch dann rechtmäßig, wenn die Hinterlegungsanzeige beim Einwurf in den Briefkasten zwischen anderen Postsendungen zu liegen kommt und in der Folge vom Adressaten übersehen wird. Auch eine Beschädigung oder Entfernung der Verständigung über die Hinterlegung hindert eine gültige Zustellung nicht. Auch liege eine zulässige Abgabestelle vor. Die genannten Wiedereinsetzungsgründe liegen daher nicht vor.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und beantragt, den Bescheid aufzuheben und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben. Sowohl das Abhandenkommen der Hinterlegungsanzeige durch Zusammenfallen mit Werbematerial, Witterungsumstände oder unabsichtliches Wegwerfen durch Nachbarn als auch längere (etwa sechswöchige) Ortsabwesenheit stellen taugliche Wiedereinsetzungsgründe dar, weil es sich um einen minderen Grad des Versehens handelt. Es hätte daher Wiedereinsetzung bewilligt werden müssen. Die geltend gemachten widrigen Witterungseinflüsse gelten für die erste Zustellung im Februar 2006, die längere Abwesenheit für die zweite Zustellung im April 2006. Beides stellen Hinderungsgründe dar, um von den Strafverfügungen Kenntnis zu erhalten.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und durch ihre Vertreter teilgenommen haben. Weiters wurde der Zeuge A W geladen und einvernommen.

 

4.1. Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 4.4.2006 wurden über den Berufungswerber Geldstrafen in fünf Fällen wegen Verwaltungsübertretungen nach der Gewerbeordnung 1994 verhängt. Diese Strafverfügung wurde mit RSa-Brief nach zweitem Zustellversuch an der Anschrift in G, L, am 7.4.2006 hinterlegt. Die Sendung wurde nicht behoben und der Behörde zurückgestellt. Erst durch eine telefonische Verständigung der Vollzugsabteilung der Bezirkshauptmannschaft Gmunden am 15.11.2006 erfuhr der Berufungswerber von der Strafverfügung und erfolgte am 17.11.2006 eine Zustellung per Fax an den Rechtsvertreter des Berufungswerbers.

Vom 19.2.2004 bis 20.10.2006 bestand laut ZMR eine aufrechte behördliche Meldung an der genannten Anschrift. Seit 7.11.2006 ist der Berufungswerber in W, E, bis dato gemeldet. Mit Eingabe vom 24.11.2006 wurde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie ein Einspruch gegen die Strafverfügung eingebracht.

Der Berufungswerber hat an der Anschrift L nie ein Zimmer gemietet und auch tatsächlich nicht dort gewohnt, sondern lediglich die Post dort in Empfang genommen. Der Postkasten ist etwa 100 m vom Haus entfernt und dient als Postkasten für den Unterkunftgeber, dessen Sohn und den Berufungswerber. Das Postfach ist mit Schlüssel versperrbar, tatsächlich aber nicht versperrt. Für den Berufungswerber kamen im Zeitraum Februar bis April 2006 mehrere Hinterlegungsanzeigen und amtliche Post. Der „Unterkunftgeber“ räumte das Postfach regelmäßig, sortierte die Post und gab die Post des Berufungswerbers in das über dem Postkasten befindliche Zeitungsfach, teilweise nahm er die Post mit in sein Haus. Die Post wurde einmal pro Woche, teilweise auch nur alle zwei Wochen, vom Berufungswerber abgeholt. Der Berufungswerber wohnte bei seiner Freundin, wo er allerdings nicht gemeldet ist und teilte dem Postbediensteten mit, dass dieser die Post immer dort hinbringen müsse, wo er gerade gemeldet ist. Es kam auch öfters vor, dass der Berufungswerber vier bis fünf Wochen nicht zum „Unterkunftgeber“ kam.

 

4.2. Diese Feststellungen gründen sich auf den vorgelegten Verwaltungsstrafakt sowie die Ausführungen des zeugenschaftlich einvernommenen Unterkunftgebers des Berufungswerbers. Dieser machte eine glaubwürdigen Eindruck, verwickelte sich nicht in Widersprüche und bestanden keine Zweifel über die wahrheitsgemäße Aussage.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Zur Zustellung zu eigenen Handen regelt § 21 Abs.2 Zustellgesetz, dass der Empfänger schriftlich unter Hinweis auf die sonstige Hinterlegung zu ersuchen ist, zu einer gleichzeitig zu bestimmenden Zeit an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein, wenn die Sendung beim ersten Zustellversuch nicht zu gestellt werden kann. Zur angegebenen Zeit ist ein zweiter Zustellversuch durchzuführen. Ist auch dieser erfolglos, ist nach § 17 zu hinterlegen.

 

Kann die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen (§ 17 Abs.1 Zustellgesetz). Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen.

 

Gemäß § 2 Z5 Zustellgesetz ist „Abgabestelle“ die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort.

 

5.2. Aufgrund der Sachverhaltsfeststellungen ist als erwiesen zugrunde zu legen, dass der Berufungswerber an der von der Behörde angeführten Anschrift zwar behördlich gemeldet, aber nicht aufhältig ist und daher nie dort wohnt. Es kann daher nicht von einer Abgabestelle gemäß § 2 Z5 Zustellgesetz ausgegangen werden, zumal jeder der in § 2 Z4 Zustellgesetz genannte Ort „Abgabestelle“ nur dann und solange ist, wenn und als sich der Empfänger, von relativ kurzfristigen Ausnahmen abgesehen (§ 16 Abs.1 und § 17 Abs.1 Zustellgesetz), dort tatsächlich aufhält (Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, 16. Auflage, Seite 332, Anm. 4). Es fehlt daher schon aus diesem Grund der Meldeanschrift die Eigenschaft als Abgabestelle gemäß § 2 Z5 Zustellgesetz. Eine Zustellung bzw. Hinterlegung ist daher schon aus diesem Grunde unzulässig und unwirksam. Darüber hinaus darf eine Hinterlegung nur dann erfolgen, wenn der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält (§ 17 Abs.1 Zustellgesetz). Regelmäßig anwesend ist der Empfänger immer, wenn er immer wieder an die Abgabestelle zurückkehrt. Entgegen dem Anschein, den der Wortlaut erweckt, kommt es nach der überwiegenden Rechtsprechung für die Zulässigkeit nicht auf den subjektiven Eindruck des Zustellers an, sondern ausschließlich darauf, ob sich der Empfänger tatsächlich regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Ist das nicht der Fall, darf weder eine Ersatzzustellung noch eine Hinterlegung nach § 17 Zustellgesetz erfolgen, vielmehr ist das Dokument dem Empfänger nachzusenden und wenn dies nicht möglich ist, der Behörde zurückzustellen (vgl. Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, 16. Auflage, Seite 352, Anm. 4 sowie Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, 2. Auflage, Seite 1986f und 2000f mit Judikaturnachweisen).

Da die Zustellung unrechtmäßig war, wurde sie nicht wirksam, sondern sie wurde erst mit jenem Zeitpunkt wirksam, mit dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist (§ 7 Abs.1 Zustellgesetz).

 

Gemäß § 71 Abs.1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

 

Aus dem Akt ist ersichtlich, dass die Strafverfügung im Wege einer Faxzustellung am 17.11.2006 an den Rechtsvertreter des Berufungswerbers dem Berufungswerber zugekommen ist. Der Einspruch gegen die Strafverfügung wurde gleichzeitig mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Schriftsatz vom 24.11.2006 eingebracht. Da die Einspruchsfrist ab Zustellung der Strafverfügung zu laufen beginnt, war der Einspruch rechtzeitig. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung war mangels einer Fristversäumnis daher unzulässig. Es war daher der Bescheid der Behörde erster Instanz entsprechend abzuändern.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. Klempt

 

Beschlagwortung:

Abgabestelle, kein tatsächlicher Aufenthalt, unwirksame Zustellung, keine Versäumnis

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum